Johann Adolf Friedrich William Graf von Kielmansegg (* 30. Dezember 1906 in Hofgeismar; † 26. Mai 2006 in Bonn) war ein General des Heeres der Bundeswehr, der zuvor schon in der Reichswehr sowie der Wehrmacht gedient hatte.

Leben

Herkunft

Johann Adolf war das jüngste von drei Kindern von Adolf Johann Graf von Kielmansegg (1864–1907) und dessen Ehefrau Eva Mathilde, geborene von Werner (1868–1953). Er entstammt einer Adelsfamilie von Offizieren und Politikern. Einer seiner Vorfahren war der Reformator Philipp Melanchthon. Seine Schwestern Ilse (1889–1986) und Anna Dorothee (1892–1993) heirateten jeweils in adlige Familien ein.

Militärkarriere

Reichswehr

Kielmansegg trat am 7. April 1926 nach seinem Abitur an der Klosterschule Roßleben in die Reichswehr ein und diente als Kavallerieoffizier im 16. Reiter-Regiment in Hofgeismar, Langensalza und Erfurt. 1930 wurde er zum Leutnant ernannt. In den frühen 1930er Jahren wohnte die junge Familie in Eisenach, Kapellenstraße 6.

Nachdem Kielmansegg am 1. Januar 1937 zum Rittmeister befördert worden war, legte er am 1. März die Wehrkreisprüfung ab. Durch diesen obligatorischen Test wurde routinemäßig die Eignung zum Generalstabsoffizier überprüft. Nach erfolgreich bestandener Prüfung erhielt Kielmansegg vom 1. Oktober 1937 bis zum 31. Juli 1939 an der Kriegsakademie in Berlin die entsprechende höhere Ausbildung. Die in diesem Zeitraum stattfindende Expansion (Anschluss Österreichs, Sudetenkrise) bewertete Kielmansegg damals positiv:

„Die Tatsache, dass wir in Österreich und dann etwas später in das Sudetenland hineinmarschierten: Dagegen hatte kein Mensch etwas. […] Ein Unrechtsbewußtsein in Sachen Österreich und Sudetenland gab es damals nicht. […] Meine Fragezeichen fingen am 15. März 1939 an, nämlich mit dem Einmarsch in Prag. Das war für mich etwas ganz anderes, nämlich unberechtigte Gewalt.“

Johann Adolf von Kielmansegg (1992)

Nachdem er die Kriegsakademie abgeschlossen hatte, wurde er als Ic (Feindaufklärung) in den Stab der 1. Panzer-Division unter Generalmajor Rudolf Schmidt versetzt.

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg diente Kielmansegg in verschiedenen Truppen-, Stabs- und Frontverwendungen der Wehrmacht in Polen, Frankreich und der Sowjetunion.

Während des Westfeldzugs wurde Kielmansegg am 17. Mai 1940 als Zweiter Generalstabsoffizier der 1. Panzer-Division Zeuge eines der wenigen erfolgreichen französischen Panzerangriffe bei Montcornet, als die französische 4. Panzerdivision, befehligt vom späteren Staatspräsidenten Charles de Gaulle, aus der Flanke zum Gegenstoß gegen die überraschte 1. Panzer-Division ansetzte. Die Franzosen mussten sich wegen der deutschen Luftüberlegenheit und dem Eintreffen der Verbände der 10. Panzer-Division am Nachmittag zurückziehen; Kielmansegg bescheinigte De Gaulle jedoch bei einem späteren Treffen während des Kalten Krieges, dass der Angriff der 4. Panzerdivision der einzige französische Gegenstoß während des gesamten Westfeldzugs gewesen sei, der „nach Zeit, nach Ort und nach Richtung vollkommen richtig war“.

Von 1942 bis 1944 in der Operationsabteilung des Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) eingesetzt, erfolgte am 1. Mai 1944 seine Beförderung zum Oberst i. G.

Infolge des Attentats vom 20. Juli 1944 wurde er von der Gestapo verhaftet, aber am 23. Oktober 1944 wieder freigelassen, allerdings ohne weitere Verwendung im Generalstab. Stattdessen erhielt er am 25. November 1944 das Kommando über das im Juli 1942 aufgestellte Panzergrenadier-Regiment 111 der 11. Panzerdivision und führte diesen Verband bis zum 16. April 1945.

Nachkriegszeit

Nach dem Krieg erst in britischer, dann in amerikanischer Kriegsgefangenschaft, wurde Kielmansegg im Mai 1946 entlassen und arbeitete zunächst als Kraftfahrer in einem landwirtschaftlichen Betrieb, ab Februar 1948 als Journalist und ab 1949 als Verlagskaufmann in Hamburg. Laut einem Spiegelartikel von 1963 war er „in den ersten Nachkriegsjahren als politisch Verfolgter Mitglied der VVN“ (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes).

1949 veröffentlichte er unter Weglassung seiner Vornamen (Verfassername „Graf Kielmannsegg“) das Buch Der Fritsch-Prozeß 1938, eine bedingungslose Verteidigungsschrift über seinen Onkel Generaloberst Werner von Fritsch, um diesen „seltsamen Junggesellen“ (Gerhard Ritter) vom Vorwurf homosexueller Betätigung reinzuwaschen und die sogenannte Fritsch-Affäre auf eine Intrige Himmlers und Görings zurückzuführen.

„Amt Blank“

Im Oktober 1950 arbeitete Kielmansegg an der geheimen Himmeroder Denkschrift mit. 1950 wurde er in das Amt Blank in Bonn berufen, wo er vom 1. Dezember 1950 bis 1955 zunächst Referent für Militärpolitik, dann „Unterabteilungsleiter Allgemeine Fragen der Landesverteidigung“ war. In dieser Zeit war er der deutsche Delegierte bei den Verhandlungen über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft und die Pariser Verträge. Er gilt als einer der geistigen Väter des Prinzips „Innere Führung“, das mit dem Begriff des „Staatsbürgers in Uniform“ zum Markenzeichen der Bundeswehr wurde.

Bundeswehr

Kielmansegg trat 1955 in die Bundeswehr im Rang eines Brigadegenerals (mit Wirkung vom 1. November 1955) ein. Von 1955 bis 1958 vertrat er als „Nationaler Militärischer Repräsentant“ im Obersten Hauptquartier der alliierten Mächte in Europa (SHAPE) – damals noch in Saint-Germain-en-Laye in Frankreich – die Bundesrepublik Deutschland. Danach war er von Dezember 1958 bis 1960 stellvertretender Kommandeur der 5. Panzerdivision in Koblenz und von 1960 bis 1963 (ab dem 1. April 1961 als Generalmajor) Kommandeur der 10. Panzergrenadierdivision in Sigmaringen. Ab 1963 war er wieder im Internationalen Bereich tätig und wurde als Generalleutnant (Beförderung zum Dienstgrad: 5. Juli 1963) NATO-Oberbefehlshaber der Alliierten Landstreitkräfte Europa Mitte (COMLANDCENT, Allied Land Forces Central Europe) in Fontainebleau in Frankreich (dort schon zum 1. September 1963 zum General befördert) und ab 15. März 1967 NATO-Oberbefehlshaber (CINCENT, Commander in Chief Allied Forces Central Europe) der Alliierten Streitkräfte Europa Mitte (AFCENT, Allied Forces Central Europe) zunächst in Fontainebleau, ab dem 1. Juli 1967 dann in Brunssum (Niederlande). Am 1. April 1968 beendete er seine militärische Karriere, sein Nachfolger als CINCENT bei der NATO wurde der deutsche General Jürgen Bennecke.

1965 wurde er für seine Verdienste bezüglich des Prinzips der „Inneren Führung“ mit dem Freiherr-vom-Stein-Preis ausgezeichnet.

Kielmansegg bezeichnete sich selbst nicht als Widerstandskämpfer. Im Auftrag der Bundeswehr veröffentlichte der Markus-Verlag 1966 eine Festschrift zu seinen Ehren. Im selben Jahr wurde er vom französischen Präsidenten de Gaulle zum Kommandeur der Ehrenlegion ernannt.

1985 veröffentlichte er zusammen mit Oskar Weggel das Buch Unbesiegbar? im Seewald Verlag, Stuttgart, über die Militärmacht der Volksrepublik China.

Im Februar 1993 schrieb der Bundeswehr-Hauptpersonalrat einen offenen Brief an die 662 Bundestagsabgeordneten: »Die Verantwortlichen« hätten sich »als unfähig erwiesen«, die Aufgaben für die Bundeswehr zu definieren. Eine »tiefe Verunsicherung« aller Beschäftigten sei die Folge. Einige Tage später schrieb v. Kielmansegg in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung in einem Leserbrief, der Personalrat habe »in all seinen Kritikpunkten recht«. Es stehe »das Schicksal einer Bundeswehr auf dem Spiel, die noch Sinn macht«. Was mit der Bundeswehr geschehe, halte »auf die Dauer keine Armee aus«.

Familie

Johann Adolf Graf von Kielmansegg war seit 1934 mit Mechthild von Dincklage (1909–2000) verheiratet und Vater zweier Söhne und zweier Töchter:

  1. Johann Adolf (Hanno) (* 8. Juli 1935), Generalmajor a. D. ⚭ Benedicta (Benita) Freiin von Thielmann (* 1936)
  2. Peter (* 27. Juni 1937 in Hannover), deutscher Politikwissenschaftler ⚭ Walpurgis Gräfin von Schweinitz und Krain, Freiin von Kauder
  3. Ulrike (* 1940) ⚭ Hellmut Holle (* 1935)
  4. Lewine (* 1943) ⚭ Werner Lehnhoff (1943–1984)

Er starb am 26. Mai 2006 in Bonn und ist auf dem Friedhof in Bad Krozingen beigesetzt.

Auszeichnungen

Werke

  • Panzer zwischen Warschau und Atlantik. Verlag "Die Wehrmacht". Berlin 1941.
  • Der Fritschprozess 1938: Ablauf und Hintergründe. Hoffmann & Campe 1949.
  • Die Vertragswerke von Bonn und Paris vom Mai 1952. Verlag für Geschichte und Politik. Frankfurt 1952.
  • Unbesiegbar? China als Militärmacht. Seewald, Stuttgart 1985, ISBN 3-512-00721-X, mit Oskar Weggel.

Literatur

  • Vater der Bundeswehr. Artikel in FAZ. 30. Mai 2006. S. 5.
  • Karl Feldmeyer, Georg Meyer: Johann Adolf Graf von Kielmansegg 1906–2006. Deutscher Patriot, Europäer, Atlantiker. Hrsg.: Militärgeschichtliches Forschungsamt. Mittler, Hamburg 2007, ISBN 978-3-8132-0876-4.
Commons: Johann Adolf Graf von Kielmansegg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Landmann/Wolter/Zlotowicz, Villen in Eisenach, Weimar 1997, S. 202 ff. (Stefan Wolter)
  2. Zit. nach: Karl Feldmeyer, Georg Meyer: Johann Adolf Graf von Kielmansegg 1906–2006. Deutscher Patriot, Europäer, Atlantiker, Hamburg/Berlin/Bonn 2007, S. 8.
  3. Karl-Heinz Frieser: Blitzkrieg-Legende: Der Westfeldzug 1940. 5. Auflage. De Gruyter Oldenbourg, ISBN 978-3-11-073947-3, S. 330 f.
  4. Speidel-Nachfolge: Vorwärts mit Kilian, Der Spiegel, 7. August 1963
  5. Artikel vom 6. März 2006 in: Der Spiegel, Nr. 23/2006.
  6. Helmut Bohn: Eine politische Biographie 1914–1998, Dresden 2003, S. 225–263.
  7. „Consilio Non Imperio“ zum 60. Geburtstag von General Johann Adolf Graf von Kielmansegg. Herausgegeben vom Markus Verlag. Köln 1966.
  8. Der Spiegel 12/1993: »Das hält keine Armee aus«
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.