Der Kreis Marienburg (Westpreußen) war ein preußischer Landkreis, der in unterschiedlichen Ausprägungen von 1772 bis 1945 bestand. Der ursprünglich zur Provinz Westpreußen gehörende Kreis wurde nach dem Ersten Weltkrieg 1920 durch den Versailler Vertrag geteilt; seine Westhälfte fiel an die Freie Stadt Danzig, während seine Osthälfte zur Provinz Ostpreußen kam und bis 1945 im Deutschen Reich verblieb. Die Kreisstadt war Marienburg. Das ehemalige Kreisgebiet gehört heute zur polnischen Woiwodschaft Pommern.

Geschichte

Das Kreisgebiet gehörte vor der Eroberung, Christianisierung und Kolonisation durch den Deutschen Orden im Mittelalter zum Siedlungsgebiet des baltischen Volksstammes der Pruzzen. Nach dem Niedergang der Herrschaft des Deutschen Ordens im Jahre 1466 befand es sich bis 1772 unter autonomer preußischer Regierung unter Schutzherrschaft der polnischen Krone. Mit der ersten Teilung Polens kam das Gebiet 1772 an das Königreich Preußen und gehörte dort zur Provinz Westpreußen, die in sechs große Kreise, darunter der Kreis Marienburg, eingeteilt wurde. Durch die preußische Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihre Ausführungsbestimmungen kam das Gebiet zum Regierungsbezirk Danzig der Provinz Westpreußen. Im Rahmen einer umfassenden Kreisreform im Regierungsbezirk Danzig wurde zum 1. April 1818 der alte Kreis Marienburg deutlich verkleinert. Er umfasste nunmehr die Städte Marienburg und Neuteich mit ihrem Umland, darunter insbesondere der Große Marienburger Werder. Das Landratsamt war in Marienburg.

Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.

Die Gemeinde Tiegenhof wurde 1880 zur Stadt erhoben.

Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrages am 10. Januar 1920 und der damit verbundenen Auflösung der Provinz Westpreußen wurde der Kreis Marienburg geteilt. Die westlich der Nogat gelegenen Teile kamen zur Freien Stadt Danzig, während das Gebiet östlich der Nogat beim Deutschen Reich verblieb und vorläufig dem Oberpräsidenten in Königsberg unterstellt wurde. Zu dieser Zeit wurde die Schreibweise Marienburg (Westpr.) üblich.

Zur Vorbereitung der Volksabstimmung über die endgültige Zugehörigkeit des Kreises wurde das Kreisgebiet wenig später der „Interalliierten Kommission für Regierung und Volksabstimmung“ in Marienwerder unterstellt. Nach dem eindeutigen Ergebnis der Volksabstimmung am 1. Juli 1920 verblieb der Kreis bei Deutschland. Zum 1. Juli 1922 wurde der Kreis Marienburg förmlich in die Provinz Ostpreußen eingegliedert. Der Regierungsbezirk „Marienwerder“ wurde aus Traditionsgründen in Regierungsbezirk „Westpreußen“ umbenannt. Der Sitz des Regierungspräsidenten blieb in Marienwerder.

Zum 1. September 1924 wurden die Landgemeinden Tessensdorf und Willenberg aus dem Kreis Stuhm in die Stadt Marienburg im Kreis Marienburg eingegliedert. Dadurch sollten die Gebietsverluste ausgeglichen werden, die die Stadt durch die Gründung der Freien Stadt Danzig erlitten hatte. Marienburg hatte dabei ab 10. Januar 1920 auf seine Stadtteile westlich der Nogat verzichten müssen.

Zum 30. September 1929 fand im Kreis Marienburg entsprechend der Entwicklung im übrigen Freistaat Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle Gutsbezirke aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Zum 1. Januar 1939 erhielt der Kreis Marienburg entsprechend der jetzt reichseinheitlichen Regelung die Bezeichnung Landkreis. Zum 26. November 1939 wurde der Landkreis Marienburg Teil des neugebildeten Reichsgaus Westpreußen, später Danzig-Westpreußen. Der Regierungsbezirk führte jetzt wieder die frühere Bezeichnung „Marienwerder“.

Im Frühjahr 1945 wurde das Kreisgebiet von der Roten Armee besetzt. Im Sommer 1945 wurde das Kreisgebiet gemäß dem Potsdamer Abkommen unter polnische Verwaltung gestellt. Soweit die deutsche Bevölkerung nicht geflohen war, wurde sie in der Folgezeit größtenteils aus dem Kreisgebiet vertrieben.

Bevölkerung

Im Folgenden eine Übersicht mit offiziellen Angaben zu Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen:

Jahr18211831185218611871189019001910192519331939
Einwohner 43.80744.72155.33756.13158.66658.55260.90262.99932.88436.80537.711
Evangelische
Katholiken
Juden
Sonstige
21.930
15.965
233
5.679
 28.650
20.800
268
5.619
 30.325
22.310
541
5.490
32.157
20.858
441
5.096
34.057
21.437
323
5.085
35.215
22.517
297
4.970
22.271
10.312
195
50
24.440
12.075
137
1

24.336
12.366
34
215

deutschsprachig
zweisprachig
polnischsprachig
 44.468

253
50.598
4.625
114
55.174

957
 56.569
400
1.545
59.171
459
1.239
61.050
426
1.498

Die recht große Gruppe der Sonstigen bei den Konfessionen wurde fast ausschließlich durch Mennoniten gebildet. Der Rückgang ihrer Zahl war einer starken Auswanderung geschuldet.

Politik

Landräte

Wahlen

Im Deutschen Reich bildete der Kreis Marienburg zusammen mit der Stadt und dem Landkreis Elbing den Reichstagswahlkreis Danzig 1. Der Wahlkreis wurde fast durchgehend von konservativen Kandidaten gewonnen.

Kommunalverfassung

Der Landkreis Marienburg i. Westpr. gliederte sich in die Städte Marienburg, Neuteich und Tiegenhof, in Landgemeinden und – bis zu deren Wegfall im Jahre 1929 – in Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 gab es ab dem 1. Januar 1934 eine einheitliche Kommunalverfassung für alle Gemeinden. Mit Einführung der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 trat zum 1. April 1935 die im Deutschen Reich gültige Kommunalverfassung in Kraft, wonach die bisherigen Landgemeinden nun als Gemeinden bezeichnet wurden. Alle Gemeinden des Kreises mit Ausnahme der Kreisstadt waren in Amtsbezirken zusammengefasst. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Städte und Gemeinden

Stadtgemeinden 1919

Zum Kreis gehörten um 1919 folgende drei Stadtgemeinden:

  • Marienburg i. Westpr.
  • Neuteich
  • Tiegenhof

Landgemeinden 1919

Zum Kreis gehörten um 1919 folgende 129 Landgemeinden (Stand vom 1. Januar 1908):

  • Altebabke
  • Altenau
  • Altendorf
  • Altfelde
  • Alt Münsterberg
  • Alt Rosengart
  • Alt Weichsel
  • Augustwalde
  • Baalau
  • Baarenhof
  • Bärwalde
  • Barendt .
  • Beiershorst
  • Biesterfelde
  • Blumstein
  • Brodsack
  • Bröske
  • Brunau
  • Damerau
  • Dammfelde
  • Eichwalde
  • Eschenhorst
  • Fischau
  • Fürstenwerder
  • Gnojau
  • Groß Lesewitz
  • Groß Lichtenau
  • Groß Montau
  • Grunau
  • Halbstadt
  • Herrenhagen
  • Heubuden
  • Hohenwalde
  • Holm
  • Hoppenbruch
  • Irrgang
  • Jankendorf
  • Jonasdorf
  • Kalteherberge
  • Kalthof, Schloss
  • Kaminke
  • Kampenau
  • Katznase
  • Klakendorf
  • Klein Lesewitz
  • Klein Lichtenau
  • Klein Montau
  • Klettendorf
  • Königsdorf
  • Kronsnest
  • Kuckuck
  • Küchwerder
  • Kunzendorf
  • Ladekopp
  • Leske
  • Liessau
  • Lindenau
  • Lindenwald
  • Marienau
  • Markushof
  • Mielenz
  • Mierau
  • Neukirch
  • Neu Münsterberg
  • Neunhuben
  • Neuteicher Hinterfeld
  • Neuteicherwalde
  • Neuteichsdorf
  • Niedau
  • Notzendorf
  • Orloff
  • Orlofferfelde
  • Palschau
  • Parschau
  • Parwark
  • Petershagen
  • Pieckel
  • Pietzkendorf
  • Platenhof
  • Pletzendorf
  • Pordenau
  • Prangenau
  • Preußisch Königsdorf
  • Preußisch Rosengart
  • Pruppendorf
  • Rehwalde
  • Reichfelde
  • Reichhorst
  • Reimerswalde
  • Reinland
  • Rosenort
  • Rothebude
  • Rückenau
  • Sandhof
  • Schadwalde
  • Scharpau
  • Schlablau
  • Schönau
  • Schöneberg
  • Schönhorst
  • Schönsee
  • Schönwiese
  • Schwansdorf
  • Simonsdorf
  • Sommerau
  • Sorgenort
  • Stadtfelde
  • Stalle
  • Stobbendorf
  • Tannsee
  • Thiensdorf
  • Thiergart
  • Thiergartsfelde
  • Thörichthof
  • Tiege
  • Tiegenhagen
  • Tiegenort
  • Tragheim
  • Tralau Tralau
  • Trampenau
  • Trappenfelde
  • Vierzehnhuben
  • Vogelsang
  • Vogtei
  • Warnau
  • Wengeln
  • Wengelwalde
  • Wernersdorf
  • Wiedau

Gutsbezirke 1919

Zum Kreis gehörten um 1919 außerdem folgende fünf Gutsbezirke (Stand vom 1. Januar 1908):

  • Adlig Renkau
  • Fischauerfeld
  • Kykoit
  • Liebenthal
  • Montauer Forst

1920 an die Freie Stadt Danzig abgetretene Städte und Gemeinden

Zu dem westlich der Nogat gelegenen Kreisteil, der 1920 an die Freie Stadt Danzig abgetreten werden musste, gehörten die folgenden Städte und Gemeinden: Sie wechselten in den Landkreis Großes Werder der Freien Stadt.

  • Alt Münsterberg
  • Alt Weichsel
  • Altebabke
  • Altenau
  • Altendorf
  • Baarenhof
  • Barendt
  • Bärwalde
  • Beiershorst
  • Biesterfelde
  • Blumstein
  • Brodsack
  • Bröske
  • Brunau
  • Damerau
  • Dammfelde
  • Eichwalde
  • Fürstenwerder, heute Żuławki
  • Gnojau
  • Groß Lesewitz
  • Groß Lichtenau, heute Lichnowy
  • Groß Montau, heute Mątowy Wielkie
  • Halbstadt
  • Herrenhagen
  • Heubuden
  • Holm
  • Irrgang
  • Jankendorf
  • Kalteherberge
  • Kaminke
  • Klein Lesewitz
  • Klein Lichtenau
  • Klein Montau, heute Mątowy Małe
  • Küchwerder
  • Kunzendorf
  • Ladekopp
  • Leske
  • Liessau
  • Lindenau
  • Marienau, heute Marynowy
  • Mielenz, heute Miłoradz
  • Mierau
  • Neu Münsterberg
  • Neukirch
  • Neunhuben
  • Neuteich, Stadt, heute Nowy Staw
  • Neuteicher Hinterfeld
  • Neuteicherwalde
  • Neuteichsdorf
  • Niedau
  • Orloff
  • Orlofferfelde
  • Palschau
  • Parschau
  • Petershagen
  • Pieckel
  • Pietzkendorf
  • Platenhof
  • Pletzendorf
  • Pordenau
  • Prangenau
  • Rehwalde
  • Reimerswalde
  • Reinland
  • Rückenau
  • Schadwalde
  • Scharpau
  • Schönau
  • Schöneberg, heute Ostaszewo
  • Schönhorst
  • Schönsee
  • Simonsdorf, heute Szymankowo
  • Stadtfelde
  • Stobbendorf II
  • Tannsee
  • Tiege
  • Tiegenhagen
  • Tiegenhof, Stadt, heute Nowy Dwór Gdański
  • Tiegenort
  • Tragheim
  • Tralau
  • Trampenau
  • Trappenfelde
  • Vierzehnhuben
  • Vogtei
  • Warnau
  • Wernersdorf, heute Pogorzała Wieś
  • Wiedau

Städte und Gemeinden 1945

Zum Ende seines Bestehens im Jahr 1945 umfasste der Landkreis die Stadt Marienburg sowie 36 weitere Gemeinden:

  • Stalle
  • Thiensdorf
  • Thiergart
  • Thiergartsfelde
  • Thörichthof
  • Wengeln
  • Wengelwalde

Vor 1945 aufgelöste Gemeinden

  • Hoppenbruch, 1915 zu Marienburg
  • Klakendorf, 1936 zu Notzendorf
  • Kuckuck, 1935 zu Thiensdorf
  • Rothebude, 1938 zu Sommerau
  • Sandhof, 1912 zu Marienburg
  • Schloß Kalthof, 1912 zu Warnau
  • Siebenhuben, 1900 zu Küchwerder
  • Vogelsang, 1912 zu Marienburg

Literatur

  • Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Heft 2: Provinz Westpreußen, Regierungsbezirk Danzig. Berlin 1912, S. 32–37, Kr. Marienburg i. Westpr.
  • Michael Rademacher: Westpreußen – Landkreis Marienburg in Westpreußen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 40–42, Ziffer 3.
  • Preußisches Finanzministerium: Ergebnisse der Grund- und Gebäudesteuerveranlagung im Regierungsbezirk Danzig. Danzig 1867, 6. Kreis Marienburg.
  • Hermann Eckerdt: Geschichte des Kreises Marienburg. Bretschneider, Marienburg 1868 (Digitalisat, 257 Seiten).
  • A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 627.
  • Johann Friedrich Goldbeck: Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Teil II: Topographie von West-Preussen, Kantersche Hofbuchdruckerei, Marienwerder 1789, S. 14–27.
  • Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 344–351.
  • Pauk Niekammer (Hrsg.): Westpreussisches Güter-Adreßbuch. Stettin 1903, S. 36–48: Kreis Marienburg (eingeschränkte Vorschau).

Einzelnachweise

  1. August von Haxthausen: Die ländliche Verfassung in den einzelnen Provinzen der preussischen Monarchie. Gebrüder Bornträger, Königsberg 1839, S. 153 (Digitalisat).
  2. Johann Friedrich Goldbeck (Hrsg.): Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Band 2. Marienwerder 1789, S. 14 ff. (Digitalisat).
  3. Max Töppen: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Justus Perthes, Gotha 1858, S. 353 (Digitalisat).
  4. Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998. S. 98
  5. 1 2 Michael Rademacher: Kreis Marienburg. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  6. 1 2 3 4 5 Rolf Straubel: Biographisches Handbuch der preußischen Verwaltungs- und Justizbeamten 1740–1806/15. In: Historische Kommission zu Berlin (Hrsg.): Einzelveröffentlichungen. 85. K. G. Saur Verlag, München 2009, ISBN 978-3-598-23229-9.
  7. Datenbank der Reichstagsabgeordneten (Memento des Originals vom 6. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  8. Siegreiche Kandidaten bei den Reichstagswahlen im Wahlkreis Elbing–Marienburg
  9. 1 2 Gemeindeverzeichnis Kreis Marienburg i. Westpr. – territorial.de (R. Jehke, 2005):
  10. Städte, Gemeinden und Gutsbezirke 1910
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