Unsichtbarenheim

Ein Unsichtbarenheim ist ein staatlich anerkanntes Pflegeheim für Menschen, die – aufgrund eines Quantenunfalls, einer Kriegsverletzung oder angeborener Unterbelichtung – in der Unsichtbarkeit verhaftet sind. Aus pragmatischen Gründen einerseits und Pietät gegenüber den Insassen andererseits ist es heute üblich, dass Unsichtbarenheime mitsamt Personal ebenfalls unsichtbar sind.

Gruppenfoto im Unsichtbarenheim Berlin: kein Anflug von Sorgen mehr zu sehen!

Pflegeanspruch von Unsichtbaren

Nicht nur sind Unsichtbare mit gesunden Augen nicht auszumachen, sondern umgekehrt sind unsichtbare Augen ihrerseits gänzlich unbrauchbar. Der Grund liegt auf der Hand: eine unsichtbare, das heißt vollständig lichtdurchlässige Netzhaut ist nicht dazu geeignet, Licht einzufangen und dem Gehirn zu übermitteln. Man spricht auch von „erweiterter Blindheit“. Unsichtbare fristen ein Leben in ewiger Finsternis und Desorientierung und bedürfen daher professioneller Betreuung.

Ursprung der Unsichtbarenbetreuung

Infrarotbild: der Zweite von links ist nicht nur unsichtbar, sondern auch uneinsichtig, sonst würde er keine Brille tragen!

Unsichtbare sind die Schwächsten der Gesellschaft. Lange Zeit wurden sie vollkommen ignoriert und führten ein Leben in Armut und Ausgrenzung. Unerkannt und hilflos stolperten sie jahrhundertelang durch fremde Wohnungen auf der Suche nach Essbarem und vielleicht einer Spur menschlicher Nähe; doch wurde ihr Eindringen bemerkt, sei es durch unerklärliche Verschiebungen des Fernsehsessels oder die Lautstärke – in ihrer Verzweiflung neigten Unsichtbare zu Alkoholismus und Tobsuchtsanfällen – verortete man sie stets im Reich des Aberglaubens, der Hexerei, hielt sie für Poltergeister oder Voodoo-Zauber.

Bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein verschloss die Öffentlichkeit die Augen vor dem wachsenden Problem der unsichtbaren Minderheit. Zwar wurde man sich schon während der Aufklärung darüber klar, dass es Voodoo und Poltergeist nicht geben dürfte und dass es eine rationale Erklärung dafür geben sollte, gefunden wurde diese aber erst im Zuge der Industrialisierung. Mit der Erfindung des Sonars im Jahre 1915 wurde es dann endlich möglich, Unsichtbare zu orten und der Wissenschaft zugänglich zu machen.

Behandlungsmöglichkeiten

Bis heute ist keine echte Heilungsmöglichkeit für die Unsichtbarkeit bekannt. Es existiert eine Therapie, die allerdings nur temporär wirkt und von Betroffenen wie Behandelnden vielfach als unbefriedigend angesehen wird. Sie basiert auf Aktivkohle und ist landläufig als „Rußkur“ bekannt: der Unsichtbare wird gründlich eingeölt und anschließend sorgfältig in Kohlestaub gewendet, woraufhin er sichtbar wird. Dabei wird natürlich einerseits das Problem der Blindheit nicht gelöst und andererseits wird der Unsichtbare zu einem Schwarzen, was seine Chancen auf ein diskriminierungsfreies Leben nicht unbedingt verbessert. Umgekehrte Versuche, Schwarze mittels transparenter Farbe in Unsichtbare zu verwandeln, schlugen bisher fehl.

Unsichtbarenhund. Bestens zu erkennen: Halter und Leine sind unsichtbar.

Unsichtbare sind im Straßenverkehr ganz offensichtlich noch deutlich stärker gefährdet als Blinde. Als probateste Lösung wird heute vielfach der Einsatz von Unsichtbarenhunden angesehen, speziell trainierten Tieren, die dem Unsichtbaren einerseits wertvolle Hilfe bei der Orientierung leisten und andererseits sehende Menschen auf den Patienten aufmerksam machen. Infolge gut organisierter Aufklärungsarbeit werden Unsichtbarenhunde heute zumeist als solche erkannt, wenngleich es immer noch zu Missverständnissen kommt. Das Bundeshundefängereiamt rät: „Wird in der Öffentlichkeit ein Hund ohne sichtbaren Halter und ohne sichtbare Leine gesichtet, ist er zunächst auf Deutsch und Englisch höflich anzusprechen. Wenn dann aus ungefährer Richtung des Hundes eine menschliche Antwort ertönt, handelt es sich um einen Unsichtbarenhund. Erst wenn keine Antwort kommt, darf von einem verdammten Straßenköter ausgegangen werden.“ Allerdings antworten nicht alle Unsichtbaren, wenn ihr Hund angesprochen wird. Vielen ist ihre Behinderung peinlich und sie versuchen, ihr Leiden zu verbergen. Insbesondere im Falle taubstummer Unsichtbarer spricht nichts mehr gegen Euthanasie.

Im Unsichtbarenheim selbst werden nicht vorrangig Mittel gegen die Unsichtbarkeit gesucht, sondern es wird Hilfe dabei geboten, besser mit der eigenen Unsichtbarkeit leben zu lernen. Neben psychologischer Einzelbetreuung wird vor allem versucht, einen möglichst sorgenfreien Alltag als Gemeinschaft aufzubauen. Es hat sich vielfach gezeigt, dass Unsichtbare unter ihresgleichen ihre Unsichtbarkeit kaum mehr als Belastung empfinden, sondern ein zunehmend „normales“ Leben mit nur vier Sinnen führen. Während sichtbare Blinde im Bewusstsein leben müssen, selbst gesehen zu werden, können Unsichtbare diesen Gesichtspunkt gänzlich ausblenden. Hierfür ist es jedoch unabdingbar, dass auch wirklich alle Insassen ebenso wie die Betreuenden und die Einrichtung selbst unsichtbar sind, da sonst kein authentischer Verzicht auf den Gesichtssinn möglich ist.

Eine Delfintherapie bietet sich zwar an, da Delfine über natürliches Echolot verfügen und somit bestens mit Unsichtbaren zurechtkommen – aber was haben die Unsichtbaren davon?

Unsichtbarkeit als Chance

Die Erkenntnis der Unsichtbarkeit als Chance in Leben und Beruf ist der Schlüssel zum Erfolg. Der Patient muss sich nicht nur mit seiner Schwäche abfinden, sondern sie als Teil seiner Persönlichkeit akzeptieren und lernen, sie im richtigen Moment als Stärke auszuspielen. Das moderne Unsichtbarenheim stellt zu diesem Zweck ein breites Weiterbildungsangebot zur Verfügung.

Neben einer völlig ungestörten Karriere in der Kriminalität bieten sich vor allem Berufe an, die ein hohes Maß an Diskretion erfordern. Als klassischstes Beispiel ist hier zuallererst der Beruf des Geheimagenten zu nennen, wobei allerdings zumindest bei der Spionage das Problem des fehlenden Gesichtssinns noch gelöst werden muss. Mit Hilfe moderner Technik ist es jedoch möglich, den Unsichtbaren mit Kameras auszustatten, die die Umgebung auswerten und per Mikroprozessor in akustische Informationen umwandeln: „grün lackierte Holztür voraus, kräftig gebauter Türsteher (schwarz). Flackerndes Neonlicht, geschmackloses Dekor. Wirklich grässliche Einrichtung eigentlich, die Blumen sind offenbar schon lange nicht mehr gegossen worden, die Gardinen könnte man auch mal waschen oder gleich neue kaufen. Hier muss dringend aufgeräumt werden, jawohl...

Aber auch weniger exotische Berufe können von Unsichtbaren mit großem Erfolg ausgeübt werden. Besonders typische Beispiele liefert ausgerechnet die Fernsehbranche, die mit Hilfe von Unsichtbaren nie wieder vor dem Problem steht, am unteren Bildrand herumkrabbelnde Wasserträger und Kabelbinder ertragen zu müssen. Auch im Kundenservice werden zunehmend Unsichtbare eingestellt.

Manche Soziologen und Zukunftsexperten sind sogar der Auffassung, dass in ferner Zukunft alle Menschen unsichtbar sein werden, da die Unsichtbarkeit die einzige Hautfarbe sei, die auch langfristig keinerlei Grundlage für Diskriminierung biete. Aufgabe der heutigen Generation sei es nur noch, die Weichen für eine vollkommen unsichtbare Zukunft zu stellen.

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