Als Spinodale wird in der Thermodynamik eine Kurve im Zustandsraum eines beispielsweise aus einem Reinstoff oder einem Gemisch bestehenden thermodynamischen Systems bezeichnet, innerhalb derer Zustände, in denen das thermodynamische System nur in Form einer einzigen homogenen Phase vorliegt, instabil sind.
Lage im Zustandsraum
Spinodalen treten auf, wenn der Zustandsraum eines thermodynamischen Systems ein von einer Binodalen umschlossenes Koexistenzgebiet enthält, innerhalb dessen im Gleichgewicht koexistierende Phasen stabil sind und außerhalb dessen im Gleichgewicht eine homogene Phase stabil ist. Die Binodale trennt dabei die innerhalb und außerhalb des Koexistenzgebietes liegenden Zustände. Die Spinodale liegt innerhalb des von der Binodalen umfassten Koxistenzgebietes und berührt die Binodale an den kritischen Punkten. Wird die Gibbs-Energie des thermodynamischen Systems bei einem bestimmten Druck und einer bestimmten Temperatur innerhalb des Koexistenzgebietes als Funktion einer Zustandsgröße aufgetragen, in der sich die koexistierenden Phasen unterscheiden, müssen die -Profile zwei Minima aufweisen, deren -Werte denen der koexistierenden Phasen entsprechen. Zwischen diesen Minima besitzen die -Profile ein Maximum, dass von zwei Wendepunkten eingefasst wird. Die Spinodale durchläuft diese Wendepunkte. Entsprechend liegen alle Punkte des Zustandsraumes auf der Spinodalen, für die die zweite partielle Ableitung von nach gleich null wird:
Folglich lassen sich Spinodalen durch Bestimmung der Wendepunkte der bei verschiedenen Drücken und/oder Temperaturen erhaltenen -Profile konstruieren.
Bedeutung für Phasenübergänge
Wird ein thermodynamisches System durch eine Zustandsänderung von einem Zustand, in dem es als homogene Phase stabil ist, in einen Zustand im Bereich zwischen Binodaler und Spinodaler überführt, ist die ursprünglich stabile homogene Phase metastabil; die Bildung der stabilen koexistierenden Phasen verläuft über einen Nukleationsmechanismus und erfordert die Überwindung einer Aktivierungsbarriere. Wird ein thermodynamisches System durch eine Zustandsänderung aus einem Zustand, in dem es in Form einer einzigen homogenen Phase stabil ist, in den von der Spinodalen umschlossenen Bereich des Koexistenzgebietes überführt, wird es gegen alle Fluktuationen seiner Dichte, seiner Zusammensetzung oder anderer Ordnungsparameter instabil. Als Folge wachsen die Amplituden der Fluktuationen, während gleichzeitig deren Wellenlänge zunimmt. Damit durchläuft das System spontan einen Phasenübergang, der zur Bildung koexistierender Phasen führt, ohne das Aktivierungsbarrieren überwunden oder Keimbildungsprozesse durchlaufen werden müssten. Wird eine homogene Mischphase auf diese Art in koexistierende Phasen verschiedener Zusammensetzungen überführt, spricht man von spinodaler Entmischung.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ J. B. Clarke, J. W. Hastie, L. H. E. Kihlborg, R. Metselaar und M. M. Thackeray: Definitions of terms relating to phase transitions of the solid state (IUPAC Recommendations 1994). In: Pure and Applied Chemistry. Band 66, Nr. 3, 1994, S. 577–594, doi:10.1351/pac199466030577.
- ↑ Bruno Predel, Michael Hoch, Monte Pool: Phase Diagrams and Heterogeneous Equilibria: a Practical Introduction. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2004, ISBN 978-3-662-09276-7.
- ↑ Pablo G. Debenedetti: Metastable liquids: concepts and principles. Princeton University Press, Princeton, N.J. 1996, ISBN 0-691-08595-1, S. 69 ff.
- ↑ John W. Cahn, John E. Hilliard: Free Energy of a Nonuniform System. III. Nucleation in a Two‐Component Incompressible Fluid. In: The Journal of Chemical Physics. Band 31, Nr. 3, September 1959, ISSN 0021-9606, S. 688–699, doi:10.1063/1.1730447.
- ↑ K. Binder: Theory of first-order phase transitions. In: Reports on Progress in Physics. Vol. 50, Nr. 7, 1. Juli 1987, ISSN 0034-4885, S. 783–859, doi:10.1088/0034-4885/50/7/001 (englisch).
- ↑ J. W. Cahn: On spinodal decomposition. In: Acta Metallurgica. Band 9, Nr. 9, 1961, S. 795–801, doi:10.1016/0001-6160(61)90182-1.
- ↑ J. W. Cahn: Phase Separation by Spinodal Decomposition in Isotropic Systems. In: Journal of Chemical Physics. Band 42, Nr. 1, 1965, S. 93–99, doi:10.1063/1.1695731.