Das Café Museum ist ein Kaffeehaus in der Operngasse 7 im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt, das am 19. April 1899 eröffnet und rasch zu einem Treffpunkt der Wiener Künstler wurde. Die ursprüngliche Innenausstattung gestaltete Adolf Loos.

Geschichte

Architekt

Das Eckgebäude Friedrichstraße/Operngasse wurde 1872 nach Plänen des Architekten Otto Thienemann erbaut. Max Fabiani, Architekt der Urania, hatte vom Besitzer des Kaffeehauses den Auftrag erhalten, ein neues Lokal im Haus Ecke Friedrichstraße/Operngasse einzurichten. Fabiani aber überzeugte den Kaffeehausbesitzer in selbstloser Weise davon, dass der junge und bis dahin fast ausschließlich als Kunstkritiker tätige Adolf Loos diese Aufgabe am besten erfüllen könne. Fabiani hatte damit dem Architekten Adolf Loos dessen ersten bedeutenden Auftrag vermittelt: die Einrichtung des Café Museum.

Konzept und Ausstattung

Adolf Loos vertrat die Auffassung, dass ein Architekt sich auf das Funktionale zu beschränken habe und künstlerische Gestaltungsversuche an Gebrauchsgegenständen unangemessen seien. Er gestaltete daher das Café Museum betont schlicht, was zur Zeit seiner Eröffnung als revolutionär galt. Er benötigte für seine Café-Ausstattung, mit der er sich an den Kaffeehäusern des Biedermeiers orientierte, glatte Wände, Messingleisten, Marmortische mit Holzfüßen, Bugholz- und Korbstühle, Glühlampenfassungen an Stromdrähten mit Glühlampen (ohne Lampenschirme), Röhren, die sowohl als Gasleitungen als auch als Kleiderstangen genutzt wurden, Spiegel zur Raumvergrößerung sowie gerahmte Drucke des amerikanischen Künstlers Charles Dana Gibson für das sogenannte „Gibson-Zimmer“. Mit der Einrichtung des „Gibson-Zimmers“ im Café Museum stellte Loos nachdrücklich seine Vorliebe für Amerika unter Beweis. Wenige Jahre später erneuerte er den Beweis für dieses Faible mit der Ausstattung der „American Bar“ im Kärntner Durchgang im 1. Wiener Gemeindebezirk Innere Stadt.

Mit Marmortisch und Bugholzstuhl propagierte Adolf Loos im letzten Jahr des 19. Jahrhunderts die klassischen Einrichtungsgegenstände für die Kaffeehäuser des 20. Jahrhunderts. Aber nicht nur für Kaffeehäuser diente das „Café Museum“ als verbindliches Vorbild, sondern für sämtliche moderne Inneneinrichtungen der nachfolgenden Epochen. So hatte die Verwendung der geraden, ungedrechselten Billardtischbeine, die sich ihrerseits wieder an den Billardtischbeinen des Biedermeiers orientierten, nachhaltige Wirkung auf die Klavierflügelbeine, die von da an geradlinig und ungedrechselt gestaltet wurden.

Das Spielzimmer im Café Museum wurde von Richard Seifert arrangiert. Dessen Gesamtausführung hatte die Hofbillardfabrik Heinrich Seifert & Söhne übernommen.

Namensgebung

Ludwig Frisch, der erste Cafétier des „Café Museum“, betrieb zuvor ein „Café zum Museum“ in der Babenbergerstraße 5 hinter dem Kunsthistorischen Museum und übertrug den alten Namen etwas vereinfacht auf sein am 19. April 1899 eröffnete neues Lokal in der Friedrichstraße. In der Nähe des neuen Lokals befand sich nun kein Museum mit alten Kunstwerken mehr, sondern ganz im Gegenteil: Nicht weit davon hatte sich die damals modernste und provokanteste Ausstellungshalle Wiens etabliert: die Wiener Secession.

Spitzname

Schon bald nach Eröffnung des Lokals im Frühjahr 1899 entdeckten die Künstler des am 12. November des Vorjahres eröffneten Secessionsgebäudes das Café Museum als ihren Treffpunkt. Binnen kurzem wurde das Café deshalb etwas ungerechtfertigt abwertend „Secessionisten-Tschecherl“ genannt. Es entstand somit gewissermaßen ein Treppenwitz der Kunst- und Kulturgeschichte: Ein erklärter Gegner der Secessionisten, Adolf Loos, hatte deren Lieblingslokal eingerichtet.

Stammgäste

Zu den Stammgästen des Cafés zählten im frühen 20. Jahrhundert unter anderem Peter Altenberg, Alban Berg, Hermann Broch, Elias Canetti, Gustav Klimt, Oskar Kokoschka, Karl Kraus, Franz Lehár, Adolf Loos, Robert Musil, Joseph Maria Olbrich, Leo Perutz, Joseph Roth, Roda Roda, Egon Schiele, Georg Trakl, Otto Wagner und Franz Werfel. Später waren auch die Schriftsteller Elfriede Gerstl, Albert Paris Gütersloh, Ernst Jandl, Elfriede Jelinek und Friederike Mayröcker sowie der Cartoonist Manfred Deix Stammgäste.

Umgestaltungen

Der aus Tirol stammende Innenraumarchitekt und Chefdesigner der „Prag Rudniker Korbwaren-Fabrikation“ Josef Zotti, Schüler des Architekten Josef-Hoffmann, erhielt 1914 den Auftrag, eine Korbbalustrade um die Straßensitzplätze des Café Museum in der Friedrichstraße zu entwerfen. 1930 bis 1931 gestaltete er das Café tiefgreifend um. Er installierte halbrunde Sitzlogen aus rotem Kunstleder entlang der Wände und kreierte so einen gemütlichen Wohnzimmercharakter, was im Kontrast zum bisher kühl wirkenden Innenraum stand. Ein Extrazimmer mit großem Spiegel, welches nicht mit Bänken, sondern lediglich mit Stühlen und Tischen ausgestattet war, fungierte bis in die 1990er Jahre als Anziehungspunkt für lokale und internationale Schachspieler.

Im Jahr 2003 wurde das Café Museum in Anlehnung an die ursprüngliche Loos-Gestaltung umgebaut. Teile der originalen Zotti-Einrichtung wurden im Zuge des Umbaus ins Möbelmuseum Wien übernommen. Die Loos-Rekonstruktion wurde allerdings einerseits wegen der fehlenden Authentizität, andererseits aufgrund der weniger gemütlichen Bestuhlung kritisiert. Betreffend die Umgestaltung im Jahr 2003 mit Implementierung des wiederhergestellten Loos-Mobiliars (und die damit einhergegangene Teuerung) vermerkte der Wiener-Zeitung-Feuilletonist Johann Werfring rückblickend im Jahr 2012: „Aus dem Café Museum am Karlsplatz (...) hat man im Jahr 2003 gemeinsam mit dem Zotti-Mobiliar aus den 1930er Jahren auch die studentische und (lebens)künstlerische Kundschaft hinauskomplimentiert.“ Den Schachspielern stand nach dem Umbau kein Platz mehr zur Verfügung. Ende 2009 wurde das Café Museum geschlossen.

Nachdem schließlich der Wiener Gastronom Berndt Querfeld das Kaffeehaus übernommen hatte, wurde es erneut umgebaut. Da man den Nachbau der Loos-Einrichtung als missglückt empfunden hatte, orientierte sich Architekt Hans Peter Schwarz bei der Umgestaltung wiederum an Josef Zotti: Bei den gepolsterten halbrunden Bänken handelt es sich um Rekonstruktionen, die indes nicht wie im Original-Zotti-Design mit rotem Kunstleder, sondern mit roten Samtbezügen ausgestattet sind. In Anlehnung an das originale Zotti-Interieur wurden auch rekonstruierte Metallkugel-Lampen aus Chrom-Nickelstahl, in denen sich die Innenräume des Kaffeehauses spiegeln, installiert. Die Lichtquellen der Lampen befinden sich in den Kugeln, die nach oben hin offen sind. Durch die an der Decke angebrachten Halbkugeln wird das Licht in die Räume reflektiert. Am 18. Oktober 2010 wurde das Café Museum nach erfolgter Umgestaltung von Querfeld wiedereröffnet. Bei der Wiedereröffnung kündigten die neuen Besitzer an, dass im Café Museum wieder an die alte Schachtradition angeknüpft werden solle, was aber letztlich nicht umgesetzt wurde. Heute finden im Café Museum 207 Gäste Platz.

Kaffeehaus-Lesungen

Seit Oktober 2011 finden im Café Museum regelmäßig Kaffeehaus-Lesungen statt. Zu den Schriftstellern, die seither im Café Lesungen gehalten haben, zählen unter anderen Daniel Glattauer, Christine Nöstlinger, Franzobel, Lisa Lercher, Armin Thurnher, Susanne Scholl, Gerhard Loibelsberger und Elfriede Hammerl.

Literatur

  • Peter Altenberg: Zwei anglo-saxonische Künstler. In: „Wiener Allgemeine Zeitung“, Wien, 1. Jänner 1899, S. 4.
  • Anonym: Das neue Café Museum. In: „Neues Wiener Journal“, Wien, 19. April 1899, S. 5.
  • Ludwig Hevesi, Kunst auf der Straße. In: „Fremdenblatt“, Wien, 30. Mai 1899, S. 13 f.
  • Ludwig Hevesi, Moderne Kaffeehäuser. In: „Kunst und Kunsthandwerk“, 2. Jg., Wien 1899, S. 196 ff.
  • Heinrich Kulka, Adolf Loos. Das Werk des Architekten, Wien 1931, S. 27 f., Abb. 7 u. 8.
  • Burkhardt Rukschcio und Roland Schachel: Adolf Loos: Leben und Werk, Salzburg 1982.
  • Elias Canetti: Das Augenspiel. Lebensgeschichte 1931–1937, München und Wien 1985, S. 123–126 („Schweigen im Café Museum“).
  • Roberto Festi: Josef Zotti architetto e designer 1882–1953, Katalog der Ausstellung in Trento, Palazzo delle Albere (18. Dezember 1993 bis 6. Februar 1994) und in Wien, Heiligenkreuzerhof (5. Mai bis 11. Juni 1994), S. 146 und S. 175f.
  • Tag Gronberg: Coffeehouse Encounters: Adolf Loos’s Café Museum. In: Tag Gronberg, Vienna. City of Modernity, 1890–1914, Bern 2007, S. 69–96.
  • Andrea Portenkirchner: Die Einsamkeit am „Fensterplatz“ zur Welt. Das literarische Kaffeehaus in Wien 1890–1950. In: Michael Rössner (Hrsg.): Literarische Kaffeehäuser, Kaffeehausliteraten, Böhlau Verlag, Wien, Köln und Weimar 1999, S. 41f.
  • Johann Werfring: Café Museum alias Café Nihilismus Artikel in der „Wiener Zeitung“, Online-Version vom 19. März 2001.
  • Johann Werfring: Café Museum museal Artikel in der „Wiener Zeitung“ vom 5. Februar 2009, Beilage „ProgrammPunkte“, S. 7.
  • Christian Kühn: Café Gespenst Artikel in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 3. Jänner 2004, Beilage „spectrum“, S. IX.
  • Florian Holzer: Die Wieder-Dekonstruktion Artikel im „Falter“ Nr. 42/2010 vom 20. Oktober 2010 (Archiv-Link).
  • Café Museum ist 110 Artikel vom 31. März 2009 in der Tageszeitung „Der Standard“.
  • Hans Veigl: Wiener Kaffeehausführer. Kremayr und Scheriau, Wien 1994, ISBN 978-3-218-00587-6.
  • Bartel F. Sinhuber: Zu Gast im alten Wien. Erinnerungen an Hotels, Wirtschaften und Kaffeehäuser, an Bierkeller, Weinschenken und Ausflugslokale. Amalthea, Wien 1997, ISBN 3-85002-409-1.
  • Katalog zur Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien 93, S. 438f.
Commons: Café Museum – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. Otto Thienemann. In: Architektenlexikon Wien 1770–1945. Herausgegeben vom Architekturzentrum Wien. Wien 2007.
  2. Architektenlexikon: Adolf Loos. Abgerufen am 12. November 2014.
  3. 1 2 Neue Freie Presse vom 19. April 1899, S. 14. (pdf)
  4. Unter einem „Tschecherl“ verstand man in Wien zu jener Zeit laut dem Schriftsteller Vinzenz Chiavacci „ein Local niedriger Sorte (...), welches Arbeitern und Personen der unteren Stände als Aufenthaltsort dient“. Vgl. Aus dem Gerichtssaale. Was ist ein „Tschecherl“?. In: Reichspost, 31. Dezember 1897, S. 9 (online bei ANNO). Der Begriff „Tschecherl“ (auch: „Tschocherl“) ist im Wienerischen nach wie vor gebräuchlich, und zwar mit der Bedeutung „kleines Kaffeehaus“ bzw. „kleines Gasthaus“. Vgl. Robert Sedlaczek: Wörterbuch des Wienerischen. Haymon Taschenbuch, 4. Auflage, Innsbruck und Wien 2014, ISBN 978-3-85218-891-1, S. 271.
  5. Hans Haider: Das Literatencafé Artikel auf austrians.org.
  6. Café Museum im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  7. Bernhard Lichtenberger: Wien: Landtmann-Chef übernimmt Café Museum Artikel in der Tageszeitung „Die Presse“, Online-Version vom 7. Juli 2010.
  8. Johann Werfring: Das letzte Alt-Wiener Schachcafé Artikel in der „Wiener Zeitung“, Online-Version vom 26. März 2001.
  9. Johann Werfring: Die Renaissance des Denksports. In: „Wiener Zeitung“ vom 14. Februar 2009, Beilage „Extra“, S. 8.
  10. Christian Kühn: Café Gespenst Artikel in der Tageszeitung „Die Presse“ vom 3. Jänner 2004, Beilage „spectrum“, S. IX.
  11. Johann Werfring: Café Museum museal Artikel in der „Wiener Zeitung“ vom 5. Februar 2009, Beilage „ProgrammPunkte“, S. 7.
  12. Johann Werfring: Alt-Wiener Refugium für Nachtschwärmer Artikel in der „Wiener Zeitung“ vom 4. Oktober 2012, Beilage „ProgrammPunkte“, S. 7.
  13. 1 2 Plüsch reloaded: Das Wiener Cafe Museum hat wieder geöffnet. Kleine Zeitung, Online-Version vom 18. Oktober 2010, abgerufen am 20. März 2015.
  14. solidbau.at: Café Museum – Radikaler Umbau für klassisches Wiener Kaffeehaus (Memento vom 7. November 2014 im Internet Archive)
  15. Neustart für Cafe Museum, Artikel auf wien.orf.at, 7. Juli 2010.
  16. Cafe Museum in neuem Gewand. In: wien.orf.at vom 18. Oktober 2010. Abgerufen am 5. Januar 2015.
  17. Jubiläum! Wir feiern 1 Jahr Literatur im Café Museum. Jubiläumslesung! In: wissenswertes.at. 11. Oktober 2012, archiviert vom Original am 12. November 2014; abgerufen am 3. Mai 2023.
  18. Literatur im Café Museum. Abgerufen am 12. November 2014.

Koordinaten: 48° 12′ 4″ N, 16° 22′ 2″ O

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