Republik Estland
Eesti Vabariik
Flagge Wappen
Estland in der Europäischen Union
Amtssprache Estnisch
Hauptstadt Tallinn
Staats- und Regierungsform parlamentarische Republik
Staatsoberhaupt Präsident
Alar Karis
Regierungschef Premierministerin
Kaja Kallas
Parlament(e) Riigikogu
Fläche 45.339 km²
Einwohnerzahl 1,3 Millionen (151.) (2022)
Bevölkerungsdichte 31 Einwohner pro km²
Bevölkerungs­entwicklung +0,2 % (Schätzung für das Jahr 2020)
Bruttoinlandsprodukt
  • Total (nominal)
  • Total (KKP)
  • BIP/Einw. (nom.)
  • BIP/Einw. (KKP)
2021
  • 37 Milliarden USD (99.)
  • 57 Milliarden USD (109.)
  • 27.962 USD (40.)
  • 42.637 USD (40.)
Index der menschlichen Entwicklung 0,89 (31.) (2021)
Währung Euro (EUR)
Unabhängigkeit 24. Februar 1918 (Deklaration)
20. August 1991 (Wiedererlangung)
National­hymne Mu isamaa, mu õnn ja rõõm
(„Mein Vaterland, mein Glück und [meine] Freude“)
Nationalfeiertag 24. Februar (Unabhängigkeitstag)
Zeitzone UTC+2 OEZ
UTC+3 OESZ (März bis Oktober)
Kfz-Kennzeichen EST
ISO 3166 EE, EST, 233
Internet-TLD .ee
Telefonvorwahl +372
Städte in Estland

Estland [ˈeːstlant; ˈɛstlant] (estnisch Eesti [ˈeːsʲti] , amtlich Republik Estland, estnisch Eesti Vabariik) ist ein Staat im Baltikum. Als nördlichster der drei baltischen Staaten grenzt es im Süden an Lettland, im Osten an Russland und im Norden und Westen an die Ostsee. Über den Finnischen Meerbusen hinweg bestehen enge, unter anderem sprachlich-kulturell begründete Bindungen an Finnland. Durch die jahrhundertelange Präsenz von Deutsch-Balten in Estland gibt es zudem historische Verbindungen zu Deutschland.

Der erstmals von 1918 bis 1940 und erneut seit 1991 unabhängige Staat ist Mitglied der Vereinten Nationen und seit 2004 der EU. Estland ist zudem Mitglied des Europarats, der NATO sowie der OSZE, seit 2010 der OECD und seit 2011 der Eurozone.

Estland hat rund 1,3 Millionen Einwohner (2022), die meist Esten, seltener Estländer genannt werden. Die Bevölkerungsmehrheit bilden ethnische Esten (rund 70 Prozent), ein finno-ugrisches Volk; daneben gibt es eine bedeutende russische Minderheit (25 Prozent). Die Hauptstadt und größte Stadt Estlands ist Tallinn, das frühere Reval; die zweitgrößte Stadt ist Tartu.

Geographie

Estland befindet sich im Norden des Baltikums. Die Zuordnung der Gesamtregion wiederum ist umstritten und wird neben geographischen Faktoren auch von historisch-kulturellen und politischen Aspekten beeinflusst. So wird das Baltikum sowohl Nordeuropa als auch Mitteleuropa, Osteuropa und Nordosteuropa zugeordnet.

Estland liegt an der östlichen Küste der Ostsee. Flächenmäßig ist es etwas kleiner als Niedersachsen und etwas größer als die Schweiz. Das seenreiche Wald- und Hügelland mit vielen Mooren (teilweise Gewinnung von Torf) hat eine durchschnittliche Höhe von nur 50 m. Im südöstlichen Moränengebiet steigt es zum livländischen Hügelland bis zur höchsten Erhebung, dem Suur Munamägi (318 Meter), an. Der größte See ist der Peipsi järv (Peipussee), die größten Inseln sind Saaremaa und Hiiumaa.

Die gesamte Küstenlinie hat eine Länge von 3.794 Kilometern. Sie ist durch mehrere Golfe (wie die Rigaer Bucht), Meerengen und Einbuchtungen gekennzeichnet.

Klima

Das Klima Estlands ist im Allgemeinen kühl-gemäßigt bis rau mit kalten, frostigen Wintern und mäßig warmen Sommern auf nordeuropäischem Niveau. Das Jahresmittel der Temperatur liegt in der Hauptstadt Tallinn bei 4,5 °C, es fallen 650 Millimeter Niederschlag mit einem Maximum im Spätsommer. Im Juli werden durchschnittlich 16,5 °C und im Januar −6,0 °C erreicht. Trotz des kalten Winters bleiben die Küsten meist eisfrei. Wobei es im Landesinneren im Winter zur selben Zeit bis zu 30 °C kälter sein kann als an der Küste (der Kälterekord liegt bei −45 °C in Jõgeva im Jahr 1945, s. a. Liste der Länder nach Temperatur#Staaten nach Extremtemperatur).

Flora und Fauna

Mehr als 50 % der estnischen Landesfläche sind bewaldet. Der häufigste Laubbaum in den estnischen Wäldern ist die Birke. Sie ist ein vielbesungenes Motiv in Liedern und Volksdichtung und ein nationales Symbol des Landes. Vor allem auf sandigen Böden in Meeresnähe kommt die Waldkiefer häufig vor. Sie nimmt einen Anteil von etwa 35 % der estnischen Waldflächen ein. Am größten ist ihre Bedeutung auf den vorgelagerten Inseln Saaremaa und Hiiumaa sowie im Landkreis Harjumaa. Auch Fichte, Tanne und Lärche zählen zu den in Estland heimischen Nadelbaumarten.

In Estland sind als große Säugetierarten Elche (ca. 12.000), Rothirsche (ca. 2.800), Rehe (ca. 50.000) sowie Braunbären (etwa 600), Luchse (etwa 800), Wölfe (etwa 150) und Wildschweine (etwa 20.000) heimisch und bejagbar. Ferner kommen Rotfüchse, Biber (etwa 20.000), Marder (u. a. der Europäische Nerz mit ca. 25 Exemplaren auf Hiiumaa) und die seltener gewordenen Schneehasen (etwa 12.000) vor.

Das größte Naturreservat des Landes ist Otepää looduspark (Naturpark Otepää) mit ca. 222 km².

Estland hat u. a. als Brutgebiet der Doppelschnepfe und als Durchzugsgebiet zahlreicher Zugvögel internationale Bedeutung. Des Weiteren brüten acht der neun europäischen Spechtarten im Landesgebiet.

Bevölkerung

Demografie

Estland hatte 2020 1,3 Millionen Einwohner. Das jährliche Bevölkerungswachstum betrug +0,2 %. Dieses wurde negativ durch einen Sterbeüberschuss und positiv durch Immigration beeinflusst. 2020 stand einer Geburtenziffer von 9,9 pro 1000 Einwohner eine Sterbeziffer von 11,9 pro 1000 Einwohner gegenüber. Die Anzahl der Geburten pro Frau lag 2020 statistisch bei 1,6. Die Lebenserwartung der Einwohner Estlands ab der Geburt lag 2020 bei 78,3 Jahren (Frauen: 82,7, Männer: 74,2). Der Median des Alters der Bevölkerung lag im Jahr 2020 bei 42,4 Jahren und damit unter dem europäischen Wert von 42,5.

Ethnien

Neben der estnischen Mehrheit (68,95 %) gibt es eine große russische Minderheit (25,48 %) sowie kleinere Gruppen von Ukrainern (2,05 %), Belarussen (1,14 %) und Finnen (0,78 %). In Tallinn sind 45 % der Einwohner keine ethnischen Esten.

Estlands Bevölkerung nach Ethnien, 1922–2021
Ethnische
Herkunft
19221934 19591970 19791989 20002006 20112017 2021
Anzahl %Anzahl %Anzahl %Anzahl %Anzahl % Anzahl %Anzahl %Anzahl %Anzahl %Anzahl % Anzahl %
Esten 969.97687,6992.52088,1892.65374,6925.15768,2947.81264,7 963.28161,5935.88468,2921.90868,6924.10069,0904.63968,8 914.89665,6
Russen 91.1098,292.6568,2 240.22720,1334.62024,7408.77827,9474.83430,3 354.66025,8345.16825,7341.45025,5330.20625,1 322.70023,2
Ukrainer 15.7691,328.0862,136.0442,548.2713,1 29.2592,128.3212,127.5302,123.1831,8 27.2542,0
Belarussen 10.9300,918.7321,423.4611,627.7111,8 17.4601,316.3161,215.3151,111.8280,9 11.4850,8
Finnen 4010,01.0880,116.6991,418.5371,417.7531,2 16.6221,111.9740,911.1630,810.4940,87.5910,6 8.4790,6
Tataren 1660,01.5340,12.2040,23.1950,24.0580,3 2.6100,22.5000,22.4280,21.9340,11.9370,1
Letten 1.9660,25.4350,52.8880,23.2860,23.9630,3 3.1350,22.3450,22.2300,22.1770,22.2090,2 3.5720,3
Polen 9690,11.6080,12.2560,22.6510,22.8970,2 3.0080,22.2120,22.0970,21.9930,11.6730,1 1.7450,1
Juden 4.5660,44.4340,45.4330,55.2820,44.9540,3 4.6130,32.1780,21.9390,11.7700,11.9710,1 1.8980,1
Litauer 4360,02530,01.6160,12.3560,22.3790,2 2.5680,22.1310,22.0790,12.0460,21.8810,1 2.0570,1
Deutsche 18.3191,716.3461,56700,17.8500,63.9440,3 3.4660,21.8780,11.8950,11.9180,11.9450,1 2.5700,2
Schweden 7.8500,77.6410,7 4350,02540,02970,0
Andere und unbekannt 11.4671,04.2660,46.1160,56.8830,59.0420,6 13.7980,99.4800,79.0680,78.9730,715.3851,2 95.4796,8
Gesamt 1.107.0591.126.413 1.196.7911.356.079 1.464.4761.565.662 1.372.0711.344.684 1.340.1941.315.635 1.394.072
Angaben nach miksike.ee und lcweb2.loc.gov.
Angaben nach pub.stat.ee
Angaben jeweils für 1. Januar des Jahres

Sprachkenntnisse

Nach der Volkszählung von Ende 2021 sprachen 76 % der Bewohner Estlands mindestens eine weitere Sprache. Von den Einwohnern mit Fremdsprachenkenntnissen sprachen 48 % eine weitere Sprache, 35 % zwei, 13 % drei und 3 % vier weitere Sprachen. 84 % der Bevölkerung sprachen Estnisch, davon 67 % als Muttersprache und 17 % als Fremdsprache. Russisch wurde von 67 % der Bevölkerung gesprochen, davon 29 % als Muttersprache und 39 % als Fremdsprache. Englisch wurde als Fremdsprache von 48 % gesprochen und hat damit Russisch, das bei der Volkszählung 2011 noch den Platz der häufigsten Fremdsprache einnahm, abgelöst. Die nächsthäufigen Fremdsprachen waren Finnisch mit 11 % und Deutsch mit 7 % (alle Zahlen gerundet).

Russische Minderheit

Ein Viertel der Menschen in Estland gehört der russischen Minderheit an. Etwa ein Drittel dieser Gruppe hat keinen estnischen Pass, sondern einen russischen. Nur ein kleiner Anteil der Minderheit ist staatenlos. Jedoch haben alle Angehörigen der russischen Minderheit eine Visumfreiheit in der Europäischen Union. Eine Mehrheit der in Estland lebenden Russen hat die estnische Sprache gelernt. Die Stadt mit den meisten Angehörigen der estnischen Russen ist Narva, wo mehr als 95 Prozent der Bewohner Russisch sprechen.

Zu Zeiten der Zugehörigkeit zur Sowjetunion wurden Estnischkenntnisse vom Staat nicht verlangt. Das Einbürgerungsverfahren ist jedoch mit einem Sprachtest verbunden, den viele, vor allem ältere Russischsprachige, als unüberwindbare Hürde empfinden, da sie die estnische Sprache nie in genügendem Umfang gelernt haben. Viele jüngere Russischsprachige beherrschen Estnisch und haben deshalb geringere Schwierigkeiten mit dem Einbürgerungsverfahren. In letzter Zeit bringen Russischsprachige vermehrt ihre Kinder in estnischsprachige Kindergärten und Schulen, um ihnen eine bessere Integration zu ermöglichen. Im Durchschnitt verfügen die Esten im Vergleich zu der russischsprachigen Minderheit über ein höheres Einkommen. Esten sind in Leitungspositionen überproportional vertreten, Russischsprachige sind eher im Dienstleistungs- und Produktionsbereich beschäftigt. Andererseits sprechen die Esten weniger Russisch, was die Kommunikation mit Geschäftspartnern aus Russland erschwert und so den russischsprachigen Einwohnern Estlands Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnet.

Estland bietet Sprachkurse und weitere Integrationsprogramme an, um vorhandene Qualitätsunterschiede zwischen den estnischen und russischen Schulen einzuebnen.

Es gibt auch Russischsprachige, die ihre Familiennamen geändert haben, in der Hoffnung, bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu haben.

Von insgesamt etwa 100.000 Auslandsesten leben knapp 40.000 in Russland, 35.000 in Kanada und 15.000 in Schweden. Andere größere Gruppen gibt es in Finnland, Südafrika und in Australien. In Deutschland lebten 2010 etwa 4.040 Esten.

Religion

Mit der Eroberung durch Schweden im 17. Jahrhundert zog in Estland der lutherische Glaube ein. Heute bekennen sich allerdings nur noch weniger als 30 Prozent der Bevölkerung zum Christentum. 13,6 Prozent der Bevölkerung sind evangelisch-lutherisch und 12,8 Prozent orthodox. 0,5 % der Bevölkerung sind Baptisten und 0,5 % römisch-katholisch. Die zehn bedeutendsten christlichen Kirchen und Gemeinschaften haben sich im Rat Christlicher Kirchen Estlands zusammengeschlossen.

Die Mehrheit der Esten gehört keiner Konfession an. Traditionelle Religion der Esten ist der christliche Glaube in der Form des Luthertums, wie er in Skandinavien weit verbreitet ist. Die Estnische Evangelisch-Lutherische Kirche (EELK) ist eine quasi-offizielle Kirche (üblich ist beispielsweise die Abhaltung von Gottesdiensten zu Parlamentseröffnungen), und ihr Erzbischof ist die Zentralfigur der estnischen öffentlichen Religion. Die EELK dominiert auch die relativ umfassende Theologenausbildung in Estland (in Tartu an der Universität und in Tallinn an der Kirchlichen Hochschule).

Die orthodoxen Christen gehören größtenteils der Estnischen Apostolischen Orthodoxen Kirche oder Estnisch-Orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats an. Eine Besonderheit bilden die etwa 5000 Altorthodoxen, die seit dem 18. Jahrhundert vor der Verfolgung im russischen Kernland in die Randgebiete des Russischen Reiches flohen. Am estnischen Ufer des Peipussees gibt es zahlreiche von Altorthodoxen bewohnte Dörfer. Kleinere Gemeinden gibt es auch in Tallinn und Tartu.

Zudem sind etwa 4000 Personen Mitglied der Zeugen Jehovas.

Zum jüdischen Glauben bekennen sich nur noch etwa 0,1 % der estnischen Bevölkerung.

Daneben gibt es kleinere Gemeinden sonstiger protestantischer, jüdischer und islamischer Gemeinschaften, außerdem neopagane Gruppen.

Eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Europäischen Kommission im Rahmen des Eurobarometers ergab 2020, dass für 22 Prozent der Menschen in Estland Religion wichtig ist, für 21 Prozent ist sie weder wichtig noch unwichtig und für 57 Prozent ist sie unwichtig.

Bildungswesen

In Estland gibt es zwölf anerkannte Universitäten, davon sieben staatliche und fünf private Universitäten, sowie 26 weitere Hochschulen.

In vielen Schulen Tallinns gibt es elektronische Klassenbücher. Das ermöglicht Lehrern wie auch den Eltern, von zu Hause aus Einsicht in die Einträge über die Schüler zu erhalten. Das erforderliche Computer-Programm wird den Eltern vom Staat kostenlos zur Verfügung gestellt.

Bereits Ende der 1990er-Jahre hatte jede Schule einen Internetzugang.

Im PISA-Ranking von 2018 erreichen Estlands Schüler Platz 8 von 72 Staaten in Mathematik, Platz 5 in Naturwissenschaften und Platz 5 beim Leseverständnis. Estnische Schüler gehörten damit zu den besten von allen teilnehmenden Staaten und erreichten zusammen mit Finnland den Spitzenwert unter den europäischen Nationen.

Nach der Unabhängigkeit wurde Russisch als erste Fremdsprache durch Englisch ersetzt. Zum Teil beginnt der Englischunterricht bereits im Kindergarten. Nicht synchronisierte englischsprachige Fernsehsendungen fördern das Erlernen des Englischen erheblich.

Gesundheitswesen

Im Jahr 2018 praktizierten in Estland 34,8 Ärzte je 1000 Einwohner.

Laut WHO hat Estland mit geschätzt 10.000 Infizierten die höchste HIV-Infektionsrate in der WHO-Region Europa: 0,58 % der Bevölkerung (1,3 % der Bevölkerung zwischen 15 und 49 Jahren). Am meisten betroffen sind Strafgefangene sowie Angehörige der russischsprachigen Minderheit in Kohtla-Järve, Narva und Tallinn. Allerdings werden in Estland vergleichsweise viel mehr HIV-Tests durchgeführt als in den anderen europäischen Staaten, auch werden ausnahmslos alle schwangeren Frauen per Gesetz auf HIV getestet.

Geschichte

Das heutige Estland besteht aus der ehemaligen, von 1710 bis 1918 zum Russischen Reich gehörigen Ostseeprovinz Gouvernement Estland und dem nördlichen Teil Livlands, zu dem auch die Insel Saaremaa (Ösel) gehörte.

Deutscher Einfluss

Die mit dem Deutschen Orden ins Land gekommenen Vasallen hatten sich 1252 erstmals zu einer autonomen Landesverwaltung zusammengeschlossen, die durch das bis 1346 dänische Nordestland bestätigt wurde. Nach dem Ende der Herrschaft des Ordens 1561 nahmen die hanseatischen Städte und die Ritterschaften auf dem Land die öffentlich-rechtlichen Selbstverwaltungsaufgaben wahr. Diese Landesprivilegien, eine Art Autonomiestatut, wurden von der schwedischen Oberherrschaft bestätigt und blieben auch nach der russischen Eroberung Estlands im Großen Nordischen Krieg (1710) unberührt.

Die Oberschicht der Stadtbürger und Gutsbesitzer war deutschsprachig, bis 1885 war Deutsch Unterrichts- und Behördensprache. Aufgrund einer Russifizierungskampagne der russisch-zaristischen Regierung löste Russisch Deutsch in dieser Funktion ab.

Erste Unabhängigkeit

Eine zentrale Rolle spielte bei der Entwicklung zur eigenen kulturellen und politischen Identität die Universität Tartu (Dorpat), auf der seit den 1870er-Jahren die studierenden Esten sich bewusst nicht mehr über die Mitgliedschaft in den Korporationen assimilieren wollten, sondern vor allem im Verein Studierender Esten eine eigene Identität förderten. Während des Zerfalls des Russischen Reiches im Verlauf der Oktoberrevolution erlangte Estland am 24. Februar 1918 seine Unabhängigkeit. Frauen und Männern wurde im Wahlgesetz der konstituierenden Versammlung vom 24. November 1918 das allgemeine aktive und passive Wahlrecht zuerkannt, sodass das Frauenwahlrecht gleichzeitig mit dem Männerwahlrecht eingeführt wurde. Die Verfassung von 1920 bestätigte dieses Recht.

1921 wurde Estland Mitglied des Völkerbundes.

In den Jahren 1939 bis 1940 wurden die Deutschbalten von den Nationalsozialisten aus Estland und Lettland unter dem Motto Heim ins Reich im Rahmen einer Umsiedlung ins Deutsche Reich geholt. Grund war die im Geheimabkommen zum Hitler-Stalin-Pakt geschlossene Vereinbarung, das Baltikum der sowjetischen Interessensphäre zuzuschlagen.

Sowjetrepublik

Unter massiver Gewaltandrohung wurde Estland zusammen mit Lettland und Litauen 1940 von der Sowjetunion gemäß der im deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt festgelegten Bestimmungen annektiert. Nach sowjetischer Lesart traten die baltischen Staaten der UdSSR bei, allerdings bestand über die ganze Periode der Zugehörigkeit Estlands zur UdSSR eine estnische Exilregierung, deren Kontinuität auch in der heutigen offiziellen Interpretation der Geschichte Estlands anerkannt wird. Auch international wurde die Annexion bis zur erneuten Unabhängigkeit überwiegend nicht anerkannt. Die Estnische Sozialistische Sowjetrepublik wurde mit Unterstützung von sowjetischen Emissären proklamiert, nachdem Estland zuvor bereits sowjetische Truppen auf seinem Territorium hatte dulden müssen. Das Frauenwahlrecht blieb bestehen, auch wenn der demokratische Charakter von Wahlen unter dem sowjetischen Regime nicht gegeben war.

1940/41 erfolgten Ermordungen und Massendeportationen von Esten, besonders aus dem Besitz- und Bildungsbürgertum, in das Innere der Sowjetunion. Viele von ihnen kamen in den Straflagern des Gulag ums Leben. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion 1941 war das Land bis 1944 von deutschen Truppen besetzt und wurde verwaltungstechnisch dem Reichskommissariat Ostland zugeordnet. In dieser Zeit wurde der NS-Völkermord an den Juden auch in Estland, teilweise unter Mitwirkung Einheimischer, durchgesetzt. Etwa 1.000 estnische und 10.000 Juden ost- und mitteleuropäischer Herkunft wurden getötet.

Aufgrund der Erfahrungen mit den sowjetischen Besatzern schlossen sich viele Esten den deutschen Truppen an, ebenso kämpften Esten auf sowjetischer Seite. Zehntausende Esten flüchteten 1944 nach Deutschland (von dort aus später nach Amerika und Australien), nicht wenige auch nach Schweden und Finnland. Nach der erneuten Besetzung durch die Rote Armee im Herbst 1944 wurde das Land unter Wiederherstellung der Estnischen Sozialistischen Sowjetrepublik von 1940/41 in die Sowjetunion eingegliedert. Es folgten erneut Deportationen von vermeintlich oder tatsächlich das sowjetische System ablehnenden Esten und Repressalien gegen sogenannte Volksfeinde. Auch einfache Menschen wurden deportiert, da die Sowjets das estnische Nationalbewusstsein und darum auch die traditionellen Strukturen vernichten wollten.

Während des Zweiten Weltkrieges verließ die schwedischsprachige estnische Bevölkerung, die vor allem auf den Inseln Hiiumaa (Dagö), Vormsi (Worms) und Ruhnu (Runö) lebte, das Land. Bis dahin hatte sich ihr Estlandschwedisch, das mit dem Finnlandschwedischen zu den ostschwedischen Dialekten zählt, bewahrt.

In der Zeit von 1945 bis 1990 wurde durch die staatlich dirigierte Ansiedlung nichtestnischer Sowjetbürger, insbesondere von Russen, die Zusammensetzung der Bevölkerung zu Ungunsten des Anteils ethnischer Esten verändert.

Erneute Unabhängigkeit 1990

Im Rahmen der Perestroika fanden in den sowjetischen Republiken im Frühjahr 1990 Parlamentswahlen statt, zu denen eine Vielzahl von Kandidaten antreten durften, in Estland am 18. März 1990. Am 30. März 1990 erklärte Estland sich zur Republik. Am 18. Dezember 1990 verzichtete Estland auf eine weitere Mitarbeit im Obersten Sowjet der UdSSR. In einer Volksabstimmung über den künftigen Status der Republik stimmten 78 % der Wahlberechtigten am 3. März 1991 für die Unabhängigkeit. Der Vorsitzende des Obersten Rates der Republik Estland, Arnold Rüütel, erklärte, dass ein Referendum keine rechtlich bindende Wirkung habe. Nach dem Augustputsch in Moskau am 20. August 1991 erklärte der Oberste Rat die volle Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Am 23. August 1991 wurde der sowjetische Geheimdienst KGB verboten und am 25. August alle Organe der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (KPdSU). Die Sowjetunion erkannte die Unabhängigkeit Estlands am 6. September 1991 an.

Estland stellte damit nach einem mehrjährigen Prozess der Loslösung von der Sowjetunion – im Zuge von Glasnost und Perestroika, insbesondere seit 1988 – seine Souveränität wieder her. Diese Entwicklung verlief überwiegend friedlich; sie wurde als „singende Revolution“ bekannt. Das Frauenwahlrecht wurde erneut bestätigt.

Estland wurde am 29. März 2004 NATO-Mitglied. Die estnische Bevölkerung befürwortete am 14. September 2003 in einem Referendum den Beitritt zur Europäischen Union. Am 1. Mai 2004 wurde daraufhin Estland in die EU aufgenommen. Am 9. Dezember 2010 erfolgte der Beitritt zur Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD). Am 1. Januar 2011 führte Estland als erster der baltischen Staaten den Euro ein (siehe auch Estnische Euromünzen).

Ein großes Problem für Estland stellte die Auswanderung junger qualifizierter Einwohner (meist ethnische Esten) nach Skandinavien und Westeuropa dar, bei einer konstant niedrigen Geburtenrate in Estland.

Politik

Staatsaufbau

Estland ist eine parlamentarische Republik. Die gesetzgebende Gewalt gehört dem Riigikogu (Staatsversammlung/Parlament), der laut dem estnischen Grundgesetz 101 Abgeordnete hat. Der Riigikogu wird von allen estnischen Staatsbürgern, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, gewählt; das passive Wahlrecht haben estnische Staatsbürger mit der Vollendung des 21. Lebensjahres.

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident der Republik Estland, der ein abstammungsgemäßer Staatsbürger Estlands und mindestens 40 Jahre alt sein muss. Das Amt des Präsidenten ist hauptsächlich zeremonieller Natur. Er oder sie vertritt Estland völkerrechtlich, ernennt die estnischen Botschafter, beglaubigt die ausländischen Gesandten in Estland und verleiht Orden sowie militärische und diplomatische Titel.

Die Regierung der Republik besteht aus den Ministern und dem Premierminister (Regierungschef). Der Premierminister wird von Präsidenten und Parlament mit der Regierungsbildung beauftragt. Die daraufhin vom designierten Premierminister nominierten Minister legen ihrem Amtseid im Parlament ab und werden anschließend zusammen mit dem Regierungschef vom Präsidenten ernannt.

Die Trennung zwischen Staatsoberhaupt und Regierungschef wird in Estland so konsequent erst seit der Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit in den 1990er-Jahren praktiziert.

Bei der Parlamentswahl in Estland am 3. März 2019 lag die Wahlbeteiligung bei 63,7 %.

Politische Indizes

Von Nichtregierungsorganisationen herausgegebene politische Indizes
Name des IndexIndexwertWeltweiter RangInterpretationshilfeJahr
Fragile States Index38,6 von 120153 von 179Stabilität des Landes: sehr stabil
0 = sehr nachhaltig / 120 = sehr alarmierend
Rang: 1 = fragilstes Land / 179 = stabilstes Land
2023
Demokratieindex7,96 von 1027 von 167Unvollständige Demokratie
0 = autoritäres Regime / 10 = vollständige Demokratie
2022
Freedom in the World Index94 von 100Freiheitsstatus: frei
0 = unfrei / 100 = frei
2023
Rangliste der Pressefreiheit85,31 von 1008 von 180Gute Lage für die Pressefreiheit
100 = gute Lage / 0 = sehr ernste Lage
2023
Korruptionswahrnehmungsindex (CPI)74 von 10014 von 180100 = sehr sauber / 0 = sehr korrupt2022

Wahlen per Internet

Gewählt wird in Estland in Wahlkabinen oder über das Internet. Bei den Internetwahlen können die Wähler sich bis zum Vorwahlschluss umentscheiden. Am Wahltag kann die Internetwahl, falls gewünscht, dann zum letzten Mal noch korrigiert werden.

Koalitionen ab 1992

Seit das Kabinett Laar I 1992 die Regierung übernahm, wurden alle estnischen Regierungen durch Koalitionen getragen.

JahreKabinett Sozial­demokratische Partei Zentrums­partei Eesti 200 Volks­union Koalitionspartei Reform­partei Res Publica Vaterlands­union Estnische Konser­vative Volkspartei
links der Mitte (sozial­demokratisch)links der Mitte (sozialliberal, populistisch) links der Mitte (sozialliberal)links der Mitte (agrarisch)Mitte (zentristisch) rechts der Mitte (klas­sischer Liberalismus)rechts der Mitte (konservativ) rechts der Mitte (national­konservativ) rechts der Mitte (national­konservativ)
Wahl 1992 12150+01710+29
1992–1994Laar I
1994–1995Tarand
Wahl 1995 616 41 198
1995Vähi II
1995–1996Vähi III
1996–1997Vähi III
1997–1999Siimann
Wahl 1999 1728771818
1999–2002Laar II
2002–2003S. Kallas
Wahl 2003 6281319287
2003–2005Parts
2005–2007Ansip I
Wahl 2007 102963119
2007–2009Ansip II
2009–2011Ansip II
Wahl 2011 192603323
2011–2014Ansip III
2014–2015Rõivas I
Wahl 2015 152730147
2015–2016Rõivas II
2016–2019Ratas I
Wahl 2019 10260341219
2019–2021Ratas II
2021–2022K. Kallas I
2022–2023K. Kallas II
Wahl 2023 9161437817
seit 2023K. Kallas III

Außenpolitik

EU-Mitgliedschaft

Am 14. September 2003 stimmten die Esten über den Beitritt zur Europäischen Union ab. Die Wahlbeteiligung lag bei 64 %. Mit einer Mehrheit von 66,9 % Ja-Stimmen zu 33,1 % Nein-Stimmen votierten die Bürger für die Mitgliedschaft in der EU. Dies war die niedrigste Zustimmungsrate aller zentral- und osteuropäischen EU-Neumitglieder.

Zum 1. Juli 2017 übernahm Estland zum ersten Mal seit seinem Beitritt die EU-Ratspräsidentschaft. Nachdem Großbritannien aufgrund des Brexit-Votums darauf verzichtet hatte, hatte Estland angeboten, seine sonst am 1. Januar 2018 beginnende Ratspräsidentschaft schon ein halbes Jahr eher zu beginnen.

Europawahl 2019
Partei %SitzeEuropäische ParteiFraktion im EP
Reformpartei26,22ALDERE
Sozialdemokratische Partei23,32SPES&D
Zentrumspartei14,41ALDERE
Konservative Volkspartei12,71IDID
Vaterland10,3(1)EVPEVP
Wahlbeteiligung: 37,6 %

Grenzvertrag mit Russland

Am 18. Mai 2005 wurde in Moskau der seit 1999 verhandelte Grenzvertrag mit Russland unterzeichnet. Die Verzögerung hing mit der Weigerung des russischen Präsidenten Wladimir Putin zusammen, die estnische Sicht der Annexion 1940 und des Vertrags von Dorpat 1920 zu akzeptieren.

Am 27. Juni 2005 zog Russland die geleistete Unterschrift allerdings zurück, da es mit dem Entwurf der Präambel der estnischen Seite nicht einverstanden war, den diese dem Vertrag voranstellen wollte und in dem auf die „Jahrzehnte der Besatzung“ sowie die vergangenen „Aggressionen der Sowjetunion gegen Estland“ hingewiesen wird. 2011 wurde ein neuer Grenzvertrag von beiden Seiten ratifiziert.

Im Zuge der Einführung der estnischen Euromünzen kam es auf Grund der Darstellung der Grenzen Estlands auf der Rückseite der Münzen zu diplomatischen Verstimmungen mit Russland.

Militär

Estland verfügt über eigene Streitkräfte mit insgesamt etwa 25.000 Personen; im aktiven Dienst stehen etwa 6.500 Personen. Die Streitkräfte sind gegliedert in Heer, Marine, Luftwaffe und Estnischer Verteidigungsbund. Es besteht eine gesetzliche Wehrpflicht für Männer. Estland ist Mitglied der NATO.

Estland gab 2022 knapp 2,31 % seiner Wirtschaftsleistung oder 865,45 Millionen US-Dollar für seine Streitkräfte aus.

Justiz

Das dreistufige Gerichtssystem Estlands besteht aus

  • 4 Landgerichten (maakohus) und 2 Verwaltungsgerichten (halduskohus) als Eingangsinstanz
  • 2 Bezirksgerichten (ringkonnakohus) als Rechtsmittelinstanz
  • dem Staatsgerichtshof (Riigikohus) als Kassationsinstanz und Verfassungsgericht.

Menschenrechte

Amnesty International weist in seinem Jahresbericht 2010 darauf hin, dass es in Estland immer wieder zu Diskriminierung von Minderheiten kommt. Am 15. Oktober 2010 verabschiedete das Parlament eine Reihe von Gesetzen, die auch gewaltlose Aktionen und symbolische Handlungen mit Flaggen anderer Staaten als der estnischen unter Strafe stellt.

Ein Konflikt zwischen russischsprachigen Nichtbürgern und Esten entzündete sich 2007 an dem sogenannten Bronzesoldaten von Tallinn. Dieses Kriegerdenkmal aus Sowjetzeiten wurde im April 2007 auf Veranlassung der estnischen Behörden von seinem ursprünglichen Platz in der Innenstadt der estnischen Hauptstadt auf einen Militärfriedhof in einem Randbezirk verlagert. Dies führte zu Protesten und blutigen Unruhen vor allem seitens der russischsprachigen Bevölkerung. Die Proteste gegen die Verlegung des Denkmals wurden durch estnische Sicherheitskräfte niedergeschlagen; ein Demonstrant kam zu Tode, viele wurden verletzt und ca. 1100 Personen wurden festgenommen. Es handelte sich um die schwersten Ausschreitungen in Estland seit der Unabhängigkeit 1991. Auch in Russland gab es massive Proteste gegen die Umsetzung des Denkmals mit Demonstrationen in mehreren russischen Städten, einer mehrtägigen Belagerung der estnischen Botschaft in Moskau, Boykottaufrufen gegen estnische Waren und Cyberattacken gegen die estnische Regierung.

Der Europarat drängte Estland wiederholt, Maßnahmen zu ergreifen, die einer Benachteiligung von Minderheiten entgegenwirkten.

Staatshaushalt

Der Staatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 9.559 Millionen US-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 9.489 Millionen US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein marginales Haushaltsdefizit von circa 0,1 % der Wirtschaftsleistung. Die Staatsverschuldung betrug 2016 9,5 % der Wirtschaftsleistung, womit Estland das am wenigsten verschuldete Land der gesamten Europäischen Union war.

Der Anteil der Staatsausgaben betrug (als Prozent des Bruttoinlandsprodukts) in folgenden Bereiche:

Gesundheit: 13,4 % (2014)

Bildung: 6,4 % (2012)

Militär: 2,0 % (2014)

Entgegen der landläufigen Ansicht, ein Haushaltsdefizit sei in der Verfassung des Landes verboten, ist der Umgang der Regierung mit dem Staatshaushalt zwar nicht gesetzlich festgeschrieben, folgt aber stets klaren Richtlinien. Ein ausgeglichenes Budget ist Prinzip, den Gemeinden des Landes ist es nicht erlaubt, ihr budgetiertes Defizit um 60 % der erwarteten Jahreseinkünfte überschreiten zu lassen (75 % bis 2004), und die Begleichung von Staatsschulden darf 20 % der für das jeweilige Abschlussjahr erwarteten Einnahmen nicht übersteigen. Zwischen 1993 und 2007 wurde in fast jedem Jahr ein Haushaltsüberschuss verzeichnet.

Diese Vorgaben sind in der Konsequenz auch bei der Aufnahme neuer Kredite zu beachten. Banknoten und Münzen im Umlauf ebenso wie die Guthaben der Geschäftsbanken bei der Estnischen Bank müssen stets voll durch Gold und Fremdwährungsguthaben gedeckt sein. Faktisch wird damit ein ausgeglichenes Budget erzwungen.

Steuersystem

Nach der Unabhängigkeit 1991 galt in Estland für Personen eine progressive Besteuerung mit 16 %, 24 % und 33 %. Das Steuersystem wurde 1994 reformiert, und als erstes europäisches Land führte Estland im selben Jahr eine Einheitssteuer ein, deren Satz damals bei 26 % lag. Im Januar 2005 wurde dieser Satz auf 24 % reduziert und eine weitere Senkung in jährlichen 1-%-Punkt-Schritten beschlossen. Seit dem 1. Januar 2008 liegt der Einkommenssteuersatz dieser Einheitssteuer bei 21 %; seit 1. Januar 2015 bei 20 %. Unternehmen zahlen für nicht entnommene Gewinne keine Steuern. Nur die entnommenen Gewinne werden mit der Flat Tax von 20 % besteuert (Berechnung 20/80 %) und gelten bei den Gesellschaftern bereits als endbesteuert und müssen nicht nochmals einer Besteuerung unterworfen werden.

E-Residency

Dank eines starken IT-Sektors (s. E-Residency) ist Estland einer der fortgeschrittensten Staaten im Bereich E-Government. So bietet Estland seit Ende Januar 2015 Bürgern vieler Staaten eine sogenannte e-Residency an. Die e-Residenten werden allerdings keine Bürger oder Bewohner Estlands und erhalten dadurch auch keine Aufenthaltserlaubnis, EU-Visa oder das Recht zu wählen, sondern lediglich eine digitale Identität.

Für eine e-Residency kann man sich online bewerben. Nach einer Bearbeitungszeit von wenigen Wochen, einer Prüfung durch das estnische Grenzschutzamt und der Zahlung einer Bearbeitungsgebühr (100 Euro im März 2019) kann dann eine Karte mit Chip und Lesegerät in Estland oder in vielen estnischen Botschaften abgeholt werden.

Diese ermöglicht Folgendes:

  • Erstellen von digitalen Signaturen
  • Verschlüsseln von Dokumenten
  • Benutzung des offiziellen Portals eesti.ee
  • Gründung von Unternehmen in Estland
  • Einreichung einer estnischen Steuererklärung online
  • Erstellung von Bankkonten

All dies ist den Bürgern und dauerhaften Bewohnern von Estland schon länger online möglich. Geleitet wird das Projekt E-Estonia von Taavi Kotka, dem stellvertretenden Kanzler der Kommunikations- und Informationssysteme des Wirtschaftsministeriums und einem der Gründer von Skype, ebenfalls ein ursprünglich estnisches Produkt.

Zu bekannten e-Residenten gehören u. a. Edward Lucas (Journalist bei The Economist) und Shinzō Abe (ehemaliger Ministerpräsident Japans) sowie Papst Franziskus. Nach dem ursprünglichen Vorschlag von Taavi Kotka beim Wettbewerb der Estonian Development Foundation soll es bis 2025 ganze zehn Millionen e-Residenten geben. Vor allem Unternehmer sollen Internetunternehmen gründen und somit Steuern in Estland zahlen können, wobei es komplizierte Fälle von Doppelbesteuerung geben könnte, wie der Ex-Finanzminister Estlands, Jürgen Ligi, zu bedenken gab. Anfang 2015 gab es vor allem Bewerbungen aus Finnland, Russland, Lettland, den USA und dem Vereinigten Königreich.

Verwaltungsgliederung

Das Gebiet der Republik Estland gliedert sich in 15 Landkreise, 34 Städte, 11 Minderstädte sowie zahlreiche Siedlungen und Dörfer. Die estnische Verwaltungsgliederung unterliegt folgender hierarchischen Einteilung:

  • Republik Estland (Eesti Vabariik)
    • Landkreis (maakond)
      • Gemeinde (omavalitsus): Stadtgemeinde (linn) oder Landgemeinde (vald)

Gemeinden sind weiter in Städte, Minderstädte (alev), Siedlungen (alevik) und Dörfer (küla) untergliedert (Siedlungsgliederung).

Landkreise

Estland gliedert sich in 15 Landkreise (estnisch pl. maakonnad, sing. maakond):

KreisVerwaltungssitz Einwohner 31. Dezember 2022 Code 1
HarjuTallinn 614.561EE-37
HiiuKärdla 8.497EE-39
Ida-ViruJõhvi 132.736EE-45
JõgevaJõgeva 27.857EE-50
JärvaPaide 29.693EE-52
LääneHaapsalu 20.227EE-56
Lääne-ViruRakvere 58.709EE-60
PõlvaPõlva 23.989EE-64
PärnuPärnu 85.705EE-68
RaplaRapla 33.529EE-71
SaareKuressaare 31.292EE-74
TartuTartu 157.758EE-79
ValgaValga 27.650EE-81
ViljandiViljandi 45.411EE-84
VõruVõru 34.182EE-87

1 Code nach ISO 3166-2

Bis 2017 besaßen alle Kreise eine Kreisverwaltung (maakonnavalitsus) und einen Gouverneur (maavanem). Der Gouverneur wurde in Abstimmung mit der Kommunalverwaltung auf Vorschlag des Ministerpräsidenten für fünf Jahre ernannt. Kreisverwaltungen wurden mit der Verwaltungsreform von 2017 abgeschafft. Gemeinden eines Kreises sind jedoch zur Zusammenarbeit verpflichtet und haben oft auf Kreisebene gemeinsame Entwicklungszentren (arenduskeskus).

Für die Vergleichbarkeit von Daten innerhalb der EU wurde Estland auf der Ebene NUTS 3 in fünf Regionen (Statistikeinheiten) unterteilt, zu deren Bildung die obigen Landkreise wie folgt zusammengestellt wurden:

RegionLandkreiseCode
NordestlandHarjuEE001
WestestlandHiiu, Lääne, Pärnu, SaareEE004
ZentralestlandJärve, Lääne-Viru, RaplaEE006
NordostestlandIda-ViruEE007
SüdestlandJõgeva, Põlva, Tartu, Valga, Viljandi, VõruEE008

Größte Städte

Stadt Kreis Einwohner
31. März 20001. Januar 2017
Tallinn (dt.: Reval)Harju 400.378 426.538
Tartu (dt.: Dorpat)Tartu 101.169 93.124
Narva (dt.: Narwa)Ida-Viru 68.680 57.130
Pärnu (dt.: Pernau)Pärnu 45.500 39.620
Kohtla-Järve (dt.: Kochtel-Türpsal)Ida-Viru 47.679 35.187
Viljandi (dt.: Fellin)Viljandi 20.756 17.711
Rakvere (dt.: Wesenberg)Lääne-Viru 17.097 15.526
Maardu (dt.: Maart)Harju 16.738 15.077
Kuressaare (dt.: Arensburg)Saare 14.925 13.382
Sillamäe (dt.: Sillamäggi)Ida-Viru 17.199 13.288
Valga (dt.: Walk)Valga 14.323 12.452
Võru (dt.: Werro)Võru 14.879 12.167
Jõhvi (dt.: Jewe)Ida-Viru 12.112 10.051
Haapsalu (dt.: Hapsal)Lääne 12.054 9.946

Wirtschaft

Nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit organisierte Estland sein Gemeinwesen nach skandinavischem Vorbild völlig um: wenig Hierarchien, viel Transparenz der staatlichen Organe, moderne Kommunikationstechnik. Jedoch zeigt das Wirtschaftsmodell des Landes im Vergleich zu den skandinavischen Nachbarn, die eher auf Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft setzen, marktliberale Züge.

Im Global Competitiveness Index, der die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes misst, belegt Estland Platz 22 von 137 Staaten (Stand: 2022–2023). Im Index für wirtschaftliche Freiheit belegte Estland 2017 Platz 6 von 180 Staaten.

Bruttoinlandsprodukt

Nach der Überwindung der Russlandkrise (ab 2000) wies die Wirtschaft aller drei baltischen Staaten ein hohes Wachstum auf, allerdings ausgehend von einem niedrigen Ausgangszustand nach der Krise. 2006 war Estland mit einem Zuwachs der Wirtschaftsleistung von 10,8 % der Spitzenreiter der Europäischen Union.

Die Weltfinanzkrise machte sich in Estland bereits zum Jahresbeginn 2008 bemerkbar, ab dem zweiten Quartal lagen die BIP-Werte inflationsbereinigt unter denen des Vorjahres. Für das Gesamtjahr war ein Rückgang um 2 % zu erwarten. Hauptgrund war vor allem die stark zurückgegangene Inlandsnachfrage (Bausektor, Einzelhandel).

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) belief sich für 2008 auf gut 250 Milliarden Estnische Kronen (EEK), gut 16 Milliarden Euro. Pro Kopf der Bevölkerung waren das 12.000 Euro (zum Vergleich: Deutschland 27.200 Euro). Vergleicht man das BIP nach Kaufkraftstandards (also nach der Kaufkraft eines Euros) mit dem Durchschnitt der EU (EU-27: 100) erreichte Estland 2008 bereits einen Wert von knapp 68 (Deutschland: 116). Verglichen mit dem Jahr 2000 steigerte sich dieser Wert inflationsbereinigt um fast die Hälfte (+45 %; damals: 44,6). 2018 erreichte Estland einen Indexwert von 81 (EU-28: 100, Deutschland: 123).

Das Bruttoinlandsprodukt Estlands betrug 2015 nunmehr 20,5 Mrd. Euro. Das Pro-Kopf-BIP betrug im selben Jahr 15.598 Euro. Das Wirtschaftswachstum lag 2015 bei 1,1 % und 2016 bei 1,6 %. Die COVID-19-Pandemie führte im Jahr 2020 zu einen Rückgang des BIP um 3 %. Im darauf folgenden Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt dank einer raschen wirtschaftlichen Erholung um 8,3 %.

Das hohe Wachstum der baltischen Staaten in der Vergangenheit hat ihnen die Bezeichnung Baltische Tiger eingebracht.

Entwicklung

Alle BIP-Werte sind in Internationalen US-Dollar angegeben. In der folgenden Tabelle kennzeichnen die Farben:
  • positive Werte
  • negative Werte
  • Jahr199319952000 20052006200720082009201020112012
    BIP
    (in Int. Dollar)
    11,09 Mrd. 11,62 Mrd. 16,97 Mrd. 26,86 Mrd. 30,53 Mrd. 33,77 Mrd. 32,56 Mrd. 27,98 Mrd. 28,96 Mrd. 31,80 Mrd. 33,79 Mrd.
    BIP pro Kopf
    (in Int. Dollar)
    7.473 8.172 12.389 20.409 23.230 25.784 24.997 21.518 22.360 24.557 25.996
    BIP Wachstum
    (real)
    2,2 % 10,6 % 9,4 % 10,3 % 7,7 % −5,4 % −14,6 % 2,3 % 7,6 % 4,3 %
    Inflation
    (in Prozent)
    29,0 % 3,9 % 4,1 % 4,4 % 6,7 % 10,6 % 0,2 % 2,7 % 5,1 % 4,2 %
    Arbeitslosigkeit
    (in Prozent)
    6,5 % 9,6 % 14,6 % 8,0 % 5,9 % 4,6 % 5,5 % 13,5 % 16,7 % 13,2 % 10,0 %
    Staatsverschuldung
    (in Prozent des BIP)
    9 % 5 % 5 % 4 % 4 % 4 % 7 % 7 % 6 % 10 %
    Jahr 2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019 2020 2021
    BIP
    (in Int. Dollar)
    36,19 Mrd. 38,05 Mrd. 38,84 Mrd. 41,20 Mrd. 44,66 Mrd. 47,62 Mrd. 50,46 Mrd. 49,56 Mrd. 55,93 Mrd.
    BIP pro Kopf
    (in Int. Dollar)
    27.464 28.928 29.183 31.309 33.903 36.022 38.029 37.277 42.050
    BIP Wachstum
    (real)
    1,4 % 3,0 % 1,9 % 3,1 % 5,8 % 4,1 % 4,1 % −3,0 % 8,3 %
    Inflation
    (in Prozent)
    1,8 % 0,5 % 0,1 % 0,8 % 1,4 % 3,4 % 2,3 % −0,6 % 4,5 %
    Arbeitslosigkeit
    (in Prozent)
    8,6 % 7,6 % 6,2 % 6,8 % 5,8 % 5,3 % 4,4 % 6,8 % 6,1 %
    Staatsverschuldung
    (in Prozent des BIP)
    10 % 11 % 10 % 10 % 9 % 8 % 9 % 19 % 18 %

    Arbeitsmarkt

    Die Arbeitslosenquote betrug im Mai 2018 4,9 % und liegt damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt. 2017 betrug die Jugendarbeitslosigkeit 13,9 %. Im selben Jahr arbeiteten 2,7 % aller Arbeitskräfte in der Landwirtschaft, 20,5 % in der Industrie und 76,8 % im Dienstleistungssektor. Die Gesamtzahl der Beschäftigten wird für 2017 auf 670.000 geschätzt; davon sind 48,5 % Frauen. Aufgrund von Auswanderung und Alterung der Bevölkerung herrscht ein zunehmender Mangel an Arbeitskräften.

    Geografische Verteilung

    Der Schwerpunkt der wirtschaftlichen Aktivitäten konzentriert sich auf die Region rund um die Hauptstadt Tallinn (Kreis Harju), die knapp 40 % der Bevölkerung Estlands beherbergt. Gut 60 % des Bruttoinlandsprodukts werden hier erwirtschaftet (2006), in der Branche ‚Handel‘ über 70 %. Zentrum der Landwirtschaft sind die Regionen Zentral- und Südostestland, die bei einem Anteil von 35 % an der estnischen Gesamtbevölkerung 63 % der landwirtschaftlichen Produktion erzeugen (inklusive Forstwirtschaft). In Nordostestland (Ida-Virumaa) dominiert dagegen aufgrund der Verarbeitung der lokalen Ölschiefer-Vorkommen die Energiewirtschaft (30 % des nationalen Produkts dieser Branche bei einem Bevölkerungsanteil von 13 %).

    Währungssystem

    Am 27. Juni 2004 traten Estland und weitere zwei der zehn neuen EU-Staaten dem Wechselkursmechanismus II im Rahmen des EWS II bei, der erste Schritt, um den Euro einzuführen. Estland, Litauen und Slowenien legten die Leitkurse ihrer Währungen zum Euro fest und verpflichteten sich ab sofort, die Schwankungen unter ±15 % zu halten. Bis zum Beitritt des Landes zum Euro am 1. Januar 2011 lag der Leitkurs für die estnische Krone bei 15,6466 pro Euro, was eine maximale Schwankungsbreite von (gerundet) 13,30 bis 17,99 Kronen bedeutete. Der Kurs ergab sich durch die seit 1993 festgelegte Kopplung der Krone zur Deutschen Mark im Verhältnis 1 DEM = 8 EEK. Estland verpflichtete sich (wie auch Litauen) zu einer nachhaltigen Haushaltspolitik.

    Das Design der estnischen Euromünzen wurde 2004 in einer öffentlichen Wahl bestimmt. Die Einführung des Euro musste jedoch mehrfach verschoben werden und fand am 1. Januar 2011 statt. Am 12. Mai 2010 bescheinigten die Europäische Kommission und die Europäische Zentralbank Estland die Erfüllung aller EU-Konvergenzkriterien. Im Juni 2010 stimmten die EU-Finanzminister sowie die Staats- und Regierungschefs der EU der Aufnahme Estlands in die Eurozone zu. Einen Monat später legten die Finanzminister den offiziellen Wechselkurs von 15,6466 estnischen Kronen für einen Euro fest.

    Preise und Löhne

    Bis 2003 gab es eine deutliche Verlangsamung der Teuerung, seit dem EU-Beitritt 2004 steigt die Teuerungsrate aber wieder an (1,3 %). Die vergleichsweise hohen Preissteigerungen der Vorjahre (im Schnitt bei 5 %) hatten – bei stabiler Währung – in Estland zu deutlich höheren Lebenshaltungskosten als in den Nachbarstaaten Lettland und Litauen geführt. Entsprechend sind die vergleichsweise hohen Durchschnittslöhne von 1'775 Euro (1. Quartal 2023) (zum Vergleich: Lettland 1'117 Euro (März 2023)) nicht automatisch mit einem höheren Lebensstandard gleichzusetzen.

    Produktion

    Vorherrschende Industriezweige sind (2002) die Holz-, Papier- und Möbelindustrie (25 %) und die Nahrungsmittelindustrie (28 %). Große Zuwächse gab es in der Elektroindustrie / Maschinen- und Fahrzeugteilebau (18 %), wo Estland mit Norma einen der weltweit größten Hersteller für Sicherheitsgurte beherbergt.

    Bedeutende Unternehmen des produzierenden Gewerbes in Estland:

    • Holz- und Möbelindustrie: Horizon in Kehra
    • Fahrzeugteile: Norma in Tallinn (Sicherheitsgurte)
    • Elektronik: Elcoteq in Tallinn
    • Baustoffe: Nordic Tsement in Kunda
    • Bauindustrie: Merko Ehitus in Tallinn
    • Textilindustrie: Kreenholm (Küchentextilien) in Narva, Baltex 2000 (Stoffe und Garne) in Tallinn
    • Nahrungsmittel: Rakvere Lihakombinaat in Rakvere (Fleisch), A. Le Coq in Tartu (Bier & Getränke), Saku in Saku/Harjumaa (Bier & Getränke), Kalev in Rae bei Tallinn (Süßigkeiten)
    • Energie: Eesti Põlevkivi in Jõhvi (Ölschieferabbau)

    Tourismus

    Estland wurde 2019 von 3,8 Millionen ausländischen Touristen besucht, die dem Land Einnahmen in Höhe von 2,06 Milliarden US-Dollar brachten. Die meisten Touristen kamen 2019 aus Finnland (36 %), Russland (12 %), Lettland (8 %) und Deutschland (6,3 %). Im Land gibt es zwei UNESCO-Welterbestätten.

    Außenhandel

    Haupthandelspartner Estlands sind die Nachbarstaaten Schweden, Finnland, Lettland und Litauen. Aber auch Deutschland ist ein wichtiger Partner: 8 % der Exporte gehen nach Deutschland und sogar 13 % der Importe kommen aus Deutschland (jeweils Rang 3).

    Hauptexportprodukte sind Maschinen und Maschinenteile (27 % der Ausfuhrgüter), gefolgt von Holz und Holzprodukten / Möbeln (13 %). Erst dann folgen Textilien (9 %), Metalle und Metallprodukte (8 %) und Nahrungsmittel (7 %). Trotz der im Vergleich zu den baltischen Nachbarstaaten etwas höherwertigen Ausfuhrprodukte ist die Handelsbilanz anhaltend deutlich negativ (mit sogar steigender Tendenz): Exporten im Wert von 4,7 Milliarden Euro stehen Importe im Wert von 6,7 Milliarden Euro (2004) gegenüber. Dadurch bleibt auch die Zahlungsbilanz (inkl. Finanztransfers/Direktinvestitionen, Dienstleistungen) negativ, das Defizit erreichte 2004 13 % des BIP-Wertes.

    Infrastruktur

    Im Verkehrswesen spielen die Straße und die Schifffahrt auf der Ostsee die wichtigste Rolle, im Güterverkehr auch die Eisenbahn.

    Digitalisierung

    In Estland garantiert der Staat seit dem Jahr 2000 per Gesetz seinen Bürgern einen Zugriff auf das Internet. Im ganzen Land gibt es WLAN-Zugangspunkte zum Internet, mit denen die bewohnten Flächen abgedeckt werden. Rund 99 % des Landes sind mit diesem kostenlosen Hot-Spot-Netz abgedeckt. Wer keinen eigenen Rechner hat, darf gratis an einem von 700 öffentlichen Terminals in Postämtern, Bibliotheken oder Dorfläden ins Netz. Alle Schulen sind online. Estland verfügt über die meisten Internetanschlüsse pro Kopf weltweit.

    Estland gibt an, das weltweit technologisch modernste Verwaltungssystem zu haben. Jeder Bürger besitzt eine ID-Nummer. Seit 2007 können Esten über das Internet an Wahlen teilnehmen, ihre Steuern abrechnen und Rezepte vom Arzt empfangen. Wegen der damit verbundenen Verwundbarkeit durch Cyberattacken wurden Backupserver in Luxemburg eingerichtet. Sie enthalten die digitale Verwaltungssoftware Estlands und die Datensätze der Bürger. Am 26. April 2007 begann ein massiver digitaler Angriff von gekaperten Computernetzwerken, der die Server der Behörden, Medien und Banken kollabieren ließ. Er war Anlass für die Einrichtung von Cyberkriegsforschungszentren, an denen auch die NATO beteiligt ist.

    Feuerwehr

    In der Feuerwehr in Estland waren im Jahr 2019 landesweit 1.561 Berufsfeuerwehrleute, Teilzeit-Feuerwehrleute und 2.059 freiwillige Feuerwehrleute organisiert, die in 189 Feuerwachen und Feuerwehrhäuser, in denen 105 Löschfahrzeuge und 11 Drehleitern bzw. Teleskopmasten bereitstehen, tätig sind. Der Frauenanteil beträgt 9 %. Die estnischen Feuerwehren wurden im selben Jahr zu 26.076 Einsätzen alarmiert, dabei waren 4.675 Brände zu löschen. Hierbei wurden 43 Tote bei Bränden von den Feuerwehren geborgen und 113 Verletzte gerettet. Die nationale Feuerwehrorganisation Päästeamet Estonian Rescue Board repräsentiert die estnischen Feuerwehren mit ihren Feuerwehrangehörigen im Weltfeuerwehrverband CTIF.

    Straßen

    Das gesamte Straßennetz umfasste 2011 etwa 58.412 km, wovon 10.427 km asphaltiert sind. Von Tallinn aus führen sternförmig autobahnähnlich ausgebaute Schnellstraßen in die Richtungen Pärnu (Via Baltica), Tartu und Narva.

    Die längste Schnellstraße ist die Nationalstraße 1 nach Narva. Die Nationalstraße 2 nach Tartu wird sukzessive immer weiter ausgebaut. Der estnische Teil der Via Baltica (Nationalstraße 4 / E 67) nach Pärnu ist dagegen nur auf den ersten 20 Kilometern autobahnähnlich ausgebaut und führt anschließend als Landstraße weiter nach Pärnu und zur lettischen Grenze bei Ikla. Zur Schnellstraße ausgebaut wurde auch die Umfahrung von Tallinn (Nationalstraße 11) (Stand: 2015).

    2008 waren überwiegend nur Straßen von überbezirklicher Bedeutung asphaltiert. Viele kleine Ortschaften werden aus nur einer Richtung von einer asphaltierten Stichstraße erschlossen. Die übrigen Straßen sind unbefestigt. Im Land erhältliche Karten im Maßstab 1:200.000 weisen sehr genau aus, welche Straßen asphaltiert sind und welche nicht; von Jahr zu Jahr sind deutliche Fortschritte zu verzeichnen.

    Es gab bis in die jüngere Gegenwart keine separaten Radwege; wenn eine überörtliche Straße, wie die Via Baltica, abschnittsweise als Schnellstraße mit zweimal zwei Fahrspuren ausgebaut ist, wird sie zwangsläufig von Radfahrern mitbenutzt. In den letzten Jahren wurden jedoch erhebliche Anstrengungen unternommen, hochwertige und teilweise sogar beleuchtete Radwege zu bauen, insbesondere in Ortsnähe entlang der Landstraßen. Wegen der Konzentration des Verkehrs auf die asphaltierten Straßen ist der Verkehr dort in manchen Gegenden nicht weniger dicht als auf Straßen ähnlichen Ausbauzustands im eng besiedelten Mitteleuropa.

    Estland hat als erster Staat der EU und der Welt ein staatsweites, öffentlich getragenes Ladesystem für das Aufladen der Batterien von Elektroautos. Estland weist eine Rate von einem Elektroauto pro 1000 Einwohner auf.

    In den größeren Städten (insbesondere Tallinn, Tartu, Narva, Pärnu) gibt es ein Netz von Buslinien, in Tallinn zusätzlich 4 Straßenbahnlinien und Obusse. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind modern und in gutem Zustand. In großen Teilen Estlands ist der Busverkehr für Bewohner der jeweiligen Stadt bzw. des jeweiligen Kreises kostenlos. Jedoch wird der kostenfreie Nahverkehr in den Landkreisen ab Januar 2024 weitgehend wieder abgeschafft, bleibt aber für Personen bis 19 Jahren und ab 63 Jahren erhalten. Auch der kostenlose Nahverkehr in Tallinn bleibt erhalten.

    Eisenbahn

    Geschichte

    Eisenbahnprojekte für Estland – damals Teil des Russischen Reichs – gab es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie zielten auf eine Verbindung estnischer Hafenstädte mit Sankt Petersburg, scheiterten aber zunächst alle daran, dass das Investitionskapital nicht aufgebracht werden konnte. So dauerte es bis zum 24. Oktoberjul. / 5. November 1870greg., bevor die Baltische Eisenbahn die Bahnstrecke Paldiski–Tosno über Reval, Narva nach Tosno, die erste Eisenbahn in Estland, eröffnen konnte. Dabei wurden die russischen Parameter zugrunde gelegt, insbesondere in russischer Breitspur gebaut. Gattschina war ein Bahnhof an der Petersburg-Warschauer Eisenbahn, Tosno liegt an der Bahnstrecke Sankt Petersburg–Moskau. Zwar entwickelte sich Tallinn Dank der Eisenbahn zu einem der wichtigsten Häfen des Russischen Reichs, aber von dem durch militärstrategische Interessen bestimmten weitere Ausbau des russischen Netzes profitierte Estland kaum, der weitere Ausbau verlief schleppend. Nebenbahnen entstanden so oft als Schmalspurbahnen. Mit der Unabhängigkeit 1918 wurde eine eigene Staatsbahn gegründet. Daneben betrieb eine private Gesellschaft die Bahnstrecke Tallinn–Pärnu. Die ersten elektrisch betriebenen Züge verkehrten 1924 auf dem 11 km langen Abschnitt Tallinn–Paeskula.

    Nach der Besetzung Estlands durch die Sowjetunion 1940 ging die Estnische Eisenbahn an die Staatsbahn der Sowjetunion über. Sie bestand damals aus 772 km Breitspur-Strecken und 675 km Schmalspurstrecken. Während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg wurden die Breitspurstrecken auf Normalspur umgenagelt, anschließend wurde das wieder rückgängig gemacht. 1957–1959 wurden Dampf- durch Diesellokomotiven ersetzt. Ab 1966 wurden die Schmalspurstrecken überwiegend stillgelegt, einige in Breitspur konvertiert. Das Netz hatte anschließend eine Länge von 956 km. 1963 bis 1991 wurden die Bahnen von Estland, Lettland und Litauen als „Baltische Eisenbahnen“ betrieben, die estnischen Strecken als „Estnische Abteilung“.

    Die Unabhängigkeit Estlands 1991 brachte wieder eine eigene Staatsbahn und massive Umstrukturierungen. Segmente, die nicht zum Kerngeschäft gehörten, etwa Sozialeinrichtungen, wurden abgegeben und 1997 die Bahn in eine Aktiengesellschaft umgewandelt (Eesti Raudtee JSC). Im Folgenden wurden weitere Gesellschaften für Teilaufgaben ausgegliedert. 1999 entschloss sich der Staat 66 % der Aktien zu verkaufen. Statt der erhofften privaten Investitionen führte das zu einem drastischen Einbruch der Leistungsfähigkeit der Bahn. 2007 kaufte der Staat die Aktien zurück und bildete zwei Gesellschaften, eine für die Infrastruktur, eine zweite für den Güterverkehr. Seit 2011 beteiligt sich die Bahn an dem Rail-Baltica-Projekt, das Tallinn über Pärnu mit den benachbarten Hauptstädten Riga, Vilnius und Warschau mit einer Bahnstrecke in Normalspur verbinden soll. Das Projekt wird von der EU finanziell unterstützt und soll 2025 abgeschlossen werden.

    Netz

    Das estnische Eisenbahnnetz hat eine Länge von 800 Kilometern. Davon sind 94 km zweigleisig und 225 km elektrifiziert (3 kV Gleichspannung). Das Netz ist in Narva, in Koidula (beide zu RŽD) und in Valga (zu LDz) mit den Netzen der Nachbarländer verbunden. Die Spurweite beträgt 1520 mm bzw. 1524 mm.

    Verkehr

    Der Schienenverkehr in Estland wird heute von den Eisenbahnverkehrsunternehmen Operail (Güterverkehr) und Elron (Personenverkehr im Inland) und den Infrastrukturbetreibern Eesti Raudtee und Edelaraudtee betrieben.

    Im innerestnischen Personenverkehr spielte die Eisenbahn nach der gescheiterten Privatisierung fast keine Rolle mehr. Der überörtliche öffentliche Verkehr wird noch immer großenteils durch Überlandbusse abgewickelt, jedoch macht die Eisenbahn dank niedrigerer Preise vor allem auf den Strecken Tallinn–Tapa–Narva, (Tallinn–)Tapa–Tartu und Tallinn–Pärnu Boden gut. Von Mitte 2013 bis Anfang 2014 wurde die gesamte veraltete innerestnische Zugflotte gegen moderne elektrische sowie dieselelektrisch betriebene Züge vom Typ Stadler Flirt ausgetauscht. Mittlerweile ist auch in den Zügen drahtloses Internet verfügbar, wenn auch nur in der 1. Klasse.

    Der internationale Personenverkehr beschränkt sich heute zum einen auf Verbindungen nach Moskau und Sankt Petersburg, immer wieder durch Betriebsprobleme unterbrochen, die vor allem auf die anhaltenden Spannungen mit Russland zurückgehen. Auch benötigen sowohl Esten als auch estnische Russen zur Einreise nach Russland ein Visum, das im Voraus bezogen werden muss, vergleichsweise teuer ist und nicht immer rechtzeitig ausgestellt wird.

    Zum anderen besteht von Valga im südlichen Estland eine Verbindung nach Riga in Lettland, welche von Regionalzügen der lettischen Bahn betrieben wird. Eine direkte Zugverbindung von Tallinn nach Riga über Pärnu existiert nicht; die Gleise südlich von Pärnu wurden sogar entfernt.

    Schiffsverkehr

    Estland unterhält zu seinen Nachbarstaaten (insbesondere in Skandinavien) zahlreiche Fährverbindungen. Zwischen dem estnischen Festland und den größten Inseln (insbes. Saaremaa, Hiiumaa, Vormsi) herrscht ein sehr reger und routinierter Fährverkehr. Die heutzutage eingesetzten Autofähren sind erst wenige Jahre alt.

    Am 28. September 1994 sank die estnische Fähre Estonia vor der Küste Finnlands auf der Überfahrt nach Stockholm. Bei dem Unglück starben 852 Menschen.

    Flugverkehr

    Der wichtigste Flughafen Estlands ist der internationale Flughafen Tallinn; er ist Heimatflughafen der estnischen Fluggesellschaften Nordica (bedient von Tallinn aus internationale Ziele in Europa) und SmartLynx Airlines Estonia (Charterfluggesellschaft). Daneben existieren ein weiterer internationaler Flughafen in Tartu sowie kleinere Flughäfen in Pärnu, Kuressaare und Kärdla sowie auf Kihnu und Ruhnu.

    Kultur

    Estland war durch seine politische Entwicklung und Besiedlungsgeschichte immer ein interkulturelles Land. Die Oberherrschaft hatte zunächst Dänemark, 1252–1561 der Deutsche Orden, danach Schweden und im 18. bis 19. Jahrhundert Russland. Die estnische Kultur und Architektur wurde über einen Zeitraum von etwa 800 Jahren stark durch die ortsansässige deutschbaltische Oberschicht geprägt. Die großen Städte, insbesondere Tallinn (unter dem alten Namen Reval) waren stark von der Kultur der Hanse geprägt. Vom Mittelalter bis weit ins 19. Jahrhundert bildeten die deutschen Kaufleute das tonangebende Element in Tallinn. Ab 1850 setzte eine verstärkte Russifizierung unter den Zaren ein. Ein Gegengewicht dazu bildeten baltische Studentenverbindungen und ab den 1870er-Jahren vor allem die Universität Tartu (Dorpat).

    In der Wissenschaft blieb der westliche Einfluss – wie auch im zaristischen Russland – stark, allein schon durch die bis 1870 deutschsprachige Universität. So erhielt sie 1811 durch Initiative deutscher Wissenschaftler die Sternwarte Dorpat, und auch die folgenden sieben Direktoren bis 1900 kamen aus Deutschland. Der berühmteste, Friedrich Georg Wilhelm Struve, wechselte allerdings 1839 an die neu errichtete Sternwarte Pulkowo bei Sankt Petersburg.

    Einen kulturellen Umbruch erfuhr Estlands Kultur durch den Verlust deutscher und schwedischer Bevölkerungsanteile infolge des Zweiten Weltkriegs und den Zuzug von Russen und anderer Volksgruppen während der sowjetischen Zeit.

    Seit dem Ende der Sowjetzeit orientiert sich die estnische Kultur wegen der Verwandtschaft des Estnischen zum Finnischen stark am nördlichen Nachbarn Finnland. Sie ist weitgehend westlich ausgerichtet und unterhält zahlreiche Kooperationen mit deutschen Gesellschaften, evangelischen Kirchen (Nordelbische Kirche) und Universitäten (Göttingen, Greifswald, Kiel, Konstanz, München und Münster).

    Die estnische Literatur spiegelt diese vielfältigen Einflüsse wider – in Estland wurde neben Deutsch und Estnisch auch in Lettisch, Ostschwedisch und Finnisch, Russisch, Latein, Griechisch und Französisch geschrieben. Das literarische Forschungsprojekt EEVA der Universität Tartu und des Estnischen Literaturmuseums ist bestrebt, diesen multilingualen Kulturraum des Baltikums ab dem 13. Jahrhundert digital zu dokumentieren.

    Das estnische Nationalepos ist der Kalevipoeg.

    Medienlandschaft

    Neben den vier estnischsprachigen Fernsehsendern ETV Eesti Televisioon, ETV2 (öffentlich-rechtlich), Kanal 2 (vom norwegischen Unternehmen Schibsted) und TV3 Eesti (von der schwedischen Modern Times Group) empfängt man in Estland zahlreiche fremdsprachige Sender über Terrestrik, Satellit und Kabel (mit vier Kabelnetzbetreibern). So ist es üblich, dass man noch finnische, schwedische, russische, englische und deutsche Sender empfängt. Die öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt Eesti Rahvusringhääling hat als drittes Programm einen eigenen russischsprachigen Sender namens ETV+. Das Staatsfernsehen Russlands startete einen Ableger für Estland namens Perwyj Baltijskij Kanal Estonia (Der erste baltische Kanal Estland).

    Estnisches Fernsehen über Satellit gibt es im Pay-TV-Paket des skandinavischen Anbieters „Viasat“ auf der Satellitenposition 5° Ost (Astra 4A), die auch in Mitteleuropa empfangbar ist. Wer das Viasat-Paket abonniert, erhält neben TV3 und TV3+ russische, finnische, schwedische, norwegische, dänische und englischsprachige Sender. Auf dem gleichen Satelliten sind die baltischen MTV-Ableger MTV Eesti, MTV Latvija und MTV Lietuva im Abonnement erhältlich.

    Spartenprogramme sind aufgrund des kleinen Marktes in Estland nicht vertreten. Wie auch in Skandinavien ist es im Baltikum wegen der hohen Übersetzungskosten weitgehend üblich, dass die Sender ausländische Fernsehproduktionen im Original mit estnischen Untertitel-Einblendungen senden, also ohne Synchronübersetzung wie in Deutschland.

    Es gibt fünf öffentlich-rechtliche Radioprogramme. Vikerraadio ist das informationsorientierte Hauptprogramm. Raadio 2 bedient das jüngere Publikum. Raadio 4 sendet auf russisch. Klassikaraadio bringt Klassik, Folklore, Jazz und Weltmusik. Raadio Tallinn sendet von 9:00 bis 19:00 Uhr ohne Unterbrechung Musik und übernimmt in der übrigen Zeit Programme der BBC, der DW und von RFI.

    Etwa 97 % der estnischen Bevölkerung besitzen ein Fernsehgerät.

    Mit einer Gesamtauflage von 523 Tageszeitungen pro 1000 Einwohnern hat Estland eine der höchsten Zeitungsleseraten der Welt.

    Im Jahr 2021 nutzten 91 Prozent der Einwohner Estlands das Internet.

    Musik

    Weltweit bekannt ist Arvo Pärt, ein zeitgenössischer Komponist moderner Klassik. Rudolf Tobias, ausgangs des 19. Jahrhunderts der erste estnische Komponist, ist Kennern der Chormusik durch seine Motetten auch außerhalb Estlands ein Begriff. Eduard Tubin machte im 20. Jahrhundert durch seine romantischen bis atonalen Sinfonien auf Estland aufmerksam, was 2005 durch ein großes Festival gewürdigt wurde. Neeme Järvi ist Dirigent von Weltruf, ebenso sein Sohn Paavo Järvi, der von 2001 bis 2011 Chefdirigent beim Cincinnati Symphony Orchestra und bis 2016 beim hr-Sinfonieorchester Frankfurt war. Im Populärbereich kommt dem Pianisten Olav Ehala eine große Bedeutung zu, der zahlreiche Filmmusiken schrieb und bei Theaterproduktionen mitwirkt. Ester Mägi schreibt ähnlich wie Veljo Tormis viele Kompositionen und Volkslieder für Chor um, die während der Besatzungszeit der Sowjetunion in Vergessenheit zu geraten drohten und seit der Unabhängigkeit sehr populär geworden sind. Zu erwähnen ist das alle fünf Jahre stattfindende Liederfest, wo Zehntausende, vereint zu einem Chor, nationales Liedgut singen.

    Estland ist momentan auch sehr erfolgreich mit Acts wie Eda-Ines Etti, J.M.K.E., Tanel Padar, Malcolm Lincoln, Vaiko Eplik, Kerli und Vanilla Ninja in die europäische Pop-Kultur integriert.

    Estland konnte beachtliche Erfolge beim Eurovision Song Contest erreichen, den Dave Benton gemeinsam mit Tanel Padar 2001 für das Land gewann. Der Eurovision Song Contest 2002 fand daraufhin in Tallinn statt.

    Architektur

    Die estnischen Städte werden immer noch von den Holzhäusern geprägt, auch wenn die sowjetischen Plattenbauten dazwischen ragen. Heutzutage wird viel mit Schiefer gebaut. Das höchste Bauwerk Estlands ist der Fernsehturm in Tallinn (314 Meter), der in den Jahren 1975–1980 anlässlich der Olympischen Spiele in Moskau erbaut wurde.

    In den Tagen des Staatsstreiches in Moskau (August 1991) sollte er von russischen Truppen besetzt werden, was durch die estnische Polizei und Demonstranten verhindert wurde. Der Turm gehört trotzdem nicht zu den besonderen nationalen Symbolen des neuen Estland. Ein möglicher Grund ist seine Lage – der Fernsehturm liegt weitab von der Innenstadt am stadtnahen Wald.

    Das vierthöchste Bauwerk Estlands mit einer Höhe von 254 Metern ist der Mast des Senders Kohtla.

    Sport

    Der Sport hat in Estland einen hohen Stellenwert. Bereits 1920 nahm das Land erstmals an den Olympischen Sommerspielen teil und setzten diese eigenständige Teilnahme auch bis zur Besetzung durch die UdSSR 1940 fort. Nach deren Ende und der estnischen Unabhängigkeit formierten sich die nationalen Sportverbände erneut. Olympische Medaillen konnte das Land vor allem im Gewichtheben, Ringen und Skisport gewinnen. Der sowjetische Schach-Großmeister Paul Keres kommt aus Estland. Auch bei der Ästhetischen Gruppengymnastik ist Estland eine Hochburg.

    Während Fußball in Estland vor dem Zweiten Weltkrieg noch zu den beliebtesten Sportarten zählte, änderte sich das mit der sowjetischen Besatzung. Von nun an wurde Fußball als Machtinstrument missbraucht, und es folgten die Auflösung des estnischen Fußballverbandes, die Umbenennung der Vereine und die Eingliederung der Nationalmannschaft in das sowjetische Team. Als russische Sportart verpönt, wurde Fußball immer unbeliebter und erlangte erst nach der Unabhängigkeit wieder zunehmende Popularität. 2011 ist Fußball mit 20.000 Aktiven wieder beliebteste Sportart in Estland.

    Special Olympics Estland wurde 1988 gegründet und nahm mehrmals an Special Olympics Weltspielen teil. Der Verband hat seine Teilnahme an den Special Olympics World Summer Games 2023 in Berlin angekündigt. Die Delegation wird vor den Spielen im Rahmen des Host Town Programs von Gütersloh betreut.

    Küche

    Feiertage

    Siehe auch

    Literatur

    • Elmar Römpczyk: Estland, Lettland, Litauen – Geschichte, Gegenwart, Identität. Dietz, Bonn 2016, ISBN 978-3-8012-0463-1.
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    Wiktionary: Estland – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
    Commons: Estland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Wikisource: Estland – Quellen und Volltexte
    Wikimedia-Atlas: Estland – geographische und historische Karten
    Wikivoyage: Estland – Reiseführer

    Einzelnachweise

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    46. 1 2 seit 1995 in gemeinsamer Liste mit Koalitionspartei als Bündnis Maarahva Ühendus aus Eesti Pensionäride ja Perede Erakond (gegründet 1991), Eesti Maarahva Erakond (gegründet 1994) und Eesti Maaliit (gegründet 1991), 1999 Gründung als Partei.
    47. 2000 oder 2002 aufgelöst.
    48. 1992–1994 ihr Vorläufer Liberaldemokratische Partei.
    49. 1 2 3 4 2006 fusioniert zu Isamaa ja Res Publica Liit, seit 2018 Isamaa.
    50. 1 2 1992 bis 1995 separate Parteien Eesti Rahvusliku Sõltumatuse Partei (Partei der nationalen Unabhängigkeit Estlands) und Rahvuslik Koonderakond „Isamaa“ (Nationale Koalitionspartei „Vaterland“), 1995 fusioniert.
    51. gemeinsame Liste von Volksunion und Koalitionspartei
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    Koordinaten: 59° N, 26° O

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