Anthroposophische Medizin

Die anthroposophische Medizin (auch: anthroposophisch erweiterte Medizin, von altgriechisch ἄνθρωπος ánthrōposMensch‘ und σοφία sophiaWeisheit‘) ist eine ganzheitliche komplementärmedizinische Richtung, die aus einer „erweiterten Welt- und Menschenkenntnis“ auf der Grundlage der Anthroposophie Rudolf Steiners (1861–1925) auch die „ärztliche Kunst“, insbesondere die wissenschaftlich orientierte Medizin, erweitern will. Sie wird vor allem in Deutschland und der Schweiz praktiziert. In der EU gibt es schätzungsweise 4500 Ärzte, die nach den Prinzipien der anthroposophischen Medizin arbeiten.

Die anthroposophische Medizin stützt sich zur Erforschung der Phänomene des Physischen, Lebendigen, Seelischen und des Geistes nach eigenem Verständnis sowohl auf die Prinzipien der Naturwissenschaft als auch auf die anthroposophische „Geisteswissenschaft“, die eine Erweiterung der Erkenntnis durch „höhere“ Erkenntnisformen postuliert, durch die unter anderem vier „Wesensglieder“ des Menschen („physischer Leib“, „Ätherleib“, „Astralleib“ und „Ich-Organisation“) als ursächlich wirksam in den genannten Phänomenbereichen beschrieben werden könnten. Erkrankungen werden unter anderem als „Disharmonie der Wesensglieder“ gedeutet, und Therapien werden mit dem Ziel eingesetzt, durch die Überwindung der Krankheit ein neues Gleichgewicht zu finden. Zu den anthroposophischen Therapien zählen neben der Anwendung von Heilpflanzen wie z. B. der Misteltherapie bei Krebs und homöopathischer Präparate auch Heileurythmie, Farbtherapie, die Rhythmische Massage nach Ita Wegman sowie anthroposophische Ansätze heilkundlicher Anwendungen künstlerischer Prozesse (Kunst- und Maltherapie, Plastizieren, Musiktherapie).

In Deutschland hat die anthroposophische Medizin als Außenseitermethode seit 1978 den rechtlichen Status einer „besonderen Therapierichtung“. Daher ist für die Zulassung anthroposophischer Arzneimittel ein Wirksamkeitsnachweis in der sonst üblichen Form nicht zwingend erforderlich, und es sind dabei auch die „medizinischen Erfahrungen“ und die „Besonderheiten“ dieser Therapierichtung zu berücksichtigen. Das soll gewährleisten, dass „der in der Arzneimitteltherapie vorhandene Wissenschaftspluralismus“ nicht durch Mehrheitsentscheidungen aufgehoben werden kann.

Nach der Ansicht von Barbara Burkhard sind anthroposophische Vorstellungen über Einteilung, Entstehung und Verlauf von Krankheiten mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen nicht zu vereinbaren. Nach Auskunft des Anthroposophen Jost Schieren betrachten Vertreter der Wissenschaft die Anthroposophie als nicht wissenschaftlich und zählen sie zu den sogenannten Pseudowissenschaften. Nach Einschätzung durch Autoren der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und verschiedene Reviewautoren liegen für die Anwendung anthroposophischer Heilmittel nur unzureichende Wirksamkeitsstudien vor. Zwar gibt es kontrollierte Versuchsreihen für die Behandlung von Tumorpatienten mit Mistelpräparaten, aber weder eine Wirkung auf die Tumorprogression noch auf die Überlebenszeit gelten als gesichert. Die deutsche Bundesärztekammer stellte 1993 in einem Memorandum fest, dass die Anthroposophische Medizin nicht zu den „objektiv wirksamen Behandlungsverfahren“ gehöre.

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