Die Sägemühle von Hierapolis war eine römische wassergetriebene Steinsägemühle im kleinasiatischen Hierapolis (heutige Türkei). Die in die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. datierte Wassermühle ist die erste bekannte Maschine, bei der eine Drehbewegung mithilfe von Kurbelwelle und Pleuelstange in eine lineare Bewegung umgesetzt wurde.

Die Existenz der Mühle ist durch ein Relief auf dem Sarkophag eines einheimischen Müllers namens Marcus Aurelius Ammianos belegt. Auf dem Giebel des steinernen Sarges ist ein Wasserrad abgebildet, das von einem Mühlgerinne gespeist wird. Über ein Zahnradgetriebe werden zwei Rahmensägen angetrieben, die über eine Pleuelstange und einer aufgrund mechanischer Notwendigkeit zu ergänzenden Kurbelwelle quadratische Steinblöcke durchtrennen (siehe Graphik). Die dazugehörige Inschrift ist auf Griechisch abgefasst.

Weitere Sägemühlen

Ähnliche Kraftübertragungsmechanismen aus Kurbel und Pleuelstange, freilich ohne Zahnradgetriebe, sind von archäologischen Ausgrabungen zweier Steinsägemühlen des 6. Jahrhunderts n. Chr. in Gerasa (Jordanien) und Ephesos (Türkei) bekannt. Eine weitere Sägemühle könnte im schweizerischen Augusta Raurica gestanden haben, wo man eine metallene Kurbelwelle aus dem 2. Jahrhundert n. Chr. entdeckt hat.

Der Betrieb von wassergetriebenen Marmorsägen in der Nähe von Trier ist dem Gedicht Mosella des römischen Poeten Ausonius aus dem späten 4. Jahrhundert n. Chr. zu entnehmen. Eine Textstelle im Werk des Heiligen Gregor von Nyssa (ca. 335–394) deutet auf die zeitgleiche Existenz von maschinellen Marmorsägewerken im kleinasiatischen Raum hin, so dass eine weite Verbreitung solcher industriellen Mühlen im Spätrömischen Reich anzunehmen ist.

Aufgrund der Funde kann die Einführung des Kurbelmechanismus mit Pleuelstange ein ganzes Jahrtausend vorverlegt werden; mit seiner Erfindung standen zum ersten Mal einer Technikkultur alle Hauptkomponenten der erst sehr viel später zur Einsatzreife entwickelten Dampfmaschine zur Verfügung: die Erzeugung von Dampfkraft (Herons Aeolipile), Zylinder und Kolben (in Druckpumpen aus Metall), Sperrventile (in Wasserpumpen) und Zahnräder (etwa in Wassermühlen) waren allesamt römischen Technikern bereits bekannt.

Einzelnachweise

  1. 1 2 Grewe (2009), S. 429; Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 161
  2. Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 139–141
  3. Seigne 2002a; Seigne 2002b; Seigne 2002c
  4. Mangartz 2010; Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 149–153
  5. Schiöler (2009), S. 66f.
  6. Wilson (2002), S. 16
  7. Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 161
  8. Ritti, Grewe, Kessener (2007), S. 156, Fn. 74

Literatur

Sägemühle von Hierapolis
Sägemühle von Gerasa
  • J. Seigne: Une scierie mécanique au VIe siècle, In: Archéologia 385 (2002a), S. 36–37
  • J. Seigne: Sixth-Century Waterpowered Sawmill, In: Journal of the International Society of Molinology 64 (2002b), S. 14–16
  • J. Seigne: A Sixth Century Water-powered Sawmill at Jerash, In: Annual of the Department of Antiquities of Jordan 26 (2002c), S. 205–213
Sägemühle von Ephesos
  • Fritz Mangartz: Die byzantinische Steinsäge von Ephesos. Baubefund, Rekonstruktion, Architekturteile, Monographien des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Bd. 86, Mainz 2010, ISBN 978-3-88467-149-8
Mögliche Sägemühle von Augusta Raurica
  • Thorkild Schiöler: Die Kurbelwelle von Augst und die römische Steinsägemühle, In: Helvetia Archaeologica 40, Nr. 159/160 (2009), S. 113–124
Industrielle Wasserkraftnutzung in Antike
  • Wikander, Örjan: Sources of Energy and Exploitation of Power, in: John Peter Oleson (Hrsg.): The Oxford Handbook of Engineering and Technology in the Classical World, Oxford University Press, New York 2008, ISBN 978-0-19-518731-1, S. 136–157
  • Wikander, Örjan: Industrial Applications of Water-Power, in: Örjan Wikander (Hrsg.): Handbook of Ancient Water Technology, Technology and Change in History, Bd. 2, Brill, Leiden 2000, ISBN 90-04-11123-9, S. 401–412
  • Andrew Wilson: Machines, Power and the Ancient Economy, in: Journal of Roman Studies, Bd. 92 (2002), S. 1–32

Siehe auch

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