Das Königsworth in Hannover war ein vielgestaltig ausgedehnter Restaurationsbetrieb und Vergnügungs-Etablissement seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und markiert mit seiner Ausdehnung zwischen Brühlstraße und Andertensche Wiese einen der ältesten historischen Bezugspunkte des ehemaligen Vorortes Königsworth in der heutigen Calenberger Neustadt. Als Klublokal entwickelte es sich mit seinen bis zu 1500 Personen fassenden Sälen unter anderem zu einem frühen Versammlungsort der Arbeiterbewegung.
Geschichte
Das Königsworth entwickelte sich in der Mitte der 1830er Jahre aus einem sogenannten „Wintergarten“, einer Schöpfung von Gerd Landvoigt, der sein Unternehmen im Adressbuch der Stadt Hannover als „Kunstgärtner, Handlung in- und ausländischer Saamen und Gewächse, Caffeehaus, ausser dem Cleverthore, an der Herrenhäuser Allee, Königsworth 11“ bewarb. Noch vor der Industrialisierung im Königreich Hannover bezog Landvoigt Ende 1836 neue Räumlichkeiten hinter der Kaserne unter der neuen anfänglichen Adresse Köngsworth 21. Dort wurde bald ein Wintergarten für die Gäste eingerichtet, damit diese auch im Winter zwischen den – verkäuflichen – Blumen im Grünen sitzen konnten.
Zur Zeit des Deutschen Kaiserreichs Ende des 19. Jahrhunderts fanden die ersten Versammlungen der Arbeiter des Fabrikarbeiterverbandes unter anderem im Ballhof, im Hainhölzer Gesellschaftshaus und im Königsworth statt.
Ebenfalls noch Ende des 19. Jahrhunderts observierten Informanten der Polizeidirektion Hannover eine „[...] Versammlung im ‚Königsworth‘“, bei der vor rund 130 Personen der Anarchist Gustav Landauer eine Rede hielt, der Schlosser Friedrich Rischmüller aus der Marienstraße „Broschüren“ verkaufte und im Umfeld rund 200 Exemplare von Laudauers Zeitschrift Der Sozialist verteilt wurden.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Königsworth mit seinem Betreiber C. oder Karel Halberstadt Schauplatz der von dem Schriftsteller Wilhelm Henze in Calenberger Platt wiedergegebenen Erzählung des ehemaligen Kötners Jochen Klömichel aus Algermissen unter dem Titel „Dat Gooseäten“. In der Erzählung wurde auch auf die Kegelbahn des Unternehmens Bezug genommen.
Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten richtete die NS-Filmstelle für den Gau Südhannover-Braunschweig im Gesellschaftshaus Königsworth ein eigenes Gaukino ein im Sinne ihrer gleichgeschalteten Propaganda.
Im Zweiten Weltkrieg war das Gebäude Gerberstraße 3 Eigentum vom Verein Hannoverscher Kegler. Unter derselben Adresse eröffnete die sunnitisch-türkische Vereinigung Islamisches Kulturzentrum Hannover (VIKZ) 1979 eine Moschee.
Fotos erhaltener Wandreliefs in der Gerberstraße 3
- Musik und Tanz
- Wein und Bier in Geselligkeit
- Wappen des Bundeslandes Niedersachsen mit dem Sachsenross
- „Schwein gehabt“ beim Kegeln
Weblinks
Einzelnachweise
- 1 2 Ludwig Hoerner: Kaffeehäuser/Restaurants. In: ders.: Agenten, Bader und Copisten. Hannoversches Gewerbe-ABC 1800–1900. Hrsg.: Hannoversche Volksbank, Reichold, Hannover 1995, ISBN 3-930459-09-4, S. 218–222, hier: S. 220f. Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Gerd Weiß: Die nördliche Vorstadt Königsworth. In: Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland, Baudenkmale in Niedersachsen, Stadt Hannover, Teil 1, Band 10.1, hrsg. von Hans-Herbert Möller, Niedersächsisches Landesverwaltungsamt - Veröffentlichungen des Instituts für Denkmalpflege, Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig/ Wiesbaden 1983, ISBN 3-528-06203-7, S. 96f.
- ↑ Detlef Schmiechen-Ackermann: Nationalsozialismus und Arbeitermilieus. Der nationalsozialistische Angriff auf die proletarischen Wohnquartiere und die Reaktion in den sozialistischen Vereinen ( = Reihe Politik- und Gesellschaftsgeschichte., Band 47). zugleich Habilitationsschrift 1996 an der Universität Hannover. Bonn: J.H.W. Dietz Nachfolger, 1998, ISBN 3-8012-4081-9, S. 217; Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Hans-Dieter Schmid (Hrsg.): Feste und Feiern in Hannover ( = Hannoversche Schriften zur Regional- und Lokalgeschichte., Band 10). Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1995, ISBN 3-89534-143-6, S. 157. Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Dirk Riesener: Die Polizeidirektion Hannover. Gesellschaft, Industrie und Polizei vom Deutschen Reich bis zur Bundesrepublik Deutschland. Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2006, ISBN 3-7752-5926-0, S. 42. Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Wilhelm Henze: Dat Gooseäten. In: ders.: Sau suihste iut! 1. Auflage. Salzwasser Verlag, Paderborn 2015, ISBN 978-3-8460-8208-9, S. 9. online über Google-Bücher
- ↑ Waldemar R. Röhrbein, Klaus Mlynek (Hrsg.): Geschichte der Stadt Hannover, Band 2: Vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart. S. 527 u.ö. Vorschau über Google-Bücher
- ↑ Vergleiche etwa die Seite 92 aus dem Adressbuch der Stadt Hannover von 1942.
- ↑ Peter Schulze: Muslime. In: Stadtlexikon Hannover. S. 457.
Koordinaten: 52° 22′ 32,1″ N, 9° 43′ 29″ O