Der Regierungsbezirk Marienwerder war das Gebiet eines mittleren preußischen Verwaltungsbezirks in der Provinz Westpreußen bzw. in der Provinz Preußen und bestand von 1815 bis zum Inkrafttreten des Versailler Vertrags 1920. Von Herbst 1939 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs bestand nochmal ein Regierungsbezirk Marienwerder.
Lage und Umfang
Verwaltungssitz war Marienwerder. Im Norden grenzte das Gebiet an den Regierungsbezirk Danzig. Im Osten grenzte der Regierungsbezirk Königsberg (Provinz Ostpreußen) an. Ebenfalls östlich lag das Königreich Polen als Teil Russlands. Im Süden lag der Regierungsbezirk Bromberg (Provinz Posen). Im Westen lag der Regierungsbezirk Frankfurt (Provinz Brandenburg), sowie der Regierungsbezirk Köslin (Provinz Pommern). Im Jahr 1821 betrug die Fläche etwa 17.621 km².
Gliederung
Gegliedert war der Regierungsbezirk im Jahr 1820 in:
- Kreis Flatow
- Kreis Graudenz
- Kreis Konitz
- Kreis Deutsch Krone
- Kreis Kulm
- Kreis Löbau
- Kreis Marienwerder
- Kreis Rosenberg
- Kreis Schlochau
- Kreis Schwetz
- Kreis Strasburg
- Kreis Stuhm
- Kreis Thorn
Am 1. Oktober 1887 wurde der Kreis Briesen aus Teilen der Kreise Graudenz, Kulm, Strasburg und Thorn, 1900 die Stadtkreise Graudenz und Thorn gebildet.
Bevölkerung und Wirtschaft
Im Jahr 1820 lag die Einwohnerzahl bei 379.062, diese stieg bis 1850 auf 630.405 und bis 1905 auf 932.434.
Der Regierungsbezirk war landwirtschaftlich geprägt. Auch die Forstwirtschaft spielte eine Rolle. In nur geringem Umfang wurde Bergbau auf Braunkohle betrieben. Die Industrie konzentrierte sich auf die Verarbeitung von land- und forstwirtschaftlichen Produkten sowie die dazu notwendige Herstellung von Maschinen. Die Herstellung von Leinen wurde meist im Nebenerwerb betrieben. Vom Handel geprägt waren Thorn und Graudenz. Seit 1852 wurde das Gebiet von der preußischen Ostbahn erschlossen. Es folgten weitere Eisenbahnverbindungen. Die Weichsel diente als Wasserstraße.
Politik
Politisch waren Nationalliberale (26,3 %) und Konservativen (22,9 %) zu Beginn des Deutschen Kaiserreichs (1871) etwa gleich stark vertreten. Die stärkste politische Kraft waren indes die Polen, die im Reichstag und im preußischen Abgeordnetenhaus von der polnischen Fraktion vertreten wurden, mit 45,3 %. Als agrarischer Bezirk spielten die Sozialdemokraten keine Rolle. Daran hat sich bis 1912 kaum etwas geändert. Die Nationalliberalen konnten ihre Position weitgehend behaupten und kamen auf 20,7 %. Die Konservativen fielen ab auf unter 7 %, stattdessen kam die Freikonservative Partei auf 20,8 %. Noch immer machten die Polen mit 39,7 % die stärkste Kraft aus.
Ende
Als Folge des Versailler Vertrages wurde der Regierungsbezirk mit dessen Inkrafttreten Anfang 1920 aufgelöst. Teile fielen an die neu entstandene Zweite Republik Polen, der Rest fiel an den Regierungsbezirk Westpreußen oder an die Grenzmark Posen-Westpreußen.
Nach der deutschen Besetzung 1939 wurde im Reichsgau Danzig-Westpreußen ein neuer Regierungsbezirk Marienwerder gebildet. 1945 fiel das gesamte Gebiet an Polen.
Regierungspräsidenten
- 1814–1823: Theodor Gottlieb von Hippel der Jüngere (1775–1843)
- 1823–1825: Johann Carl Rothe (1771–1853)
- 1825–1830: Eduard von Flottwell (1786–1865)
- 1830–1850: Jakob von Nordenflycht (1785–1854)
- 1850–1875: Botho Heinrich zu Eulenburg (1804–1879)
- 1875–1881: Adalbert von Flottwell (1829–1909)
- 1881–1891: Christian Julius von Massenbach (1832–1904)
- 1891–1901: Karl von Horn (1833–1911)
- 1901–1905: Ernst von Jagow (1853–1930)
- 1905–1920: Karl Schilling (1858–1931)
Literatur
- Michael Rademacher: Provinz Westpreußen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
- E. Jacobson: Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Marienwerder. Kasemann, Danzig 1868 (Digitalisat).
- Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft III: Regierungsbezirk Marienwerder.
- Georg v. Hirschfeld: Die altgermanischen Bewohner des Regierungs-Bezirks Marienwerder seit 320 v. Chr., altgermanischer Kulturzustand, Agrar-Verfassung, fortificatorische Landesvertheidigung (befestigte Zufluchtstätten für Kriegsfälle), Wohnplätze, Wohnungs-Verhältnisse und Landwirthschaft der alten Germanen. Ein Beitrag zur altgermanischen Länder- und Kultur-Geschichte. In: Zeitschrift des Historischen Vereins für den Regierungsbezirk Marienwerder, Band 1, Marienwerder 1876, S. 10–46.
- Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, Kap. I, 4. Abschn.: Der Regierungs-Bezirk Marienwerder, S. 46–58.
- Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 398–505.
- Wilhelm Ernst August von Schlieben: Neuestes Gemälde der Preußischen Monarchie. Rudolph Sammer, Wien 1834, S. 277–288.
- Uebersicht der Bestandtheile und Verzeichniß aller Ortschaften des Marienwerderschen Regierungs-Bezirks. Königl. Westpr. Kantersche Hofbuchdruckerei, Marienwerder 1820 (Google Books).
Weblinks
- Eintrag auf hgisg-ekompendium (PDF; 24 kB)
- Wahlergebnisse für den Regierungsbezirk
- Regierungsbezirk Marienwerder Verwaltungsgeschichte und Liste der Regierungspräsidenten auf territorial.de (Rolf Jehke), Stand 22. Juli 2013.