Muttertag
Der Muttertag ist die jährlich auftretende Form von Fünf Minuten Ruhm, die weiblichen Erzeugern in regelmäßigen Abständen zuteil wird.
Prozedere
Noch zu Hause wohnende Kinder
Der Muttertag wird jedes Jahr am zweiten Sonntag des Monats Mai gefeiert, auch stets nach demselben Schema: Die Kinder, sofern man welche hat, kommen früh morgens ans Bett gehüpft und tragen Gedichte vor oder präsentieren der Mutter stolz irgendwelche Makkaronibilder, die sie zuvor im Kindergarten oder in der Schule unter Aufsicht der Erzieherinnen und Erzieher selbst zusammengeklebt hatten. Bestenfalls wird auch noch das Lieblingsessen der Mutter nach allen möglichen Kräften des Nachwuchses ans Bett gebracht - das beschränkt sich meist auf Toastbrot mit Marmelade, obwohl die werte Frau Mama als Lieblingsessen stets Cordon Bleu angibt, egal, zu welcher Tageszeit - und danach verweilt man noch einige Augenblicke bei ihr. Nach einem ausführlichen Dankeschön seitens der Mutter und einem geheuchelten "Oh, wie sieht das schön aus!" für das Makkaronibild, das eine Ritterszenerie darstellt, wo gerade jemand mit einer biologisch angebauten, ohne Ei hergestellten Spaghettinudel erstochen wird, verabschieden sich die Kinder und machen das, was sie jeden Sonntag normalerweise tun: Auf dem Sofa lümmeln und sich irgendein Marathonspecial auf Nickeloden reinziehen (der Marathon hat als Oberthema "Muttertag").
Für die Mutter ist das Besondere am Muttertag spätestens mit dem ersten Schritt, den sie aus dem Bett tut, beendet. Sie darf letztlich die Sauerei, die die Kinder gemacht haben, wieder wegräumen. Wer dabei denkt: "Och, bei Toast mit Marmelade kann ja nicht viel schiefgegangen sein", wird hier eines besseren belehrt. Im Nachhinein findet man auch zwölf Jahre später noch ein mittlerweile von Schimmel zersetztes Messer mit Marmeladeresten hinter den Schränken, wenn man die Küche renoviert. Aber was will man auch von kleinen Hosenscheißern verlangen? Immerhin haben sie sich nicht selbst abgestochen.
Der restliche Tag ist ein üblicher für die Mutter, sie darf den ganzen Haushalt schmeißen, die Wäsche machen, aufhängen, zusammenlegen, Essen kochen (nein, kein Cordon Bleu, denn das mögen die Kinder nicht) und die Kinder ins Bett bringen, denn nicht mal das können die Heranwachsenden am Muttertag alleine machen.
Kinder, die auswärts wohnen
Es gibt aber natürlich auch Kinder, die nicht mehr zu Hause wohnen, sondern längst auswärts. Solange das Kind in der Nähe der Eltern wohnt, stellt ein Besuch kein Problem dar: Anstatt dass das Kind zu Hause arbeitslos und faul ist und Bier nonstop trinkt, geht es zu den Eltern rüber und ist dort arbeitslos, faul und Bier saufend. Nur mit dem Unterschied, dass es dabei an die werte Frau Mama gedacht hat - ansonsten wäre es ja nicht mal rübergekommen. Von daher sollte die Mutter froh sein, dass das Kind an sie gedacht hat - wäre kein Muttertag gewesen, wäre das Kind ja auch nicht extra rübergekommen. Ein weiteres Geschenk sei nicht nötig, die Präsenz des Kindes sei immerhin schon Geschenk genug. Nicht ganz zu Unrecht werden Kinder ja auch als "Geschenk Gottes" bezeichnet und das sollte doch nach Ansicht der Ausgezogenen doch schon für mindestens zweihundert Muttertage hintereinander reichen. Gegen sechs Uhr abends verschwindet das Kind dann wieder mit einer kurzen Verabschiedung und trifft sich mit Freundinnen oder Freunden, um zur nächsten Disco zu gehen und dort irgendwen anzupöbeln. Muttis ganzer Stolz halt.
Schwiegerkinder
Spätestens, wenn das eigene Kind verheiratet ist, kommt noch hinzu, dass man ein Schwiegerkind hat, welches dann die Besuche des Kindes mit begleitet. Schon am Gesicht und an der inneren Angespanntheit, die sich durch starkes Zittern und erhöhtes Unwohlsein zeigen lassen, lässt sich erkennen, ob ein Schwiegerkind einen gerne besucht oder nicht. Da das Kind nicht leiblich ist, sondern in die Familie eingeheiratet ist und eine gute Beziehung zu den Schwiegereltern insbesondere über deren Tod hinaus in den meisten Fällen als äußerst sinnvoll erscheint, kommt man nicht mit leeren Händen an, sondern hat auch noch einen Blumenstrauß dabei, um die Sympathie besonders stark auszudrücken. Dabei gilt: Je bunter das Gestrüpp, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es der Schwiegermutter gefällt. Wenn sich die Pflanzen jedoch farblich der Raufasertapete angleichen, hat man sich nicht wirklich viel Mühe gegeben, einen Blumenstrauß beim Händler auszusuchen oder man hat eine Blume aus einem DIN-A4-Zettel gefaltet mitgebracht.
Mit einem permanenten Blick auf die Uhr weist das Schwiegerkind dann darauf hin, dass es eigentlich schon viel zu spät ist und dass man möglichst schnell nach Hause müsse. Meistens funktioniert dies auch, wenn man noch darauf hinweist, dass man eigentlich noch etwas zum Arbeiten hat ("Wie, jetzt noch Arbeit?" - "Jaja, du weißt ja, man muss immer fleißig sein, um in der heutigen Gesellschft vorne mit dabei zu sein."). Das klappt aber natürlich nicht, wenn man gerade arbeitssuchend ist ("Wie, schon nach Hause?" - "Ja, gleich kommt das Arbeitsamt und kontrolliert, ob ich auch fleißig Bewerbungen schreibe." - "Das will ich auch hoffen."). Wenn sich Schwiegereltern und Schwiegerkinder nicht mögen, geht das Ganze natürlich viel unkomplizierter ("Ihr wollt jetzt nach Hause? Ihr wart länger hier, als ich dachte.").
Analogien zum Vatertag
Anders als beim Vatertag bei Christi Himmelfahrt ziehen am Muttertag nicht wie wild irgendwelche Frauen mit Bollerwagen und Kästen Bier durch die Gegend und saufen sich die Hucke weg, bis sie nicht mehr wissen, wo eigentlich oben und unten ist. Entsprechend spielt es auch keine Rolle, ob die Frauen, die dann feiern würden, auch tatsächlich Mütter sind oder nicht - bekanntermaßen trinken sich die Männer ja auch bis zur Besinnungslosigkeit, obwohl sie nicht einmal einen kleinen Hosenscheißer korrekt wickeln können, ohne sich selbst nicht an der Windel zu strangulieren.
Allein schon deswegen ist auf Vatertagen eine höhere Polizeipräsenz als bei Muttertagen zu beobachten, es liegen keine kotzenden Frauen in irgendwelchen Büschen und am Tag danach sehen die Parks nicht so aus wie ein Paradies für Pfandflaschensammler.