Parlamentswahl in Bulgarien Juli 2021
Am 11. Juli 2021 fand die Neuwahl des Parlaments in Bulgarien statt. Gewählt wurden die 240 Abgeordneten der bulgarischen Nationalversammlung, des Narodno Sabranie. Die Wahl wurde nötig, nachdem sich die im Parlament vertretenen Parteien nach der Wahl im April 2021 nicht auf eine Regierung einigen konnten und eine Interimsregierung unter Stefan Janew vom bulgarischen Präsidenten Rumen Radew gebildet wurde.
Die bei der Wahl im April noch zweitstärkste Kraft, die Antisystempartei Es gibt ein solches Volk (ITN) des Musikers Slawi Trifonow, die sich am ehesten als Catch-all-Partei einstufen lässt, gewann nun die Wahl im Juli. Nachdem sie beim erstmaligen Antritt im April mehr als 17 Prozent erreichen konnte, bündelte sie nun 24,1 Prozent der Wählerstimmen hinter sich. Trifonow zog laut Analysen vor allem Protestwähler auf dem Land, junge Bulgaren sowie die Mehrheit der abgegebenen Stimmen der Auslandsbulgaren (darunter der in Deutschland und Österreich abgegebenen Stimmen) an. Aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung im Land waren die Stimmen der Auslandsbulgaren wahlentscheidend und sorgten für den knappen Vorsprung der ITN.
Wie bereits bei der Wahl im April verlor die konservative Partei GERB unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Bojko Borissow Wählerstimmen. Sie ging zwar mit der SDS eine weitere Koalition ein, konnte aber mit 23,5 Prozent nach fünf Mal in Folge nicht mehr stärkste Kraft bleiben und verlor deutlich an Zustimmung. Sie erreichte das schlechteste Ergebnis seit ihrer Gründung 2006.
Auch die Sozialisten mussten Verluste hinnehmen, so dass sie auf ihr schlechtestes Resultat seit 1990 kamen. Bei der Wahl im April hatten sie bereits beträchtlich verloren. Zum Teil wurde die BSP durch Wählerwechsel zur ITN bestraft, zum anderen nahm die ältere Generation, die die stärkste Wählerklientel bildet, wegen der COVID-Pandemie und der Einführung von Wahlmaschinen nicht zahlenmäßig stark an der Wahl teil. Auch die Neuausrichtung der Partei unter Kornelija Ninowa, weg von klassischen Arbeiterthemen, könnte dabei eine Rolle gespielt haben.
Das liberale Bündnis Demokratisches Bulgarien (DB), das im April mit über 9 Prozent abschnitt, konnte seine Wählerschaft ausbauen und wurde mit 12,6 Prozent viertstärkste Kraft. Auch durch die im Ausland abgegebenen Stimmen wurde DB nach ITN am meisten unterstützt. Ihr Ziel, die BSP zu überholen, wurde jedoch verfehlt. Das DB gewann erneut die beiden bevölkerungsreichsten Wahlkreise in Sofia, in den meisten Nachbarländern Bulgariens sowie in der Schweiz, Australien und Brasilien. Die türkische Minderheitenpartei DPS konnte dagegen nur leicht zugewinnen. Sie sicherte sich erneut die Mehrzahl der in der Türkei abgegebenen Stimmen, vermochte jedoch mit der Erhöhung der Anzahl der Wahllokale in der Türkei (von 35 auf 127) nicht signifikant mehr Wählerstimmen für sich zu generieren. Ins Parlament schaffte es erneut auch das liberale bzw. linksliberale Bündnis Steh auf! Mafia raus! (Izpravi se! Mutri van!; ISMV) (unter anderem mit Volt, Bewegung 21) unter Leitung von Maja Manolowa, Tatjana Dontschewa und Nikolai Chadschigenow.
Im Vorfeld der Wahl versuchten drei Parteien aus dem nationalistischen Lager durch die neugebildete Koalition Bulgarische Patrioten (IMRO-BND, NFSB und Wolja) die Wählerverluste von April wiedergutzumachen, konnten aber erneut nicht die Sperrklausel überwinden. Sie gewann zwar abermals die Mehrzahl (36 Prozent) der in Nordmazedonien abgegebenen Stimmen, blieb jedoch hinter früheren Erfolgen zurück. So konnte die IMRO-BND noch im April mehr als die Hälfte der dort abgegebenen Stimmen für sich gewinnen. Auch die Parteien Wiedergeburt und Ataka widersetzten sich erneut einer Koalition unter der IMRO-BND, traten allein zur Wahl an und überwanden die Sperrklausel nicht.
Die Wahlbeteiligung lag bei 42,2 Prozent, wobei mit 48,16 Prozent die höchste in der bulgarischen Hauptstadt Sofia und mit 28,54 Prozent die niedrigste in der Region Kardschali, einer traditionellen Hochburg der DPS, gemessen wurde.
Im Ergebnis erhielt kein Lager eine Mehrheit. Da sich die Parteien nicht auf eine Regierung einigen konnten, kündigte Präsident Rumen Radew Neuwahlen für November 2021 an, die gleichzeitig mit den Präsidentschaftswahlen stattfinden werden.