Übung
Üben ist ein methodisch wiederholtes Handeln, das darauf zielt, Können zu bewahren, zu erwerben oder zu steigern. Geübt werden Praktiken, die man nicht unmittelbar durch Wille oder Entschluss ausführen kann, wie elementare und leibliche Lebens- und Weltvollzüge wie Gehen und Sprechen, komplexe Fertigkeiten und Fähigkeiten künstlerischer, sportlicher, handwerklicher und geistiger Art sowie individuelle Haltungen und Einstellungen.
Jedes Üben zielt erstens auf eine Sache, ein Thema oder einen Inhalt, die oder der geübt wird und besser gekonnt werden soll (Vokabelüben). Die Übung zielt zweitens auf die Aneignung einer bestimmten Art und Weise, eines Stils und/oder einer Methode, mit der die Sache geübt wird. Sie zielt drittens auf den Übenden selbst, auf sein Selbst, das in der Übung Stil und Form gewinnen soll. Geübt werden deshalb Haltungen und Einstellungen wie Urteilen, Konzentration, Aufmerksamkeit, Ambiguitätstoleranz, Imagination. Kennzeichen der Übung ist die Wiederholung. Sie ist eine auf Stetigkeit und Dauerhaftigkeit angelegte Lernform. Zudem wird nur geübt, wenn man die angestrebte Fähigkeit und Fertigkeit noch nicht „kann“. Enttäuschungen, Irritationen und Scheitern gehören zur Erfahrung des eigenen Nicht-Könnens im Üben. Es ist für Erwachsene immer wieder erstaunlich, Kinder zu beobachten, die mit hoher „Fehler- und Frustrationstoleranz“ etwas üben (das sog. Montessoriphänomen). Darin wird die Intention des Kindes nicht gebremst, wohl aber das Ziel (zunächst) nicht erreicht.
Oft ausgeführte Übungen sind der Schlüssel, um eine außergewöhnliche Fertigkeit oder sogar Meisterschaft zu erlangen.
Durch Üben werden Gedächtnisinhalte und Körperschemata gefestigt und verändert. Übungen sind daher auf Wissen und auf Können gerichtet. Wesentlich für die Übung ist auch, dass mit ihr bestehendes Wissen und Können, Habitus und Kompetenz umgelernt bzw. umgeübt werden kann. Es gibt die sportlichen Übungen (Training), Instrumentalübungen (Etüden), geistliche Übungen (Exerzitien), philosophischen Übungen (Meditationen) sowie die östlichen geistigen Übungen (Meditation). Im militärischen Bereich wird durch Drill schnelles, unbewusst gesteuertes Handeln einstudiert, im Verkehrssicherheitstraining der Umgang mit Fahrzeug und Verkehrssituation. Jede Übung hat auch bei unterschiedlicher Schwerpunktsetzung eine ästhetisch-sinnliche, eine methodisch-kognitive und eine praktisch-ethische Dimension. In der Neuzeit trat der methodische und kognitive Aspekt immer mehr in den Vordergrund. Die ästhetisch-sinnliche und die praktisch-ethische anderen gingen weitgehend verloren.