Das Zwangsarbeitslager Ohrdruf, auch „Ohrdruf-Nord“, wurde gegen Ende 1944 in Ohrdruf, etwa 13 Kilometer südlich von Gotha, als ein Außenlager des KZ Buchenwald eingerichtet.
Die Häftlinge wurden für den Bau umfangreicher unterirdischer Tunnel- und Bunkeranlagen eingesetzt. Im März 1945 hatte das Lager 11.700 Häftlinge. Die zur Tarnung grün angemalten Baracken waren mit zwei Reihen Stacheldraht eingezäunt.
Geschichte
Vornutzung des Areals
Seit 1871 wurde ein Gebiet zwischen Ohrdruf, Jonastal und Bittstädt bereits als Manövergelände genutzt, sodass 1906 die Einrichtung eines offiziellen Truppenübungsplatzes vom Reichstag beschlossen und ab 1908 mit dem Ausbau des Geländes begonnen wurde.
Seit 1938 betrieb die Reichspost für die Wehrmacht hier eine geheime Fernmelde-Führungsanlage unter dem Tarnnamen Amt-10. 1941/1942 wurde ein kleines Lager für sowjetische Kriegsgefangene eingerichtet.
Einrichtung als Außenlager des KZ Buchenwald
Im Herbst 1944 übernahm die SS Teile des Lagers. Die SS richtete auf dem Lagergelände ein „Außenkommando Ohrdruf S III“ des KZ Buchenwald ein. Das Lager bestand in der Zeit vom 6. November 1944 bis Anfang April 1945. Als Besonderheit ist zu vermerken, dass es in der Zeit vom 14. November 1944 bis zum 15. Januar 1945 als selbstständiges Konzentrationslager geführt und nicht zum Bestand von Buchenwald zählte – wie sonst alle weiteren Außenlager. Zu „S III“ gehörten neben dem Nord- und Südlager bei Ohrdruf auch die weiteren Lager in der Luftmunitionsanstalt (LMunA) Crawinkel sowie das sogenannte Zeltlager bei Espenfeld.
Die Errichtung des Lagers hängt mit dem beabsichtigten Bau von Stollen im Jonastal zusammen. Angeblich sollten die Häftlinge dort ab November 1944 ein unterirdisches Hauptquartier für Hitler bauen. Diese Angaben sind jedoch nicht hinreichend belegt und die beabsichtigte Funktion der Stollen im Jonastal ist ungeklärt.
Am 30. Januar 1945 wurden 1.000 Zwangsarbeiter ins KZ Bergen-Belsen auf einen Todesmarsch geschickt, den viele nicht überlebten.
Todesmarsch nach Buchenwald
Am 2. April 1945 musste der größte Teil der Häftlinge unter SS-Bewachung in einem weiteren Todesmarsch 51 Kilometer nach Buchenwald marschieren. Die Anzahl der Häftlinge, die während des Marsches zusammenbrachen und starben oder von den SS-Bewachern erschossen wurden, kann nur geschätzt werden.
Neben den 60 bis 70 Toten, die offensichtlich vor dem Marsch erschlagen oder erschossen worden waren, weil sie nicht marschfähig erschienen, gab es einige Überlebende, die sich vor den SS-Wachen verstecken und so der erneuten Verschleppung entgehen konnten. Vom Marsch entflohene Häftlinge, unter anderen Andrew Rosner, konnten US-Truppen zum Lager führen.
Die Wachmannschaften versuchten vor ihrer Flucht möglichst viele der 3.200 Toten auf offenen Feuern zu verbrennen. Ein Krematorium gab es in diesem Lager nicht.
Befreiung
Am 4. April 1945 wurde der Truppenübungsplatz von der 4. US-Panzerdivision erobert, die in Ohrdruf ein Durchgangslager für entlassene sowjetische Kriegsgefangene errichtete.
Es war das erste von Westalliierten befreite Lager mit überlebenden Häftlingen, die Auskunft über ihr Schicksal geben konnten. Das Zwangsarbeitslager Ohrdruf wurde am 12. April von den US-Generälen George S. Patton, Omar N. Bradley, Dwight D. Eisenhower besichtigt. Eisenhower beschreibt diese Besichtigung in seinem Tagebuch als einen Schock. Ihm wurde dabei auch der Galgen gezeigt, an dem Hinrichtungen mit Klaviersaiten stattfanden. Er besichtigte am selben Tag das Salzbergwerk, in dem nationalsozialistisches Vermögen eingelagert war.
Nutzung des Areals durch die Sowjetarmee
Ab 1947 nutzte die sowjetische Armee den Truppenübungsplatz, bis er dann 1991 an das Bundesverteidigungsministerium übergeben wurde.
Übergabe an die Bundeswehr
Im Dezember 1993 wurde der Platz von der Bundeswehr übernommen. Das Gebiet wurde von den russischen Streitkräften jedoch verwahrlost hinterlassen: Verfallene Gebäude, Müllhalden und Schuttberge, verseuchte Gewässer, kontaminiertes Gebiet und zahlreiche nicht zur Wirkung gelangte Kampfmittel machten und machen die Aufräumarbeiten noch heute zu einem langwierigen Prozess.
Siehe auch
- Nebenlager Crawinkel (Nach einwöchigen Kampfhandlungen wurde Crawinkel von den Amerikanern besetzt), Arnstadt, Decknamen nationalsozialistischer Geheimobjekte (S III), Stollen von Jonastal
- Liste der Außenlager des KZ Buchenwald
- Liste der Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus
- Truppenübungsplatz/Kriegsgefangenenlager Ohrdruf
Weblinks
- Amerikanisches Kriegsinformationsamt im Auftrag des Oberbefehlshabers der Alliierten Streitkräfte: KZ – Bildbericht aus fünf Konzentrationslagern Entstanden ca. nach April 1945. Rekonstruktion durch VVN-BdA NRW 2006 (PDF-Datei)
- Denkmalgeschützte Ehrenfriedhöfe u. a. für die KZ-Häftlinge in Thüringen auf mdr.de (Zahlenangaben zu den einzelnen Orten)
- Das Projekt S lll und Olga (Memento vom 4. Mai 2005 im Internet Archive)
- Verzeichnis der Konzentrationslager und ihrer Außenkommandos gemäß § 42 Abs. 2 BEG
- „Nazi Concentration Camps“ auf archives.org – Aufnahmen des befreiten Lagers und dem Besuch der U.S. Militärs ab 8.10 min
- Deutsche Erinnerungslücke KZ Ohrdruf (kollaboratives Erinnerungsprojekt bis in das Jahr 2100)
- Sebastian Haak: Das fast vergessene Lager. In: nd-aktuell. 20. April 2023, abgerufen am 21. April 2023.
Einzelnachweise
- ↑ SEIDLER, Franz W., ZEIGERT, Dieter Die Führerhauptquartiere, 2000, Verlag F.A. Herbig, München, ISBN 3-7766-2154-0
- ↑ Intelligence and reconnaissance (I & R) platoon, attached to the Headquarters company des 354th Infantry Regiment, der 89th Infantry Division, Third US Army
- ↑ Christoph Mauny: „Vier Prinzipien der Nähe – regionale Erinnerungskultur am Beispiel des Konzentrationslagers Ohrdruf“. In: 40 Jahre „Nackt unter Wölfen“. Zwischen Mythos, internationaler Filmgeschichte und regionaler Erinnerungskultur. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 2023, ISBN 978-3-96023-529-3, S. 19–22.
Koordinaten: 50° 50′ 1″ N, 10° 45′ 17″ O