Das politische System Russlands ist staatsrechtlich vor allem in der Verfassung vom 12. Dezember 1993, im Föderationsvertrag vom 10. April 1992 und Einzelgesetzen wie etwa zum Verfassungsgericht festgelegt. Das derzeitige System gilt als Wahlautokratie und „ein autoritäres System mit der Besonderheit förmlich fortbestehender demokratischer Einrichtungen. Diese gaukeln demokratische Verhältnisse lediglich vor. Nicht zufällig sprechen kritische Beobachter von einer simulierten Demokratie.“ Der Regierungssitz befindet sich im Moskauer Kreml.

Verfassungstheoretische Einordnung und Bezeichnung

Hinsichtlich der korrekten Bezeichnung für das russische Regierungssystem existiert keine einheitliche Meinung. In Artikel 1 der Verfassung wird Russland als „demokratischer föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform“ bezeichnet.

Der Politikwissenschaftler Klaus von Beyme ordnet es als komplizierte parlamentarisch-präsidentielle Mischform ein. Es entspreche der semipräsidentiellen Form der parlamentarischen Regierungssysteme, enthalte aber auch Elemente des präsidentiellen Regierungssystems nach dem Muster der USA oder der Fünften Französischen Republik.

Zwischen dem Anspruch der Verfassung und der realen Verfassungswirklichkeit „klaffen Welten“; weitere Charakterisierungen sind darum: patronaler Präsidentialismus, hegemonialer Präsidentialismus, Netzwerkstaat, Doppelstaat, Russisches System, Wahlmonarchie, Konstitutionelle Wahlautokratie, delegative, illiberale, elektorale, halbierte, manipulierte, steuerbare, gelenkte oder defekte Demokratie, systemloses System, hybrides System oder Regime oder System Putin.

Die Politikwissenschaftlerin Margareta Mommsen stellt dar, dass auch die höchsten Amtsträger nicht über ein „klares Verfassungsverständnis“ verfügen. Der Umgang mit der Verfassung sei pragmatisch, der „praktizierte Autoritarismus“ werde dabei als ein notwendiges Provisorium gerechtfertigt („Herrschaft per Handsteuerung“ nach einer Äußerung Wladimir Putins). Nach Petra Stykow passt keine der gängigen Interpretationen und Kategorien der vergleichenden Regierungslehre zur russischen Verfassung, da der russische Präsident schon nach der Verfassung als Institution jenseits der drei Staatsgewalten konstruiert sei. Es handele sich nach William Partlett um eine „separation of powers without checks and balances“. Die Duma und der Föderationsrat hätten sich bis 2009 in gehorsame Werkzeuge des Kremls verwandelt, so Alexander J. Motyl.

In der Selbstwahrnehmung einiger russischer Politiker und Wissenschaftler wurde das politische System teils kritisch, teils affirmativ auch als „souveräne Demokratie“ bezeichnet, ein Ausdruck den Wladislaw Surkow 2006 während der zweiten Amtszeit Putins geprägt haben soll. Der Ausdruck wurde schon 2005 affirmativ zur Charakterisierung des Staatsverständnisses Putins gebraucht.

Staatsoberhaupt

Das Staatsoberhaupt ist der Präsident Russlands. Er wird in einer Volkswahl, das heißt direkt von der wahlberechtigten Bevölkerung, für vier Jahre gewählt (bis zur Legislatur 2008–2012 für vier Jahre). Ursprünglich durfte der Posten des Präsidenten von ein und derselben Person nicht länger als zwei Legislaturperioden hintereinander besetzt werden. Nach einer Unterbrechung durfte der dann ehemalige Präsident jedoch erneut kandidieren. Seit einer Verfassungsänderung im Jahr 2021 ist die Anzahl der erlaubten Legislaturperioden eines Präsidenten nicht mehr begrenzt. Einen Vizepräsidenten gab es in Russland von 1991 bis 1993, mit dem Inkrafttreten der Verfassung von 1993 wurde dieses Amt abgeschafft.

Legislative

Die Legislative im russischen Regierungssystem wird durch die Föderationsversammlung ausgeübt. Diese besteht wiederum aus zwei Kammern: dem Föderationsrat als Oberhaus und der direkt gewählten Staatsduma als Unterhaus.

Im Föderationsrat sind je zwei Repräsentanten eines jeden Föderationssubjektes vertreten, davon einer von der Exekutive und einer von der Legislative des Subjekts. Bis zu einer Gesetzesreform im Jahre 2000 repräsentierten die jeweiligen Oberhäupter der regionalen Exekutiven und Legislativen ihre Subjekte im Föderationsrat, seitdem wurden sie nach und nach durch speziell ernannte Vertreter abgelöst. Die Dauer der Amtszeit der Repräsentanten entspricht jeweils der Dauer der Legislaturperiode der von ihnen vertretenen Institutionen.

Die Duma setzt sich aus Abgeordneten zusammen, für die bis zur Wahl 2003 und wieder seit der Wahl 2016 ein Mischsystem aus Verhältnis- und Mehrheitswahl (Grabenwahlsystem) gilt. Dazwischen galt ein Verhältniswahlsystem. Die Legislaturperiode der Duma beträgt fünf Jahre. Sie hat die Funktion, Gesetze zu verabschieden, wobei ein jedes Gesetz nach dem Vorschlag durch die Duma vom Föderationsrat gebilligt und vom Präsidenten unterzeichnet werden muss. Hat der Föderationsrat Veto gegen die Verabschiedung eines Gesetzes eingelegt, kann die Duma dieses dennoch durchbringen, wenn sie es mit mindestens zwei Drittel der Abgeordnetenstimmen bestätigt. Ein Veto des Präsidenten kann nur mit einer wiederholten Bestätigung des Gesetzes durch die jeweilige Zweidrittelmehrheit sowohl in der Duma als auch im Föderationsrat überwunden werden.

Exekutive

Die exekutive Gewalt liegt bei der Regierung der Russischen Föderation, deren Schlüsselressorts allerdings direkt dem Präsidenten untergeordnet sind.

Der Ministerpräsident von Russland – auch als Premierminister oder als Vorsitzender der Regierung bezeichnet – ist Regierungschef. Er wird vom Präsidenten vorgeschlagen und muss von der Duma bestätigt werden. Lehnt die Duma einen Kandidaten auch nach drei Abstimmungen ab, oder spricht sie der Regierung ein Misstrauensvotum aus, kann der Präsident sie per Erlass auflösen und vorzeitige Neuwahlen anordnen.

Die Regierung besteht neben dem Ministerpräsidenten aus dessen Stellvertretern, genannt Vize-Ministerpräsident, sowie Ministern. Der Regierung untergeordnet ist das System der staatlichen Exekutive, das aus den Ministerien, föderalen Diensten und föderalen Agenturen besteht.

Judikative

Die oberen judikativen Institutionen sind in Russland das Verfassungsgericht sowie der Oberste Gerichtshof. Ihre Richter werden vom Föderationsrat auf Vorschlag des Präsidenten bestätigt. Dem Oberen Gerichtshof ist das russische System der ordentlichen Gerichtsbarkeit untergeordnet, dem Oberen Schiedsgericht das System der Schiedsgerichtsbarkeit. Die Verfassungsgerichte der Föderationssubjekte zählen nicht zum föderalen Gerichtsbarkeitssystem. Ein Bestandteil der Judikative in Russland ist auch die Staatsanwaltschaft, die allerdings nicht zum föderalen Gerichtsbarkeitssystem zählt und laut Verfassung Unabhängigkeit von allen anderen Machtstrukturen genießt. Über dem System der Staatsanwaltschaft steht die Generalstaatsanwaltschaft der Russischen Föderation. Ihr Vorsitzender, der Generalstaatsanwalt, wird vom Föderationsrat auf Vorschlag des Präsidenten bestätigt.

Seit August 2013 wurde das oberste Handelsgericht mit dem obersten ordentlichen Gericht zusammengelegt, faktisch untergeordnet. Damit wurde für Analytiker „die verlässlichere Säule der russischen Justiz geschwächt“.

Formaler Vergleich mit anderen Regierungssystemen

Vom klassischen präsidentiellen System (Beispiel: USA) unterscheidet sich das russische im Wesentlichen formal durch das Vorhandensein eines Premierministers als Regierungschef, der in Regierungsbildung und Regierungsausübung sowohl dem Präsidenten als auch dem Parlament untergeordnet ist.

Obwohl es wie im semipräsidentiellen System nebeneinander die Ämter des Präsidenten und des Premierministers gibt, unterscheidet sich die russische Variante doch vom klassischen semipräsidentiellen System (Beispiel: Frankreich) darin, dass die Legitimation und Kontrolle der Regierung durch das Parlament (Misstrauensvotum) insgesamt schwächer ist: Der Präsident hat nach der Verfassung stets die Möglichkeit, einen Ministerpräsidenten auch abweichend vom Willen des Parlaments zu ernennen und bei Widerstreben auch das Parlament aufzulösen. Nach Artikel 83 der Verfassung ernennt der Präsident mit Zustimmung der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation und entscheidet über die Frage des Rücktritts der Regierung. Nach Artikel 84 kann er die Staatsduma in den Fällen und nach dem Verfahren auflösen, die in der Verfassung der Russischen Föderation vorgesehen sind. In Artikel 111 wird geregelt, dass der Präsident nach dreimaliger Ablehnung der von ihm vorgeschlagenen Kandidaturen für das Amt des Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation durch die Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung der Russischen Föderation ernennen, die Staatsduma auflösen und Neuwahlen ansetzen kann. Nach Artikel 117 kann der Präsident der Russischen Föderation eine Entscheidung über die Entlassung der Regierung der Russischen Föderation treffen. Die Regierung muss dann die Amtsgeschäfte nach seinen Anweisungen weiterführen, bis eine neue Regierung ernannt ist.

Literatur

  • Margareta Mommsen: Das politische System Russlands. In: Wolfgang Ismayr (Hrsg.): Die politischen Systeme Osteuropas. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 3. Auflage. Wiesbaden 2010, S. 465ff.
  • Angelika Nußberger: Staats- und Verwaltungsrecht. In: Angelika Nußberger (Hrsg.): Einführung in das russische Recht. C.H. Beck, München 2010, ISBN 978-3-406-48391-2, S. 19ff.
  • Eberhard Schneider: Das politische System der Russischen Föderation. Eine Einführung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflage. Wiesbaden 2001.

Einzelnachweise

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  2. 1 2 Kapitel l. Grundlagen der Verfassungsordnung – Die Verfassung der Russischen Föderation. In: www.constitution.ru. Abgerufen am 10. August 2018.
  3. Margareta Mommsen: Politisches System: Einleitung. In: bpb.de. Bundeszentrale für politische Bildung, 26. März 2018, abgerufen am 26. August 2023.
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  5. Klaus von Beyme: Die parlamentarische Demokratie: Entstehung und Funktionsweise 1789–1999. Springer-Verlag, 2013, ISBN 978-3-658-03517-4, S. 37, 85 (google.de [abgerufen am 3. Dezember 2016]).
  6. Manfred Quiring: Putins russische Welt: Wie der Kreml Europa spaltet, Ch. Links Verlag, 2017, ISBN 978-3-86153-941-4, S. 16.
  7. Henry E. Hale: Regime Cycles. Democracy, Autocracy, and Revolution in Post-Soviet Eurasia. In: World Politics 58, Oktober 2005, S. 138.
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  9. zeitschrift-ip.dgap.org
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  22. Gesine Dornblüth: Kleine Verluste für demokratischen Anstrich
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