Der Tempel der Morgendämmerung

Der Tempel der Morgendämmerung (jp. 暁の寺, Akatsuki no tera) ist der siebzehnte Roman des japanischen Schriftstellers Yukio Mishima und der dritte Band der Tetralogie Das Meer der Fruchtbarkeit. Er erschien am 10. Juli 1970 bei Shinchosha.

Die Erzählung folgt Honda, einer der Hauptfiguren aus den ersten beiden Bändern, der mittlerweile ein mittelalter Mann und erfolgreicher Anwalt ist. Strukturell ist der Roman in zwei Teile gegliedert: Der erste Teil spielt in den Jahren 1940–1945, der zweite Teil im Jahre 1952. Das letzte Kapitel im Buch spielt fünfzehn Jahre später, 1967. Der erste Teil behandelt Honda auf seiner Geschäftsreise nach Bangkok, Thailand, auf der er die siebenjährige Prinzessin Ying Chan trifft. Sie behauptet, die Reinkarnation eines japanischen Mannes zu sein und wird deshalb von ihren besorgten Verwandten isoliert aufgezogen. Inspiriert durch das Treffen beginnt Honda sich von seiner rationalen Natur zu verabschieden und informiert sich intensiv über buddhistischen Philosophie, um die Möglichkeit von Reinkarnationen zu verstehen und sein eigenes Leiden einordnen zu können. Der zweite Teil spielt im Jahr 1952. Mittlerweile ist Honda wohlhabend und in Rente, entwickelte durch sein neu gefundenes Interesse an Irrationalität aber auch perverse sexuelle Neigungen, wie seine Faszination für Voyeurismus. Prinzessin Ying Chan, mittlerweile 18 Jahre alt, ist für ihr Auslandsstudium in Japan und Honda plant sowohl, sie zu entjungfern, als auch herauszufinden, ob sie tatsächlich die Reinkarnation Kiyoakis ist. Er beobachtet sie beim Sex mit seiner Nachbarin Keiko und sieht die drei charakteristischen Muttermale. Als seine Villa abbrennt und sie überlebt, glaubt er, den ewigen Zyklus der Reinkarnationen endlich gebrochen zu haben, sodass Kiyoaki seinen Frieden findet. Viele Jahre später erfährt er, dass Ying Chan im Alter von 20 Jahren durch einen Kobrabiss starB.

Von allen Teilen der Tetralogie ist Das Meer der Morgendämmerung der bei weitem spirituellste und befasst sich vertieft mit einer Vielzahl buddhistischer, hinduistischer und anderweitig religiöser Konzepte und Strömungen. Besonderer Fokus liegt auf der buddhistischen Vorstellung des Alaya-Bewusstseins, das fundamentalste Bewusstsein (Vijnana) innerhalb der Vijñānavāda. Es ist damit primär als eine spirituelle Abhandlung zu verstehen und bildet das dritte Element von Mishimas Persönlichkeitsintrospektion, die er anhand der Tetralogie skizzierte: seine romantische, soziologische Seite in Schnee im Frühling, seine politische, idealistische Seite in Unter dem Sturmgott und schließlich seine spirituelle Seite in Der Tempel der Morgendämmerung.

Im Kontext der Tetralogie wird der Roman bis heute interpretiert und im allgemeinen Schaffenswerk des Autors eingeordnet. Obgleich Der Tempel der Morgendämmerung international positiv aufgenommen wurde, gilt er dennoch als der unbedeutendste Teil der gesamten Tetralogie. Erst in den letzten Jahren wurde er von Theologen und Historikern vermehrt unter die Lupe genommen und seine – vor allem für westliche Leser – komplizierten, tiefgründigen philosophische Erwägungen in die Gesamtinterpretation der Roman-Tetralogie aufgenommen.

Eine deutsche Übersetzung von Siegfried Schaarschmidt erschien 1987 beim Carl Hanser Verlag ISBN 978-3-446-14614-3, sowie 1990 als sublizenzierte Taschenbuchausgabe beim Goldmann Verlag ISBN 978-3-442-09615-2. Der Nachfolger und letzte Teil der Tetralogie Die Todesmale des Engels erschien am 25. Februar 1971 postum.

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