Joachim Rossihnius (auch Rossinius, Roschinius, Rossichnius, Rosinus, Rossenius, * ca. 1600, vermutlich in oder bei Stargard; † wahrscheinlich 1645 in Kodavere) war ein aus Deutschland eingewanderter Pastor und Verfasser von geistlichen Schriften in Estland.

Biographie

Rossihnius stammte aus Pommern und wurde 1614 an der Viadrina in Frankfurt (Oder) immatrikuliert. Da er „noch zu jung war, um den bei der Immatriculation erforderlichen Eid zu leisten“, hat man ein Geburtsjahr um 1600 angenommen. Über die Dauer seines Studiums, einen Abschluss und seine Tätigkeit in den Jahren bis 1622 ist nichts bekannt.

1622 wurde er zum Pastor in Vigala, im damaligen Herzogtum Estland, das zu Schweden gehörte und im nordestnischen Sprachgebiet liegt, berufen. Das Gebiet war nach dem Zerfall des Livländischen Ordensstaates (1561) jedoch jahrzehntelang Zankapfel zwischen Schweden, Russland und Polen gewesen, und in den Jahren 1621 bis 1625 herrschte wieder einmal Krieg zwischen Schweden und Polen. Es ist nicht bekannt, wie lange Rossihnius in Vigala, das nahe an der Grenze zum (polnischen) Livland lag, verblieb, jedenfalls befand er sich 1625, als das schwedische Heer unter der Führung von Jakob De la Gardie nach Tartu zog, als Feldprediger in den Reihen der schwedischen Armee.

Nach dem siegreichen Einzug der Schweden in Tartu hielt Rossihnius eine Predigt in der Marienkirche, „nachdem sie von den Jesuiten geräumet worden.“ Ab 1626 war er offiziell Pastor in Tartu, ab 1631 in Sangaste, das wie Tartu ebenfalls im südestnischen Sprachgebiet liegt. Hier war er bis 1642, danach eine Weile ohne Stellung. 1644 wurde er als Pastor in Kodavere bestätigt, wo er indes bereits im folgenden Jahr verstarb.

Literarische Tätigkeit

Obwohl Rossihnius bei seiner Ankunft in Estland der Landessprache kaum mächtig gewesen sein wird, muss er relativ schnell Estnisch gelernt haben. Da zu seiner Zeit kaum gedruckte estnischsprachige Hilfsmittel für die kirchliche Arbeit vorlagen, erstellte er zwei estnische Handbücher, die zu den frühesten estnischen Drucken überhaupt zählen. Beide wurden im Jahre 1632 in Riga gedruckt.

Sein Catechismus Herrn D. Martini Lutheri ist zweisprachig – Deutsch und Südestnisch in zwei Spalten – abgefasst und umfasst 86 Seiten. Es ist angenommen worden, dass Rossihnius nicht selbst der Übersetzer aus dem Deutschen war, sondern sich auf nordestnische Texte stützte – u. a. von Heinrich Stahl bzw. Stahell und Georg Müller – und lediglich auf deren Grundlage eine südestnische Version erstellte. Dabei konzentrierte er sich vornehmlich auf Veränderungen im Bereich des Wortschatzes, wobei die spätere Forschung festgestellt hat, dass dies nur uneinheitlich geschehen ist und sein Text sowohl südestnische als auch nordestnische Elemente enthält.

Das Buch Evangelia und Episteln ist 200 Seiten stark und trotz seines deutschen Titels rein estnischsprachig, sieht man von den deutschen Zwischenüberschriften ab. Damit ist es der erste estnische Druck überhaupt, der keinen deutschen Paralleltext aufweist. Zudem bildet es allein schon durch seinen Umfang ein bedeutendes Sprachdenkmal. Gemeinsam mit dem ebenfalls 1632 erschienenen 1. Teil von Stahells Hand und Hauszbuchs steht Rossihnius’ Buch am Beginn des estnischen Schrifttums.

Da Rossihnius’ Bücher zeitweise verschollen waren und nur wenige Exemplare erhalten sind, wurden beide Texte gemeinsam 1898 in einem Band neu herausgegeben und damit der Forschung zugänglich gemacht.

Literatur zum Autor

  • M. Lipp: Joachim Rossinius, in: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1896. Jurjew (Dorpat): C. Mattiesen 1897, S. 110–115.
  • L. Meyer: Ueber die ältesten estnischen Sprachdenkmäler und Joachim Rossihnius, in: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1897. Jurjew (Dorpat): C. Mattiesen 1898, S. 1–29.
  • Wilhelm Reiman: Joachim Rossihnius. Südestnische Uebersetzung des Lutherischen Katechismus, der Sonntags-Evangelien und -Episteln und der Leidensgeschichte Jesu nebst einem Anhang in das Südestnische übersetzter Kirchenlieder und Stücke der Agende mit einer Einleitung. Dorpat: Laakmann 1898. 273 S. (Verhandlungen der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 19)
  • A. S-te: ROSSIHNIUS, in: Eesti biograafiline leksikon. Peatoimetaja: A. R. Cederberg. Tartu: Loodus 1926–1929, S. 434–435.
  • Helgi Liin: Saksa tõlkelaenudest J. Rossihniuse eesti keeles, in: Emakeele Seltsi Aastaraamat 19–20 (1973–74), 1975, S. 169–178.
  • Paul Alvre: Mõnda Joachim Rossihniuse keelekasutuse eripärast, in: Emakeele Seltsi Aastaraamat 47, 2002, S. 39–43.
  • Valve-Liivi Kingisepp, Külli Habicht, Külli Prillop: Joachim Rossihniuse kirikumanuaalide leksika. Tartu: Tartu Ülikool 2002. 533 S. (Tartu Ülikooli eesti keele õppetooli toimetised 22)
  • Rossihnius, Joachim. In: Johann Friedrich v. Recke, Karl E. Napiersky (Hrsg.): Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexicon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland. Band 3 L–R. Johann Friedrich Steffenhagen und Sohn, Mitau 1831 (Münchener Digitalisierungszentrum [abgerufen am 27. November 2020]).

Einzelnachweise

  1. Valve-Liivi Kingisepp, Külli Habicht, Külli Prillop: Joachim Rossihniuse kirikumanuaalide leksika. Tartu: Tartu Ülikool 2002, S. 13.
  2. Er wird in der Matrikel der Viadrina als „Joachimus Rossinius Stargardensis Pomeranus“ geführt, was nicht bedeuten muss, dass er dort auch geboren ist, s. Wilhelm Reiman: Lebensschicksale des Verfassers, in: Ders.: Joachim Rossihnius. Südestnische Uebersetzung des Lutherischen Katechismus … Dorpat: Laakmann 1898, S. VI.
  3. L. Meyer: Ueber die ältesten estnischen Sprachdenkmäler und Joachim Rossihnius, in: Sitzungsberichte der Gelehrten Estnischen Gesellschaft 1897. Jurjew (Dorpat): C. Mattiesen 1898, S. 20–21. In der Literatur findet sich mehrfach der Hinweis, Rossihnius habe in Frankfurt am Main studiert – so bei Eesti kirjanike leksikon. Koostanud Oskar Kruus ja Heino Puhvel. Tallinn: Eesti Raamat 2000, S. 476, Eestikeelne raamat 1525-1850. Toim. E. Annus. Tallinn 2000, S. 647 oder Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, New York: Walter de Gruyter 2006, S. 111 – , was ein bedauerlicher Übertragungsfehler sein muss. Aus Leo Meyers zitiertem Artikel geht eindeutig hervor, dass es sich um Frankfurt (Oder) handelt, zumal es zum fraglichen Zeitpunkt in Frankfurt am Main auch gar keine Universität gab (!).
  4. Wilhelm Reiman: Lebensschicksale des Verfassers, in: Ders.: Joachim Rossihnius. Südestnische Uebersetzung des Lutherischen Katechismus …Dorpat: Laakmann 1898, S. VI.
  5. Wilhelm Reiman: Lebensschicksale des Verfassers, in: Ders.: Joachim Rossihnius. Südestnische Uebersetzung des Lutherischen Katechismus …Dorpat: Laakmann 1898, S. IX.
  6. A. S-te: ROSSIHNIUS, in: Eesti biograafiline leksikon. Tartu: Loodus 1926-1929, S. 434.
  7. Cornelius Hasselblatt: Geschichte der estnischen Literatur. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Berlin, New York: Walter de Gruyter 2006, S. 111.
  8. A. S-te: ROSSIHNIUS, in: Eesti biograafiline leksikon. Tartu: Loodus 1926-1929, S. 435.
  9. Arnold Kask: Eesti kirjakeele ajaloost I. Tartu: TRÜ Eesti keele kateeder 1970, S. 60–61.
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