Die Mudejaren oder spanisch Mudéjares (von arabisch مدجّن mudaddschan, DMG mudaǧǧan ‚dienstbar gemacht‘) waren Muslime, die unter einer nicht-islamischen Herrschaft in einem nicht-islamischen Land lebten. Die Mudjaren waren in den Königreichen Aragonien und Valencia eine bedeutende Minderheit. In den Herrschaftsgebieten der Krone Kastiliens lebten bis zur Eroberung des Emirates von Granada etwa 25.000 Muslime. Durch ein Dekret des kastilischen Königspaares vom 12. Februar 1502 wurden die Mudejares in den Herrschaftsgebieten der Krone Kastiliens vor die Wahl gestellt, entweder getauft zu werden oder das Land zu verlassen.

Status

Die Mudéjares waren verschiedenen Formen der Diskriminierung ausgesetzt. Als Untertanen zweiter Klasse durften sie an der Verwaltung der von ihnen bewohnten Städte und Gemeinden nicht teilnehmen. Verbrechen gegen sie wurden deutlich geringer bestraft als solche gegen Christen. Es war auch wesentlich leichter, sie zu Sklaven zu erklären: Wenn ein muslimischer Mann der Unzucht mit einer christlichen Frau beschuldigt wurde, wurden beide hingerichtet oder versklavt; hatte eine muslimische Frau dagegen mit einem Christen geschlafen, geriet nur sie in die Sklaverei. Mudéjares-Frauen wurden daher auch mit dem Hintergedanken verführt oder vergewaltigt, sie zu versklaven. Das Verbot, geschlechtliche Beziehungen zu Andersgläubigen zu unterhalten, wurde allerdings auch von den Mudéjares begrüßt. Bei christlichen Festen mussten Mudéjares vor der Hostie, die durch die Straßen getragen wurde, niederknien, König Sancho IV. von Kastilien bezeichnete sie in einem Handbuch, das er für seinen Sohn Ferdinand verfasste, als „Hunde“.

Geschichte

In Kastilien

Mit der Eroberung von Toledo und Segovia (1085) kamen erstmals viele Muslime unter die Herrschaft von Kastilien. Mit der Einnahme von Córdoba (1236), Sevilla (1248) und Murcia (1265) stieg die Anzahl der Mudejaren im Königreich beträchtlich. Während und nach der Herrschaft von Alfons X. (reg. 1252–1282) gliederten sich die Mudejaren in zwei Großgruppen:

  • Muslime von Alt- und Neukastilien, die bereits seit mehreren Generationen loyale Untertanen der Krone waren und über Rechte verfügten, die in den Urkunden ihrer Heimatstädte verbrieft waren
  • Muslime der kurz zuvor neu eroberten Gebiete des Guadalquivir-Tales.

Während erstere sehr gut in ihre christliche Umgebung integriert waren und zahlreiche gut ausgebildete Handwerker in ihren Reihen zählten, waren die Mudejar-Gemeinschaften des Guadalquivir-Tales sehr instabil. Aus Sevilla, das 1248 von Kastilien erobert wurde, wurde die muslimische Bevölkerung mit Gewalt vertrieben – der Historiker Richard Fletcher spricht von einer regelrechten „ethnischen Säuberung“. Einige Muslime, die der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Oberschicht angehörten, verließen auch freiwillig ihre Heimat. Sowohl die freiwillige als auch die erzwungene Emigration der muslimischen Bevölkerung brachte für die christlichen Eroberer Probleme mit sich, da sie nicht über genug Menschen verfügten, die das Land bewirtschaften und verwalten konnten. Daher wurden die Muslime aus Sevilla bald zur Rückkehr eingeladen. Im Jahr 1264 kam es in Kastilien zu einem ersten großen Mudejar-Aufstand. Daran nahmen nur die Mudejaren der neu eroberten Gebiete teil, die Mudejaren in Alt- und Neukastilien dagegen nicht.

Ab 1485 wurden auch die Muslime des Emirats von Granada und späteren Königreichs Granada in den kastilischen Staat integriert. Die größte muslimische Ortschaft in den Ländern der Krone Kastiliens nach Granada war Hornachos in der Extremadura. Hier wurden im Jahr 1495 432 muslimische Haushalte gezählt.

Aus Kastilien haben sich zwei mudejarische Rechtsbücher in Aljamiado erhalten. Das eine hat den Titel Leyes de moros, befasst sich ausschließlich mit weltlichem Recht. Das andere, das im Jahr 1462 abgefasste Breviario sunnī, behandelt speziell religiöse Fragen wie die rituelle Reinheit, das rituelle Gebet und die Wallfahrt nach Mekka. Ice de Gebir, der Autor dieses Breviario, betätigte sich in Segovia als Mufti und Imam und war eine Schlüsselfigur in den letzten Jahrzehnten mudejarischer Kultur auf der Iberischen Halbinsel.

In den anderen Herrschaftsgebieten

Auch im Königreich Valencia, das im Jahr 1237 auf den Ruinen des Taifa-Staats Balansiya errichtet wurde, lebten Mudejaren. Hier überwog die Zahl der Mudéjares die der Christen sogar um das Fünffache, über Jahrhunderte blühten muslimisches Leben und muslimische Kultur. Weiter nördlich in Katalonien gab es dagegen gar keine Mudéjares. In Portugal, wo sie nicht in der Mehrheit waren, hatten die Mudéjares zunehmend Schwierigkeiten, ihre kulturelle Identität zu bewahren.

Ende der Mudejaren

Nach dem Fall von Granada (1492), der letzten muslimischen Besitzung auf der iberischen Halbinsel, verschlechterte sich die Lage der spanischen Muslime vor allem infolge der nun verstärkt betriebenen Zwangskonversion zum christlichen Glauben zunehmend. Zum Christentum konvertierte Mudéjares wurden allgemein als Moriscos, „kleine Mauren“, bezeichnet. Der maghrebinische Gelehrte al-Wanscharīsī (gest. 1508) zitierte den einflussreichen Qādī Abū l-Walīd ibn Ruschd (gest. 1126) mit der Aussage: „Die Pflicht, aus den Ländern der Ungläubigen fortzuziehen, wird bis zum Jüngsten Tag bestehen bleiben“ und forderte die auf der iberischen Halbinsel verbliebenen Muslime zur Ausreise auf.

Mudéjarstil

Hintergrund und Merkmale

Viele Mudéjares waren einfache Landarbeiter. Vor allem aber waren unter ihnen mehr Handwerker, etwa Töpfer, Tischler, Maurer oder Gärtner, als in den unteren Schichten der christlichen Bevölkerung. Noch heute weist die spanische Sprache in den Wortfeldern der Holzbearbeitung und der Keramik viele Lehnwörter aus dem Arabischen auf. Als Baumeister auch christlicher Auftraggeber übten sie besonders auf die Baukunst einen erheblichen Einfluss aus.

Im Mudéjarstil wurden Materialien (Ziegelstein, siehe auch Backsteinbauwerke des Gótico-Mudéjar) sowie Bauformen und Dekor aus der islamischen Architektur wie Hufeisenbogen, Stalaktitgewölbe, Mauresken (Flächenverzierungen), Stuckornamente (Yesería) und Majolikadekor mit dem Stilrepertoire der Romanik, der Gotik oder der Renaissance verbunden. In Mudéjarbauten finden sich oft prächtige Artesonado-Holzdecken. Eine für den Mudéjarstil typische Gewölbeform sind Kuppeln mit Rippen, die an ihrem Scheitelbereich vorbeiführen, so dass die Kuppel sich dort zu einer Laterne öffnen kann.

Verbreitung

Der Mudéjarstil begann im ausgehenden 12. Jahrhundert und erreichte vom 14. bis 16. Jahrhundert seine Blüte. Von den erhaltenen Bauwerken der Frühzeit sind die Apsis der Kirche El Cristo de la Luz, die Kirche Santiago del Arrabal sowie die ehemalige Synagoge und heutige Kirche Santa María la Blanca (allesamt in Toledo) zu nennen; wenige Jahrzehnte später drang der Stil auch in den Norden vor, d. h. nach Altkastilien (Zamora, Toro, Sahagún) und nach Aragón (Teruel, Tarazona, Alagón).

Auch auf Sardinien, wohin der Baustil mit den Katalanen gelangte, gibt es Beispiele von Kirchenbauten im Mudéjar-Stil, z. B.

Der Mudéjar-Stil gelangte während der spanischen Kolonialzeit vereinzelt auch in die Überseegebiete. Mit maurischen Heimkehrern kam er im 17. Jahrhundert auch nach Tunesien, wo das einzigartige Minarett der Großen Moschee von Testour in diesem Stil errichtet wurde.

Neomudéjarstil

Eine besondere iberische Ausprägung des Historismus ist der im 19. Jahrhundert aufgekommene und auch im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts benutzte Neomudéjarstil, in dem viele Stierkampfarenen (z. B. in Granada oder Las Ventas in Madrid) und öffentliche Gebäude errichtet wurden: Schulen (Escuelas Aguirre, Madrid), Postämter (Castellón, Málaga, Saragossa), Bahnhöfe, Theater (wie das Gran Teatro Falla in Cádiz) und Museen (Pabellón Mudéjar, Sevilla). Der Triumphbogen von Josep Vilaseca im nachempfundenen Mudéjarstil empfing im Jahr 1888 die Besucher der Weltausstellung in Barcelona.

Siehe auch

  • Morisken nach dem Abschluss der Reconquista scheinbar zum Christentum konvertierte Mauren
  • Conversos zum katholischen Christentum konvertierte Juden und deren Nachkommen

Galerie

Literatur

  • Maria Filomena Lopes de Barros: Mudejaren in Portugal: Identität und Akkulturation. In: Klaus Herbers, Nikolas Jaspert (Hrsg.): Integration – Segregation – Vertreibung: religiöse Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel (7.–17. Jahrhundert). Lit, Berlin [u. a.] 2011, S. 213–230.
  • L. P. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. University of Chicago Press, Chicago 1990, S. 55–150.
  • Stephan Ronart, Nandy Ronart: Lexikon der Arabischen Welt. Ein historisch-politisches Nachschlagewerk. Artemis Verlag, Zürich u. a. 1972, ISBN 3-7608-0138-2.
  • Michael Kassar: Maurische Architektur und Kultur in Andalusien am Beispiel des Real Alcázar von Sevilla. Salzburg 2011.
  • José Hinojosa Montalvo: Mudejaren im Königreich Aragón: Integration und Segregation. In: Klaus Herbers, Nikolas Jaspert (Hrsg.): Integration – Segregation – Vertreibung: religiöse Minderheiten und Randgruppen auf der Iberischen Halbinsel (7.–17. Jahrhundert). Lit, Berlin [u. a.] 2011, S. 261–299.
  • Museum ohne Grenzen (Hrsg.): Die Mudejar-Kunst: Islamische Ästhetik in christlicher Kunst. Wasmuth Verlag, Tübingen/Berlin 2006, ISBN 3-8030-4100-7.
  • Literatur über die Mudejares im Katalog des Ibero-Amerikanischen Instituts in Berlin
Commons: Mudéjares – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Miguel Ángel Ladero Quesada: Mudéjares y repobladores en el Reino de Granada (1485–1501). In: Cuadernos de historia moderna. Nr. 13, 1992, ISSN 0214-4018, S. 49 (spanisch, ucm.es [abgerufen am 22. Mai 2019]).
  2. Luis F. Bernabé-Pons: The Last Muslim Inhabitants of a Newly-Christianized Granada: Mudejars and Moriscos. In: Bárbara Boloix-Gallardo (Hrsg.): A Companion to Islamic Granada. Brill, Leiden 2022, ISBN 978-90-04-42581-1, S. 239 (englisch).
  3. Vgl. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. 1990, S. 51 f.
  4. Richard Fletcher: Ein Elefant für Karl den Großen. Christen und Muslime im Mittelalter. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2005, S. 121.
  5. Vgl. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. 1990, S. 52 f.
  6. Vgl. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. 1990, S. 71.
  7. Vgl. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. 1990, S. 74 f., 87–97.
  8. Vgl. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. 1990, S. 78–87.
  9. Zit. Harvey: Islamic Spain 1250 to 1500. 1990, S. 56.
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