Die Rechtsschule von Beirut war eine römische höhere Bildungseinrichtung während der römischen Kaiserzeit bis zur Spätantike. Möglicherweise wurde sie im Prinzipat von Hadrian, wenn nicht bereits von Augustus gegründet. Andere Gelehrte gehen mit Franz Peter Bremer davon aus, dass sie erst um 197 n. Chr. unter Septimius Severus begründet wurde. Keine der Vermutungen steht der ersten eindeutigen Erwähnung der Schule in den Quellen, einer 239 oder 240 schriftlich festgehaltenen Rede des altkirchlichen Bischofs Gregorius Thaumaturgus, entgegen, der von der parallel bereits bestehenden Rechtsschule von Caesarea zur juristischen und lateinischen Studienvertiefung nach Beirut (Beryt) gewechselt sei. Ihr guter Ruf muss insoweit bereits bestanden haben.
Die Rechtsschule genoss über Jahrhunderte hohes Ansehen. Auch weil Latein die Sprache der römischen Juristen war, stellte die Colonia Beirut/Beryt lange Zeit eine lateinische Sprachinsel inmitten einer griechisch und syrisch dominierten Umgebung dar – noch im 5. Jahrhundert wurden dort lateinische Inschriften gesetzt. Vornehmlich bekannt ist die Rechtsschule durch die beiden spätklassischen Rechtsgelehrten Papinian und Ulpian, die dort gelehrt haben. Ihre Schriften genossen derart große Autorität im Reich, dass die Kaiser Theodosius II. und Valentinian III. sie 426 im so genannten Zitiergesetz – die Gesetzessammlung des Codex Theodosianus wurde erst danach, im Jahre 438 veröffentlicht – zusammen mit denen der Juristen Gaius, Modestinus und Paulus als Grundlage für Entscheidungen ihrer Beamten in Rechtsfragen festlegten. In der Forschung wird davon ausgegangen, dass Beirut/Beryt zu den stationes ius publice docentium aut respondentium gehörte. Rechtslehrer durften, entgegen der Auffassung Mommsens, demnach nicht nur in Rom, sondern auch in den Provinzen Rechtsgutachten (responsa) erstellen.
Kaiser Justinian bestimmte um 530, dass Beirut neben Konstantinopel und Rom als einzige offiziell anerkannte Lehranstalt für Römisches Recht fungieren sollte, während die Anstalten in Alexandria, Athen und Caesarea die kaiserliche Anerkennung verloren. Während der Ära Justinians erlangten die beiden in Beirut tätigen Kompilatoren für die Digesten, Anatolios und Dorotheos, Bedeutung. Durch ein Erdbeben in der Region wurde die Stadt Beirut (und somit die Gebäude der Rechtsschule) allerdings schon 551 so schwer beschädigt, dass die Glanzzeit der Schule schnell vorbei war. Die islamische Expansion im 7. Jahrhundert und der damit einhergehende Verlust der Provinzen des Vorderen Orients für das Römische Reich beendete dann für immer die Existenz der Institution.
Literatur
- Paul Collinet: Histoire de l’École de Droit de Beyrouth. 1925. Fb&c Limited, 2018 (Classic Reprint). ISBN 978-1-3904-0071-7.
- Linda Jone Hall: Roman Berytus. Beirut in Late Antiquity, London 2004.
- Fritz Pringsheim: Beryth und Bologna. In: Festschrift Otto Lenel. Leipzig 1921. S. 204 ff.
Einzelnachweise
- 1 2 Franz Peter Bremer: Die Rechtslehrer und Rechtsschulen im Römischen Kaiserreich, Verlag von I. Guttentag, Berlin 1868, S. 71 ff. (73) unter Bezug auf Quellen von Adolf August Friedrich Rudorff und Panegyrici Latini.
- ↑ Franz Peter Bremer unter Hinweis auf Ulpianus in den Fragmenta Vaticana § 150 (nicht unter Vormundschaft aus Rom standen hi qui ius civile docent).