Folly (wörtlich „Narretei“) ist eine englische Bezeichnung in der Gartenkunst und der Architektur für einen ungewöhnlichen Zierbau. Ein Folly unterscheidet sich von anderen nutzlosen Bauwerken (Staffagebauten) durch die ihm zugrunde liegende exzentrische Idee oder durch eine besonders ungewöhnliche, extravagante Ausführung. Im Deutschen wird die Bezeichnung Folly bisher nur selten verwendet, vorwiegend mit Bezug zu Landschaftsgärten in England.

Die bizarre Auffälligkeit des Bauwerks ist beabsichtigt, das provokativ Unnütze der Anlage ist programmatisch. Eine Sinngebung kann zum Beispiel durch die nostalgische Assoziation mit einer verklärten Vergangenheit entstehen. Die Anlage ist immer eigens errichtet, sie muss nicht funktionslos sein, ist häufig begehbar oder kann sogar bewohnt werden.

Geschichte

Vorläufer

Die verschwenderische Ausschmückung von Gärten ist bereits für die Antike belegt (Garten der Villa Adriana). Der manieristische Garten am Ende des 16. Jahrhunderts erfreute sich durch seine an Originalität überbietenden Gartenausstattungen wie Grotten, Wasserspiele und durch Wasserkraft getriebene Automaten, die Figuren bewegten und Geräusche erzeugten, großer Beliebtheit. So hat sich im Garten der Villa Medici von Pratolino (1569–84) eine titanenhafte Figur von Giovanni Bologna, eine Allegorie des Apennin, erhalten. Die Ausgestaltung dieses Gartens dürfte Anregung für reisende Adelige, insbesondere aus England, gewesen sein, die ihn vor seiner weitgehenden Zerstörung 1819 besuchten. Sie planten in der Folge in den heimischen Gärten ähnliche Kunstwerke, wobei versucht wurde, das Vorbild möglichst noch zu übertreffen.

Follys im romantischen Landschaftsgarten

Im England des 18. Jahrhunderts fanden Follys in den neuen englischen Landschaftsparks weite Verbreitung. Darüber hinaus entstanden, auch als Blickfang, Bauwerke mit verschwenderischem Aufwand. Es handelte sich um Gebäude in mannigfaltigen Formen, häufig, aber nicht zwangsläufig, Türme, ferner künstliche Ruinen, häufig in gotischer Anmutung, und Scheinarchitekturen (Kirchen, Klöster, Tempel). Die Entwürfe sind typischerweise amateurhaft, von wohlhabenden Bauherren erdacht. Das Phänomen derartiger Architekturschöpfungen verbreitete sich von den Britischen Inseln nach Kontinentaleuropa und Ende des 19. Jahrhunderts auch nach Nordamerika. Die Häufung von Follys ließ an einigen Orten überfrachtete Folly gardens entstehen, zum Beispiel den Parc Monceau von Louis Carmontelle für Louis Philippe II., errichtet 1773–1778 unter anderem mit Ruinen, Windmühle und Naumachie.

Einige Bauwerke führten in einem Wetteifern um immer auffälligere Schöpfungen zu verschiedenen Nachahmungen. In England entstand so ein Gebäudetyp mit dreieckigem Grundriss (Triangular folly tower) nach dem Vorbild eines 1750 von Henry Flitcroft entworfenen Turms in Fort Belvedere in Virginia Water für den Herzog von Cumberland. Broadway Tower und Paxton’s Tower waren die bekanntesten Nachfolger.

Abgrenzung

Eine Typisierung der Follies ist schwierig, liegt ihr Wesen doch in der Originalität des Entwurfs begründet. Auch eine Grenzziehung zu zeitgenössisch modischen Gartenstaffagen fällt nicht immer leicht. In einem klassizistischen Garten ist ein Tempel nicht als Folly zu bezeichnen, eine antikisierende (künstliche) Tempelruine in einem romantischen Garten allerdings sehr wohl. Eine in heutiger Zeit ins Auge fallende palladianische Brücke ist im England des 18. Jahrhunderts nicht ungewöhnlich, wohl aber ein Haus in Form eines Säulenstumpfes (Höhe 30 m, Durchmesser 15 m) inmitten einer pittoresken Gartenszenerie (Désert de Retz von François Racine de Monville, 1780–1781, in schlechtem Zustand erhalten); ebenso eine ländliche Szenerie mit 88 durch Wasserkraft bewegten Figuren vor einer künstlichen Felswand in Lunéville (im Auftrag von Stanislaus I. Leszczyński von Emmanuel Héré, 1742–1743, zerstört).

Verhältnis zur Landschaft

Im Gegensatz zu vielen anderen Gartenstaffagen und Schmuckarchitekturen, die sich harmonisch in die Landschaft einfügen, ist die ästhetische Beziehung von Follys zur Umgebung eher ambivalent. Insbesondere Türme und aufstrebende Bauwerke beherrschen einen Landschaftsausschnitt als „architektonische Ausrufezeichen“.

Seit dem 18. Jahrhundert dienten Follys als Gestaltungselemente romantischer Landschaftsinszenierungen. Es waren vor allem Grotten, die häufig mit Muscheln und gefärbten Kieselsteinen ausgekleidet wurden, und künstliche Ruinen, die die romantische Gefühlswelt zu Melancholie steigerten. Architekturen oder Fassaden in ruinöser Anmutung sollten Erdverbundenheit, den Zerfall und die Rückkehr alles von Menschenhand Geschaffenem in den Kreislauf der Natur ausdrücken.

Zerstörte Objekte

Zahlreiche Bauwerke wurden im Laufe der Zeit abgerissen oder verfielen nach dem Tod ihres Eigentümers. Follys aus Holz wurden häufig durch Brände zerstört, auch Vandalismus setzte den Gebäuden zu. Der 84 Meter hohe Turm (geplant waren mit Turmspitze 137 Meter) von Fonthill Abbey, (Beckford’s Folly), entworfen von James Wyatt für William Beckford, stürzte 1825 vollständig ein. Von dem als Wohnsitz gedachten, kathedralenartigen Gebäude sind nur mehr kleinere Teile und ein Nebenturm (Lancaster Tower) erhalten. Viele unbekanntere Bauwerke befinden sich in schlechtem Zustand, von ihnen stehen nur wenige unter Denkmalschutz.

Beispiele noch existierender Follys

Türme

Deutschland

Vereinigtes Königreich

Tschechien

Künstliche Ruinen

Deutschland

Österreich

Bögen und Aquädukte

Andere Bauwerke

Gesellschaftliche und politische Einordnung

Während zahlreiche Follys lediglich der zeitgenössischen Gartenmode folgten (etwa Eremitagen mit einem bezahlten, „echten“ Einsiedler, ersatzweise einer Wachsfigur) oder die Ideen von zu Selbstdarstellung und Verschwendungssucht neigenden Bauherren widerspiegelten, können manche Bauwerke sozialpolitisch eingeordnet werden. Einige Follys in Irland waren als Arbeitsbeschaffung für die hungernde Bevölkerung gedacht, deren Armut Ausdruck einer Agrarverfassung war, die dem Grundbesitzer und Auftraggeber eines Folly Wohlstand gewährleistete. Viele Bauherren drückten mit ihren architektonischen Phantasien Wunschvorstellungen aus, entweder konservativ-restaurativer Art (Bewahrung und Erinnerung an eine erhabene Vergangenheit) oder solche eines utopischen Ideals (Einklang mit der Natur im Rousseau’schen Sinne in Ermenonville). Beide Extreme können als raumgreifende Ikonisierungen von nicht unbedingt schriftlich formulierten Programmen verstanden werden, die den Betrachter beeindrucken und beeinflussen, vielleicht auch ablenken sollen.

Für nicht wenige Follys dürfte der Vorwurf des architektonischen Kitsches zutreffen. Die meisten Schöpfungen sind jedoch Zeugnisse des ungewöhnlichen Einfallsreichtums ihrer Bauherren, deren Motive so unterschiedlich wie schwer verständlich sind. So schuf beispielsweise Charles Hamilton ab 1783 mit Painshill Park (Cobham, England) einen hochgelobten Landschaftspark mit einem gotischen Haus, einer künstlichen Ruine, einer Abtei und einer Grotte. Dagegen stehen von Hybris geprägte Architekturen, so die von William Beckford, der in einem selbstverfassten Roman einen von einem hohen Turm herab seine Untertanen strafenden Herrscher beschrieb und mit dem Bau von Fonthill Abbey diese Allmachtsphantasie in die Wirklichkeit umzusetzen suchte. Whitaker Wright ließ 1901 Witley Park (Haslemere, England) errichten, eine kostspielige Landschaftsgestaltung mit künstlichen Gewässern, Zugang durch ein geheimes Tor mit einem Tunnel und einem unter dem Wasser gelegenen Tanzsaal. Nachdem Wright als Betrüger erkannt und verurteilt wurde, nahm er sich das Leben.

Abgrenzung

Nicht als Follys zu bewerten wären Objekte der Land-Art-Kunstrichtung oder spezielle Skulpturengärten, deren Kunst-, Schau- oder Gebrauchsstücke nicht als „Staffage“ von Gärten dienen. Sie gelten als eigene künstlerische Objekte, die in einem Garten als Freiluft-Galerie ausgestellt werden oder die ein Garten umgibt oder die, wie beispielsweise der Giardino dei Tarocchi, erst „den Garten machen“. Besonderes Merkmal dabei ist, dass in deren „Gärten“ nicht Pflanzen oder die Gestaltung von Pflanzen oder von Landschaft im Vordergrund stehen, sondern die Objekte.

Literatur

  • James Howley: The Follies and Garden Buildings of Ireland. Yale University Press, New Haven 1993. ISBN 0-300-05577-3.
  • Tim Mowl: Folly. In: The dictionary of art, herausgegeben von Jane Turner. Band 11. London, New York 1996. ISBN 1-884446-00-0, Seite 242–243.
  • Gwyn Headley, Wim Meulenkamp: Follies, grottoes, and garden buildings. Aurum Press, London 1999, ISBN 1-85410-625-2.
  • George Carter: Folly. In: The Oxford companion to gardens, herausgegeben von Patrick Goode und Michael Lancaster. Oxford, New York 2001, ISBN 0-19-860440-8, Seite 192–193.
Commons: Follies – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Folly | architecture. Abgerufen am 7. Juli 2019 (englisch).
  2. Ermenonville : history, map, photographs of the Jean-Jacques Rousseau park. Abgerufen am 7. Juli 2019.
  3. 1 2 Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, Seite 642.
  4. Blankenese. Baurs Park. In: hamburg.de. Stadt Hamburg, abgerufen am 26. Juni 2020.
  5. 1 2 Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Bayern IV. München und Oberbayern. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 2006, ISBN 3-422-03115-4, Seite 909.
  6. Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, Seite 133.
  7. Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, Seite 133.
  8. 1 2 Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, Seite 145.
  9. Georg Dehio: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1999, ISBN 3-422-03065-4, Seite 895.
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