Der Islam in Kasachstan ist die weitestverbreitete Religion des Landes; der Statistik zufolge waren im Jahre 2009 70,2 % der Bevölkerung Muslime. Ethnische Kasachen sind überwiegend sunnitische Muslime der Hanafi-Schule, daneben gibt es auch eine kleine Anzahl von Schiiten und wenige Ahmani-Muslime. Geographisch betrachtet ist Kasachstan das nördlichste, mehrheitlich muslimisch bevölkerte Land der Welt. Weitere ethnische Gruppen mit muslimischem Hintergrund in Kasachstan sind die Usbeken, Uiguren und Tataren.

Geschichte

Der Islam erreichte mit der Islamischen Expansion nach Zentralasien im 8. Jahrhundert Kasachstan Zunächst etablierte er sich in den südlichen Landesteilen Turkestans und breitete sich dann allmählich nach Norden aus. Der Islam verwurzelte sich dank der begeisternden Missionstätigkeit der samanidischen Herrscher insbesondere in den Gebieten um Taraz, wo eine erhebliche Anzahl der Kasachen den Islam annahmen. Zusätzlich propagierte am Ende des 14. Jahrhunderts die Goldene Horde den Islam unter den Kasachen und anderen zentralasiatischen Stämmen.

Während des 18. Jahrhunderts nahm der russische Einfluss in dieser Region stark zu. Angeführt von Katharina II. zeigten sich die Russen anfangs bereit, den Islam zu tolerieren, als muslimische Geistliche eingeladen wurden, um zu den Kasachen zu predigen, die von den Russen als „wild“ und „ignorant“ gegenüber Moral und Ethik angesehen wurden.

Die russische Kolonialpolitik änderte sich allmählich durch die Einleitung vorislamischer Elemente des kollektiven Bewusstseins in Richtung der Schwächung des Islam. Dazu zählte die Propagierung vorislamischer historischer Persönlichkeiten und das Schüren von Minderwertigkeitsgefühlen durch die Entsendung von Kasachen in hohe russische Elite-Militärinstitutionen.

Im Gegenzug suchten kasachische religiöse Führer durch das Eintreten für den Panturkismus religiöse Inbrunst zu erzeugen, in dessen Folge zahlreiche Anhänger Verfolgung ausgesetzt waren.

Während der Sowjetzeit überlebten muslimische Institutionen in Gebieten, in denen die Kasachen den Nichtmuslimen zahlenmäßig bedeutend überlegen waren. Bei dem Versuch, die Kasachen der kommunistischen Ideologie anzupassen, waren die Beziehungen der Geschlechter und andere Aspekte der kasachischen Kultur Hauptziele der sozialen Veränderung.

In neuerer Zeit haben die Kasachen nach dem Fall der Sowjetunion allmählich bestimmte Anstrengungen zur Neubelebung der islamischen religiösen Institutionen unternommen. Obwohl sie keine strengen Fundamentalisten sind, identifizieren sich die Kasachen weiterhin mit ihrem islamischen Glauben, und sogar noch hingebungsvoller in der ländlichen Gegend. Diejenigen, die behaupten von den ursprünglichen muslimischen Kämpfern und Missionaren des 8. Jahrhunderts abzustammen, gebieten in ihren Gemeinden erheblichen Respekt. Auch politische Persönlichkeiten Kasachstans betonten die Notwendigkeit der Unterstützung des islamischen Bewusstseins. So betonte neulich beispielsweise der ehemalige kasachische Außenminister Marat Täschin, dass Kasachstan Wert auf die Anwendung eines „positiven potentiellen Islam, von seiner Geschichte, Kultur und seinem Erbe lernend“, legt.

Sowjetische Behörden versuchten, eine kontrollierte Form des Islam unter der geistigen Führung der Muslims in Zentralasien und Kasachstan als einigende Kraft in den zentralasiatischen Gesellschaften zu fördern, während gleichzeitig die wahre Religionsfreiheit verboten wird. Seit der Unabhängigkeit hat sich die religiöse Aktivität beträchtlich erhöht. Der Bau von Moscheen und Religionsschulen wurde in den 1990ern mit finanzieller Hilfe der Türkei, Ägyptens und in erster Linie von Saudi-Arabien vorangetrieben. Im Jahr 1991 waren 170 Moscheen in Betrieb und mehr als die Hälfte davon waren neu gebaut. Zu dieser Zeit waren in Kasachstan 230 muslimische Gemeinschaften aktiv.

Der Islam und der Staat

Im Jahr 1990 schuf der damalige Erste Sekretär der Kommunistischen Partei Kasachstans Nursultan Nasarbajew eine Grundlage für den Islam, indem Kasachstan das Muslim Board von Zentralasien, die sowjetisch genehmigte und politisch orientierte religiöse Verwaltung für das gesamte Zentralasien, verließ. Stattdessen gründete Nasarbajew für kasachische Muslime ein separates Muftiat, das heißt eine religiöse Autorität.

Mit Blick auf die nahegelegenen islamischen Regierungen im Iran und Afghanistan verboten die Autoren der Verfassung von 1993 speziell religiöse politische Parteien. Die Verfassung von 1995 verbietet Organisationen, die versuchen, rassische, politische oder religiöse Zwietracht zu säen und stellt ausländische religiöse Organisationen unter strenge staatliche Kontrolle. Wie ihr Vorläufer legt die Verfassung von 1995 fest, dass es sich bei Kasachstan um einen säkularen Staat handelt; damit ist Kasachstan der einzige Staat Zentralasiens, dessen Verfassung dem Islam keinen besonderen Status zuordnet. Jedoch trat Kasachstan im gleichen Jahr der Organisation für Islamische Zusammenarbeit bei. Diese Haltung basierte auf der Grundlage der Außenpolitik der Nasarbajew-Regierung sowie auf inländischen Überlegungen.

Literatur

  • Emmanuel Karagiannis: The Rise of Political Islam in Kazakhstan: Hizb Ut-Tahrir Al Islami. In: Nationalism and Ethnic Politics. 13. Jahrgang, Nr. 2, April 2007, S. 297–322, doi:10.1080/13537110701293567.
  • Azade-Ayse Rorlich: Islam, Identity and Politics: Kazakhstan, 1990–2000. In: Nationalities Papers. 31. Jahrgang, Nr. 2, Juni 2003, S. 157–176, doi:10.1080/00905990307127.
  • Wendell Schwab: Establishing an Islamic niche in Kazakhstan: Musylman Publishing House and its publications. In: Central Asian Survey. 30. Jahrgang, Nr. 2, Juni 2011, S. 227–242, doi:10.1080/02634937.2011.565229.
  • Wendell Schwab: Traditions and texts: how two young women learned to interpret the Qur’an and hadiths in Kazakhstan. In: Contemporary Islam. 2011, doi:10.1007/s11562-011-0177-4.

Einzelnachweise

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  4. Kazakhstan – International Religious Freedom Report 2009 U.S. Department of State, abgerufen am 7. September 2009 (englisch).
  5. Touraj Atabaki: Central Asia and the Caucasus: transnationalism and diaspora, S. 24
  6. Ibn Athir, Band 8, S. 396
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  8. Carol R. Ember und Melvin Ember: Encyclopedia of Sex and Gender: Men and Women in the World’s Cultures, S. 572
  9. Shireen Hunter: Islam in Russia: The Politics of Identity and Security, S. 14
  10. Caesar E. Farah: Islam: Beliefs and Observances, S. 304
  11. Caesar E Farah: Islam: Beliefs and Observances, S. 340
  12. Kogan Page: Asia and Pacific Review 2003/04, S. 99
  13. Touraj Atabaki: Central Asia and the Caucasus: transnationalism and diaspora.
  14. inform.kz | 154837 (Memento vom 20. Oktober 2007 im Internet Archive)
  15. Kazakhstan, Islam in in Oxford Islamic Studies Online
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