Das Wort Vorfechter bezeichnet erstens eine Hilfskraft des Fechtmeisters an den Universitäten, dem Militär und am Hofe und zweitens einen reichs- und rechtsgeschichtlichen Begriff im Mittelalter.

Hilfskraft des Fechtmeisters bei den Universitäten, im Militär und bei Hofe

Bei Johann Christoph Adelung Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart, Band 4 steht folgendes:

„Der Vorfêchter, des -s, plur. ut nom. sing. von vorfechten 1, auf dem Fechtboden, derjenige, welcher unter Aufsicht des Fechtmeisters im Fechten Unterricht gibt, eigentlich andern vorficht, in ihrer Gegenwart zum Muster der Nachahmung ficht; daher es von einigen irrig Fürfechter geschrieben und gesprochen wird. Vorvechte schon bey dem Strycker.“

Im Grunde gibt diese kurze Erläuterung schon einen Einblick in den Fechtbetrieb an den Universitäten, wie es bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts sich erhalten hatte. Der Vorfechter hatte die Anweisungen des Fechtmeisters den Studenten in der Praxis vorzuführen, fungierte als dessen Hilfskraft. Der Fechtmeister wurde zumindest bis in das frühe 20. Jahrhundert hinein meist von den Universitäten bezahlt und war bei ihnen fest angestellt. Die Studenten hatten an sie auch Gebühren zu zahlen, ebenso wie sie an die Professoren Kollegiengeld zu entrichten hatten. Der Vorfechter hingegen wurde auch an der Universität beschäftigt, bekam aber nicht immer über die Universität eine Besoldung, sondern über den Fechtmeister, der den Vorfechter über die erhobenen Gebühren zu bezahlen hatte. Privilegien waren für ihn also mit seiner Tätigkeit zunächst nicht verbunden. Gleichwohl war mit ihr aber auch die Aussicht für einen Aufstieg in die Position der Fechtmeister verbunden. Der Fechtmeister an der Universität Leipzig Ludwig Cäsar Roux beispielsweise wirkte von 1863 bis 1865 als Vorfechter bei seinem Vater Friedrich August Wilhelm Ludwig Roux in Jena, bevor er nach Leipzig wechselte.

Da es Fechtmeister nicht nur an Hochschulen gab, sondern auch beim Militär bzw. bei Hofe, so gab es dort auch Vorfechter, die den Fechtmeister unterstützten.

Es gab Fechtmeister, die Fechtbücher verfassten, wobei der Vorfechter zusammen mit ihm die abgebildeten Stellungen beim Fechten demonstrierte. Als Beispiel lässt sich hier Gustav Bergmann anführen, der Vorfechter bei Siegmund Carl Friedrich Weischner am Gymnasium in Weimar gewesen war. Der Student Goethe hatte mit Bergmann eine selbst provozierte Begegnung in Leipzig, die für ihn nicht gut endete. Er erlitt eine leichte Blessur durch einen spitzen Degen.

Begriff in der Reichs- und Rechtsgeschichte des Mittelalters

Der Begriff Vorfechter oder Verfechter kann eine rechtsgeschichtliche Bedeutung haben, was dann u. a. den Fechter in gerichtlichen Auseinandersetzungen des Mittelalters bezeichnet, der für eine Partei und deren Interessen letztlich in einem Duell ficht. Er ist für eine schwächere Partei gewissermaßen der Vormund bzw. Vorkämpfer. Von entscheidender Bedeutung hierbei war das Kriterium der Waffenfähigkeit, womit erst volle Rechtsfähigkeit gegeben war. Im Sachsenspiegel steht für Vorfechter, der als männlicher Blutsverwandter väterlicherseits das Wort swertmag siehe: Mage (Recht), bekam. Dieser musste seinem Gegenüber ebenbürtig sein.

Vorfechter konnte auch ein Ehrentitel sein. Die Arnsberger Grafen nannten sich „Vorfechter zwischen Rhein und Weser für das heilige römische Reich“. Im Grimm'schen Wörterbuch der mittelhochdeutschen Sprache wird auch auf den Schwabenspiegel verwiesen, wornach Karl der Große die Schwaben dahingehend privilegierte, dass im Reich denen niemand vorfechten konnte. Begründet wird das laut der Gebrüder Grimm so:

„Die Schwaben haben von alten Zeiten her unter allen Völkern des deutschen Reiches das Recht, dem Heer vorzustreiten; und dies verlieh Carl der Große ihrem Herzoge Gerold (Hildegardens Bruder), der in der blutigen Schlacht von Runzefal vor dem Kaiser auf das Knie fiel, und diesen Vorzug, als der Aelteste im Heer, verlangte. Seitdem darf ihnen niemand vorfechten. Andere erzählen es von der Einnahme von Rom, wozu die Schwaben Carl dem Großen tapfer halfen. Noch andere von der Einnahme Mailands, wo der schwäbische Herzog das kaiserliche Banner getragen, und dadurch das Vorrecht erworben.“

Damit kommt diesem Begriff zugleich auch eine reichsgeschichtliche Bedeutung zu.

Literatur

Einzelnachweise

  1. Adelung, Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Band 4. Leipzig 1801, S. 1264 (zeno.org).
  2. Die Brüder Grimm erwähnen einen Striker und ein Gedicht von einem spanischen Feldzug. Das dürfte bei Adelung gemeint seint. Doch hätte es dann eine reichs- und rechtsgeschichtliche Bedeutung.
  3. 1 2 Warum die Schwaben dem Reich vorfechten. [Wikisource]
  4. Ziemlich deutlich war es hinsichtlich der Gebühren des Fechtmeisters Paul Roux, den das Rentamt der Universität Leipzig an das Kultusministerium in Dresden am 28. Mai 1906 sandte: „Universitätsfechtmeister ist etatmäßig mit einem Jahresgehalt von 1350 M und einem Wohnungsgeldzuschusse von jährlich 120 M ohne Pensionsberechtigung angestellt. Neben diesen aus der Staatskasse zu zahlenden Bezügen erhält derselbe von jedem Studierenden für einen einmaligen Kursus (16 Stunden) im Säbelfechten 16 M, im Fechten mit Schlägern 12 M, welche Gebühren von der Universitätsquästur wie die Vorlesungs-Honorare eingezogen und von dieser nach Abzug von 3 % für die Vereinnahmung an den Fechtmeister abgeliefert werden. Von diesen Gebühren sind die beim Fechtmeister erforderlichen Hilfskräfte zu entlohnen.“ UAL: Bestand Rektor, Rep.I/VIII/206a, Bl. 48, in: Mario Todte: Die Fecht-, Reit- und Tanzmeister an der Universität Leipzig (= Lars-Arne Dannenberg, Matthias Donath (Hrsg.): Studien zur Kultur und Geschichte. Band 1), Bernstadt a. d. Eigen 2016, ISBN 978-3-944104-12-6, S. 52.
  5. Gründliche Bajonnetfechtschule. Zur Ausbildung der Lehrer und Vorfechter in der Armee. (books.google.de).
  6. Goethe's Leben: Erste Periode: Goethe's Kindheit und Jugend bis zum ..., Band 1, S. 148. Darin heißt es: „Jn dem sehr schätzbaren Buche von K. L. Blum: ‚Ein Bild aus den Ostsee-Provinzen, oder Andreas von Löwis of Menar‘ (Berlin 1846), heißt es S. 29 von einem Prediger in Rujen, Gustav von Bergmann: ‚Er war in seiner Jugend als Fechter berühmt gewesen, und hatte schon auf dem Weimarischen Gymnasium als Vorfechter dem Maler, der damals eine Fechtschule herausgab, zum Modell gedient. In einen, und demselben Jahre mit Goethe geboren, traf er mit diesem auf der Universität in Leipzig zusammen und zeichnete ihm als Fuchs sogleich den Arm‘.“
  7. Siegmund Carl Friedrich Weischner: Die Ritterliche Geschicklichkeit im Fechten durch ungezwungene Stellungen und kurzgefaßte Lehrsätze gezeigt. Verbesserte und vermehrte Auflage mit behörigen Kupfern, Weimar 1765.
  8. Siegfried Hoyer: Kleine Geschichte der Leipziger Studentenschaft 1409-1989, Leipzig 2010, S. 80 f. ISBN 978-3-86583-480-5
  9. Todte, S. 34 f.
  10. Johann Gustav Büsching: Ritterzeit und Ritterwesen. Band 2, S. 197 f. (books.google.de).
  11. Johann Paul Brewer: Geschichte der französischen Gerichts-Verfassung: vom Ursprung der …. Band 1, S. 59 ff. (books.google.de).
  12. Geschichte der Ordalien: insbesondere der gerichtlichen Zweikämpfe in …. S. 248 (books.google.de).
  13. Sachsenspiegel Buch I Artikel 43 „Gêt aber die clage zû deme kampfe wart, sô můz wol ir vormunde sìn ein îglicher ebenburtige swertmâg.“ Dieser Begriff „swertmag“ kommt im Sachsenspiegel mehrfach vor außer der Stelle u. a. Buch I Artikel 45 bzw. 48.
  14. Vorfechter für das heilige Reich wp.de
  15. Vorfechten. In: Jacob Grimm, Wilhelm Grimm (Hrsg.): Deutsches Wörterbuch. Band 26: Vesche–Vulkanisch – (XII, 2. Abteilung). S. Hirzel, Leipzig 1951, Sp. 1029–1030 (woerterbuchnetz.de).
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