Jean-Baptiste Nicolas Robert Schuman [ʀɔˈbɛ:ʀ ʃuˈman] (* 29. Juni 1886 in Clausen, heute Stadtteil von Luxemburg; † 4. September 1963 in Scy-Chazelles) war ein französischer Staatsmann mit ursprünglich deutscher Staatsbürgerschaft.

Geboren wurde er als Reichsdeutscher in Luxemburg. Seine Muttersprache war luxemburgisch. Im Ersten Weltkrieg war er in der deutschen Verwaltung tätig, nach der Rückkehr Lothringens nach Frankreich wurde er französischer Staatsbürger. Im Zweiten Weltkrieg schloss er sich der französischen Résistance an. Als französischer Außenminister setzte er sich für die Aussöhnung mit Deutschland und die deutsch-französische Freundschaft ein.

Schuman war französischer Ministerpräsident und bereitete als Außenminister des Landes den Weg zur Schaffung der Montanunion vor („Schuman-Plan“). Später war er Präsident des Europäischen Parlaments. Zusammen mit Jean Monnet gilt er als Gründervater der Europäischen Union.

Leben

Jugendjahre

Robert Schumans Vater, Jean-Pierre Schuman (1837–1900), wurde im deutschlothringischen Ewringen (Évrange) geboren, unmittelbar an der luxemburgischen Grenze gelegen. Mit der Annexion dieses Teils von Lothringen durch das Deutsche Reich 1871 wurde er zum Reichsdeutschen. Roberts Mutter, Eugénie Duren (1864–1911), eine in Bettemburg geborene Luxemburgerin, erwarb 1884 durch Eheschließung die deutsche Reichsangehörigkeit. Robert Schuman, der im Luxemburger Stadtteil (Faubourg) Clausen zur Welt kam, war daher Reichsdeutscher. Französisch, das er erst in der Schule lernte, sprach Schuman zeitlebens mit einem moselfränkischen Akzent. Sein Onkel, Fernand Schuman, war Abgeordneter im Landtag des Reichslandes Elsaß-Lothringen.

Von 1896 bis 1903 besuchte Robert Schuman das großherzogliche Atheneum und legte dort das Abitur ab. In dieser Zeit wurde er aktives Mitglied in der pennalen Landsmannschaft Amicitia Luxemburgensis. Ein Jahr später bestand er in Metz am kaiserlichen Gymnasium das deutsche Abitur und begann an der Universität Bonn ein Studium der Rechtswissenschaften, wo er Mitglied der Unitas-Salia Bonn im Verband der Wissenschaftlichen Katholischen Studentenvereine Unitas wurde. Später setzte er in München, Berlin und Straßburg sein Studium fort und wurde auch in den dortigen Unitas-Vereinen aktiv.

Das erste Staatsexamen legte er 1908 in Metz ab, wo er auch seine Referendarzeit verbrachte. 1910 promovierte er in Straßburg summa cum laude zum Doktor jur. Nach dem Unfalltod seiner Mutter im Jahr 1911 trug Schuman sich mit dem Gedanken, Priester zu werden. Letztlich entschied er sich für ein Leben als Laie; er heiratete aber nie und lebte sein ganzes Leben lang zölibatär.

1912 legte Schuman das zweite Staatsexamen ab und eröffnete im Juni 1912 eine Rechtsanwaltskanzlei in Metz. 1913 war er Vorsitzender der Organisation des Deutschen Katholikentages in Metz, in enger Zusammenarbeit mit Bischof Willibrord Benzler.

Zu Beginn des Ersten Weltkrieges wurde Schuman als Reservist im Schreibdienst der Festung Metz eingezogen. Ab 1915 wurde er als „Hilfsarbeiter“ bei der Kreisverwaltung von Bolchen eingesetzt. Seine politischen Widersacher hielten ihm in den Wahlkämpfen der 1920er und 1930er Jahre seinen Einsatz in der deutschen Armee vor und beschimpften ihn als „Boche“. 1918 wurde er Mitglied des Stadtrates von Metz.

Der Einstieg in die Politik

Nach der Annexion von Elsass-Lothringen durch Frankreich 1919 bekam Schuman die französische Staatsangehörigkeit und wurde für die Republikanische Union Lothringen (Union Républicaine Lorraine) Abgeordneter in der französischen Abgeordnetenkammer. Von 1928 bis 1936 war Schuman Vorsitzender des Ausschusses für Elsass-Lothringen und zeitweilig Vizepräsident des Abgeordnetenhauses. Das Abgeordnetenmandat behielt er auch während der Anfangszeit des Zweiten Weltkriegs bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo 1941 bei. Am 10. Juli 1940 stimmte er in der Nationalversammlung für die erweiterten Vollmachten für Marschall Pétain und damit für das Ende der Dritten Republik.

Nach seiner Verhaftung wurde Schuman in Metz und in Neustadt an der Weinstraße festgehalten, bis ihm schließlich 1942 die Flucht gelang. Bis zur Befreiung Frankreichs fand er Unterschlupf im Kloster Notre-Dame-des-Neiges in Saint-Laurent-les-Bains im Département Ardèche. Er ließ sich in Lyon nieder, wo viele der vertriebenen Mosellaner lebten. Über seinen Freund, den Polizeikommissar Charles-Albert Watiez, stand er in engem Kontakt mit zahlreichen Flüchtlingen und nahm am Lothringer Komitee teil, das in Lyon mit Robert Sérot, Gabriel Hocquard, Ségolène de Wendel, Paul Durand, Doktor Melchior und René Jager gegründet wurde.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg war Robert Schuman erneut Abgeordneter der französischen Nationalversammlung und amtierte als Präsident des Finanzausschusses. 1946 wurde Schuman Finanzminister und 1947 Ministerpräsident von Frankreich. Zwischen 1948 und 1952 war er Außenminister in acht kurzlebigen Kabinetten der politischen Mitte. Bekannt wurde er als Politiker unter anderem durch die Schaffung des nach ihm benannten Schuman-Plans.

Am 9. Mai 1950 veröffentlichte Schuman die historische Erklärung für die Neukonstruktion Europas, beginnend mit der Montanunion, die politisch zur Föderation Europas führen sollte. Am 18. April 1951 wurde der Montanvertrag in Paris unterzeichnet. Robert Schumans Idee einer Europäischen Gemeinschaft fand in Frankreich zum damaligen Zeitpunkt keine Resonanz, sodass er 1952 sein Amt niederlegen musste.

1955 wurde die von Schuman noch maßgeblich mitgestaltete Straßburger Konvention für Menschenrechte und bürgerliche Grundfreiheiten von 26 europäischen Staaten unterzeichnet. Bei zahllosen Vortragsreisen, die Robert Schuman zwischen 1953 und 1958 unternahm, warb er für die Idee eines geeinten Europas. 1955 ernannte man ihn zum Justizminister.

Die Annahme der Römischen Verträge 1957 sollte Europa auf den Weg führen, den der „Vater Europas“ bereits in seiner Erklärung vom 9. Mai 1950 vorgezeichnet hatte. 1958 wurde Robert Schuman zum ersten Präsidenten des neu gegründeten Europäischen Parlaments in Straßburg gewählt, das die Gemeinsame Versammlung der EGKS ablöste. In dieser Reihe ist er der fünfte Präsident. Am 10. Januar desselben Jahres erhielt er aufgrund seiner Verdienste für Europa die Ehrendoktorwürde der Katholischen Universität Löwen. Ebenfalls 1958 (am 15. Mai) wurde ihm der internationale Karlspreis der Stadt Aachen für die Einheit Europas verliehen. 1959 erhielt er zusammen mit Karl Jaspers den Erasmus-Kulturpreis.

Am 4. September 1963 starb Robert Schuman in Scy-Chazelles bei Metz. Er wurde dort in der Kirche St-Quentin bestattet.

Ehrungen

Auszeichnungen zu Lebzeiten

Postume Ehrungen

Nach Robert Schumans Tod wurden in Europa viele Örtlichkeiten nach ihm benannt. Hier eine kleine Auswahl:

Seligsprechungsverfahren

Schuman war ein Vorkämpfer der deutsch-französischen Verständigung. Für die katholische und andere christliche Kirchen gilt Schuman als Vorbild für den Ausdruck moralischer Werte in der Politik. Sein Seligsprechungsprozess wurde in Schumans Heimatdiözese Metz initiiert und ist seit 2004 im Vatikan anhängig. Die von Hans August Lücker, dem Exekutiv-Präsidenten des deutschen Komitees für die Seligsprechung von Robert Schuman, angelegte Dokumentensammlung wurde im Historischen Archiv der Europäischen Union in Florenz hinterlegt und kann dort eingesehen werden.

Papst Franziskus erkannte ihm am 19. Juni 2021 den heroischen Tugendgrad als Vorstufe zur Seligsprechung zu.

Literatur

  • Raymond Poidevin: Robert Schumans Deutschland- und Europapolitik zwischen Tradition und Neuorientierung. 1976, ISBN 3-920896-26-2.
  • Hans August Lücker: Robert Schuman. Europäer aus christlicher Verantwortung. Vallendar 1992.
  • Jean Seitlinger, Hans August Lücker: Robert Schuman und die Einigung Europas. Bouvier Verlag, Bonn 2000, ISBN 3-416-02891-0.
  • Hermann-J. Benning: Robert Schuman. Leben und Vermächtnis. Neue Stadt Verlag, München 2013, ISBN 978-3-87996-997-5
  • Matthias Waechter, Peter Becker, Otto Neubauer (Hrsg.): Robert Schuman. Politischer Realismus und europäischer Geist. Nomos-Verlag, Baden-Baden 2022, ISBN 978-3848785438.
Commons: Robert Schuman – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. cere.public.lu: Robert Schuman dans ses liens avec le Luxembourg en général et Clausen en particulier (Memento vom 10. November 2013 im Internet Archive) (PDF; 709 kB). Sein Geburtshaus wurde 1985 vom Luxemburg gekauft; dort ist nun das Centre d’études et de recherches européennes (CERE, cere.public.lu)
  2. Festschrift der Fanfare Grand-Ducale de Clausen zum 150. Jahrestag (2006, PDF, französisch; 7,4 MB), S. 29 f.
  3. Roth, François: Le personnel politique de la Lorraine pendant l'annexion à l'empire Allemand 1871–1918. De la France vers l'Allemagne – De l'Allemagne vers la France. In: Themenportal Europäische Geschichte (2007), online
  4. Robert Schuman Foundation: Robert Schuman (Biografie), abgerufen am 15. April 2011
  5. Robert Schuman (1886–1963)
  6. Christof Beckmann: Katholikentag in Metz 1913: Am Vorabend der Katastrophe. In: unitas 3/2013, S. 170f.
  7. Adalbert Kienle: Grenzgänger und Friedensfürst. Zum 100. Todestag von Willibrord Benzler OSB. In: Erbe und Auftrag, Jg. 97 (2021), S. 423–431, hier S. 428–429.
  8. René Lejeune: Robert Schuman. Padre de Europa (1886–1963). Palabra, Madrid 2009, S. 62.
  9. René Lejeune: Robert Schuman. Padre de Europa (1886–1963). Palabra, Madrid 2009, S. 62.
  10. François Roth: Robert Schuman, du Lorrain des frontières au père de l'Europe. Hrsg.: Fayard. Seite 257 und 258 2008, ISBN 978-2-213-63759-4, S. 656.
  11. Europa.eu: Die Erklärung vom 9. Mai 1950 im Volltext, abgerufen am 5. September 2007
  12. The Presidency | The President. Abgerufen am 20. Juni 2019 (englisch).
  13. Trierischer Volksfreund, 19. November 2012: Katholische Akademie: Willkommen im Aus
  14. Croire la croix, La maison-musée de Robert Schuman
  15. ORF Religion, religion.orf.at: Seligsprechungsprozess für Robert Schuman abgeschlossen, abgerufen am 5. September 2007
  16. Historisches Archiv der Europäischen Union, eui.eu: Dokumentensammlung von Hans August Lücker zu Robert Schuman
  17. Promulgazione di Decreti della Congregazione delle Cause dei Santi. In: Tägliches Bulletin. Presseamt des Heiligen Stuhls, 19. Juni 2021, abgerufen am 19. Juni 2021 (italienisch).
VorgängerAmtNachfolger
Paul RamadierMinisterpräsident der Vierten Republik
24. November 1947 bis 19. Juli 1948
André Marie
Georges BidaultAußenminister von Frankreich
26. Juli 1948 bis 8. Januar 1953
Georges Bidault
André Philip
André Philip
Finanzminister von Frankreich
24. Juni 1946 bis 18. Dezember 1946
22. Januar 1947 bis 24. November 1947
André Philip
René Maier
Emmanuel TempleJustizminister von Frankreich
23. Februar 1955 bis 1. Februar 1956
François Mitterrand
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