Am 22. Mai 2015 fand in Irland ein Verfassungsreferendum über die gleichgeschlechtliche Ehe statt.

Hintergrund

Das Parlament, der Oireachtas, hatte im Vorfeld eine Änderung des 34. Zusatzartikels der Verfassung beschlossen. In Irland muss jede Änderung der Verfassung per Volksabstimmung von der Bevölkerung genehmigt werden. Bei diesem Referendum ging es um das Hinzufügen eines Artikels, der die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare legalisieren würde.

Gesellschaftliche Situation vor dem Referendum

Im traditionell eher konservativ-katholisch geprägten Irland verlor die katholische Kirche in den Jahren vor dem Volksentscheid erheblich an Einfluss. 2002 bis 2012 wurden zahlreiche Fälle von Misshandlung und Missbrauch in Einrichtungen der römisch-katholischen Kirche bekannt; mehrere Bischöfe traten zurück. Seit der Legalisierung von Homosexualität in Irland (1993) ist die irische Gesellschaft in vieler Hinsicht liberaler geworden. 2011 wurde gleichgeschlechtlichen Paaren ermöglicht, eine eingetragene Lebenspartnerschaft zu schließen.

2015, kurz vor dem Referendum, wurde homosexuellen Paaren die (gemeinsame) Adoption von Kindern ermöglicht.

Es gab eine Yes-Kampagne, die für ein „Ja“ zur Einführung des Verfassungszusatzes warb und von der Regierung und allen großen irischen Parteien unterstützt wurde. Die No-Kampagne wurde vor allem von katholischen Priestern und Bischöfen getragen.

Der damalige Gesundheitsminister und spätere Regierungschef Leo Varadkar outete sich als erster Minister in der irischen Geschichte als homosexuell, weil dieser eigentlich private Umstand wegen seines Eintretens für Yes von öffentlichem Interesse sei.

Umfragen prognostizierten eine deutliche Mehrheit für die Annahme des Referendums.

Durchführung

Die Wahllokale waren von 8 bis 23 Uhr westeuropäischer Sommerzeit geöffnet; 3,2 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Die abgegebenen Stimmen wurden am Tag darauf ausgezählt und um 18 Uhr Ortszeit bekannt gegeben.

Gleichzeitig fand ein weiteres, von der Regierung ebenfalls unterstütztes Referendum zur Absenkung des Mindestalters für die Kandidatur um das Amt des Präsidenten von 35 auf 21 Jahre statt. Diese 35. verfassungsändernde Initiative wurde jedoch von ca. 73 Prozent der Abstimmenden abgelehnt.

Ergebnis

Rund 62 Prozent der Iren stimmten für die Aufnahme des Zusatzartikels in die Verfassung; die Initiative wurde in fast allen Wahlkreisen (allen bis auf einen) angenommen. Die Zustimmungsquote war in den Hauptstadtbezirken (im Bereich Dublins) mit bis zu 75 % Zustimmung größer als in ländlichen Gegenden.

Das amtliche Endergebnis ergab ein Zustimmungsvotum von 1.201.607 „Ja“-Stimmen (ungefähr 62,07 Prozent) gegenüber 734.300 Menschen, die mit „Nein“ stimmten (ca. 37,93 Prozent). Mit etwa 60,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung höher als bei allen vorherigen Referenda der vergangenen zwanzig Jahre. (Damals – im Jahr 1995 – hatten die Iren zum zweiten Mal über das Recht auf Scheidung abgestimmt; zuvor hatte im Jahre 1937 die Annahme der Verfassung durch das allererste Referendum die bisher höchste Wahlbeteiligung von 75,8 % gebracht.) Auch auf dem Lande war die Wahlbeteiligung ungewöhnlich hoch: Dort erreichte sie im Durchschnitt 40 %.

Wahlkreise Stimmberechtigte abgegebene Stimmen abgegebene Stimmen (Anteil) Ja Ja (Anteil) Nein Nein (Anteil) Ungültig
Carlow–Kilkenny104.73568.53165,4338.16656,2429.69743,76668
Cavan–Monaghan99.26556.77457,1928.49450,6527.76349,35517
Clare81.80948.62759,4428.13758,2720.15441,73336
Cork East81.53449.53260,930.38361,718.84538,3304
Cork North–Central75.26345.05959,8728.47963,7716.18236,23398
Cork North–West62.11838.99762,822.38857,916.29842,1311
Cork South–Central92.42259.01863,8638.59165,7820.07234,22355
Cork South–West59.81337.10761,720.6275616.22544255
Donegal North–East59.72130.72351,4416.04052,4614.49247,54191
Donegal South–West62.17132.05151,9815.90750,0515.87449,95270
Dublin Central57.19333.16357,9823.86172,379.10827,63191
Dublin Mid–West67.09142.52863,3929.98470,9312.29129,07253
Dublin North72.52347.74365,8334.49472,6113.00927,39240
Dublin North–Central53.78537.03268,8525.38268,9511.43131,05219
Dublin North–East59.54939.52666,3826.22266,7013.09033,30214
Dublin North–West50.94330.13359,6420.91970,368.81429,64400
Dublin South103.96970.54369,2449.10969,9021.15030,10284
Dublin South–Central80.40648.69060,5634.98872,2813.41827,72284
Dublin South–East59.37634.45258,0225.65574,918.59425,09203
Dublin South–West71.23245.16963,4132.01071,2712.90128,73258
Dublin West65.64342.25064,3629.69070,6212.35029,38210
Dún Laoghaire80.17653.76267,0538.28471,6215.16828,38310
Galway East85.90048.11056,0125.38953,2822.26546,72456
Galway West95.18052.52155,1832.03761,5020.05338,50431
Kerry North–West Limerick62.52335.76957,2119.67855,4515.80844,55283
Kerry South57.52433.47658,1918.35755,3114.83144,69288
Kildare North79.01449.02962,0533.96069,6714.78230,33287
Kildare South60.38435.27258,4123.19966,1711.86133,83212
Laois–Offaly108.43663.29758,3735.68556,8127.13543,19477
Limerick64.10037.50458,5120.32254,7516.79745,25385
Limerick City61.42138.88163,3024.78964,1513.85535,85237
Longford–Westmeath87.42547.87954,7725.44553,6022.02546,40409
Louth102.56161.45059,9238.75863,4622.31336,54379
Mayo97.29655.92957,4828.80152,0226.56647,98562
Meath East64.95638.76759,6824.52563,6214.02536,38217
Meath West63.64935.82156,2821.37460,1014.18939,90258
Roscommon–South Leitrim59.39236.52261,4917.61548,5818.64451,42263
Sligo–North Leitrim62.03135.84257,7819.04353,5716.50246,43297
Tipperary North62.23340.72562,522.07754,6818.29845,32350
Tipperary South56.06034.53959,319.20354,6915.01245,31324
Waterford79.66947.29759,3728.31360,3318.62039,67364
Wexford111.47464.45057,8240.69263,5923.29836,41460
Wicklow94.27564.83068,7744.05968,3720.38231,63387
Gesamt3.206.1511.949.72560,521.201.60762,07734.30037,9313.818

Damit ist Irland nun das zwanzigste Land weltweit, das die gleichgeschlechtliche Ehe legalisiert hat, und das erste, das dies per Volksentscheid tat. Um schwulen und lesbischen Paaren die Eheschließung letztendlich zu ermöglichen, bedarf es noch einer Ratifizierung des Vorhabens bzw. einer Annahme der weiteren Gesetzesänderungen im irischen Parlament. Die irische Justizministerin Frances Fitzgerald kündigte eine dahingehende Abstimmung für den Sommer (Juni/Juli) dieses Jahres an. Am 22. Oktober 2015 verabschiedeten das Dáil Éireann und der Seanad Éireann das ausführende Gesetz zur Eheöffnung in Irland, das am 16. November 2015 in Kraft trat.

Reaktionen im Ausland

Die Tatsache, dass das als „erzkatholisch“ geltende Irland in Zukunft die Ehe auch gleichgeschlechtlichen Paaren öffnet, stieß im Ausland auf große Resonanz.

Spitzenpolitiker wie der Premierminister des Vereinigten Königreiches, David Cameron, und die US-amerikanische Präsidentschaftskandidatin der Demokraten, Hillary Clinton, begrüßten die Entscheidung in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook.

Kardinal-Staatssekretär Pietro Parolin, ein Vertrauter von Papst Franziskus, bezeichnete laut Radio Vatikan das Votum als „Niederlage für die Menschheit“.

Resonanz in Deutschland

Doch vor allem in Deutschland entfachte das historische Ereignis eine neue Debatte über die Gleichgeschlechtliche Ehe, über die seit vielen Jahren heftig diskutiert wird:

Zuvor hatte die Linksfraktion bereits zu Beginn der jetzigen Legislaturperiode einen Gesetzentwurf zur Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts in den Bundestag eingebracht; Bundesjustizminister Heiko Maas erarbeitete einen Entwurf, der Lebenspartner in einigen Gesetzen bzw. Verordnungen der Ehe gleichstellen soll und in der auf das Referendum folgenden Woche im Bundeskabinett beraten werden soll.

Angesichts der jüngsten Ereignisse in Irland erhöhten viele Politiker der beiden Oppositionsparteien (Die Linke und Bündnis 90/Die Grünen), unter ihnen die Vorsitzenden Gregor Gysi und Simone Peter, den Druck auf die Bundesregierung, um (nach irischem Vorbild) zu einer vollständigen Gleichstellung beider Lebensformen zu gelangen und die „Rückständigkeit“ Deutschlands bei der Ehe-Öffnung zu beenden. Auch Justizminister Maas warb mehrmals für einen solchen Schritt; jedoch meinte er, dies sei „in der Koalition mit CDU/CSU […] leider nur schwer realisierbar“. Bei dieser Äußerung bezog er sich auch auf den Koalitionsvertrag, der zwar homo- und heterosexuelle Paare rechtlich gleichstellen will, dabei jedoch nicht explizit auf eine Gleichstellung im Eherecht eingeht. Die Haltung der Unionsparteien ist daher bisher kritisch bis ablehnend geblieben; jedoch gibt es innerhalb der Koalition auch aus Reihen der CDU/CSU-Fraktion eine zunehmende Zahl von Befürwortern.

Sowohl die Abgeordneten der Opposition als auch einige der SPD forderten nun eine freie Abstimmung – d. h. unter Aufhebung des Fraktionszwanges – zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für homosexuelle Paare, da es sich dabei um eine „Gewissensentscheidung“ handele. Christine Lüders, die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, brachte diesen Vorschlag wenige Tage nach dem Referendum in Irland in die öffentliche Diskussion ein. Die Unterstützer des Vorhabens stützten sich auf die (theoretischen) Mehrheiten für die „Ehe für Alle“ im Bundestag und Bundesrat sowie in der Gesellschaft.

Des Weiteren sprachen sich manche Befürworter bundesweiter Volksentscheide – wie beispielsweise der baden-württembergische Landesvorsitzende der SPD Nils Schmid – für einen ähnlichen Volksentscheid in Deutschland aus.

Einzelnachweise

  1. As it happened: Ireland backs same-sex marriage. RTE News, abgerufen am 24. Mai 2015 (englisch).
  2. Iren haben über Homo-Ehe abgestimmt. 22. Mai 2015, abgerufen am 24. Mai 2015.
  3. Results received at the Central Count Centre for the referendum on the Thirty-fifth Amendment of the Constitution (Age of Eligibility for Election to the Office of President) Bill 2015. (Nicht mehr online verfügbar.) Referendum.ie, archiviert vom Original am 29. Juli 2015; abgerufen am 24. Mai 2015 (englisch).
  4. Referendum: Irland stimmt für gleichgeschlechtliche Ehe. 23. Mai 2015, abgerufen am 24. Mai 2015.
  5. Referendum 2015: Home. (Nicht mehr online verfügbar.) Archiviert vom Original am 23. Mai 2015; abgerufen am 23. Mai 2015 (englisch).
  6. Urban voter turnout at more than 40 % in many areas. The Irish Times, 22. Mai 2015; abgerufen am 25. Mai 2015 (englisch).
  7. Irland: 62,1 Prozent stimmen für die Ehe für alle. queer.de, 23. Mai 2015, abgerufen am 24. Mai 2015.
  8. Same-sex marriage legislation due this summer, says Fitzgerald. RTE News (englisch), 23. Mai 2015, abgerufen am 24. Mai 2015 (englisch).
  9. CNN.com: Ireland step closer to same-sex marriage
  10. Same-sex marriage signed into law by Ministers, abgerufen am 16. November 2015.
  11. Erzkatholisch – und erstaunlich liberal bekannte Irland. (Nicht mehr online verfügbar.) tagesschau.de, 22. Mai 2015, archiviert vom Original am 23. Mai 2015; abgerufen am 26. Mai 2015.
  12. David Camerons Status. 23. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  13. Hillary Clintons Status. 23. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  14. Vatikan nennt Homo-Ehe "Niederlage für die Menschheit". spiegel.de, 27. Mai 2015, abgerufen am 27. Mai 2015.
  15. Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts. (PDF) Deutscher Bundestag, 23. Oktober 2013, abgerufen am 26. Mai 2015.
  16. Nach irischem Votum: Opposition fordert echte Ehe für Homosexuelle. Süddeutsche Zeitung, 25. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  17. Opposition macht Druck. 26. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  18. Gesetzentwurf nach Referendum in Irland: Heiko Maas kündigt mehr Rechte für homosexuelle Paare an. Der Tagesspiegel, 24. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  19. Grüne testen linke Mehrheit im Bundestag aus. (Memento vom 27. Mai 2015 im Internet Archive) heute.de, 26. Mai 2015, abgerufen am 27. Mai 2015.
  20. Veit Medick: Homo-Ehe: Die Regenbogenallianz fordert Angela Merkel heraus. Spiegel Online, 25. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  21. Antidiskriminierungsstelle des Bundes fordert freie Abstimmung über Ehe-Öffnung. queer.de, 25. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
  22. Nils Schmid zur Homo-Ehe: Auch in Deutschland sollte das Volk entscheiden. Stuttgarter-Nachrichten.de, 26. Mai 2015, abgerufen am 26. Mai 2015.
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