Lino Ventura (* 14. Juli 1919 als Angiolino Giuseppe Pasquale Ventura in Parma, Italien; † 22. Oktober 1987 in Saint-Cloud, Frankreich) war ein italienisch-französischer Filmschauspieler. Er zählte über Jahrzehnte zu den beliebtesten französischen Charakterdarstellern.

Leben und Werk

Frühe Jahre

Der Sohn von Giovanni Ventura und Luisa Borrini kam 1927 im Alter von acht Jahren mit seiner Mutter nach Frankreich; sie wohnten zuerst im italienischen Viertel von Montreuil, dann im 9. Arrondissement von Paris. Seinen Vater, der die 20-jährige schwangere Mutter verlassen hatte, lernte Lino niemals kennen. Um die Mutter zu unterstützen, verließ Lino schon mit neun Jahren die Schule, arbeitete unter anderem als Zeitungsverkäufer, Portier, Buchhalter und Vertreter für Babykleidung und war acht Jahre lang Ringer (unter dem Namen Lino Borrini). Im Zweiten Weltkrieg wurde er zur italienischen Armee eingezogen, desertierte 1943 und versteckte sich bis zum Ende der deutschen Besatzung in einer Scheune in Baracé.

In der Nachkriegszeit trat er als Catcher auf. Nachdem er diesen Sport – in dem er sehr erfolgreich war – wegen einer Beinverletzung hatte aufgeben müssen, arbeitete er recht einträglich als Wettkampf-Organisator. Mit seinen ehemaligen Catcher-Kollegen blieb Ventura zeitlebens gut befreundet.

Durch die Vermittlung eines alten Bekannten, der im Filmgeschäft tätig war, erhielt er neben Jean Gabin und Jeanne Moreau eine Rolle in dem Gangsterfilm Wenn es Nacht wird in Paris (1953). Die Produktionsgesellschaft hatte als Gegenspieler von Gabin einen kräftig gebauten Mann gesucht, der glaubhaft als Unterweltler in Erscheinung treten konnte.

Lino Ventura war zwar seit seiner Jugend begeisterter Kinogänger, hatte aber selbst keinerlei Schauspielerfahrung und zunächst auch keine Ambitionen, in diesem Beruf zu arbeiten. Nach erfolgreichen Probeaufnahmen, bei denen er durch sein instinktives Schauspielen positiv aufgefallen war, erhielt er die Rolle des Gangsters Angelo Fraiser. Wenn es Nacht wird in Paris wurde ein Kassenschlager und machte Publikum und Filmwelt auf den bis dahin völlig unbekannten Ventura aufmerksam.

Da er bei den Zuschauern gut ankam und im Studio durch seine professionelle Arbeitsweise auffiel, wurde er immer häufiger gebucht. Mitte der 1950er Jahre gab Ventura seine anderen Tätigkeiten auf und wurde hauptberuflich Filmschauspieler.

Aufstieg zum Charakterdarsteller

Aufgrund seiner eindrucksvollen Statur und markanten Physiognomie wurde Ventura zunächst weiterhin als Leibwächter oder Unterweltfigur besetzt. Mit dem Action-Krimi Der Gorilla lässt schön grüßen (1958), in dem er als schlagkräftiger Geheimagent „Gorilla“ auftrat, konnte er sich endgültig als Filmstar etablieren. Einen gutdotierten Vertrag über mehrere Gorilla-Filme lehnte er jedoch ab, da er nicht auf einen solchen Typ festgelegt bleiben wollte.

Vielmehr verkörperte Ventura dann jahrzehntelang den Charakter des wortkargen Kommissars im Trenchcoat. Eine der ersten Rollen dieser Art übernahm er 1958 in dem Nouvelle-Vague-Klassiker Fahrstuhl zum Schafott. 1960 spielte er neben dem jungen Jean-Paul Belmondo in Der Panther wird gehetzt den Gangster Abel Davos, der vergeblich versucht, seine kriminelle Vergangenheit hinter sich zu lassen. Ab den frühen 1960er Jahren avancierte er mit erweitertem Rollenspektrum in den Fußstapfen von Gabin so zu einem der populärsten Charakterdarsteller Europas.

Er spielte Hauptrollen unter führenden internationalen Regisseuren wie Claude Sautet, Vittorio De Sica, Carlos Saura oder Jean-Pierre Melville und stand mit den großen Stars des französischen Kinos (wie Jean Gabin, Alain Delon, Jean-Paul Belmondo oder Simone Signoret) vor der Kamera. Ventura war in zahlreichen Filmklassikern, neben Fahrstuhl zum Schafott, in Die Abenteurer (1967) oder Armee im Schatten (1969), in dem er in die Rolle eines Résistancekämpfers schlüpfte, zu sehen.

In Der Clan der Sizilianer (1969) vervollständigte er die Starbesetzung um Delon und Gabin. In der grotesken Komödie Die Filzlaus (1973) parodierte er sein eigenes Image und spielte einen wortkargen Profikiller, dem ein Schwätzer und Selbstmordkandidat (Jacques Brel) den letzten Nerv raubt. 1976 übernahm er die Hauptrolle in Francesco Rosis Politdrama Die Macht und ihr Preis. In dem Psychothriller Der Schrecken der Medusa (1978) überzeugte er neben Richard Burton. 1981 lieferte er sich in dem bei Publikum und Kritik gleichermaßen erfolgreichen kriminalistischen Kammerspiel Das Verhör ein schauspielerisches Duell mit Michel Serrault. 1982 verkörperte er den Galeerensträfling Jean Valjean in Die Legion der Verdammten (Les Misérables). In bester Erinnerung bleibt auch seine Rolle als Kommissar Verjeat in Adieu, Bulle.

Schauspielerisches Profil

Ventura gestaltete seine Rollen mit eher sparsamen Mitteln. Seine Filmcharaktere traten häufig wortkarg und mürrisch auf, handelten aber intelligent und entschlossen. Venturas Figuren umgab eine Aura der Melancholie, hinter deren ruppiger Schale der Zuschauer aber Menschlichkeit und Sensibilität erahnen konnte. Er reicherte seine Rollen durch einen subtilen Humor an, indem er beispielsweise die Rolle des notorischen Griesgrams konsequent auf die Spitze trieb. Der Darsteller mit dem markanten Charakterkopf vertrat in altmodischer Weise eine unbeirrbare Moral und drückte sich dabei weniger durch Worte als durch Taten und Gesten aus. Bei internationalen Kollegen wie Richard Burton oder Jack Nicholson genoss Ventura großen Respekt.

Privatleben

Lino Ventura führte mit seiner Frau Odette Lecomte († 2013) über viereinhalb Jahrzehnte lang eine Ehe ohne Schlagzeilen und bestand in Bezug auf sein Privatleben auf äußerste Diskretion. Das Paar lernte sich 1935 kennen, heiratete am 8. Januar 1942 und bekam gemeinsam vier Kinder. Der politisch konservative Ventura wurde von vielen als Einzelgänger geschildert, der auch am Filmset kaum Freundschaften oder nähere Kontakte pflegte. Ausnahmen waren die Schauspielkollegen Jacques Brel und Hardy Krüger, mit denen er eng befreundet war.

Ventura war nicht nur aufgrund seiner Darstellungen sehr populär. Mitte der 1960er Jahre gründete er zusammen mit seiner Frau wegen der schweren Behinderung ihrer zweitjüngsten Tochter Linda die Stiftung Perce-Neige (Schneeglöckchen). Deren Stiftungszweck ist das Sammeln von Spenden für die Einrichtung von Behindertenheimen. Der Schauspieler setzte seine Popularität gezielt dafür ein, um bei seinen Landsleuten für die Stiftung zu werben, was seinen Status als französische Institution untermauerte.

Lino Ventura starb 1987 im Alter von 68 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts. Tausende folgten seinem Sarg durch die Straßen von Paris.

Filmografie

Sonstiges

In dem Asterix-Band Streit um Asterix (OT: La Zizanie) von 1970 trägt der Zenturio Caius Aerobus unverkennbar die Züge von Lino Ventura.

Literatur

  • Meinolf Zurhorst, Lothar Just: Lino Ventura. Seine Filme – sein Leben. Heyne-Filmbibliothek, Band 65, München 1984, ISBN 3-453-86065-9.
  • Philippe Durant: Lino Ventura – Biografie. Bastei-Lübbe, Bergisch Gladbach 1989, ISBN 3-404-61142-X.
  • Odette Ventura: Lino: Das Leben des Lino Ventura. Beltz-Quadriga, Berlin 1993, ISBN 3-88679-217-X.

Dokumentation

  • Lino Ventura - Ganove mit Herz. Regie: Philippe Kohly. ARTE F, Frankreich, 53 Minuten, 2016
Commons: Lino Ventura – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Lino Ventura in der Internet Movie Database (englisch)
  • Literatur von und über Lino Ventura im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • Lino Ventura. In: Who’s Who.
  • Lino Ventura - Ganove mit Herz bei arte.tv bzw. mediathekviewweb.de, biografischer Dokumentarfilm von 2016, eingefügt 24. Nov. 2019
  • Gerhard Midding: Lino Ventura, Mann von Format. Kino Xenix, Zürich, archiviert vom Original am 15. Juli 2014;.
  • Lino Ventura SITE – Portail. (französisch, französische Fan-Website).
  • Website der Hilfsorganisation Perce-Neige
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