Spiegelwelten:Die Aufzeichnungen des Chronisten/Wastelands
Dieser Artikel ist zwar im Namensraum Spiegelwelten zu finden, er spielt aber in der Orbis Alius. Was ist die Orbis Alius? • Was sind die Spiegelwelten? |
Kapitel 1
18. Oktober - Capital Wastelands, Über - 23:05 "In der tiefen Schwärze d. nächtlichen Wastelands kann man kaum die Hand vor Augen erkennen. Geschweige denn Notizen schreiben. Nur dank eines hastig errichteten Feuers - ironischerweise auf den Überresten eines alten Feueromnics - kann ich ein paar Zeilen kritzeln... Verdammt, ich hasse diesen Ort. Was mag hier vor so vielen Jahren geschehen sein, dass das so unwirtlich geworden ist? Man kommt sich vor, wie auf der Müllkippe eines Schrottplatzes - dort, wo das landet, was sogar Junkern und anderen Schrotthändlern zu erbärmlich ist. Entgegen der Meinung aus Überström ist hier nicht alles mit Giftstoffen verseucht. Nur stellenweise. Und man lernt, solche Stellen instinktiv zu meiden. Es geht so ein Todesmiasma von ihnen aus... " schrieb der Mann, der neben einem schwach flackerndem Lagerfeuer kauerte, in sein kleines Notizheft. Er saß eingesunken da, dennoch zeugte seine Haltung von einer gewissen Wachsamkeit. In den Wastelands ein lebensnotwendiges Verhalten. Er legte das Buch zur Seite, kramte eine mit einem roten Aufkleber versehene Dose aus seinem Rucksack und öffnete sie mit einigen geübten Handgriffen. Der rastende Wanderer teilte den Inhalt, abgekochtes Dosenfleisch, mit seinem Messer, verzehrte einen Teil und verzog missmutig das Gesicht über den faden Geschmack. Nachdem sein Hunger gestillt war, langte er wieder nach seinem Notizbuch. Gerade als er erneut zum Schreiben ansetzte, flammte ein Licht am Himmel auf. Der Wanderer riss den Kopf in die Höhe. Das Letzte, was er sah, war ein gewaltiger Feuerbrocken, der innerhalb eines Herzschlages zu Boden stürzte. Es gab ein ohrenbetäubendes Krachen. Die Druckwelle des Einschlags riss den Wanderer von den Füßen, löschte das jämmerliche Feuer und fegte Steine und Geröll über den rauhen Boden. So schnell, wie der alles verzehrende Sturm gekommen war, so schnell legte er sich auch wieder. Der Wanderer lag eine geraume Zeit reglos am Boden. Später, als sich der wie durch ein Wunder unverletzte regte, begann er auch gleich, lautstark zu fluchen. Er rappelte sich auf und schickte sich zur hastigen Flucht an, doch da erhaschte etwas seine Aufmerksamkeit. Mitten in der staubbedeckten Wüste befand sich nun ein kleiner Krater, umsäumt von glimmenden Brocken geschmolzenen Gesteins, die schwaches, trübes Licht spendeten. Doch am tiefsten Punkt des Kraters befand sich ein rötlich schimmerndes... Objekt.
Die Neugier des Wanderers siegte über seine Angst. Er wischte sich mit dem Handrücken den Staub vom zerschrammten, wettergegerbten Gesicht, zog eine Handfeuerwaffe hervor und näherte sich bedächtig jenem Gegenstand. Vorsichtig, die Waffe ängstlich auf den Kometen gerichtet, verringerte er die Distanz und kniete sich schließlich neben den Fremdkörper hin... Woraufhin dieser ihn von den Beinen riss. Der Wanderer schrie auf, als er hart auf dem trockenen Staubboden aufschlug. „Ohh, hast du dich etwa hingesetzt? tönte es von den Kometen. Eine gespielt sanfte Stimme mit einem fremdartigen Akzent. Der Wanderer besann sich, sprang zurück und richtete die Hände auf den Körper, die, sehr zu seiner Überraschung, keine Waffe mehr führten. „Suchst du die hier? Der Komet, der sich langsam aufrichtete, wedelte frech mit der Pistole umher. Der Wanderer schluckte und fragte mit zitternder Stimme: "Was bist du?" Der Komet sprang auf. Es zeichneten sich menschenähnliche Umrisse im Dämmerlicht ab, ehe er an den Wanderer herantrat. Sein Kopf verharrte wenige Zentimeter vor dem des Mannes. „Dein Untergang!" zischelte er mit heiserer Stimme, ehe er lautstark zu lachen begann. Der völlig perplexe Wanderer riss eine Gaslampe von seinem Gürtel, entzündete sie und richtete sie auf den Fremden. Vor ihm stand ein Mann, einpackt in einen engen, dunkelrot-schwarzen Kampfanzug. Seinen Kopf bedeckte eine Maske mit weißen, verspiegelten Sichtgläsern und er hatte zwei leere Schwertscheiden über den Rücken geschnallt. „Du, mein Lieber" sprach der Fremde in lockerem Ton „hast aber noch keinen Schönheitspreis gewonnen, oder?" Er schnaubte und sprach weiter. „Allzu gesprächig bist du ja auch nicht. Sowas." Das ärgerte den Wanderer. "Ich wurde beinahe von einem Himmelskörper getroffen und habe um ein Haar einen spitzen Stein beim Fallen verfehlt. Und da meckert ein transvestitischer Komet an meinem Aussehen herum?" Der Fremde zog einen Flunsch, soweit man das unter der Maske beurteilen konnte. „So gefällst du mir besser. Also, du fragtest, wer ich bin? Das sag ich dir, wenn du mir sagst, was meine Lieblingsspeise ist." Der Wanderer erwiderte: "Reicht mein Name?" „Ich denke schon." Der Wanderer, dem seine Verwirrung anzusehen war, entgegnete: "Nenn mich Chron... Chronist. Chronist ist gut. Und jetzt sag mir, wer und was du bist. Wie hast du diesen Sturz überlebt? Bist du ein Held?"
Das Maskierte schüttelte sich. „Sogar in einer ganz neuen Geschichte halten mich alle sofort für einen Helden. Ekelhaft. Wie ich diesen Sturz überstehen konnte? Mich kriegt man schwer klein. Und dem Autor hätte es nicht gefallen, mich als Fettfleck in dieser Pampa enden zu lassen. Wo wir gerade dabei sind." Er wandte sich ab und erhob die Stimme. „He, Schreiberling! Hackfresse, was soll der Mist? Ich bin es gewohnt, mich selbst sehen zu können. Keine Soft-Porno-Darstellungen mit langweiligen Wörtern ohne Zeugnisse meiner atemberaubenden Sexiness. Ändere das!"
Mitten in der Nacht machte sich eine Möwe, die friedlich auf der Insel der Zeit geschlafen hatte, wie von der Tarantel gestochen auf, in Richtung Südwesten zu fliegen. Sie erreichte die Wastelands kurz vor Morgengrauen, entleerte sich und zog von dannen. Ihre Ausscheidungen allerdings trafen einen maskierten Mann und kleckerten ein wenig auf einen verstörten, abseits stehenden Anderen. „Ich nehme das mal als >So bald es geht<" seufzte der Maskierte, der um ein gräuliches Toupet bereichert worden war. „Wie auch immer. Also, "Chronist". Was dagegen, wenn ich dich "Spaßbremse" nenne? Du lachst ja kaum. Erkläre mir mal, wonach du suchst. Ich helfe dir, sofern du mich irgendwohin bringst, wo ich mein Kostüm waschen kann. In diese Richtung geht's, richtig?" Der Maskierte stiefelte zielsicher aus dem Dämmerlicht des Kraters in Richtung aufgehende Sonne. "Erstens: Falsche Richtung. Dort hinten ist Wüste" - Maske rauschte am Wanderer vorbei - "Zweitens: Woher weißt du, dass ich auf der Suche bin?" Der Fremde, der inzwischen die andere Seite des Kraters erklomm, gab „Ich kenne Leute wie dich. Ihr sucht immer irgendwas. Koks, Nutten, Tragetaschen. Alles das Gleiche." zurück. Der Wanderer atmete tief aus, erhob sich und rief dem Maskierten hinterher: "Gut. Sag mir jetzt, wer du bist." Der Maskierte drehte den Kopf: „Ich bin Eine, den jeder kennt und liebt. Ich bin der coolste weit und breit! Mein Gemächt ist das größte Monument Deutschlands - In den USA hat mir jetzt so eine dämliche Mauer den Rang abgelaufen - Ich bin der Einzig wahre, unvergleichliche DEADP*OL! - Aber dank gewisser Markenrechte hat sich der Autor entschlossen, seinen ängstlichen Arsch nicht zu riskieren und mir einen neuen Namen verpasst. Ernsthaft, DeadpSternOl klingt scheiße, also nenne mich einfach Deathpool. Ok?"
"Aha" erwiderte der Chronist schlagfertig. "Ich packe jetzt meine Sachen und bin dann mal da drüben." „Sehr gut, dort bin ich auch gleich." "Alleine!" Der Chronist klang inzwischen leicht gereizt. „Allein? Prima. Ich komm' mit. Zu zweit ist's besser Alleinsein, wusstest du das?" rief Deathpool fröhlich. Der Chronist seufzte, suchte sein Notizbuch und entschied, dass er dringen Schlaf brauchte. Am besten weit weg von diesem Deathpool.
Kapitel 2
19. Oktober - Capital Wastelands, Über - 11:39
"Ich habe einen neuen Gefährten... gefunden. Er nennt sich selbst >>Deathpool<<. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, was ich mit ihm anfangen soll. Er begleitet mich gegen meinen Willen, aber los werden kann ich ihn auch nicht. Jedes mal, wenn ich versuche, mich davonzuschleichen, taucht er hinter der nächsten Ecke wieder auf! Seltsam. Wie dem auch sei; ich sollte mich nicht von meiner Mission abhalten lassen. Deathpool hat mich gebeten, ihn zu der nächsten Stadt zu bringen. Der Begriff "Stadt" ist für das, wohin wir gehen, etwas hochgegriffen. Siedlung #21 ist mein Ziel. Sie liegt im Nordwesten der Capital Wastelands, direkt unter einem eindrucksvollen Hügel namens "Tyŋ'morï". Wenn mich nicht alles täuscht, bedeutet das "göttlicher Haufen". Die Siedler leben unterirdisch, wie fast alles, was in den Wastelands ausharren muss. Der Grande der Siedlung, Jarve, ist mir wohlgesonnen. Schließlich habe ich ihm, als ich noch ein Held war, mehr als einmal den Allerwertesten gerettet. Mit etwas Glück stellt er uns Verpflegung zur Verfügung und kann mich über die Zeichnungen aufklären, die ich gefunden habe. Landschaftstechnisch gibt es nichts aufzuzeichnen. Nur ödes Geröll, ein paar widerspenstige Gestrüppe und kein Zeichen von Leben zu sehen." - Der Chronist klappte gerade sein Notizbuch zu, als ihn ein Stein an der Schläfe traf. Dumpfer Schmerz pochte auf, während er überrascht aufschrie. „Nur keinen Aufstand“ sprach Deathpool, der einen weiteren Stein in der Hand hielt. „Was schreibst du Bücherwurm eigentlich die ganze Zeit in das Heft, hm?“. Der Chronist rieb sich den Kopf und antwortete: "Sicher nichts, was es wert wäre, gesteinigt zu werden." Deathpool lachte schallend, und schmiss den nächsten Stein. „Das sieht Allah anders.“ Der Chronist fing den Stein. "Wer soll das sein?" – „Niemand.“ Deathpool kletterte zum Chronisten hinunter. „Wie weit ist es eigentlich noch? Ich habe mich immer noch nicht an meine Perücke gewohnt. Sie klebt.“ "Keine Sorge. Wir sollten innerhalb der nächsten 20 Minuten ankommen, sofern wir nicht einem Sandwurm oder einer Räubertruppe über den Weg laufen. Dann dauert es etwas länger." Deathpool schnaubte und trottete gehorsam hinter dem Chronisten her.
12:18
„Ok. Ich mag zwar nicht so gut im Zählen sein, aber zwanzig Minuten sind definitiv schon verstrichen. Hast du überhaupt einen Plan, wo wir hin marschieren?“ "Natürlich. Wir sollten jede Minute ankommen."
12:19
„Das dauert! Viel. Zu. LANGE!“
12:21
„ICH HALTE DAS NICHT MEHR AUUUS!!“ "Hält du endlich mal die Klappe?" „Autor, du dreckiges ***** ver****** M******. Ich HASSE warten! Mach, dass es aufhört. Plz!“ "Was ist eigentlich dein Problem?"
13:46
„Ich schwöre dir: Bevor ich hier zugrunde gehe, mache ich noch mit meinem Katana aus dir noch Schaschlik!.“
"Du weißt, dass deine Scheiden leer sind?" Deathpool fing prustend an zu kichern. Der Chronist, sichtlich entnerft, bliebt stehen und drehte sich zu seinem Gefährten um. "Was ist denn so lustig?" „Du hast "Scheide" gesagt.“ Der Chronist verdrehte die Augen, presste die Luft zwischen seinen Zähnen hervor und lief weiter. Deathpool nutzte den Moment um "Übrigens: Noch sind sie leer." zu rufen. Der Chronist machte zur Antwort nur eine
höchst unfeine Geste, die Deathpool, der sich wieder in Bewegung gesetzt hatte, sichtlich erfreute.
15:11
Deathpool hatte inzwischen aufgehört, sich zu beschweren, sondern latsche in Gedanken versunken hinter seinem, recht planlos wirkendem, Führer hinterher. "Da! Endlich, ich sehe den Fels!" rief der Chronist plötzlich. Euphorie erfasste die beiden, als sie ihre müden Beine zu Höchstleistungen antrieben. Sie legten die letzten hundert Meter zurück, ehe sie sie sich völlig erschöpft in den kühlende Schatten des Tyŋ'morï legten. Der Chronist öffnete seinen Rucksack, entnahm zwei Schüsseln und einen Becher und begann, eine über'sche Sofortmahlzeit zuzubereiten. Der neugierige Deathpool kommentiere das mit:„Ich habe noch nie so etwas ekelhaftes gesehen. Und glaube mir, mein Spiegelbild ist normalerweise der Rekordhalter in Sachen Ekelhaft.“ - Schweigend verzehrten sie das Mahl. Einige Zeit verging, ehe sich der Chronist aufsetzte und begann, den Felsen abzuklopfen. Er warnte Deathpool davor, das zu kommentieren und es dauerte nicht lange, bis er eine hohle Stelle gefunden hatte. Er griff in einen Felssspalt, legte etwas Geröll frei und rief in das darunter versteckte Loch einige Wörter. Prompt gab es ein gewaltiges Knirschen, als jahrealte Mechanismen in Gang kamen. Der sichtlich beeindruckte Deathpool sagte dazu: „Die Tür könnte man einen Tropfen Öl vertragen.“ "Beeindruckt dich den gar nichts?" „Nö, eigentlich nicht.“ Der Chronist widmete sich nicht länger seinem Gefährten, sondern beobachtete gespannt die versteckte Tür, wartete geduldig, dass der rötliche Stein preisgab, was er verborg. Was sich dahinter befand, überraschte sowohl Deathpool als auch den Chronisten, denn es war nicht sehr erfreut. >>Ihr sind hier nicht willkommen!<< tönte es heiser aus der Dunkelheit. Deathpool, der einige Schritte näher gekommen war, antwortete. „Schon klar. Wir sind der feinen Gesellschaft einiger verstrahlter Schrottsammler nicht würdig.“. Ein vielsagendes Klicken war die Antwort. >>Verschwindet, bevor wir Maßnahmen ergreifen.<< Der Chronist schickte sich an, die Situation zu entschärfen. Mutig trat er vor Deathpool und lehnte sich halb in Richtung dunkle Öffnung. "Bringt mich zu eurem Grande Jarve. Er kennt mich." >>Jarve? In diesem Fall haben wir eindeutige Befehle.<< Es trat eine kurze Pause ein, bevor die heisere Stimme in einem ruhigen, gar freundlichen Tonfall sagte: >>Tötet sie. Alle beide. Schnell und schmerzvoll.<<
Kapitel 3
19. Oktober – Capital Wastelands, Über. Siedlung #21 – Uhrzeit=?
"Nur die alten Kampfreflexe haben mich vor dem schlimmsten bewahrt. >>Tötet sie<<... Wie oft habe ich diese Worte schon gehört? Viel zu oft... Gewisse Reflexe gehen einem einfach in Fleisch und Blut über. Ich ließ mich sofort zu Boden fallen und ging mithilfe einer Rückwärtsrolle in Deckung. Deathpool hat es leider voll erwischt. Ich bin mir nicht sicher, welche Art von Bewaffnung die Wächter verwendet haben, aber es klang nach Schrotflinte. Sowie die ersten Schüsse fielen, kam plötzlich ein Gegenbefehl gerufen. Die Wächter, sie trugen übrigens alle S.M.G-Adquitanten-Rüstungen (Besorgniserregend) stürzten sich mit einer Effizienz auf mich, die stark an die Soldaten Übers erinnerte. Ich konnte zwei Schüsse mit meiner treuen Pistole abgeben. Leider verfehlte ich meine Angreifer und sie schlugen mich Ohnmächtig. Aufgewacht bin ich in einem verhältnismäßig geräumigen Käfig, bewacht von zwei Siedlern (keine Bewaffnung zu sehen), die sich auf Watch unterhalten. Sie denken wohl, ich verstünde dies nicht. Ein weiteres Indiz, dass diese Leute irgendwie mit dem Militär in Verbindung stehen. Ich mache mir Sorgen um Deathpool. Ich weiß nicht, ob er noch lebt, weiß nicht, wo er ist. Das macht mir wirklich zu schaffen, was seltsam ist. Habe ich schon Sympathien für diesen Psycho entwickelt? Hmm. Die Wachen beäugen mich misstrauisch, ich werde mal keine detaillierte Beschreibung meines Umfelds anfertigen, sondern Korrespondenz starten. Schließlich will ich wissen, was hier läuft."
Der Chronist klappte sein Notizbüchlein zu, steckte den Stift ein und wandte sich seinen Beobachtern zu. "Hey, ihr. Versteht ihr mich?" Ein Wächter, er trug einen beeindruckenden Schnurrbart zur Schau, raunte seinem Kameraden etwas auf Watch zu. Es waren keine schmeichelnden Worte. Der Chronist antwortete sogleich. "Ich verstehe sehr wohl, was ihr sagt. Und wenn du das wiederholst, werde ich dafür Sorge tragen, dass du diese Höhle niemals wieder verlassen wirst!"
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Der Wachmann spuckte auf den Chronisten. Der Andere, er trug ein graues Käppi über seinem kahlen, blassen Kopf, sprach auf normalen Teutonisch. "Ruhig Blut. Wenn wir dich töten wollten, hätten wir das schon längst getan." "Aaach ne, so klug bin ich auch schon." erwiderte der Chronist entnervt. Der Wachmann schwieg. "Was wollt ihr?" Der Bärtige zog mit einer geübten Bewegung ein Klappmesser aus... einem unbestimmten Teil seiner Lendengegend. Es war ein großes, angsteinflößend scharfes Messer, das sehr stark an einen Hybriden aus Machete und Hackebeil erinnerte. Der Barträger zeigte auf den Chronisten und sprach dann. Es bereitete ihm Mühe, sich in dieser Sprache auszudrücken. "Du.. Du kennst Jarve. Das ist nicht gut." Der Chronist verzog das Gesicht in Überraschung. "Warum nicht?" Der Bärtige öffnete den Mund, setzte zum Sprechen an, ließ es aber frustriert bleiben und wandte sich hilfesuchend an seinen wortgewandteren Kollegen. Käppi ließ sich nicht bitten und erklärte die Situation. "Jarve hat sich mit den falschen Leuten angelegt. Es kam beinahe zu einem Bürgerkrieg. Er befindet sich im Moment in Haft, morgen steht sein Prozess an. Angeblich hat er einen Hilferuf an die Außenwelt gesandt, was streng verboten ist. Dafür blüht ihm der Tod." Käppi brachte diese Worte komplett neutral hervor, der Bärtige aber feixte hämisch. Er war wohl kein Freund von Jarve. "Warum wollt ihr keinen Kontakt zur Außenwelt? Ich war schon einmal bei euch und erzählte nichts von euch, da ich darum gebeten wurde." Der Bärtige rang sich mit einer herkulischen Anstrengung einen geraden Satz ab. "Es ist nicht gut. Jarve... ist zu scharf." Er lachte über sein Wortspiel. Käppi betrachtete seinen Kollegen aus dem Augenwinkel. "Du, das klag gerade falsch." Der Bärtige verstand nicht, hörte allerdings auf zu lachen.
Der Chronist erhob sich, umfasste die Gitterstäbe seines Käfigs und legte sich seinen Bewachern entgegen. Die lichtspendende Kerze auf dem Tisch der Beiden flackerte. "Ich wusste nichts von alledem. Jarve ist ein guter Kerl. Ich respektiere eure Bräuche, aber das gibt euch nicht das Recht, Besucher anzugreifen. Schon gar keinen ehemaligen Soldaten Übers." Das beeindruckte die Kustoden. Der Bärtige ergriff nach einer Schweigeminute das Wort. Er presste seinen Satz zwischen den Zähnen hervor, seine Augen sprachen von Skepsis, Angst und Wut. "Was ist deine Ei-Die?" Der Chronist schwieg, schlug allerdings, wohl wissentlich um die Wirkung der Körpersprache, nicht die Augen nieder. Käppi ergänzte seinen Freund. "Ja, deine Identifikationsnummer. ID. Sag sie uns." Der Chronist bliebt seinem Vorsatz noch einige Sekunden lang treu, stieß schließlich heftig die Luft aus und zischte: "Null-Null-Eins-Zwei" hervor. Der Bärtige machte ein unanständiges Geräusch, während Käppi die Augen verdrehte. "Deine Kennzeichennummer, Trottel." Der Chronist funkelte seine Bewacher an. "CC". Diese erstaunlich ausdrucksstarken Worte resultierten in Stirnrunzeln seitens Käppis und Schnurrbarts. "CC... gibt es nicht." meinte der Bärtige misstrauisch. "Das ist richtig. Aber einst gab es diese Nummer. Ich muss es wissen. Ich war ein Held." Diese Behauptung ließ die Beiden, die sich fragend angesehen hatten, zusammenzucken. Sie blickten den Chronisten mit weit aufgerissenen Augen an, ihre Hände wanderten nervös in Richtung Messerscheiden. Käppi fasste sich schneller als sein Freund und machte den Mund auf. Der Chronist sollte nie erfahren, was er sagen wollte. Käppis Augen quollen plötzlich hervor, während es ein ekelhaftes Knirschen setzte. Er fiel wie ein Sandsack zu Boden, seine Kappe segelte in einem weiten Bogen von seinem blutigen Hinterkopf. "Sergej!" schrie der Bärtige. Er fuhr herum. "Teufel, wer..." "Nicht ganz richtig, aber vom Ansatz her nicht falsch." sprach eine vertraute Stimme. Des bärtigen Hand schoss mitsamt Messer auf Deathpool zu, der den Schlag mit Leichtigkeit parierte. Er schwang dabei einen Hammer, der aussah, als hätte er schon den ein oder anderen Holzkopf eingeschlagen. Der Bärtige gab nicht nach und setzte dem rotgewandten Fremdling heftig zu, bis dieser ihn mit der freien Hand ins Auge stach. Der Bärtige schrie auf, sein Schnurrbart zitterte gewaltig. Deathpool nutzte die Verwirrung seines Gegners und trat jenem voller Kraft in eine ausgesprochen ungünstige Stelle. Der Chronist sog scharf die Luft ein und überkreuzte instinktiv seine Beine. Waren Sergej vorher die Augen herausgequollen, so flogen die des Bärtigen gerade mittels Eildienst zu den RRA. "Uh, Nutshot. Meine Anteilnahme, Bruder." Deathpool wandte sich dem Chronisten zu. "Hey, gut dich zu sehen. Da steckst du also." Der Chronist sah seinen Retter schief an. "In einer Kammer, in einem Käfig, tief unter der Erde. Ja, da bin ich. Hilf mir mal." "Schon geschehen" grinste Deathpool. Er holte aus und ließ den Hammer mit aller Gewalt auf das eiserne Vorhängeschloss fahren. Es knackte, das Schloss beugte sich der Gewalt und der Chronist war frei. Deathpool half seinem Gefährten auf die Beine. "Sag mal, wie kommt es, dass du dich nicht selbst nicht befreit hast? Wenn du ja so ein fantastischer Held bist. Was issn deine Fähigkeit? Kannst du fliegen? Oder Netze schwingen? Oh, Netze schwingen wäre super. Ich kenn' da jemanden..." Der Chronist würgte seinen Befreier ab. "Ich habe keine Fähigkeiten, ich bin kein Held mehr. Anderes Thema, ok?" Deathpools Gesichtsausdruck blieb unverändert (Soweit man das unter der Maske interpretieren konnte), aber er ging dennoch nicht näher darauf ein. "Ich werde darauf noch zurückkommen, das interessiert mich. Während ich mir also meinen Weg durch diese Steinscheiße gedroschen habe, hast du ein Plauderstündchen gehalten. Effiziente Arbeitsteilung nenne ich das. Wirklich, das hätte man kaum Besser..." Der Chronist würgte ihn erneut ab. "Halt mal die Luft an. Wie konntest du mir eigentlich zu Hilfe kommen? Du wurdest doch vorhin getroffen... Dein Anzug ist sogar zerfetzt, aber du hast keine Wunden." Deathpool seufzte auf. "Aah, ich hasse es, das zu erklären. Pass auf, ich zeig's dir einfach, dann sollte dir alles klar sein." Er schnappte sich das Messer des Bärtigen, der immer noch bewusstlos am Boden lag, und rammte es sich in die Hand. Der Chronist keuchte erschrocken und überrascht auf. "Hast du den Verstand verloren? Scheiße! Ich bin kein Supporter, Mann." Er entwendete Deathpool mit einem geübten Griff das Messer aus der Hand und schickte sich an, ein Stück von seiner dreckigen Jacke abzuschneiden. Deathpool lachte. "Verstümmle nicht deinen wertvollsten Besitz, sondern schau her." Der Chronist schaute her. Vor seinen Augen begann sich die Wunde zu schließen und nach wenigen Sekunden zeugte nur noch das Blut auf dem Boden und der Schnitt im Handschuh von dem Aufenthalt des Messers. "Achso, du bist Schnellregenerativ. Warum sagst du das nicht gleich?" Deathpool blickte auf. Er wirkte perplex. "Normalerweise reagieren die Leute etwas anders...". Der Chronist steckte das Messer an den Platz, wo sein entwendetes Überlebensmesser stecken sollte, nahm die Kerze in die Hand und trat zum Ausgang. "Wir haben etwas zu erledigen, Deathpool. Wir müssen ein ernstes Wörtchen mit Jarve und den Leuten halten, mit denen er sich angelegt hatte." Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und begann, die steinerne Treppe zu erklimmen, mit der Kerze den dunklen, feuchten Gang erhellend. Deathpool warf den beiden ohnmächtigen Wachen einen mitleidigen Blick zu, streckte ihnen dann den Finger entgegen, kicherte und folgte seinem Kameraden aus der Zelle heraus.
Kapitel 4
19(?). Oktober – Capital Wastelands, Über. Siedlung #21 – Uhrzeit=?
"Deathpool hat mich aus meinem Käfig befreit. Ich hätte gar nicht gedacht, dass er in der Lage ist, auch mal etwas nützliches zu tun. Im Moment suchen wir nach einer Möglichkeit, unbemerkt zu Jarve zu gelangen. Ach ja, ehe ich es vergesse... Bestandsaufnahme: Unter der Erde ist es feucht, dunkel und kalt. Ende." – Der Chronist klappte sein Büchlein zu und drehte sich zu seinem roten Gefährten um. Dieser erwiderte den Blick, griff sich aber plötzlich an den Schädel.
"Was ist?" fragte der Chronist.
"Irgendetwas ist anders..." meinte Deathpool mit gedämpfter Stimme. Der Chronist sah ihn fragend an.
"Der Autor probiert eine andere Darstellungsform aus." Deathpool erhob die Stimme. "Nicht cool, Alter!". Des Chronisten Reaktion war sehenswert. Seine Gesicht wurde recht bleich, ehe er Deathpool mit erstaunlicher Schnelligkeit die Hand über die Maske legte.
"Bist du wohl leise, du Idiot!" zischte er. Deathpool zuckte ermattet mit den Achseln. Obwohl sich das ungleiche Duo auf dem Flachdach eines kleinen Steinhauses befand (unter der Erde muss man Niederschlag nicht fürchten), schienen die Wachen vor dem Eingang unter mittelschwerer Taubheit zu leiden. Der Chronist wandte sich ab und beobachtete vorsichtig die Wächter.
"Wie kommen wir da bloß rein..?" Er versank in Gedanken. Deathpool, dem nach ein paar Minuten das Warten leid war, stupste den Chronisten an. Er grinste.
"Ich glaube, ich habe eine Idee."
Jack stand, wie jeden Mittwoch, seine Wachschicht vor dem kleinsten Gefängnis der Welt ab. Er und sein Kollege Hugh hatten immer noch Ohrensausen von dem Geschrei ihres Vorgesetzten.
"Hugh! Jack! Mann, was soll der Mist! Ihr werdet noch an die Oberfläche geschickt, wenn ihr weiter versucht, die scheiß Holzrosen zu rauchen! Die sind nicht aus Hawaii!. Bis ihr das begreift, werdet ihr euch die Beine vor dem Gefängnis in den Bauch stehen!" Gelangweilt flippte er eine zwei-Agens-Münze in die Luft. Auf einmal vernahm er ein schleifendes Geräusch. Er drehte sich verwundert um, sah aber nichts, außer zwei Pappkartons mit der Aufschrift "MGS:IV" darauf. Verwundert wandte er sich zu seinem Kollegen um.
"He, Hugh." Dieser schaute auf.
"Hmm?"
"Schau mal, hast du diese Schachteln hier schon mal gesehen." Hugh seufzte, setzte sich in Bewegung und schaute in die Richtung, wo Jack hin wies.
"Welche Schachteln?" Jack fuhr herum. Seine Augen betrachteten einen leeren Aufgang zu einem Korridor. Nichts außer glatt gehobelten Sandstein war zu sehen.
"Was zum... Habe ich mir das gerade nur eingebildet?" Verwirrt und Kopfschüttelnd, der eine über den Anderen, der andere über seine Tablettendosis, kehrten die Wachen zu ihrem Platz zurück. Die Kartons, die sich Jack einbildete, waren tatsächlich sehr real und befanden sich auf geheimer Mission mit dem Ziel der Infiltration des Gefängnisses.
Der Chronist stand auf, als er sich unbeobachtet fühlte und befreite sich von dem Karton.
"Ich kann nicht glauben, dass das funktioniert hat." Deathpool, der sich ebenso erhoben hatte, kicherte.
"Das Originale Tarnwerkzeug. Immer wieder ein Knüller!" Der Chronist sah sich um. Der Eingang des Gefängnisses war ganz ähnlich verschlossen, wie es in einigen anderen Ländern Orbis üblich war. Mit einem dunkelroten Vorhang bedeckt, damit man ein maximales Komfortgefühl beim Verhör entwickeln kann. Die Wände waren glatt geschliffen, Fenster gab es keine. Licht spendeten nur zwei Fackeln, die schon komplett schwarz verkohlt waren, aber trotzdem noch brannten. Das Gefängnis war nur spärliche zehn Quadratmeter groß und der Insasse schlief, in leicht zerknautscht wirkender Haltung, auf kümmerlichen zwei Quadratmetern. Mit Ausnahme der Gitterstäbe, die den Gefangenen von der Außenwelt (soweit man unterirdisch von einer Außenwelt sprechen konnte) abschnitten, gab es keinerlei Einrichtung. Nach einigen Momenten des betroffenen Schweigens stieß der Chronist ihn sanft mit dem Fuß durch die Stäbe hindurch an. Der Getretene erwachte sofort, seine Augen wanderten wild umher.
"Lasst mich in Ruhe!" Das Flüstern war so leise, dass man es nur mit einem Megaphon auf halbwegs adäquate Gesprächslautstärke bringen könnte.
"Jarve? Bist du es?" Der Chronist kniete sich neben den schwachen Gefangenen hin.
"Das ist mein Name." Langsam kehrte etwas Kraft in die Stimme zurück. "Wasser, bitte." Der Chronist besah Deathpool. Der erwiderte dies mit einem Blick voller Anteilnahme und Verständnis. Dann schüttelte er langsam den Kopf. Der Chronist schaffte es, gleichzeitig zu seufzen, fluchen und aufzustehen. Er langte in seinen Rucksack, holte seine Wasserfalsche hervor und gab sie Jarve. Dieser leerte sie mit zwei Schlücken. Deathpool kommentierte dies.
"Nicht schlecht. Das waren sicher drei Liter. Ich will nicht danebenstehen, wenn das wieder rauskommt." Der Chronist überhörte die Provokation und versuchte erneut, ein Gespräch mit dem Gefangenen zu beginnen. Jarve richtete sich langsam auf. Er fuhr sich mit seiner vernarbten Hand über das fahle Gesicht. Sogar die große Hakennase, die Jarve einst so stolz und hoch durch die Gegend getragen hatte, wirkte kümmerlich. Aber seine braunen Augen funkelten mit dem alten Feuer, obgleich es sehr geschwächt war.
"Du bist es." Der Chronist unterbrach ihn.
"Ja Jarve. Ich nenne mich nun Chronist, aber ich bin noch der Selbe. Was ist mit dir geschehen?" Jarve hustete.
"Siehst du doch. Ich bin eingesperrt." Der Chronist verdrehte die Augen.
"Warum sind eigentlich alle... Egal. Weshalb bist du eingesperrt?" Jarve grinste.
"Schon klar. Ich habe versucht, Kontakt mit der Außenwelt zu erreichen. Genauer gesagt, ich habe versucht, dich zu erreichen."
Ein kurzes Schweigen entstand. Deathpool, der nicht genug Bezug zu seiner Person sah, erwiderte: "Wow, du musst dann ja echt verzweifelt sein." Der Chronist blieb immer noch ruhig.
"Was ist passiert, Jarve?" Ein erneutes Husten des Angesprochenen.
"Ist dir irgendetwas aufgefallen, seitdem du uns verlassen hast?" Der Chronist zog einen Flunsch.
"Naja, ihr habt Zuwachs bekommen. Welcher recht militärisch wirkt." Jarve nickte.
"Das hast du richtig beobachtet. Ich weiß nicht, wo sie her sind. Sie tauchten einfach eines Tages vor dem Tyŋ'morï
auf und begehrten Einlass. Das konnte ich ihnen als Grande schwer verweigern." Er wurde von einem Hustenanfall geschüttelt. Deathpool vergrößerte den Abstand zwischen sich und Jarve.
"Ihh, behalt' deinen Tripper bei dir!". Der Chronist ballte die Hand zur Faust und bemühte sich sichtlich um Fassung.
"Deathpool, könntest du so freundlich sein, und die Wachen vor dem Eingang ausschalten?"
"Klaro". Deathpool trollte sich nach draußen. Der Chronist ignorierte die überraschten Ausrufe sowie den leisen Kampflärm und wandte sich wieder Jarve zu. Dieser hatte geduldig gewartet und setzte seine Erzählung fort, wenngleich er sich seine grüne Jacke, das Zeichen eines Grandes, als Kopfkissen bereitete.
"Diese Leute... Sie gaben sich als desertierte Soldaten aus. Vielleicht hast du ja schon die Gerüchte von den vielen Soldaten gehört, die abgehauen sein sollen?" Der Chronist nickte.
"Tja. Sie sind erfunden. Ich weiß nicht, wer sie in die Welt gesetzt hat, auf jeden Fall stimmen sie nicht. Sie haben allerdings den Fremdlingen eine Aufnahme in unsere Siedlung ermöglicht." Dem Chronisten lief es eiskalt über den Rücken.
"Was willst du damit sagen?"
"Es sind keine Bewohner Übers, mein Freund. Ich weiß nicht, woher sie kommen, aber sie sind auf jeden Fall nicht aus Über. Sie sprechen zwar rudimentäres Watch, kennen die grundlegenden Höflichkeits,- und Umgangsformen unseres Volkes, aber sind dennoch anders." Jarve legte sich auf den Rücken, er atmete schwer.
"Sie sprechen sogar eine eigene Sprache. Und solange das kein neuer Gossenslang aus Hanamura ist, glaube ich nicht, dass der aus Über stammt." Der Chronist wusste nicht, wie er darauf reagieren sollte.
"Ich weiß, das ist etwas viel. Du weißt sicher nicht, wie du darauf reagieren sollst."
"Vto'ŋor
" dachte der Chronist bei sich, was auf Deutsch so viel wie "WTF" bedeutet. "Eins weiß ich aber. Ich hole dich hier raus!" Jarve winkte ab.
"Nein."
"Wie Nein? Tickst du noch ganz richtig? Du erzählst mir von Fremden, die sich durch gezielte Desinformation bei uns eingeschlichen haben, ich will dich von denen wegbringen und du antwortest >>Nein<<?" Jarve lächelte.
"Ja"
"Ok, jetzt wird es lächerlich."
Jarve bedachte den Chronist mit einem einfühlsamen Blick. "Ich bin der Grande dieses Siedlung. Wie du weißt, leben hier entflohene Verbrecher, tatsächlich desertierte Soldaten, Ausgestoßene und Justizopfer. Viele wollen nicht in die "Zivilisation" zurück, die meisten können es gar nicht. Die Regierung darf nichts von unserer Existenz erfahren. Deswegen ist es einem Siedler verboten, Kontakt zur Außenwelt aufzunehmen. Und mein Versuch, dich per WhatsUp zu kontaktieren, stellt einen einschneidenden Regelbruch dar." Der Chronist rieb sich das Gesicht.
"Das heißt, du willst lieber sterben als in Freiheit leben?"
"Nein. Ich bin ja nicht total verblödet. Ich habe einige Jahre Rechtswesen im Internet studiert. Da du eine Vertrauensperson der Siedlung #21 bist, können die mir gar nichts. Wirklich, vertraue mir. Gehe jetzt." Der Chronist erhob sich voller Zweifel.
"Ich vertraue dir. Manchmal ist es das Beste, nichts zu unternehmen. Ich wünsche dir viel Erfolg, mein Freund. Atsh'vr, Ƒrikaî meî
." Jarve grinste und sah seinem Freund hinterher, wie er sich anschickte, das Gefängnis zu verlassen. Der Chronist steckte noch einmal den Kopf zwischen den Vorhängen durch, seine Haare luden sich dabei statisch auf.
"Wo hast du eigentlich >>Rechtswesen im Internet<< studiert?"
"Lägathenien". Der Chronist schluckte schwer, seine kurzen Haare standen plötzlich in alle Richtungen ab.
"Viel Glück. Du wirst es brauchen." Mit diesen Worten verließ er endgültig den Raum.
Kapitel 5
21. Oktober - Capital Wastelands, Über - 08:36
"Wir haben uns eine alte, aber überraschenderweise noch funktionierende Sandraupe besorgt. Hin und wieder frage ich mich, was mir alle die Jahre Militärtraining eigentlich gebracht haben - in einem Moment, wie in dem, als ich die Sandraupe geknackt habe, da bin ich verdammt froh darüber. Unser Ziel ist das Bergland. Ich fahre. Deathpool lag mir ein paar Stunden lang in den Ohren "Oh, bitte! Ich kann das! Lass mich mal fahren, ich habe schon seit einer Ewigkeiten nicht mehr hinter einem Steuer gesessen." Irgendwann hatte er mich weichgekocht... Tja, auch eine über'sche Spezialausbildung bietet keinen Schutz gegen Deathpool am Steuer. Ich will nicht zu viel verraten, aber ich bin erstaunt, dass die Sandraupe noch an einem Stück ist. In zwei Stunden sollten wir die Grenze ins Bergland überschreiten, worauf ich mich schon freue. Erstens entkomme ich dadurch der Hintergrundstrahlung und zweitens ist mein Gefährte dann Guano-frei.
Der Chronist legte sein Notizbüchlein zur Seite und bedachte Deathpool, der gerade das Lagerfeuer löschte, mit einem besorgten Blick. Entgegen aller negativer Erwartungen war Deathpool für die Dauer der letzten beiden Tage erstaunlich ruhig geblieben und auch das Feuer löschte er ohne absonderliche Vorkommnisse.
"Warum bist du eigentlich so höflich und zuvorkommend, seitdem wir die Siedlung verlassen haben?"
Deathpool wandte sich um und bemühte sich, den Kopf in eine schüchterne Pose zu legen.
"Och weißt du, ich wollte eigentlich fragen, ob ich nicht noch einen Versuch..."
"Vergiss es. Du fasst die Sandraupe nicht an."
Deathpool gab nicht auf. "Ich versichere dir, dass ich das schaffe. Das Ding sieht nicht nur aus wie ein Schneemobil, es fährt sich auch wie eins."
Der Chronist zog die Augenbrauen hoch. "Ich weiß ja nicht, wie bei euch ein Schneemobil aussieht, aber bei uns sind die wesentlich kompakter als Sandraupen."
"Ist das jetzt ein verstecktes Ja? Das hat sich nämlich für mich ganz stark nach einem versteckten Ja angehört. Ich bin diplomiert darin, solche Zusagen zu finden."
"Was? Nein. Du steuerst keine Zivilfahrzeuge mehr, solange ich dabei bin."
Deathpool machte eine unanständige Geste, begann dann zu lachen und zog etwas aus einer Gürteltasche hervor. Das Ding sah sehr verdächtig nach einem Schlüssel aus. Der Chronist wurde bleich. "Das wagst du nicht..."
Deathpools Maske spannte sich durch sein Grinsen. "Na, dann kennst du mich aber schlecht."
Der Chronist sprang auf und sprintete Deathpool hinterher, aber es war zu spät. Der rote Chaot hatte sich schon auf das Gefährt geschwungen und befand sich, in Schlangenlinien fahrend, auf der Flucht.
Cvka! Ba'ctaír!
fluchte der Chronist, doch es half nichts. Er stand alleine und verlassen in der Wüste, seines Fahrzeugs beraubt und mit immer geringer werdenden Vorräten. Eine hoffnungslos erscheine Situation, nicht?
Doch der Chronist wäre nicht da, wo er jetzt ist (einsam und alleine ohne Sandraupe in einer verstrahlten Wüste) wenn er nicht er selbst wäre. Er wird bestimmt eine Lösung für dieses Problem finden. Doch wie er in das Bergland kommt, was mit Deathpool geschieht, warum so wenig Inhalt in der ersten Aufzeichnung des Chronisten ist, wer die geheimnisvollen Leute der Siedlung #21 sind und ob Deathpool seine Maske endlich zu reinigen vermag, das erfährt man in einer anderen Aufzeichnung...
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