Jean Royer (* 31. Oktober 1920 in Nevers, Département Nièvre; † 25. März 2011 in Chambray-lès-Tours, Département Indre-et-Loire) war ein französischer Politiker des Rassemblement du peuple français (RPF), der Union pour la Nouvelle République (UNR), Union pour la défense de la République (UDR) sowie zuletzt des Rassemblement pour la République (RPR), der sich als Minister, Bürgermeister von Tours sowie Abgeordneter der Nationalversammlung gegen die Verbreitung von Pornografie und gegen Schwangerschaftsabbrüche einsetzte und deshalb den Spitznamen „Vater der Scham“ (père-la-pudeur) erhielt, und 1974 erfolglos für das Amt des Staatspräsidenten kandidierte.

Leben

Royer, der nach dem Besuch der École normale de Loches an der Philosophischen Fakultät der Universität Poitiers studierte, wurde nach der Ablegung der beiden Staatsexamen (Licence de lettres) 1945 zunächst Lehrer in Langeais.

1947 wurde er als Kandidat des RPF im Wahlkreis Tours erstmals Mitglied der Nationalversammlung, verlor dieses Mandat jedoch nach seiner Wahlniederlage 1951. Danach war er bis 1954 als Lehrer in Sainte-Maure-de-Touraine tätig, ehe er zwischen 1954 und 1958 Lehrbeauftragter für Fortbildungslehrgänge in Tours war.

Royer wurde 1958 abermals zum Mitglied in die Nationalversammlung gewählt und gehörte dieser fast vierzig Jahre bis 1997 an. 1959 wurde er darüber hinaus zum Bürgermeister von Tours gewählt und übte dieses Amt bis 1995 aus. Außerdem war er von 1961 bis 1988 Mitglied des Generalrats des Département Indre-et-Loire. Während seiner Amtszeit als Bürgermeister leitete er zahlreiche Bauvorhaben und Infrastrukturmaßnahmen ein wie den Anschluss an das TGV-Netz nach Paris, Bordeaux und Nantes sowie den Bau des Kongresszentrums Vinci gegenüber dem Bahnhof der Stadt. 1962 kam es zur Gründung der Städtepartnerschaft mit Mülheim an der Ruhr, wobei er für die Förderung und den Ausbau dieser Partnerschaft 1973 mit dem Ehrenring von Mülheim an der Ruhr ausgezeichnet wurde.

Im April 1973 wurde er zum Minister für Handel und Handwerk in das Kabinett von Premierminister Pierre Messmer berufen. Während dieser Zeit engagierte er sich besonders gegen die Verbreitung von Pornografie im Zuge der sexuellen Revolution der 68er-Bewegung und erhielt dafür den Spitznamen „Vater der Scham“ (père-la-pudeur). Im Rahmen einer Regierungsumbildung wurde er im Februar 1974 Minister für Post und Telekommunikation im dritten Kabinett Messmer und gehörte diesem bis April 1974 an.

Er trat nach dem Tod von Staatspräsident Georges Pompidou als Minister zurück, um bei der Präsidentschaftswahl im Mai 1974 zu kandidieren. Royer präsentierte sich dabei als Kandidat für moralische Ordnung und Recht. Er erhielt im ersten Wahlgang 3,17 Prozent der Stimmen und kam damit nicht in die Stichwahl am 19. Mai 1974, die Valéry Giscard d’Estaing gewann.

1995 erlitt er nach 36 Jahren eine Niederlage bei der Wahl zum Bürgermeister von Tours gegen seinen sozialistischen Herausforderer Jean Germain.

Royer, der zuletzt in einem Altenheim in einem Vorort von Tours lebte, starb an den Folgen seiner langjährigen Alzheimer-Krankheit.

Hintergrundliteratur

  • Michel Jouet/ Jean-Jacques Martin: Jean Royer, un réformisme autoritaire, 1975
  • Christian Garbar: Jean Royer 1974. Objectif Élysée!, 1981
Commons: Jean Royer – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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