Reibach
er Reibach ist eine geheimnisumwitterte, verwinkelte, kurvenreiche und nur aus Erzählungen bekannte Abzweigung des majestätischen Geldflusses. Der Geldfluss, der in den hohen Kapitalbergen den scheinbar unerschöpflichen Geldquellen entspringt, zieht sich wie eine Goldader durchs Land und an seinen Ufern gedeihen Pflanzen mit absonderlichen Blüten, Wohlstand und Erquickung. Der Reibach hingegen verdrückt sich zur Seite, schnell, dünkelhaft und verzwickt. Niemand vermag genau den Lauf des Reibachs nachzuvollziehen oder sagen, wer an seinem Ende damit sein Mühllein treibt.
Nur wenige wagen sich hinein, lediglich ein exquisiter Kreis traut sich hier noch im Geld zu schwimmen. Während der Geldfluss groß, breit und voller Leben ist, so weiß niemand ganz genau, was es mit dem Reibach auf sich hat. Er gilt als Lebensraum der kleinen Fische, der hinterlistigen Finanzhaie, als Rückzugsgebiet derer, die mit seinem Wasser ihre schmutzige Wäsche waschen.
Der Geldfluss ist breit, gesäumt von reichen Städten an seinen Ufern, leicht zu beschiffen, auf ihm wimmelt es von Binnenschifffahrern und Wohltätern, die vor-, und Politikern, die zurückrudern. Er ist beliebt, glänzt breit im Sonnenlicht, die Menschheit siedelt sich um ihn an und er ist ein Segen für alle jene, deren Kassen er spült. Der Reibach hingegen ein schwieriges Fahrwasser, er ist undurchsichtig, steinig und von Algen giftig grün gefärbt.
Am Geldfluss drängt sich das Leben, Menschen aller Couleur leben hier in friedlicher Eintracht zusammen. An den Ufern des Reibachs hingegen sind die Grundstückspreise so hoch, dass ein Domizil hier nur für finstere Millionäre zu finanzieren ist. Je länger sich der Geldfluss durch das Land zieht, desto mehr Reibäche zweigen sich zur Seite ab und desto mehr Wasser geht den Bach hinunter, bis der einst so majestätische Geldfluss, an seinem Ziel angekommen, nur noch ein mickriges Rinnsal ist, das keinen Menschen mehr ernähren und die unendliche Dürre nicht mehr abmindern kann. Traurig eigentlich.