Die Kommunalwahlen im Volksstaat Hessen 1919/1920 waren die ersten Kommunalwahlen nach der Novemberrevolution.

Allgemeines

Im Volksstaat Hessen war die Macht nach der Novemberrevolution zunächst auch auf kommunaler Ebene faktisch durch Arbeiter- und Soldatenräte übernommen worden. Mit der Wahl zur verfassungsgebenden Volkskammer im Freistaat Hessen am 26. Januar 1919 ging die Macht erstmals auf ein in allgemeinen Wahlen bestimmtes Parlament über. Auf kommunaler Ebene blieben die im Großherzogtum Hessen gewählten Gremien zunächst einmal im Amt. Entsprechend war es notwendig, die kommunalen Gremien neu zu wählen. Dies wurde jedoch zunächst durch den Spartakusaufstand verhindert und danach durch die alliierten Rheinlandbesetzung erschwert. Die aufgrund des Versailler Vertrages erfolgte Alliierte Rheinlandbesetzung betraf etwa 40 Prozent des Staatsgebietes, insbesondere die hauptsächlich linksrheinische Provinz Rheinhessen, aber auch zeitweise Gebiete der Provinz Starkenburg, die bis zum 30. Juni 1930 von französischen Truppen besetzt waren.

Entsprechend erfolgten die Wahlen zu den Gemeinde-, Kreis- und Provinzialparlamenten zu unterschiedlichen Zeitpunkten. Im besetzten Gebiet (bis auf Mainz) erfolgten keine Wahlen. Die Gremien dort wurden aufgrund Vereinigter Wahlvorschläge der Parteien entsprechend den Ergebnissen der Landtagswahlen besetzt.

Rechtsgrundlage

Nach der Novemberrevolution erfolgte eine Demokratisierung der Kreis- und Provinzialtage. Demnach erfolgte die Wahl der Provinzialtage nun in direkter freier und gleicher Wahl durch die Bürger der jeweiligen Provinzen. Die Mitglieder der Kreis- und Provinzialtage wurden nach den Grundsätzen der Verhältniswahl für jeweils drei Jahre gewählt. Erstmals war auch das Frauenwahlrecht gewährleistet.

Die Wahlen der Provinzialtage

Die Wahl der Provinzialtage fand in der Provinz Oberhessen am 31. August 1919 statt. In der Provinz Starkenburg wurde am 1. Februar 1920 gewählt, in der Provinz Rheinhessen erfolgte am gleichen Tag eine Wahl des Provinzialtages auf einem Vereinigten Wahlvorschlags aller Parteien anhand des Landtagswahlergebnisses. Lediglich die USPD hatte sich dem Vorgehen der anderen Parteien nicht angeschlossen und stellte trotz des Besatzungsregimes eine eigene Liste auf.

In Oberhessen betrug die Zahl der Wähler 63.048. Bei 401 ungültigen Stimmen betrug die Zahl der gültigen Stimmen 62.647. Auf die Parteien entfielen:

ParteiStimmen absolutSitze
USPD59453
SPD19.87912
DDP46232
DVP57643
Hessische Volkspartei und Hessischer Bauernbund26.43615

In der Provinz Starkenburg betrug die Zahl der Wähler 160.009. Bei 2759 ungültigen Stimmen betrug die Zahl der gültigen Stimmen 157.250. Auf die Parteien entfielen:

ParteiStimmen absolutSitze
USPD16.8515
SPD51.91717
DDP15.0965
DVP28.6149
Zentrum und Hessische Volkspartei44.19914
Sonstige573./.

In Rheinhessen betrug die Zahl der Wahlberechtigten 226.519 und die der Wähler 76.002. Bei 139 ungültigen Stimmen betrug die Zahl der gültigen Stimmen 75.863. Auf die Parteien entfielen:

ParteiStimmen absolutSitze
USPD60673
Vereinigter Wahlvorschlag69.796
SPD9
DDP9
Zentrum11
DVP8

Die Wahlen der Kreistage

Die Wahlen der Kreistage erfolgten gemäß folgender Tabelle.

LandkreisWahltagStimmberechtigteWählerungültige StimmenGültige StimmenAnmerkung
Kreis Darmstadt1. Februar 192081.92736.714273533.979
Kreis Bensheim17. August 191939.75614.6417414.567
Kreis Dieburg24. August 191935.88715.3088615.122
Kreis Erbach24. August 19199052
Kreis Groß-Gerau1. Februar 192037.46519.38780618.581
Kreis Heppenheim24. August 191928.16212.5504912.501
Kreis Offenbach1. Februar 192049.754117748.577
Kreis Gießen17. August 191960.80821.0947521.019
Kreis Alsfeld17. August 191921.1967084257059
Kreis Büdingen17. August 191923.7048544498495
Kreis Friedberg17. August 191949.80022.3749422.280
Kreis Lauterbach17. August 19197343307313
Kreis Schotten17. August 1919Es fanden keine Wahlen statt
Kreis Mainz1. Februar 192092.51432.0138431.929
Kreis Alzey1. Februar 1920Es fanden keine Wahlen statt
Kreis Bingen1. Februar 192025.604Es fanden keine Wahlen statt
Kreis Oppenheim1. Februar 192026.422Es fanden keine Wahlen statt
Kreis Worms1. Februar 1920Es fanden keine Wahlen statt

Es ergaben sich folgende Ergebnisse der Kreistagswahlen

LandkreisUSPDSPDDDPZentrumDVPHessische VolksparteiHessischer BauernbundSonstigeAnmerkung
StimmenSitzeStimmenSitzeStimmenSitzeStimmenSitzeStimmenSitzeStimmenSitzeStimmenSitzeStimmenSitze
Kreis Darmstadt12.13111486641850115.13214Listenverbindung von DVP und HVP
Kreis Bensheim5255101537345759942122584
Kreis Dieburg1597343688193933510637087Listenverbindung von DVP und HVP
Kreis Erbach36579145636321109722108Unter "Sonstige" ist die Landwirtschaftliche Vereinigung für den Kreis Erbach ausgewiesen, die Mandate der DVP sind auch in diesen 8 enthalten
Kreis Groß-Gerau1984395410233231433258789Listenverbindung von DVP, HVP und Bauernbund
Kreis Heppenheim400881327254191117473
Kreis Offenbach7914518938124191210.996765384Listenverbindung von DVP, HVP und Bauernbund
Kreis Gießen29374541781881217142907014
Kreis Alsfeld16755653814Listenverbindung aller bürgerlichen Parteien
Kreis Büdingen29337222242621210782Listenverbindung von HVP und Bauernbund / Die "Sonstigen" waren parteilose Bewerber
Kreis Friedberg93541314022240239631815911
Kreis Lauterbach13163599718Listenverbindung aller bürgerlichen Parteien
Kreis Mainz48724./.9./.4./.8./.5Die Listenverbindung aller Parteien bis auf die USPD erhielt 27.057 Stimmen
Kreis Alzey./../.5./.6./.4./.6Vereinigter Wahlvorschlag
Kreis Bingen./../.5./.4./.9./.3Vereinigter Wahlvorschlag
Kreis Oppenheim./../.5./.5./.6./.5Vereinigter Wahlvorschlag
Kreis Worms./.1./.9./.4./.7./.9Vereinigter Wahlvorschlag

Die Wahlen der Stadt- und Gemeindeparlamente

Daneben fanden auch Wahlen der Stadt- und Gemeindeparlamente statt. Die Stadtverordneten- und Gemeinderatswahlen erfolgten an unterschiedlichen Terminen, zuletzt im Juni 1919, im besetzten Gebiet im November 1919. Die Wahl erfolgte im Verhältniswahlrecht auf 3 Jahre. In Gemeinden, in denen nur ein Wahlvorschlag eingereicht wurde, fanden keine Wahlen statt, sondern der Wahlvorschlag galt als gewählt.

Zahl der WahlvorschlägeStarkenburgOberhessenRheinhessenStaat
1208261111580
29814037275
344232087
4 und mehr2371141

Bei den Wahlen zum Offenbacher Stadtrat am 1. Juni 1919 erhielt die SPD 16 Sitze, die USPD zwölf, die DDP neun, die Deutsche Zentrumspartei sieben und die Hessische Volkspartei vier Sitze.

Literatur

  • Mitteilungen der hessischen Zentralstelle für die Landesstatistik, Nr. 9, Oktober 1920, S. 144.
  • Mitteilungen der hessischen Zentralstelle für die Landesstatistik, Nr. 4, Mai 1921, S. 49 ff.

Einzelnachweise

  1. Gesetz die Abänderung der Kreis- und Provinzialordnung vom 8. Juli 1911 betreffend vom 15. April 1919 (Regierungsblatt 191, Seite 164–179)
  2. Linke Mehrheit bei den Offenbacher Stadtratswahlen, 1. Juni 1919. Zeitgeschichte in Hessen. (Stand: 8. Oktober 2018). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
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