Wilhelm Aumer (* 22. Januar 1883 in Regensburg, Oberpfalz; † 22. August 1958 in Lichtenfels, Oberfranken) war ein der Sozialdemokratie nahestehender deutscher Verwaltungsbeamter, der seine berufliche Funktion während der Zeit des Nationalsozialismus aus humanitären Gründen und einer christlichen Überzeugung heraus dazu nutzte, sich aktiv zugunsten der Emigrationsmöglichkeiten jüdischer Mitbürger einzusetzen. Er bemühte sich erfolgreich, Zwangsarbeiter, die eines Vergehens beschuldigt wurden, vor der Deportation in Konzentrationslager oder der Erschießung zu bewahren. Lt. Spruchkammerverfahren 1946 hat Aumer in seiner amtlichen Funktion bestehende oppositionelle Bestrebungen gegen den NS-Staat tendenziell zu stützen versucht, soweit es im Bereich seiner Möglichkeiten lag. Das schloss politisch Verfolgte, aus Konzentrationslagern Entlassene ebenso wie die Arbeit lokaler und regionaler katholischer und evangelisch-lutherischer Kirchengemeinden ein.
Familie
Wilhelm Aumer war das vierte Kind des Bautechnikers Georg Aumer (* 27. April 1853 in Regensburg; † 27. Juni 1912 ebenda) und dessen Ehefrau Elisabetha, geborene Bergmann (* 10. November 1862 in Regensburg; † 1. Februar 1947 ebenda). Die Familie war römisch-katholischen Bekenntnisses. Sie wohnte im Haus Regensburg A. 118 (heute: Haaggasse 1) und war wohl im Besitz des Anwesens Regensburg A. 214 (heute: Kreuzgasse 15). Wilhelm Aumer hatte fünfzehn Geschwister, von denen jedoch mehrere bereits im Kleinkindalter verstorben sind.
In München heiratete der 37-jährige Wilhelm Aumer am 28. April 1920 die 27-jährige Margarete, geborene Frank (* 19. März 1892 in Lichtenfels; † 30. August 1968 ebenda). Diese war Tochter des Postamtmanns Andreas Frank (* 4. März 1862; † 23. September 1944) und dessen Ehefrau Kunigunda, geborene Würstlein (* 7. Juli 1871; † 2. November 1948). Aus Wilhelm Aumers Ehe gingen drei Söhne hervor: Hans Hubert (* 20. April 1921; † 23. Juni 2020), Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht (OLG) Bamberg, verheiratet mit Elisabeth, geb. Ullrich (* 11. April 1924; † 27. April 2011); Paul Walter (* 3. August 1923; † 27. April 2015) und Hans Werner (* 15. Mai 1926; † 30. Januar 1995), verheiratet mit Hilde Aumer, geb. Schrepfer (* 6. Januar 1929; † 30. Mai 2016), alle drei in Lichtenfels geboren.
Schulzeit und Ausbildung
Nach dem Besuch der Volksschule schloss Wilhelm Aumer die Königliche Kreisrealschule in Regensburg (heute: Goethe-Gymnasium) zu Ostern 1899 erfolgreich ab. Anschließend leistete er seine Militärdienstpflicht als Einjährig-Freiwilliger.
Am 1. August 1900 begann er als Bauzeichner seinen Dienst beim Königlich Bayerischen Landbauamt in Regensburg (heute: Staatliches Bauamt Regensburg). Er verließ dieses zum 30. September 1901 zwecks Ableistung einer weiteren Militärdienstzeit beim Königlich Bayerischen 11. Infanterie-Regiment in Regensburg.
Vom 22. Januar 1904 bis zum 4. Juli desselben Jahres war er als Bezirksamtsinzipient (Inzipient = Lehrling zum Amtsschreiber) in Regensburg tätig.
Erster Weltkrieg
Am 24. August 1914 rückte Unteroffizier der Reserve Aumer zur Reservedivision des in Bamberg stationierten Königlich Bayerischen 5. Infanterie-Regiments ein, wo er bis zum 30. Januar 1915 verblieb und danach für zunächst sechs Wochen zurückgestellt wurde. An der Front war er ausweislich der Eintragungen in der Militärstammrolle nicht und erhielt demzufolge keine Auszeichnungen.
Beruflicher Werdegang
Vom 5. Juli 1904 bis zum 31. Oktober 1906 wirkte er als 3. Bezirksamtsschreiber im niederbayerischen Grafenau, unterbrochen von Einberufungen zur Ableistung von zwei 56-tägigen Militärübungen vom 28. Juli bis 21. September 1905 und vom 30. April bis 24. Juni 1906. Vom 1. November 1906 bis zum 31. Dezember 1908 war er als 2. Bezirksamtsschreiber im oberpfälzischen Sulzbach tätig, bevor er zum 1. Januar 1909 zum Bezirksamtsassistenten befördert wurde und dort weiter bis zum 31. Dezember 1912 wirkte.
Als Bezirksamtssekretär wechselte er zum 1. Januar 1913 in das oberfränkische Bezirksamt Lichtenfels, wo er zum 1. April 1920 zum Bezirksamtsobersekretär befördert wurde und in dieser Position bis zum 31. Dezember 1924 verblieb. Zum 1. Januar 1925 wurde er ebenda Verwaltungsinspektor.
NS-Zeit
Politisch stand Aumer den Sozialdemokraten nahe, war jedoch kein Mitglied der SPD. Da seine Einstellung örtlich bekannt war, sah er sich nach der Abtretung der Macht an die Nationalsozialisten vielfach Repressionen und beruflichen Nachteilen ausgesetzt. 1933 habe wegen Aumers SPD-Nähe seitens der SA zunächst die Absicht bestanden, ihn in sogenannte „Schutzhaft“ zu nehmen.
In seinem Spruchkammerverfahren von 1946 sagte Aumer aus, er habe mehr als vier Jahre lang versucht, sich innerhalb seiner Behörde dem immer wieder nahegelegten Beitritt zur NSDAP zu entziehen. Man habe ihm gegenüber einen Beitritt zur SA zur Mindestanforderung erhoben, doch diese habe ihm wegen ihres Gebarens noch ferner gestanden als die Partei.
1936 trat er dem Deutschen Roten Kreuz (DRK), dem Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB), der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt (NSV) und dem Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA) bei. Diese nahezu zeitgleich begonnenen Mitgliedschaften dürften mindestens partiell ein Indiz dafür sein, dass Aumer versuchte, den auf ihn innerhalb seiner Dienststelle ausgeübten Druck auszugleichen, sich im Sinne der von den Nationalsozialisten propagierten „Volksgemeinschaft“ zu engagieren, evtl. auch, um eine NSDAP-Mitgliedschaft zu vermeiden. Beamter war er schon lange zuvor; ein Krankenhaus verwaltete er bereits seit 1913, so dass er die entsprechenden Mitgliedschaften schon weit früher hätte beginnen können, wenn er das gewollt oder als sinnvoll erachtet hätte.
Nachdem Aumers drei jugendliche Söhne in Lichtenfels einer Konfrontation mit der lokalen Hitlerjugend ausgesetzt waren, beantragte er schließlich seinen Beitritt zur NSDAP, wurde jedoch zunächst vom Lichtenfelser NSDAP-Ortsgruppenleiter Burger wegen politischer Unzuverlässigkeit abgelehnt. Zum 1. Juli 1937 wurde Aumer letztlich in die NSDAP aufgenommen; der Beginn seiner Mitgliedschaft wurde jedoch seitens der NSDAP-Ortsgruppe auf den 1. Mai 1935 zurückdatiert. Für diese Zeitspanne von mehr als zwei Jahren musste Aumer die Mitgliedsbeiträge nachzahlen, und wurde vor dem Hintergrund des sogenannten „Opferrings der NSDAP“ als Anwärter auf eine vollwertige Mitgliedschaft deklariert. Damit sollte er zunächst als inaktiv in die Partei eingebunden erfasst und seine Beiträge zugunsten der lokalen Lichtenfelser Parteiorganisation abgeschöpft werden. Dementsprechend wurde Aumer später immer wieder aufgefordert, höhere Mitgliedsbeiträge zu entrichten, ein Ansinnen, das er jedoch ablehnte.
Erst nach seinem Parteieintritt im Juli 1937 wurde er nach knapp 14 Jahren per 1. Dezember 1938 zum Verwaltungsoberinspektor befördert. In der Folge wurden ihm dann auch NS-Auszeichnungen verliehen:
Am 3. Januar 1939 wurde Aumer im Landratsamt Lichtenfels mit dem „Treudienst-Ehrenzeichen“ in Silber ausgezeichnet. Zum 3. Juli 1939 wies ihn die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken (= Regierungspräsidium) in Ansbach an, seine Dienststelle beim Landratsamt Lichtenfels zu verlassen und beim Landratsamt in Schwabach auszuhelfen (1939 wurden die Bezirksämter in Landratsamt umbenannt). Gemäß Verleihungsurkunde vom 28. Februar 1941 wurde Aumer schließlich mit dem „Treudienst-Ehrenzeichen“ in Gold ausgezeichnet.
Aumer bemühte sich während der NS-Zeit, diskriminierten und verfolgten Mitbürgern in uneigennütziger Weise zu helfen. Er ging damit für sich und seine Familie mit drei jugendlichen Söhnen, die im September 1938 zwölf, fünfzehn und siebzehn Jahre alt waren, ein hohes existenzielles Risiko ein. Details wurden jedoch erst in der Nachkriegszeit (amtlich) dokumentiert, zumal ein Großteil derer, die von seinem Vorgehen profitiert hatten, längst emigriert waren und nie mehr nach Deutschland zurückkehrten.
Nachkriegszeit
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Aumer im Rahmen der Entnazifizierung auf Befehl der US-amerikanischen Militärregierung am 26. September 1945 aus politischen Gründen seines Amtes enthoben. Dafür wesentlich war seine NSDAP-Mitgliedschaft. Die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach wurde informiert; Aumers Bezüge wurden daher seitens der Regierungshauptkasse zum 30. Oktober 1945 vollständig eingestellt. Zu diesem Zeitpunkt war Aumer bereits 62 Jahre alt.
Dennoch durfte und sollte Aumer bis zum 30. April 1946 mit Genehmigung der US-Militärregierung in seiner alten Funktion weiterarbeiten, bis ein geeigneter junger und vor allem unbelasteter Bewerber gefunden und von Aumer eingearbeitet worden sei.
Wilhelm Aumer arbeitete daher ab 1. November 1945 unentgeltlich, bis seine privaten Reserven im August 1946 aufgebraucht waren, worauf er vom Landkreis Lichtenfels rückwirkend ab 1. November 1945 ein Monatsgehalt von 300 Reichsmark erhielt, obwohl sein Status als NS-Belasteter bis dahin noch nicht abschließend geklärt war. Ohne den Ausgang des angesetzten Spruchkammerverfahrens abzuwarten, verfügte die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach am 26. Oktober 1946 Aumers Entlassung aus dem Dienst im Landratsamt Lichtenfels.
Der Lichtenfelser Landrat Max Jüngling (CSU) hatte ab Oktober 1945 versucht, seinen dienstältesten Beamten behalten und wieder einstellen zu dürfen. Offiziell möglich wurde das erst, nachdem Aumer im Spruchkammerverfahren am 13. November 1946 vollständig entlastet worden war. Zu seinem Zeugenkreis zählten unter anderen der Lichtenfelser Bürgermeister Julian Wittmann (CSU), der zu dieser Zeit in Schloss Buch lebende Staatssekretär a. D. Herbert von Bismarck, der Lichtenfelser Landrat Max Jüngling, der zweifach promovierte ehemalige Landrat Alfons Trunk, der während der NS-Zeit ins KZ Dachau deportierte Zweite Bürgermeister der Stadt Burgkunstadt, Ludwig Dietzel (SPD), und der ebenfalls nach Dachau verbrachte Kreistagsabgeordnete von Schney, Konrad Witzgall (SPD).
In der Folge genehmigte die US-Militärregierung am 19. Dezember 1946 Aumers Wiedereinstellung.
Aumer habe sich in keiner Weise im nationalsozialistischen Sinn engagiert, sondern der Sozialdemokratie sehr nahegestanden. Er habe Gegner des NS-Systems aktiv unterstützt bzw. nicht behindert oder denunziert, habe in seiner amtlichen Funktion verfolgten und als „rassisch minderwertig“ diskriminierten Menschen geholfen, unter vielen anderen der in Lichtenfels ansässigen jüdischen Unternehmerfamilie des Otto Bamberger. Außerdem habe er sich tatkräftig für die Arbeit der lokalen und regionalen Kirchengemeinden eingesetzt, bezeugt durch die Lichtenfelser Pfarrämter und Domkapitular Heinrich Rauh (1884–1969) vom Erzbistum Bamberg, der von 1928 bis 1943 als Stadtpfarrer in Lichtenfels wirkte.
Juden und Zwangsarbeitern, letztere die so bezeichneten „Fremdarbeiter“, habe Aumer durch Begünstigung im Amt geholfen, belegt durch zahlreiche Dankschreiben seiner ehemaligen Schützlinge, die in viele Staaten emigriert waren. Aktiv unterstützt habe er diese durch die manuelle Validierung von Reisepässen jüdischer Einzelpersonen und Familien für zwei Staaten (nur ein Staat war nach NS-Bestimmungen zulässig), durch fallbezogene Nichtbeachtung restriktiver NS-Bestimmungen, durch Stillschweigen über die beabsichtigte Emigration jüdischer Mitbürger, einen respektvollen Umgang mit diesen systemisch stigmatisierten Menschen und eine sehr kurzfristige Bearbeitungszeit ihrer Anliegen. Das wurde beispielsweise von dem in Lichtenfels geborenen Politologen Walter Samuel Gerst-Kohn (1923–1998) bezeugt:
„[…] Als das Naziregime sich dann tiefer und tiefer verankerte und die antisemitischen Massnahmen an Zahl und Intensitaet zunahmen, wurde es immer schwieriger auszuwandern. […] Ich erinnere mich noch, dass man von mir eine Bescheinigung verlangte, dass ich nicht Mitglied der Hitlerjugend sei. Und wie bekam man diese Dokumente, wenn jeder Besuch bei den Aemtern ein Opfergang sein konnte, wo man angeschrien und beleidigt werden konnte, wenn nicht sogar misshandelt, wenn das den Behoerden gerade Spass machte? In dieser Beziehung hatten wir in Lichtenfels Glueck, denn im Bezirksamt sass der Herr Aumer, ein grundanstaendiger Beamter vom alten Schlag.“
„Die paar Leute, die bis zum November 1938 noch in juedische Laeden gingen, die auf unsere Strassenseiten (sic!) kamen um uns zu gruessen, das waren Helden in der damaligen Zeit. […] Es gab eine Handvoll Lichtenfelser, die bis zuletzt zu uns gehalten haben, nicht viele und nicht durch große Demonstrationen. Die getraute sich keiner mehr. Aber ein paar wenige Leute liessen uns wissen, dass sie bei uns standen -- und viele, viele fielen ihrer eigenen Feigheit zum Opfer. Herr Aumer sass im Bezirksamt und hatte die Paesse unter sich. […] An eine Behoerde gehen zu koennen ohne angeschnauzt zu werden, war eine Seltenheit. Claude (Klaus) Bamberger hat beschrieben, wie Herr Aumer eines Nachts zu seiner Mutter [in die Villa Sonnenhaus] kam, um sie zu warnen, dass ihr Pass in ein paar Tagen eingezogen werden wuerde und um ihr zu raten, so bald wie moeglich zu verreisen [gemeint: emigrieren]. Ich wusste nicht wohin ich ins Ausland gehen wuerde und so baten wir Herrn Aumer, den Pass fuer zwei Laender, England und Nordamerika auszustellen. »Darf ich zwar nicht, aber man darf heute viel nicht«, sagte er und tat es. All das waren kaum Heldentaten, aber solche kleinen Episoden taten aeusserst wohl und erleichterten das Leben sehr.“
Aumer scheute auch vor konspirativ ausgesprochenen Warnungen nicht zurück, um betroffene Juden vor kurz bevorstehenden Konfiskationen zu warnen, im September 1938 z. B. wegen des Einzugs ihrer Reisepässe. Die Ausführung der angeordneten Konfiskationen hielt Aumer einige Tage zurück, um den betroffenen Menschen noch die Flucht aus Deutschland zu ermöglichen.
„She [Henriette „Jetta“ Bamberger (1891–1978)] was a practical person, and quickly recognized both the immense favor Mr. Aumer had done to her at great personal risk, and the urgent need to act quickly.“
Der bayerische Gendarmerie-Oberleutnant Lutz bezeugte, dass Aumer Zwangsarbeiter bei Vergehen nicht der „Gestapo“ gemeldet habe, um deren Erschießung oder Deportation in Konzentrationslager zu vermeiden. Trotz dieser Unterlassung seien die Vergehen nach Recht und Gesetz behandelt worden, jedoch ohne existenzielle Folgen für die betroffenen Zwangsarbeiter.
Durch die Vielzahl von Aumers Aktivitäten sei seine Opposition gegenüber dem Nationalsozialismus nicht verborgen geblieben, wodurch Aumer eine Reihe beruflicher Nachteile erlitten habe. So sei er als Dienstältester im Landratsamt von seinem Posten als Vertrauensmann abgesetzt und von der regulären Beförderung zum Oberinspektor zurückgestellt worden. Er habe finanzielle Einbußen erlitten, weil man die jährliche Aufwandsentschädigung als außerdienstlich tätiger ehrenamtlicher Verwalter des Kreiskrankenhauses Hochstadt i. Ofr. auf Antrag eines NSDAP-Kreistagsabgeordneten wegen Aumers Nonkonformität erheblich gekürzt habe. An der Einrichtung und dem weiteren Ausbau des Kreiskrankenhauses sei Aumer seit 1913 maßgeblich beteiligt gewesen.
Der Lichtenfelser Landrat Jüngling stellte Aumer aufgrund des Spruchkammer-Bescheides und des Wiedereinstellungs-Bescheids der US-Militärregierung zum 1. Januar 1947 wieder ein, worauf die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach am 8. Januar 1947 telefonisch eingriff, um Aumers Entlassung erneut zu verfügen. Daraufhin sprach der Lichtenfelser Bürgermeister, Julian Wittmann, den Bayerischen Staatsminister des Innern, Josef Seifried (SPD), am 10. Januar 1947 nach einer Landtagssitzung auf den Fall Aumer an, vertiefte das Thema mit einem Schreiben vom 14. Januar 1947 und bat Seifried darum, sich bei der Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach im Sinn einer Wiedereinstellung Aumers zu verwenden. Seifried entsprach dem Anliegen und teilte der Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach mit, dass keine Einwände bestünden, Aumer zunächst im Angestelltenverhältnis beim Landratsamt Lichtenfels mit seinem zuletzt bezogenen Diensteinkommen wieder einzustellen. Nachdem mehrere zustimmende Beschlüsse zur Wiedereinstellung Aumers im Kreisausschuss Lichtenfels gefasst worden waren, zuletzt am 6. März 1947, wurde dessen Wiedereinstellung schließlich auch seitens der Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach gegenüber dem Landratsamt Lichtenfels am 15. April 1947 eingeleitet.
Seitens des Vertrauensmannes des Bayerischen Hilfswerks (Prüf- und Betreuungsstelle für ehemalige KZ-Häftlinge) in Lichtenfels, Müller, wurde die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach mit Schreiben vom 19. Mai 1947 darum gebeten, Wilhelm Aumer mit allen Rechten wieder in seine frühere Stellung einzusetzen. Es sei durch Zeugnisse ehemals „rassisch“ Verfolgter einwandfrei nachgewiesen, dass Aumer durch die Ausstellung von Visa, ohne den damals vorgeschriebenen „Gestapo“-Sichtvermerk zu verlangen, zahlreichen Personen die Ausreise aus dem Deutschen Reich ermöglicht habe. Dadurch seien sie vor Konzentrationslagern und wahrscheinlich auch dem Verlust ihres Lebens bewahrt worden.
Am 25. März 1947 berief Hans Ritter von Lex (CSU) für das Bayerische Staatsministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Bayerischen Staatsministerium der Finanzen Wilhelm Aumer erneut in das Beamtenverhältnis, ernannte ihn gleichzeitig zum Regierungsoberinspektor und übertrug ihm eine Planstelle im Landratsamt Lichtenfels. Die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach erhielt eine Kopie dieser Entschließung.
Erst rund drei Monate vor dem Eintritt in den Ruhestand wurde Aumer wieder eingestellt, befördert und beamtet. Infolge der Umstellung seiner Dienstbezüge auf ein Ruhegehalt und der zeitgleichen Währungsreform 1948 erhielt Aumer wiederum über viele Monate keinerlei Einkommen, obwohl er nahezu durchgängig im Landratsamt Lichtenfels arbeitete. Der amtliche Schriftverkehr jener Phase belegt, dass zwischen den beteiligten Dienststellen des Kreises, des Regierungspräsidiums und der Staatsministerien des Innern und der Finanzen allerlei Differenzen über die Art von Aumers improvisiertem De-facto-Beschäftigungsverhältnis, dessen Einstufung, kostenmäßige Zuordnung (Kreis, Freistaat) und Rechtmäßigkeit behandelt wurden. Der vielzitierte „Amtsschimmel“ lief monatelang gemächlich durch etliche beteiligte Abteilungen und Hierarchien von Aumers Dienststelle bis hinauf zu den beiden beteiligten Staatsministerien. Der hohe verwaltungstechnische Aufwand mit oft sich wiederholenden Schriftsätzen, Gutachten, Berechnungen und Prüfungen der Rechtslage führte zu einem gewaltigen Zeitverzug mit massiven Nachteilen für Aumer, der in dieser harten Zeit vom Landratsamt Lichtenfels finanziell unterstützt wurde. Nach seinem Eintritt in den Ruhestand wurde Aumer vom Landratsamt Lichtenfels als Angestellter weiterbeschäftigt; zuletzt arbeitete er dort ohne Angestelltenstatus und auch ohne Dienstvertrag weiter.
Wilhelm Aumer starb im Alter von 75 Jahren und wurde auf dem Friedhof in Lichtenfels in der Grabstätte der Familie Johann Würstlein beigesetzt. Ein Ehrengrab seitens der Stadt Lichtenfels wurde ihm – im Gegensatz zu örtlichen NS-Profiteuren – nicht zuerkannt.
„Eindrücklich zeigt die Biographie von Wilhelm Aumer, welche Arten des Widerstands auch für den »normalen« Bürger und Verwaltungsmitarbeiter möglich waren – im Kleinen, aber mit großer Wirkung!“
Mitgliedschaften
- ab 1. Juni 1936: Deutsches Rotes Kreuz (DRK)
- 1936–1940: Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV)
- ab 20. Juni 1936: Reichsbund der Deutschen Beamten (RDB)
- 1936: Volksbund für das Deutschtum im Ausland (VDA)
- ab 1. Juli 1937: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP), Mitgliedsnummer 3.665.232; die Mitgliedschaft wurde sofort auf den 1. Mai 1935 zurückdatiert, für die Zeitspanne vom 1. Mai 1935 bis 1. Juli 1937 wurde Aumer als Anwärter (Opferring der NSDAP) deklariert und musste für mehr als zwei Jahre die Beiträge nachzahlen
Ehrung und Gedenken
Vor dem Landratsamt Lichtenfels, der Nachfolgebehörde des ehemaligen Bezirksamts Lichtenfels, wurde am 25. Juli 2023 in Anwesenheit einiger seiner Nachfahren eine Gedenktafel für Wilhelm Aumer enthüllt.
Der Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus, für Erinnerungsarbeit und geschichtliches Erbe, Ludwig Spaenle, würdigte im August 2023 Wilhelm Aumers Zivilcourage, mit der er für sich selbst Lebensgefahr in Kauf genommen habe.
Die staatliche israelische „Gedenkstätte des Holocausts und des Heldenmuts“, Yad Vashem, wies 2020 zwei von Deutschland aus gestellte Anträge ab, Wilhelm Aumer als einen „Gerechten unter den Völkern“ anzuerkennen und zu ehren. Die Ablehnung der beiden Anträge basiert darauf, dass Yad Vashems Historiker davon ausgehen, dass sich Aumer durch die Überschreitung seiner Befugnisse bzw. eine fallbezogene Nichtbeachtung von NS-Regularien hinsichtlich der wunschgemäßen Validierung von Reisepässen jüdischer Menschen für zwei ausländische Zielstaaten (statt eines zulässigen) bis 1939 nicht in Lebensgefahr gebracht habe.
Daraus folgt, dass ein solches Agieren Aumers nach dem Beginn des Zweiten Weltkrieges in anderer Qualität eingestuft werden würde und ihn als „Gerechter unter den Völkern“ qualifizieren könnte. Dafür wären Belege (Reisepässe) erforderlich, die von ihm nach dem 1. September 1939 irregulär für zwei Staaten validiert wurden. Zusätzlich müsste der Fokus auf Aumers Aktivitäten zum Schutz von im Kreis Lichtenfels eingesetzten Fremd- bzw. Zwangsarbeitern / Sklavenarbeitern vor Exekution bzw. Deportation in Konzentrations- und Vernichtungslager während des Krieges liegen, da unter diesen auch jüdische Menschen gewesen sein können.
Der Stadtverwaltung von Lichtenfels liegt seit 2020 eine Anregung vor, nach Wilhelm Aumer einen Weg, eine Straße oder einen Platz zu benennen, um an ihn zu erinnern.
Literatur
- Claude P. Bamberger: Art – A biographical essay, Verlagshaus Meisenbach, Bamberg 1989, ohne ISBN, S. 5–7
- Claude P. Bamberger: History of a Family – The Bambergers of Mitwitz and Lichtenfels 1770–1992. Selbstverlag, Tenafly, New Jersey, USA, 1993, ohne ISBN, S. 9–11
- Susanne Troche: Widerstand gegen Hitler – Einzelbeispiele aus dem Raum Lichtenfels (= Fränkische Heimat am Obermain, Heft 32). Beilage zum Jahresbericht 1994/95 des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels, Kapitel 6.4.3 Wilhelm Aumer
- Klaus Bamberger: Aus der Geschichte der Familie Bamberger. Kindheitserinnerungen an Lichtenfels (= Kleine CHW-Schriften, Colloquium Historicum Wirsbergense, Heft 2; Lichtenfelser Hefte zur Heimatgeschichte, Sonderheft 3), hrsg. v. Stadtarchiv Lichtenfels, Verlagsbuchhandlung H. O. Schulze, Lichtenfels 2005, ISBN 3-87735-177-8, S. 44–46
Siehe auch
- 13 Führerscheine – Dreizehn jüdische Schicksale, Scrapbook zur gleichnamigen historischen Ausstellung. Projekt des P-Seminars Geschichte des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels unter Leitung von Studiendirektor Manfred Brösamle-Lambrecht auf Initiative des Landrats Christian Meißner, Schuljahr 2017/18, 2., korr. und erw. Auflage, Lichtenfels 2019 (Wilhelm Aumer: S. 96 des Scrapbook bzw. S. 49 der PDF-Datei).
Einzelnachweise und Fußnoten
- ↑ gem. Faksimile der Geburtsurkunde Nr. 83/1883, Stadtarchiv Regensburg, Nina Herrmann, 20. März 2020
- ↑ Standesamt Lichtenfels, Reg.-Nr. 73/58
- ↑ Israel Schwierz: „13 Führerscheine – 13 jüdische Schicksale“, auf: hagalil.com
- 1 2 3 Claude P. Bamberger: Art – A biographical essay, Verlagshaus Meisenbach, Bamberg 1989, S. 5–7
- 1 2 3 4 Susanne Troche: Widerstand gegen Hitler – Einzelbeispiele aus dem Raum Lichtenfels (= Fränkische Heimat am Obermain, Heft 32). Beilage zum Jahresbericht 1994/95 des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels, Kapitel 6.4.3 Wilhelm Aumer
- 1 2 3 Dr. Siegfried Rudolph: Ein Mitwitzer Kunstsammler. In: Mitteilungsblatt – Amtsblatt für die Verwaltungsgemeinschaft Mitwitz, Nr. 25 (1992), 19. Juni 1992
- 1 2 3 Klaus Bamberger: Aus der Geschichte der Familie Bamberger. Kindheitserinnerungen an Lichtenfels (= Kleine CHW-Schriften, Colloquium Historicum Wirsbergense, Heft 2; Lichtenfelser Hefte zur Heimatgeschichte, Sonderheft 3), hrsg. v. Stadtarchiv Lichtenfels, Verlagsbuchhandlung H. O. Schulze, Lichtenfels 2005, ISBN 3-87735-177-8, S. 44–46
- 1 2 3 Brief der Henriette „Jetta“ Bamberger an ihren Sohn Klaus nach Neuchâtel vom 21. August 1937, maschinenschriftlich, unveröffentlicht, enthält u. a. einen Hinweis auf Wilhelm Aumer, der im Bezirksamt Lichtenfels den Reisepass von Klaus Bamberger bearbeitete.
- 1 2 3 Claude P. Bamberger: History of a Family – The Bambergers of Mitwitz and Lichtenfels 1770–1992. Selbstverlag, Tenafly, New Jersey, USA, 1993, S. 9–11
- 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Protokoll des Verfahrens der Spruchkammer für den Landkreis Lichtenfels, Aktenzeichen M 46/108, vom 13. November 1946
- ↑ [Personal-]Akt der Königlich Bayerischen Regierung der Oberpfalz und von Regensburg [regionale Zuschreibung später handschriftlich geändert auf] Regierung von Oberfranken, Kammer des Innern [für] Aumer, Wilhelm […] 037/14 A. In: Staatsarchiv Bamberg, Signatur: Regierung von Oberfranken, Abgabe 1971, Nr. 5903
- ↑ gem. Faksimile des Familienbogens Georg Aumer, Stadtarchiv Regensburg, Nina Herrmann, 20. März 2020
- ↑ Standesamt München II, Registereintrag 664 (1920); Zitiert nach: Faksimile der Heiratsurkunde, übermittelt durch das Stadtarchiv der Landeshauptstadt München, Archivoberrat Dr. Daniel Baumann, 10. September 2020
- 1 2 Grabmal-Inschriften der Grabstelle der Familie Johann Würstlein in Lichtenfels, Oberfranken
- ↑ Traueranzeige Hubert Aumer, 4. Juli 2020, auf: infranken.de
- ↑ Traueranzeige Elisabeth Aumer, 30. April 2011, auf infranken.de
- ↑ Traueranzeige Walter Aumer, auf: merkur.de
- ↑ Schriftliche Auskunft durch Reinhard Aumer (München), Enkel von Wilhelm Aumer, vom 20. September 2019, mit fotografischem Beleg des Grabmals der Grabstelle der Familie Johann Würstlein in Lichtenfels, Oberfranken
- 1 2 3 Militärstammrolle 1. Ers. Batl. 9. I.R. 1–1156, Wilhelm Aumer, lfd. Nr. 1109, S. 374. In: Bayerisches Hauptstaatsarchiv Abt. IV Kriegsarchiv, Kriegsstammrollen 5546
- ↑ Zeugnis des Königlich Bayerischen Landbauamtes Regensburg für Wilhelm Aumer, ausgestellt am 30. September 1901
- ↑ Zeugnis des Königlich Bayerischen Bezirksamtes Regensburg für Wilhelm Aumer, ausgestellt am 28. April 1904
- ↑ Militärstammrolle, lfd. Nr. 107, S. 54. In: Bayerisches Hauptstaatsarchiv Abt. IV Kriegsarchiv, Kriegsstammrollen 4945, Truppen-Stammrolle 5. Inf. Regt. 1. Ers. Btln. Rekr. Depot I.
- ↑ Vormerkung zu den Akten Nr. 1082 a a 10, ausgestellt durch das Bayerische Staatsministerium des Innern in München am 6. Dezember 1924
- 1 2 3 4 5 6 Schreiben des Wilhelm Aumer vom 9. Januar 1947 an das Bayerische Staatsministerium des Innern in München
- ↑ Arne Schirrmacher: Philipp Lenard: Erinnerungen eines Naturforschers. Springer-Verlag, Berlin 2009. ISBN 978-3-5408-9048-5, S. 251, Fußnote 870
- ↑ Aktenvermerk Nr. 87 A 5 zu Wilhelm Aumer, ausgestellt durch die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach am 9. Januar 1947
- ↑ Vormerkung zu den Akten Nr. 12/11, ausgestellt durch das Bayerische Staatsministerium des Innern in München am 5. November 1938
- ↑ Aktenvormerkung zu Nr. 59 k 12, gem. Vorschlagsliste 1068 a
- ↑ Schreiben der Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach, Nr. 104 i 18, ausgestellt am 28. Juni 1939
- ↑ Aktenvormerkung Nr. 59 k, lfd. Nr. 1460 a, ausgestellt durch die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach am 13. Mai 1941
- ↑ Schreiben des Landrats von Lichtenfels vom 2. Oktober 1945 an die US-amerikanische Militärregierung
- ↑ Dr. iur. et rer. pol. Alfons Trunk, Landrat des Kreises Lichtenfels-Staffelstein, wurde am 2. Juni 1945 von der US-amerikanischen Militärregierung seines Amtes enthoben. Seine Amtsführung und charakterlichen Eigenschaften wurden nicht beanstandet; es sollten jedoch alle leitenden Funktionsträger aus den Ämtern entfernt werden, die während der NS-Zeit aktiv waren. Zitiert nach: Amtsblatt des Kreises Lichtenfels-Staffelstein, published under Authority, of Enactments of Mil. Gov., Law 6 No. 4, Art. 1, par. 2, 15. Juni 1945; Zitiert nach: Gerhard Schmidt: In Memoriam Landrat Dr. Max Jüngling (1903–1963), Vortrag vom 28. Oktober 2003 im Rahmen des Programms des Colloquium Historicum Wirsbergense im großen Sitzungssaal des Landratsamtes Lichtenfels;
- ↑ Ludwig Dietzel († 27. August 1956) war vom 26. Mai 1948 bis 30. April 1956 Mitglied des Stadtrates in Burgkunstadt. Zitiert nach Stadtarchiv Burgkunstadt, Andrea Baier, 7. Juli 2020
- ↑ Chronik des SPD Ortsvereines Burgkunstadt, auf: burgkunstadt-spd.de
- ↑ Der SPD-Kreistagsabgeordnete Konrad Witzgall wurde am 6. Mai 1933 unter der Haftnummer 1393 im Gerichtsgefängnis von Lichtenfels (Oberfranken) inhaftiert. Er könnte den Unterlagen zufolge bereits am 4. Mai 1933 durch die SA in „Schutzhaft“ genommen worden und über Bayreuth zum Konzentrationslager Dachau verbracht worden sein, wo er etwa am 16. Mai 1933 eintraf. Zur Dauer seiner Inhaftierung finden sich keine Belege, allerdings sind die Archivalien aus der Anfangszeit des Konzentrationslagers Dachau nicht vollständig überliefert. Zitiert nach: NARA Alphab. Register Nr. 101 S. 184–187, TS 1.1.6.1 / 0001-0189 / 0094 / 0051, 0058, 0068, 0159, KZ-Gedenkstätte Dachau (Stiftung Bayerische Gedenkstätten), Alex Pearman, 22. Juli 2020
- ↑ Geschichte der Sozialdemokratie in Schney, auf: spd-schney.de
- ↑ Susanne Troche: Widerstand gegen Hitler – Einzelbeispiele aus dem Raum Lichtenfels (= Fränkische Heimat am Obermain, Heft 32), Beilage zum Jahresbericht 1994/95 des Meranier-Gymnasiums Lichtenfels, Kapitel 5.2 Der Widerstand der SPD in Schney
- ↑ Military Government Liaison & Security Office, Landkreise Lichtenfels and Staffelstein, Detachment B-247, Co B, 3d MG regiment, APO 170, US Army – 19 Dec 1946 – Reinstatements of Employment, to: Landrat Lichtenfels, Herrn Dr. [Max] Jüngling. The past, present and future reinstatement or employment of persons listed below is approved by Military Government: Aumer, Wilhelm, Lichtenfels, Coburgerstr. 49. For the director: gez: Judge C. Potts, 1st Lt. AC, PSO
- ↑ Schreiben der Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach vom 28. Oktober 1947 an das Bayerische Staatsministerium des Innern in München, Aktenzeichen Nr. 87 A 147
- ↑ Der am 28. September 1884 in Haig geborene Heinrich Rauh wurde am 1. August 1909 in Bamberg zum Priester geweiht. Am 1. September 1908 begann er seinen Dienst als Kaplan in Teuschnitz, wo er ab 29. Dezember 1909 als Pfarrverweser eingesetzt wurde. Ab 1. September 1910 war er als Kaplan in Rothenkirchen tätig, ab 21. September 1911 als Pfarrverweser von Birnbaum, ab 27. September 1911 als Kaplan in Kulmbach und zeitgleich beginnend als Pfarrverweser von Nordhalben. Ab 1. Januar 1912 nahm er ein Benefiziat in Hollfeld wahr; ab dem 6. März 1912 wurde er als Pfarrverweser von Kersbach berufen. Ab dem 16. April 1912 wirkte er als Kurat von Berneck, ab 1. Mai 1912 als Kurat von Reichmannsdorf. Am 16. April 1928 wurde er zum Stadtpfarrer von Lichtenfels berufen. Am 18. Juni 1943 erfolgte seine Ernennung zum Domkapitular in Bamberg durch Erzbischof Joseph Otto Kolb. Ab 1947 wirkte er als erzbischöflicher Finanzdirektor und ab 1953 als Summus Custos des Bamberger Doms. Heinrich Rauh verstarb 85-jährig am 14. Oktober 1969 in Bamberg. Zitiert nach: Archiv des Erzbistums Bamberg, Dr. Andreas Hölscher, 30. Juni 2020
- ↑ Der am 16. Mai 1923 im oberfränkischen Lichtenfels als Sohn des Hans Gerst (* 1886) und dessen Ehefrau Lilly Kohn (1892–1985) geborene Walter Samuel Gerst-Kohn wurde 1936 im Alter von 13 Jahren von der Realschule Lichtenfels (heute: Meranier-Gymnasium) verwiesen, weil er jüdischer Abstammung war. Sein Großvater Samuel Kohn (1851–1922) hatte zu den fünf Gründerpersönlichkeiten dieser Schule, einer privaten Stiftung, gezählt. Walter musste in der Folge aufgrund nationalsozialistischer Diskriminierung und Ausgrenzung 1938 nach England emigrieren. Im Jahr 1947 schloss er sein Studium der Politikwissenschaft an der University of London mit dem akademischen Grad eines Bachelor (B.Sc.) ab und ging in die Vereinigten Staaten. 1949 erwarb er an der New School for Social Research (NSSR) in New York City den akademischen Grad eines Master of Science (M.Sc.), promovierte 1953 ebenda und lehrte danach zunächst am Lawrence College in Appleton im US-Bundesstaat Wisconsin, später am College for Teachers der State University of New York in Buffalo, im US-Bundesstaat New York. Er veröffentlichte u. v. a. 1980 das Werk Governments and Politics of the German-speaking Countries (ISBN 0882292625), 1981 das Buch Women in National Legislatures – A Comparative Study of Six Countries (ISBN 0030475910), und 1995 die deutschsprachige Broschüre 50 Jahre nach der Deportierung der letzten Lichtenfelser Juden – Gedanken zum 9. November 1988 (OCLC 163433523). Über drei Jahrzehnte lehrte er als Professor am Department of Political Science der Illinois State University (ISU) in Normal im US-Bundesstaat Illinois, deren Senat er ebenso angehörte wie dem Arts and Sciences College Council. Er engagierte sich über viele Jahre für den Bibliotheksverbund Corn Belt Library System, den er gründete und zeitweise auch leitete. Als Präsident saß er der von deutsch-jüdischen Emigranten gegründeten Loge Abraham Lincoln Lodge of BÂ’nai BÂ’rith vor. Verheiratet war er mit der Journalistin und Dramatikerin Rita (* 10. Oktober 1933), geborene Tevelowitz. Aus der Ehe gingen eine Tochter und zwei Söhne hervor. 1986 wurde Walter Kohn emeritiert. Er starb 75-jährig am 27. November 1998 in Urbana, Champaign County, Illinois, und wurde auf dem Indianapolis Hebrew Congregation Cemetery North in Westfield, Hamilton County, Indiana, beigesetzt. Die Illinois State University vergibt jährlich den Walter S. G. Kohn Award an Studierende europäischer Politik. Zitiert nach: Walter S. G. Kohn Award des Department of Politics and Government der Illinois State University; Zitiert nach: Paul A. Spengler: The Journal of Ethnic Studies, Bd. 10, Ausg. 2, Western Washington State College, College of Ethnic Studies, Bellingham, Washington, Sommer 1982, S. 120; Zitiert nach: The Annals of the American Academy of Political & Social Science (AAPS); Zitiert nach: worldcat.org; Zitiert nach: 13 Führerscheine – Dreizehn jüdische Schicksale (PDF-Datei; 11,8 MB), Scrapbook zur gleichnamigen historischen Ausstellung. Projekt des P-Seminars Geschichte des Meranier-Gymnasiums in Lichtenfels unter Leitung von Studiendirektor Manfred Brösamle-Lambrecht auf Initiative des Landrats Christian Meißner, Schuljahr 2017/18, 2., korr. und erw. Auflage, Lichtenfels 2019, S. 98; Zitiert nach: Walter Samuel Gerst Kohn in der Datenbank Find a Grave, abgerufen am 26. September 2023 (englisch).
- ↑ 13 Führerscheine – Dreizehn jüdische Schicksale, Scrapbook zur gleichnamigen historischen Ausstellung. Projekt des P-Seminars Geschichte des Meranier-Gymnasiums in Lichtenfels unter Leitung von Studiendirektor Manfred Brösamle-Lambrecht auf Initiative des Landrats Christian Meißner, Schuljahr 2017/18, 2., korr. und erw. Auflage, Lichtenfels 2019, S. 96, 98.
- ↑ Textauszug aus einem Schreiben von Walter Samuel Gerst-Kohn (1923–1998) aus Indianapolis vom 14. September 1993 an Susanne Troche in Lichtenfels, zitiert nach: 13 Führerscheine – Dreizehn jüdische Schicksale, Scrapbook zur gleichnamigen historischen Ausstellung. Projekt des P-Seminars Geschichte des Meranier-Gymnasiums in Lichtenfels unter Leitung von Studiendirektor Manfred Brösamle-Lambrecht auf Initiative des Landrats Christian Meißner, Schuljahr 2017/18, 2., korr. und erw. Auflage, Lichtenfels 2019, S. 96, 98
- ↑ Till Mayer: Ausstellung „13 Führerscheine – 13 Schicksale“ in den USA, in: Obermain-Tagblatt, 19. August 2019. In der Headline des Artikels müsste es korrekt heißen: Ausstellung „13 Driver’s Licenses – 13 Jewish Lives“ in den USA, denn so lautet der Titel der Ausstellung in den Vereinigten Staaten; in Deutschland: „13 Führerscheine – 13 jüdische Schicksale“.
- ↑ Henriette „Jetta“ Bamberger, geborene Wolff, wurde am 14. Juli 1891 in Hall am Kocher als Tochter des Kaufmanns Beni Wolff (1. April 1857 in Braunsbach; † 2. Januar 1923 in Stuttgart) geboren. Sie heiratete am 24. Dezember 1913 den im oberfränkischen Lichtenfels ansässigen Unternehmer Otto Bamberger. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor, Ruth (1914–1983) und Klaus Philipp (1920–2008). Ihre Kinder besuchten u. a. reformpädagogische Landerziehungsheime, Ruth die Freie Schulgemeinde Wickersdorf im Thüringer Wald und später zusammen mit ihrem jüngeren Bruder Klaus die Schule am Meer auf der ostfriesischen Nordseeinsel Juist. Nach dem frühen Tod ihres Ehemannes im September 1933 arbeitete die zu diesem Zeitpunkt 42-jährige „Jetta“ Bamberger neben ihrem Schwager Ludwig Bamberger (1893–1964) und dem Neffen ihres Ehemanns, Alfred Bamberger (1890–1956), im Familienunternehmen D. Bamberger mit, das sich zu einem der größten europäischen Lieferanten von Rohmaterial für die Korb- und Rattanmöbel-Industrie entwickelt hatte. Ab Mitte der 1920er Jahre vertrieb das Unternehmen von seiner Niederlassung in Coburg aus auch ein breites Sortiment von pädagogischem Holzspielzeug nach Pestalozzi-Schüler Friedrich Fröbel. Wilhelm Aumer, dessen ältester Sohn Hans Hubert (* 20. April 1921) mit Klaus Bamberger in Lichtenfels dieselbe Volksschulklasse besucht hatte, suchte die Witwe eines Nachts in deren Villa Sonnenhaus auf. Dabei ging er ein hohes berufliches Risiko ein, zumal das von der NSDAP-Kreisleitung genutzte Gebäude (Adolf-Hitler-Straße 20) und sein Arbeitsplatz, das Bezirksamt Lichtenfels (Adolf-Hitler-Straße 28), nur wenige Schritte entfernt und in Sichtweite auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Villa (Adolf-Hitler-Straße 21) lagen. Aumer warnte „Jetta“ Bamberger konspirativ vor der kurz bevorstehenden Konfiskation sämtlicher Pässe jüdischer Deutscher, um ihr die Gelegenheit zu eröffnen, noch rechtzeitig ins Ausland zu flüchten. Sie fuhr daraufhin zu ihrer Mutter nach Stuttgart, erhielt im dortigen US-Konsulat ein Besuchervisum, und konnte damit in der Folge in die Vereinigten Staaten emigrieren. Dort arbeitete sie in der Kinderbetreuung und als Haushälterin, Fahrerin und Begleiterin eines ehemaligen österreichischen Konsuls, der sich 1938 geweigert hatte, nach der Okkupation Österreichs durch die Wehrmacht vor seinem Konsulat in den USA die Nazi-Flagge hissen zu lassen. Zeitweise vermietete „Jetta“ Bamberger aufgrund ihrer wirtschaftlich prekären Situation in der Nachkriegszeit Zimmer ihres Hauses, wohnte jedoch überwiegend in einem kleinen Apartment. Sie verstarb am 30. Oktober 1978 im Alter von 87 Jahren. Zitiert nach: Familienbuch Beni Wolff, Eintrag B. Nr. 58; Standesamt Schwäbisch Hall, übermittelt durch das Stadtarchiv Schwäbisch Hall, Dr. Andreas Maisch, am 5. Juli 2019; Zitiert nach: Sterbebucheintrag des Otto Bamberger; übermittelt durch das Stadtarchiv Baden-Baden, Claudia Falk, am 8. August 2019; Zitiert nach: Claude P. Bamberger: ART – A Biographical Essay. Verlagshaus Meisenbach, Bamberg 1989, ohne ISBN; Zitiert nach: Claude P. Bamberger: History of a Family – The Bambergers of Mitwitz and Lichtenfels 1770–1992. Selbstverlag, Tenafly, New Jersey, USA, 1993, ohne ISBN; Zitiert nach: Claude P. Bamberger: Breaking the Mold – A Memoir. C. Bamberger Molding Compounds Corp., Carlstadt, New Jersey, USA, 1996, ISBN 0-9653827-0-2; Zitiert nach: Klaus Bamberger: Aus der Geschichte der Familie Bamberger. Kindheitserinnerungen an Lichtenfels (Kleine CHW-Schriften, Colloquium Historicum Wirsbergense, Heft 2; Lichtenfelser Hefte zur Heimatgeschichte, Sonderheft 3), hrsg. v. Stadtarchiv Lichtenfels, Verlagsbuchhandlung H. O. Schulze, Lichtenfels 2005, ISBN 3-87735-177-8; Zitiert nach: Obituary Jetta Bamberger. In: Aufbau, deutsch-jüdisches Periodikum in New York City, Vol. XLIV, No. 44, Freitag, 3. November 1978, S. 28
- 1 2 Schreiben des Landratsamts Lichtenfels, Dr. Max Jüngling, vom 2. Februar 1950, Aktenzeichen Nr. 5652 D/S, an die Regierung von Oberfranken in Bayreuth
- ↑ Schreiben des Landratsamts Lichtenfels, Dr. Max Jüngling, vom 6. Juli 1950, Aktenzeichen Nr. 2921, an die Regierung von Oberfranken in Bayreuth
- ↑ Schreiben des Bürgermeisters der Stadt Lichtenfels, Dr. iur. Julian Wittmann, an den Staatsminister des Innern, Josef Seifried, vom 14. Januar 1947
- ↑ Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern in München, Staatsminister Josef Seifried, Nr. III A 3, vom 30. Januar 1947, an die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach
- ↑ Schreiben des Landrats von Lichtenfels, Dr. Max Jüngling, vom 29. März 1947 an die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach, Nr. 934
- ↑ Schreiben der Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach vom 15. April 1947 an das Landratsamt Lichtenfels unter dem Aktenzeichen Nr. 87 a 44
- ↑ Schreiben des Vertrauensmanns des Bayerischen Hilfswerks in Lichtenfels, Müller, vom 19. Mai 1947 an die Regierung von Oberfranken und Mittelfranken in Ansbach mit der Bitte um Wiedereinstellung Wilhelm Aumers
- ↑ Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums des Innern in München an die Regierung von Ober- und Mittelfranken in Ansbach, Nr. III A 4, vom 25. März 1948, gez. Ritter von Lex, Ministerialdirigent
- ↑ Schreiben des Landratsamts Lichtenfels, Dr. Max Jüngling, Aktenzeichen Nr. 3904 A/S, an die Regierung von Oberfranken in Bayreuth vom 30. Juli 1949
- ↑ Schreiben des Dr. Johannes Staudenmaier, Archivrat am Staatsarchiv Bamberg und dessen stellv. Leiter, vom 30. Juni 2020, unveröff., zitiert nach schriftl. Einverständnis
- ↑ Bundesarchiv R 9361-VIII KARTEI/200468.
- 1 2 Richard Padberg: Menschlichkeit in der NS-Zeit: Lichtenfels ehrt Wilhelm Aumer (Web-Report inkl. br-Fernsehbericht). In: Bayerischer Rundfunk, 25. Juli 2023, auf: br.de
- ↑ Richard Padberg: Lichtenfels ehrt Wilhelm Aumer (Audio-Statement des Landrats Christian Meißner). In: Bayerischer Rundfunk, 25. Juli 2023, auf: br.de
- 1 2 Alfred Thieret: Wilhelm Aumer: Gedenktafel für einen Aufrechten. In: Obermain-Tagblatt, 31. Juli 2023, auf: obermain.de
- ↑ Werner Diefenthal: Film zum Lichtenfelser Projekt „13 Führerscheine“. In: Obermain-Tagblatt, 20. August 2023, auf: obermain.de
- ↑ Yad Vashem File Wilhelm Aumer #19041, Reference no. CAS-294008; Schreiben vom 24. November 2020, unterzeichnet durch Liad Mousan Shemesh, MA MA, Public Affairs and Research Coordinator, The Righteous Among the Nations Department | Yad Vashem.