Die Kabbala (auch Kabbalah), übersetzt „das Überlieferte“, ist eine mystische Tradition des Judentums und bezeichnet sowohl bestimmte („kabbalistische“) überlieferte Lehren als auch bestimmte überlieferte Schriften. Sie steht in einer jahrhundertelangen mündlichen Überlieferung, deren Wurzeln sich im Tanach, der Heiligen Schrift des Judentums, finden.

Die Basis kabbalistischer Traditionen ist die Suche des Menschen nach der Erfahrung einer unmittelbaren Beziehung zu Gott. Es gibt verschiedene kabbalistische Schriften und Schulen, aber keine Dogmatik oder abprüfbare Lehrinhalte, also keine allgemeingültige kabbalistische Lehre.

Des Weiteren gibt es eine reichhaltige schriftliche Überlieferung zum Teil gegensätzlicher kabbalistischer Strömungen (beispielsweise die ekstatische und die theosophische Richtung in der älteren Kabbala). Als bedeutendstes Schriftwerk der Kabbala gilt der Zohar, ein pseudepigraphisches Werk aus der theosophischen Richtung der älteren Kabbala.

Die schriftliche Überlieferung und Produktion der Kabbala enthält auch gnostische, neuplatonische und christliche Elemente. Seit Pico della Mirandola (15. Jahrhundert) wird die Kabbala auch in nichtjüdischen Kreisen fortgeführt (vgl. Christliche Kabbala, Hermetische Kabbala).

Der Begriff Kabbala

Die Bezeichnung Kabbala (hebräisch קַבָּלָה) geht auf den hebräischen Wortstamm קבל (qbl) zurück und bedeutet ‚Empfangen‘, ‚Erhalten‘. Ursprünglich konnte das Wort Kabbala allgemein jegliche Überlieferung bezeichnen, insbesondere als jüdische Überlieferung aber die Offenbarung der Tora an Mose am Sinai. So beginnen die Sprüche der Väter aus der Mischna: משֶׁה קִבֵּל תּוֹרָה מִסִּינַי וּמְסָרָהּ לִיהוֹשֻׁעַ ‚Moscheh [Mose] empfing die Tora am Sinai und überlieferte sie Jehoschua [Josua]‘.

Ab dem Mittelalter wird diese Bezeichnung „für eine bestimmte spekulative Richtung und eine mit ihr verbundene Frömmigkeitsform des Judentums“ verwandt. Im Hauptteil des Zohar wird das Wort Kabbala nicht verwendet, erscheint aber in späteren Teilen wie Ra'aya Meheimna und dem Sefer ha-Tiqunim.

Ab dem Beginn des 14. Jahrhunderts setzte sich die Bezeichnung Kabbala gegenüber anderen damals gebräuchlichen Begriffen, die Ähnliches bedeuteten, durch.

Lehren, Praktiken und Fragestellungen

  • Entsprechungen von Oben und Unten: Nach kabbalistischer Ansicht hat Gott alles, was er im Universum geschaffen hat, auch am Menschen geschaffen. Hieraus ergibt sich ein Weltbild der wechselseitigen Entsprechungen von Oben und Unten. Hierin wird der kabbalistische Grundgedanke von Mikro- und Makrokosmos deutlich. Die ganze „untere“ Welt wurde demnach nach dem Vorbild der „oberen“ gemacht und jeder Mensch an sich ist ein Universum im Kleinen. Der körperlichen Gestalt des Menschen kommt hierbei eine universelle Bedeutung zu, denn Gott selbst wird in der Tradition der jüdischen Mystik mit letzter Konsequenz anthropomorph gedacht. Die Vollkommenheit des göttlichen Makrokosmos personifiziert sich hierbei im Menschen, welcher als Mikrokosmos zwar unvollkommen, aber dennoch ein Abbild des himmlischen Urmenschen אָדָם קַדמוֹן (Adam Qadmon) darstellt. Gott als das Grenzenlose und Ewige benötigt das von ihm geschaffene Mittlerwesen des Menschen, um durch die „zehn geistigen Kräfte“ (סְפִירוֹת Sephiroth) seine göttliche Allmacht wirken zu lassen.
  • Der Weltenbaum: Die zehn Sephiroth sind die göttlichen Urpotenzen, welche in der Form des kabbalistischen Weltenbaumes alle Ebenen des Seins durchragen. Dieser Weltenbaum mit dem darin verbundenen Menschen stellt den verkörperten Organismus des Universums dar. Diese elementare Verflechtung des Menschen in ein göttliches Universalsystem verdeutlicht nach kabbalistischer Ansicht auch das gegenseitige Beeinflussungspotential der göttlichen und der menschlichen Ebene. – Der Mensch steht unter dem ganzheitlichen Einfluss universaler Kräfte, kann diese aber seinerseits beeinflussen.
  • Überwindung des gewohnten Alltags-Ich: Wie häufiger in der Mystik geht es dabei um den bewussten und selbst gesteuerten Übergang in eine Ekstase, also um einen Weg, über das gewohnte Alltags-Ich hinauszugehen, dessen Beschränkungen zu transzendieren. Dazu gibt es verschiedene Techniken, die sich als Geheimlehren, die studiert und erfahren werden, überliefern. Diese initiatorische Erfahrung vermittelte sich anfänglich in einer zunächst rein mündlichen, später schriftlichen Überlieferung. In der Kabbala wird auch heute noch die Beziehung zwischen Lehrer und Schüler als wesentlich gesehen. Kabbalistische Erfahrung soll die Grenze zwischen Subjekt und Objekt aufheben können. Ein Kabbalist durchbricht demnach eine Mauer „härter als ein Diamant“ und erfährt die All-Einheit.
  • Stufen der Weisheit: Nach jüdischer Tradition gelangten nur vier Weise zu Lebzeiten ins Paradies und von diesen kehrte allein Rabbi Akiba unversehrt zurück. Den meisten gelingen nur ein paar Tritte auf der Himmelsleiter (hebräisch סֻלַּם יַעֲקֹב sullām jaʿakow) oder das Öffnen einiger weniger Tore. Jedoch behalten, so die kabbalistische Lehre, alle Suchenden und Lernenden ihre besonderen erlangten Fähigkeiten und sollen sie nach außerbiblischer Tradition sogar vererben können (deuterokanonisches Buch Ben Sira: "Wenn er auf sie (die Weisheit) vertraut, wird er sie erben, und seine Nachkommen werden an ihr Anteil haben." Sir 4,16 ). So soll der Segen בְּרָכָה Bəracha – entstehen.

Die Kabbalisten

Die Träger der kabbalistischen Überlieferungen werden בַּעֲלֵי־קַבָּלָה Baʕalē Qabālā (auch בַּעֲלֵי־הַקַּבָּלָה Baʕalē Haqqabālā) oder מְקֻבָּלִים Məqūballīm genannt. In Məqūballīm schwingt die Bedeutung „von Gott aufgenommen“ mit.

Ältere Kabbalisten trugen unspezifische und blumige Namen wie יוֹדְעֵי חֵן yōdəʕēy ḥēn ‚Kenner der Gottesgnade‘ oder einfach יוֹדְעִים yōdəʕīm ‚Wissende‘, eine Bezeichnung, die auf Nachmanides zurückgeht, מִשׂכָּלִים miśkālīm ‚Vernunftbegabte‘ und חַכמֵי הַלֵּב ḥachmē hallēv (auch חַכמֵי לֵב ḥachmē lēv) ‚Weise des Herzens‘. Das Objekt ihrer Bemühungen war die חָכְמָה נִסתָּרָה ḥåchmā nīstarā ‚verborgene Weisheit‘ (auch חָכְמַת הַנִּסתָּר ḥåchmath hannīstār).

Geschichte der Kabbala

Vorkabbalistische Zeit

Die Merkaba-Literatur war ab dem ersten vorchristlichen Jahrhundert eine mystische Strömung innerhalb des Judentums. Im dritten Jahrhundert nach Chr. entstand das magisch-mystische Buch Sefer ha-Razim.

Gegen Ende der talmudischen Zeit entstand in der Tradition vorhandener Text-„Komplexe kosmologischen und sprach-spekulativen Charakters“ das vorkabbalistische Sefer Jetzira, welches die Lehre der Sephiroth (Sphären, Ziffern) entwirft. Diese Lehre entspricht noch nicht ganz dem späteren kabbalistischen Verständnis, wird aber unter Kabbalisten entsprechend gedeutet. Die Entstehungs- und frühe Wirkungsgeschichte des Sefer Jetzira ist noch nicht sicher erforscht. Der Text blieb „nicht selbstständig, sondern so gut wie nur im Zusammenhang mit Kommentaren erhalten“.

Entwicklung im 12. Jahrhundert

Die Anfänge der Kabbala liegen in Südfrankreich, wo Geheimlehren angeblich ältester Tradition aufgezeichnet wurden; die Autoren nannten sich meqûbballîm ‚Empfänger‘, ‚Angenommene‘. Sie führten ihre Inhalte auf die Weisheit Adams zurück. Diese seien durch Auserwählte weitergegeben worden; tatsächlich basierten sie auf einer „(zumeist populär-) neuplatonische[n] Sicht der Welt und des Menschen“, wobei die Stellung auf ein neuplatonisches Weltbild wohl oft unbewusst geschah. Zur Bekräftigung der Behauptung, auf die ältesten Traditionen zurückzugreifen, wurde „so gut wie alles von der reichen biblisch-rabbinischen Überlieferung aufgegriffen und in ihrem Sinne verarbeitet. Und zwar mit derartigem Erfolg, dass auch viele älteren Vorstellungen für Laien als ‚kabbalistisch‘ erscheinen, was den Blick für die eigentlichen kabbalistischen Anliegen verstellen kann“. Die ersten Kabbalisten nutzten die „Bearbeitung und Kommentierung älterer Texte als Vehikel für ihre Lehren“; das erste Buch, das einen nach dieser Verwertungsmethode entstandenen kabbalistischen Text enthält, ist das Sefer ha-Bahir, das gegen 1180 fertig redigiert war und „lange Zeit Hauptgrundlage der danach allmählich verschriftlichten kabbalistischen Geheimlehre“ war.

Das Klima in der Entstehungsregion war „stark geprägt durch [innerhalb des Christentums] oppositionelle und dualistisch orientierte Tendenzen, wie sie vor allem in den Katharer- und Albigenserbewegungen zur Wirkung gelangten, Machtkämpfe auslösten und auch die offizielle Kirche zu direkten Gegenaktionen veranlassten“. Ein direkter Zusammenhang zwischen diesen Tendenzen und der frühen Kabbala konnte nicht hergestellt werden. Während diese Bewegungen jedoch im Konflikt zur offiziellen Auslegung des Christentums standen, war die Kabbala keine Protestbewegung gegen die Auslegung des Judentums, „im Gegenteil, die Kabbalah erwies sich für die jüdische Religion trotz spekulativer Neuerungen von bislang kaum bekanntem Ausmaß als wirksamste Kraft zur Bewahrung und Vertiefung traditioneller Torah-Frömmigkeit“.

Ausbreitung im 14. Jahrhundert

Die klassische Kabbala verbreitete sich „gegen Ende 1300 von Nordspanien aus vor allem durch die Werke des Josef ben Abraham Josef Gikatilla und durch die (teilweise anonymen und pseudepigraphischen) Schriften des Mose ben Samuel de Leon“.

Grundsätzlich hatten sich die Kabbalisten des 12. und 13. Jahrhunderts wie die jüdischen Philosophen nach Saadia Gaon einen spiritualisierten anti-anthropomorphen Gottesbegriff zugelegt, doch sorgten sie für eine dialektisch zugeordnete Kommunikationsgestalt, die dem nicht zur Kommunikation fähigen Gott der Philosophen zur Seite gestellt, erneut die Menschen mit ihm in althergebrachter Weise kommunizieren ließ. Ohne hinter philosophisch-theologische Errungenschaften zurückzutreten, kamen alte biblisch-rabbinische Ansichten wieder zur Geltung, allerdings führte ein meditativ-theosophischer Einschlag bei der Gebotserfüllung ihre Neuerung an den Rand der Häresie.

Im hohen Mittelalter waren die Zentren kabbalistischer Bewegungen der Deutsche Chassidismus im Rheinland (Mitte des 12. bis Mitte des 13. Jahrhunderts), der das Werk Sefer Chassidim hervorbrachte. In Spanien entfaltete sich die so genannte „Prophetische Kabbala“, deren bedeutendste Vertreter Abraham Abulafia und Josef Gikatilla waren.

Der Zohar

Aus der Tradition des spanischen Judentums entstand gegen Ende des 13. Jahrhunderts die bedeutendste kabbalistische Schrift überhaupt: der Zohar (Sefer ha Zohar, hebr. ‚Das Buch des Glanzes‘). Als Autor seines Hauptteils gilt der spanische Kabbalist Mosche de Leon († 1305). Der Hauptteil des Zohar wurde in einem künstlich altertümlich gestalteten Aramäisch verfasst und von Mosche de Leon ab etwa 1275 „als angeblich altes Werk des Rabbinen Shimʿon bar Jochaj“ aus dem frühen 2. Jahrhundert verbreitet. Unter Kabbalisten gilt der Zohar „bis heute als ‚Midrasch des Simon bar Jochaj‘ […] und als ein heiliges Buch“. Der Zohar enthält in verschiedenen, teils sehr umfangreichen Abhandlungen Auslegungen der Tora, Erzählungen zu mystischen Gestalten des Judentums, insbesondere zu Rabbi Schimon ben Jochai und seinen Schülern, sowie Spekulationen zu Zahlen und Buchstaben als den Fundamenten der Welt.

Der Zohar genoss „schon innerhalb kurzer Zeit ein hohes Ansehen“ und wurde auch in der Neuzeit „wie ein ‚heiliges Buch‘ behandelt“. Entsprechend umfangreich ist auch die kommentierende Tradition zu diesem Werk. Während der Zohar „so etwas wie ‚kanonische‘ Geltung erlangte“, wurden die übrigen kabbalistischen Schriften „dadurch in den Hintergrund gedrängt“ und gingen teils verloren.

16. Jahrhundert: Lurianische Kabbala in Safed

Nach der Verfolgung und Vertreibung der Juden aus Spanien im Jahr 1492 wurde Safed in Galiläa zum Zentrum kabbalistischer Lehre. Hier wirkte vor allem Isaak Luria (1534–1572), der wesentliche Beiträge zu der kabbalistischen Auffassung von der Schöpfung der Welt entwickelte. Dazu gehören Vorstellungen vom אָדָם קַדמוֹן (Adam Qadmon) und einem „Sich-Zurückziehen“ (צִמצוּם Tzimtzum) Gottes, um der entstehenden Welt Platz zu schaffen, dem ‚Zerbrechen der Gefäße‘ (שְבִירַת הַכֵּלִים Schvirat ha-Kelim) bei der Schöpfung und dem Freiwerden der göttlichen Lichtfunken, Spekulationen über das Unendliche (אֵין סוֹף En Sof) und eine Lehre über die Seelenwanderung (גִּלגּוּל Gilgul). Ziel aller Bemühungen des Menschen ist es danach, in einem Prozess der Reparatur der Welt (תִּקוּן עוֹלם Tiqqūn Olam) den ursprünglichen heilen Zustand der Welt aus göttlicher Existenz wiederherzustellen.

Entstehung einer christlichen Kabbala

Im 15. Jahrhundert eigneten sich auch Christen kabbalistische Lehren an. Giovanni Pico della Mirandola gilt als erster Vertreter der christlichen Kabbala, Anhänger der christlichen Kabbala waren eher an der Suche nach griechischer Philosophie und christlichen Inhalten in der Kabbala interessiert als an dieser selbst, und „[d]ie Unwissenheit mancher Autoren ist sogar horrend“. Vertreter einer als okkulte Philosophie bezeichneten Strömung, wie Agrippa und Giovanni Pico della Mirandola, versuchten, Philosophien zu entwickeln, die hermetisches, hebräisches und klassisches Wissen assimilieren, und dies dann mit der christlichen Theologie zu vereinigen. Trotz ihres esoterischen Charakters wurden die der okkulten Philosophie zugrundeliegenden hermetischen und kabbalistischen Ideen im Europa der Renaissance anfangs positiv aufgenommen. Die Historikerin Frances A. Yates betrachtete die okkulte Philosophie sogar als zentrale Triebkraft hinter der Renaissance selbst. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wuchs jedoch als Teil der Gegenreformation auch die Reaktion gegen den Renaissance-Neuplatonismus und die damit assoziierten okkulten Strömungen. Die christliche Kabbala, die zunächst die Legitimation okkulten Denkens beförderte, wurde nun deswegen abgewertet und mit Hexerei in Verbindung gebracht.

17. bis 19. Jahrhundert: Chassidismus, Bedeutungsverlust

Die in Safed entstandene Kabbala des Isaak Luria (lurianische Kabbala) gewann erheblichen Einfluss. Viele Elemente dieser Lehre wurden auch im osteuropäischen Chassidismus des 17. und 18. Jahrhunderts wirksam. Unter behutsamer Einbeziehung messianischer Elemente und einer gewissen Vereinfachung des ursprünglich sehr differenzierten Lehrgebäudes konnte die Kabbala große populäre Bedeutung in den chassidischen Zentren des Ostjudentums entfalten.

Die jüdische Kabbala verlor bis zum 19. Jahrhundert an Einfluss und erfuhr Geringschätzung durch die jüdischen Gelehrten dieser Zeit. Die Gegner der Kabbala unterstellten dieser, synkretistisch, voller christlicher Einflüsse und damit nicht jüdisch zu sein.

Entstehung der hermetischen Kabbala

Im 18./19. Jahrhundert entstand die hermetische Kabbala, eine Strömung mit Wurzeln in der Gnosis, dem Neuplatonismus, der Hermetik, sowie der christlichen Kabbala, die hierbei von großer Bedeutung war. Die hermetische Kabbala entfernte sich jedoch vom Christentum, mitunter bis hin zu einer antichristlichen Ausrichtung und nimmt gegenüber der ursprünglichen jüdischen Kabbala einen universelleren Ansatz an.

Im 19. und 20. Jahrhundert erschienen mehrere Werke des französischen Okkultisten Éliphas Lévi, der kabbalistische Lehren und die Werke anderer Autoren verfälschte, während sich Arthur Edward Waite um eine korrekte Darstellung der Kabbala bemühte, jedoch nicht des Hebräischen und Aramäischen mächtig war und daher Fehler aus Jean de Paulys verfälschter Zohar-Übersetzung in sein Werk The Secret Doctrine in Israel übernahm.

20. Jahrhundert: Systematische Lehre, „Hollywood-Kabbala“

Als einer der bedeutenden Kabbalisten des 20. Jahrhunderts gilt Yehuda Ashlag mit seiner systematischen Lehre der Kabbala. Losgelöst von jeglicher Mystik erklärt er die Kabbala als Erkenntniswissenschaft, die jedem Menschen – ungeachtet seiner Herkunft – als Lehre dienlich sein kann, um Schöpferähnlichkeit bzw. Dwekut (Anhaftung) zu erlangen. Diese Schöpferähnlichkeit soll durch Überwindung der egoistischen Absichten zueinander erlangt werden. Dazu sei die Enthüllung der Weisheit der Kabbala an alle Menschen in der Welt erforderlich und das jüdische Volk hätte als Beispielfunktion für Nächstenliebe eine systemische Rolle für alle Nationen. Er deutet 'Israel' und die 'Völker der Welt' als spirituelle Konzepte, die in jedem Menschen vorhanden sind. Dabei ist 'Israel' ein Synonym für die Innerlichkeit bzw. das Streben nach Altruismus und 'die Völker der Welt' ein Synonym für Äußerlichkeit, das Streben nach Egoismus in einem Menschen. Er lehrt die Weisheit der Kabbala als notwendiges Mittel zur Korrektur der egoistischen Beziehungen zwischen Menschen und zur Erlangung von Weltfrieden.

Zu seinen Schülern zählte unter anderen Baruch HaLevi Ashlag (1907–1991), der seinen Weg fortsetzte. Baruch Ashlag beschreibt in praktischer Weise in seinen Schriften Shlavei HaSulam (Die Sprossen der Leiter) die stufenweise Erkenntnis der Eigenschaft zu geben, um Schöpferähnlichkeit zu erlangen. Nach dessen Tod setzte sein wichtigster Kabbala-Student Michael Laitman seinen Weg fort und unterrichtet heute Millionen Menschen weltweit.

Ein weiterer Schüler von Yehuda Ashlag war Yehuda Brandwein. Sein Schüler war Philip Berg, welcher in den 1970er-Jahren das sogenannte Kabbalah Centre gründete und anfing, die Lehre, die traditionell nur männlichen Juden über 40 zugänglich war, auch Frauen und Nichtjuden anzubieten. Bergs New-Age-Version der Kabbala, die unter Prominenten wie Ashton Kutcher, Madonna oder Britney Spears populär ist, wird auch als „Hollywood-Kabbala“ bezeichnet und von Kritikern als Antithese zur echten Kabbala angesehen.

Vor allem in den chassidischen Gemeinden der USA und in Israel wird die originäre jüdische kabbalistische Tradition auch in der Gegenwart noch gepflegt und weiterentwickelt.

Literatur

  • Veronique Altglas: From Yoga to Kabbalah. Religious Exoticism And The Logics Of Bricolage. Oxford University Press, 2014 ISBN 978-0-19-999763-3
  • Nicole Maria Bauer: Zwischen Tradition und Transformation. Kabbalistische Vorstellungen und Praktiken in der religiösen Gegenwartskultur. In: Zeitschrift für Anomalistik, Band 14, 2014, S. 224–247, anomalistik.de (PDF; 667 kB).
  • Nicole Maria Bauer: Kabbala und religiöse Integrität. Eine religionswissenschaftliche Analyse des deutschsprachigen Kabbalah Centre. Transcript-Verlag, Mai 2017 ISBN 978-3-8376-3699-4.
  • John W. McGinley: „The Written“ as the Vocation of Conceiving Jewishly. To Excel/Kaleidoscope Sof, 2006, ISBN 0-595-40488-X.
  • Karl Erich Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus. Campus, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-593-37513-3.
  • Z’ev ben Shimon Halevi: Lebensbaum und Kabbala. Heyne, München 1997, ISBN 3-453-11836-7. Originaltitel Adam and the Kabbalistic tree. Gateway books.
  • Boaz Huss: Kabbalah and Modernity. Interpretations, Transformations, Adaptions. Brill Academic Publishers, 2010 ISBN 978-90-04-18284-4.
  • Andreas B. Kilcher: Kabbala. In: Gert Ueding (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Rhetorik. WBG, Darmstadt 1992 ff., Band 10, 2011, Sp. 438–446.
  • Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Beck, München 20042, ISBN 3-406-39659-3.
  • Johann Maier: Geschichte der jüdischen Religion. Von der Zeit Alexanders des Großen bis zur Aufklärung mit einem Ausblick auf das 19./20. Jahrhundert. Herder/Spektrum, 4116; Herder, Freiburg i. Br. 1992, dort bes. § 33 „Kabbalah“ (S. 333–359; Lit.!).
  • Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen. Suhrkamp, Frankfurt (Main) 1980, ISBN 3-518-07930-1.
  • Gershom Scholem: Zur Kabbala und ihrer Symbolik. Suhrkamp, Frankfurt (Main) 1973, ISBN 3-518-27613-1.
  • Gershom Scholem: Kabbalah. In: Encyclopaedia Judaica. Band 10. Keter Publishing, Jerusalem 1971, S. 489–653.
  • Gershom Scholem: Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism and Talmudic Tradition. The Jewish Theological Seminary of America, New York 1965.
  • Gershom Scholem: Von der mystischen Gestalt der Gottheit. Studien zu Grundbegriffen der Kabbala. Rhein-Verlag, Zürich 1962.
Sammlungen mit Textauszügen im Überblick
  • Michael Laitman (Hrsg.): Lehrbuch der Kabbala. Grundlagentexte zur Vorbereitung auf das Studium der authentischen Kabbala. 941 S., Edition Laitman Kabbala in J. Kamphausen, 2. Aufl. 2012, ISBN 978-3-89901-418-1.
  • Daniel C. Matt (Hrsg.): Das Herz der Kabbala. Jüdische Mystik aus zwei Jahrtausenden. O. W. Barth, Berlin 1996 (thematischer Auswahlband; besonders gute Übersetzungen), ISBN 3-502-65450-6.
  • Helmut Werner: Kabbala. Komet, Frechen 2002, ISBN 3-89836-349-X (eine Textauswahl mit Einleitung, Bibliografie und Lexikon; besonders daran die Einteilung theoretischer und praktischer Kabbala.)

Einführungen

  • Heinrich Elijah Benedikt: Die Kabbala als jüdisch-christlicher Einweihungsweg. Zwei Bände: Band I: Farbe, Ton, Zahl und Wort als Tore zu Seele und Geist. Gebundene Ausgabe, 398 S., Ansata-Verlag, 12. Auflage 2004, ISBN 3-7626-0279-4. / Band II: Der Lebensbaum. Spiegel des Kosmos und des Menschen. Gebundene Ausgabe, 604 S., Ansata-Verlag, 9. Aufl. 2004, ISBN 3-7626-0280-8.
  • Perle Besserman: Der versteckte Garten. Die Kabbala als Quelle spiritueller Unterweisung. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-596-13013-1.
  • Erich Bischoff, Jakob Winter und August Wünsche: Die Kabbala. Einführung in die jüdische Mystik und Geheimwissenschaft. Voltmedia, Paderborn ISBN 3-937229-77-9.
  • Joseph Dan: Die Kabbala. Eine kleine Einfuehrung. Reclam 2007 (RUB 18451), ISBN 978-3-15-018451-6.
  • Klaus Davidowicz: Die Kabbala. Eine Einführung in die Welt der jüdischen Mystik und Magie. Böhlau Verlag, Wien/Köln/Weimar, 2009, ISBN 978-3-205-78336-7.
  • Christina Gehse: Die Kabbala als weiblicher Einweihungsweg. Irdana Verlag, Hamburg 2010, ISBN 978-3-9813609-1-2.
  • Michael Laitman (2008): Die verborgene Weisheit der Kabbala. Edition Laitman in J. Kamphausen Verlag, Bielefeld 2011 ISBN 978-3-89901-433-4.
  • Will Parfitt: Die Kabbala. Aurum-Verlag, Braunschweig 1993, ISBN 3-591-08339-9 (Einf. in die praktische Kabbala mit Bezügen zu Kabbalisten der letzten 100 Jahre.)
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Wiktionary: Kabbala – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Alfred Lehmann: Aberglaube und Zauberei von den ältesten Zeiten an bis in die Gegenwart. (2. Auflage 1908; 4. Auflage 1969) 5., unveränderte deutsche Auflage (Nach der 2., umgearbeiteten dänischen Auflage übersetzt und nach dem Tode des Verfassers bis in die Neuzeit ergänzt von Dominikus Peters I.) Aalen 1985; Neudruck Bindlach 1990, ISBN 3-8112-0698-2, S. 164.
  2. Vgl. etwa Hermann Greive: Die christliche Kabbala des Giovanni Pico della Mirandola. In: Archiv für Kulturgeschichte. Band 57, 1975, S. 141–161.
  3. 1 2 3 Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 12 f.
  4. Kabbalah. In: Encyclopedia Judaica, Band 10, S. 495.
  5. Gershom Scholem: Ursprung und Anfänge der Kabbala. (Band 3 von Studia Judaica), Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2013, ISBN 978-3-11-088727-3, S. 62–70
  6. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 38.
  7. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 41.
  8. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 42.
  9. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 44–46.
  10. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 48.
  11. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 47.
  12. Karl E. Grözinger: Jüdisches Denken. Band 2: Von der mittelalterlichen Kabbala zum Hasidismus, Frankfurt 2005, S. 22 f.
  13. 1 2 3 Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 13 f.
  14. Johann Maier: Die Kabbalah. Einführung – Klassische Texte – Erläuterungen. Verlag C. H. Beck, München 1995, ISBN 3-406-39659-3, S. 15.
  15. 1 2 3 Harvey J. Hames: Exotericism and Esotericism in Thirteenth Century Kabbalah. Esoterica, abgerufen am 20. Mai 2012 (englisch).
  16. Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 2 (digital-brilliance.com [PDF; abgerufen am 20. Mai 2012]).
  17. 1 2 Anthony J. Elia: An Historical Assessment of the Narrative Uses of the Words “Kabbalah,” “Cabala,” and “Qabala/h”: Discerning the Differences for Theological Libraries. In: Theological Librarianship: An Online Journal of the American Theological Library Association. Band 2, Nr. 2. American Theological Society, Dezember 2009, ISSN 1937-8904, S. 13 f. (atla.com [abgerufen am 20. Mai 2012]). An Historical Assessment of the Narrative Uses of the Words “Kabbalah,” “Cabala,” and “Qabala/h”: Discerning the Differences for Theological Libraries
  18. Karl R. H. Frick: Die Erleuchteten. Gnostisch-theosophische und alchemistisch-rosenkreuzerische Geheimgesellschaften bis zum Ende des 18. Jahrhunderts – ein Beitrag zur Geistesgeschichte der Neuzeit. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1973, ISBN 3-201-00834-6, S. 109.
  19. Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 100.
  20. Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 98.
  21. Andrew Duxfield: Doctor Faustus and Renaissance Hermeticism. In: Sara Munson Deats (Hrsg.): Doctor Faustus. A Critical Guide. Continuum, London u. a. 2010, S. 108.
  22. Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Band 330). 1. Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 1 f. (englisch: Major Trends in Jewish Mysticism. Übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro).
  23. Walter Martin, Jill Martin Rische, Kurt van Gorden: The Kingdom of the Occult. Thomas Nelson, Nashville, Tennessee 2008, ISBN 978-1-4185-1644-4, S. 144–147 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Mai 2012]).
  24. Israel Regardie: A Garden of Pomegranates: Skrying on the Tree of Life. Edited and Annotated with New Material by Chich Cicero and Sandra Tabatha Cicero. 3. Auflage. Llewellyn Publications, St. Paul, MN 2004, ISBN 1-56718-141-4, S. XIII.
  25. Israel Regardie: A Garden of Pomegranates: Skrying on the Tree of Life. Edited and Annotated with New Material by Chich Cicero and Sandra Tabatha Cicero. 3. Auflage. Llewellyn Publications, St. Paul, MN 2004, ISBN 1-56718-141-4, S. XIII, 138 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Mai 2012]).
  26. Israel Regardie: A Garden of Pomegranates: Skrying on the Tree of Life. Edited and Annotated with New Material by Chich Cicero and Sandra Tabatha Cicero. 3. Auflage. Llewellyn Publications, St. Paul, MN 2004, ISBN 1-56718-141-4, S. 138 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Mai 2012]).
  27. Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Band 330). 1. Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 3 (englisch: Major Trends in Jewish Mysticism. Übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro).
  28. Arthur Edward Waite: Doctrine and Literature of the Kabalah. Kessinger Publishing, 1992, S. 400 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Mai 2012]).
  29. Don Karr: The Study of Christian Cabala in English. 2012, S. 68 f. (digital-brilliance.com [PDF; abgerufen am 20. Mai 2012]).
  30. Gershom Scholem: Die jüdische Mystik in ihren Hauptströmungen (= suhrkamp Taschenbuch Wissenschaft. Band 330). 1. Auflage. suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1980, S. 232, 419 (englisch: Major Trends in Jewish Mysticism. Übersetzt von Gershom Scholem und Nettie Katzenstein-Sutro).
  31. Artikel zum Abschluss des Buches Sohar, auf kabacademy.eu
  32. Die Bürgschaft (Arwut), auf kabacademy.eu
  33. Einführung in das Buch Sohar, auf kabacademy.eu
  34. Der Frieden in der Welt, auf kabacademy.eu
  35. Zu den „Sozialen Schriften“…, auf kabacademy.eu
  36. 1 2 3 4 5 Alan B. Goldberg, Katie Thomson: What’s Behind Hollywood’s Fascination with Kabbalah? ABC News, 17. Juni 2005, S. 1, abgerufen am 20. Mai 2012 (englisch).
  37. 1 2 3 Anthony J. Elia: An Historical Assessment of the Narrative Uses of the Words “Kabbalah,” “Cabala,” and “Qabala/h”: Discerning the Differences for Theological Libraries. In: Theological Librarianship: An Online Journal of the American Theological Library Association. Band 2, Nr. 2. American Theological Society, Dezember 2009, ISSN 1937-8904, S. 19 f. (atla.com [abgerufen am 20. Mai 2012]). An Historical Assessment of the Narrative Uses of the Words “Kabbalah,” “Cabala,” and “Qabala/h”: Discerning the Differences for Theological Libraries
  38. 1 2 Walter Martin, Jill Martin Rische, Kurt van Gorden: The Kingdom of the Occult. Thomas Nelson, Nashville, Tennessee 2008, ISBN 978-1-4185-1644-4, S. 151 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 20. Mai 2012]).
  39. Alan B. Goldberg, Katie Thomson: What’s Behind Hollywood’s Fascination with Kabbalah? ABC News, 17. Juni 2005, S. 2, abgerufen am 20. Mai 2012 (englisch).
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