Stencil (englisch für Schablone) oder Schablonenkunst ist eine Bezeichnung für Graffiti oder Street-Art, die mit Hilfe von Schablonen angebracht werden. Eher selten wird der französische Begriff pochoir verwendet, obwohl die Technik initiiert durch Blek le Rat in Frankreich zum ersten Mal in größerem Stil künstlerische Verwendung fand.
Verfahren
Im Gegensatz zum freihändigen Graffito benötigt das Stencil die Anfertigung der Schablonen. Diese werden in der Regel aus Pappe, aber auch aus Kunststoff oder laminiertem Papier und – seltener – auch aus Metall oder Holz gefertigt und eignen sich dann für eine häufige Wiederholung eines Motivs. Komplizierte und großflächige Artefakte werden auf dünnem Maschendraht montiert. Die Kombination verschiedener Schablonen erlaubt mehrfarbige Motive.
Die Kombination mehrschichtiger Stencils (Multi-layer-Stencil) kann heutzutage computergestützt vorgenommen werden. Hierfür wird auf die Praktik des digitalen Layerings zurückgegriffen, für welche Bildbearbeitungsprogramme am Computer genutzt werden. Das Ziel und die Funktion des digitalen Layerings ist es, ein Motiv in sinnvolle Schichtungen und Farbabschnitte zu gliedern, sodass sich schließlich beim Überlagern der Schichten ein ganzes Motiv, eine Komposition, (ab-)bildet.
Zum Auftragen der Farbe können neben der Sprühdose auch Stupspinsel/Stupfpinsel, Ölkreide und Airbrush verwendet werden. Beim Reverse Graffiti wird durch die Lücken des Stencil nicht Farbe aufgetragen, sondern z. B. mit einem Hochdruckreiniger die Wand selektiv von Verschmutzung gesäubert.
Geschichte
Die Technik der Erstellung von Motiven mittels einer Schablone ist so alt wie das künstlerische Schaffen der Menschheit selbst. Bereits die Steinzeit-Menschen spritzten Farbe beispielsweise über ihre Hände, die sie an eine Wand hielten, und erzeugten auf diese Weise ein Negativabbild. Schablonenmalerei wird seit Jahrhunderten auch verwendet, um Wände, Möbel und andere Gegenstände zu dekorieren.
Die Verwendung industrieller Schablonen hat eine lange Tradition im kaufmännischen England. Betrachtet man die Geschichte der Seefahrt und in diesem Rahmen die Tradition des Imports und Exports, wird die frühe Verwendung von Stencils zu kaufmännischen Zwecken deutlich. Beispielsweise Holzboxen oder Leinensäcke wurden damals mit Hilfe von Schablonen beschriftet oder markiert.
In den 1920er und 30er Jahren erreichte das Auftragverfahren mit Schablonen für Bücher und Drucke neue Höhen. Druckmaschinen lieferten schlechte Qualität in der Farbwiedergabe im Verlagswesen. Neue experimentelle Techniken mit Schablonen und mehreren Schichten an Farbanwendungen verfeinerten den Prozess für einen einzelnen Druck. Die Kombination von Pochoir mit Lithographien, Holzschnitten, Holzstichen, Zeichnungen oder Radierungen wandelte die Dekorationstechnik zu bildender Kunst. Jean Saudé, ein französischer Grafiker in Paris, veröffentlichte 1925 Traité d'enluminure d'art au pochoir, einen Leitfaden für die Pochoir-Technik.
Das Stenciling als Kunstform entstand in den späten 1970er-Jahren in der Punkkultur u. a. in Amsterdam, wurde vor allem durch den Künstler Blek le Rat bekannt und hatte seine erste Blütezeit in den 1980er-Jahren in Paris. Blek le Rat übernahm nach eigenen Angaben die Idee aus Italien, wo diese Art der Motivverbreitung zu politischen Propagandazwecken bereits länger genutzt wurde. Als Teenager sah er dort ein aus dem Zweiten Weltkrieg übriggebliebenes Stencil mit dem Kopf Mussolinis. In Spanien wurde während des Spanischen Bürgerkriegs General Franco mit der Stenciltechnik gefeiert.
Die im Punk so bedeutende Kultur des ´Do-it-yourself´ (DIY) prägte die Entwicklung von Street Art entscheidend mit. Die Gruppe Crass begann damit, ihre Logos sowie Anti-Militär Slogans auf Wände oder Plattencover zu schablonieren.
Blek le Rats recht einfache Schablonen-Graffiti inspirierten spätere Streetart-Größen wie die Briten Banksy, Evol, Boxi, oder den französischen Graffitikünstler Nemo. John Fekner (* 1950 in New York) ist ein weiterer Streetart-Künstler.
Weblinks
- www.graffitieuropa.org/pochoirs.htm – Institut für Graffiti-Forschung zum Thema „Schablonengraffiti“
- www.stencilboard.at-Galerie Großes Archiv von Stencils, hauptsächlich Österreich (englisch), nach Ländern und Städten sortiert (regionale Besonderheiten)
- www.unet.univie.ac.at – Diverse Stencil Tutorials
- Research Guides: Pochoir: Art of the Stencil: Pochoir: History and Techniques. In: FLEET LIBRARY | Research Guides. 19. Januar 2011 (englisch).
Einzelnachweise
- ↑ Bernhard van Treeck: Pochoir – die Kunst des Schablonengraffiti, 2000
- ↑ Arjun Jain, Chao Chen et al.: Multi-layer stencil creation from images, Computer & Graphics, Vol. 48, Mai 2015, Seite 11–22. doi:10.1016/j.cag.2015.02.003.
- 1 2 Heller, Steven; Louise, Fili: Stencil Type. Thames & Hudson Ltd., 2015, S. 310.
- ↑ Wolfsonian: Jean Saudé
- ↑ Ulrich Blanché: Something to s(pr)ay: Der Street Artivist Banksy: Eine kunstwissenschaftliche Untersuchung. S. 31.
- ↑ Michael Kloft, Innenansichten: Deutschland 1937. Dokumentarfilm, Deutschland 2011. Der Film dokumentiert die filmische Reportage des US-amerikanischen Reporters Julien Bryan. Die Aufnahme der Sprühaktion ist in Minute 46 zu sehen.
- ↑ Blanché, Ulrich: Konsum Kunst, Kultur und Kommerz bei Banksy und Damien Hirst. Transcript Verlag, Bielefeld 2012, S. 98.
- ↑ Mache, Josh: Stencil Pirates - A Global Study of Street Stencil. Soft Skull Press, New York.
- ↑ Leuphana Universität Lüneburg. Leuphana Urban Art Project. Leuphana Universität Lüneburg, 5. Oktober 2009, abgerufen am 21. Juli 2013: „Evol gilt als einer der Begründer der Stencilart. Bilder werden mittels Schablonen in vielen verschiedenen Schichten aufgetragen und wirken letztendlich so real wie ein Foto.“
- ↑ Leuphana Universität Lüneburg. Leuphana Urban Art Project. Leuphana Universität Lüneburg, 5. Oktober 2009, abgerufen am 21. Juli 2013: „Der britische Künstler Boxi, schafft es immer wieder, den Betrachter in den Bann zu ziehen. Mit seinen fotorealistischen Bildern lässt er staunen über Technik und Tiefe seiner Werke. Mit Schablonen, sogenannten Stencils, bringt Boxi, Leben an die Wand.“