Daten
Titel: Leonce und Lena
Gattung: Lustspiel
Originalsprache: deutsch
Autor: Georg Büchner
Erscheinungsjahr: 1836
Uraufführung: 31. Mai 1895
Ort der Uraufführung: München
Personen
  • König Peter vom Reiche Popo
  • Prinz Leonce, sein Sohn, verlobt mit
  • Prinzessin Lena vom Reiche Pipi
  • Valerio
  • Die Gouvernante
  • Der Hofmeister
  • Der Zeremonienmeister
  • Der Präsident des Staatsrats
  • Der Hofprediger
  • Der Landrat
  • Der Schulmeister
  • Rosetta
  • Bediente, Staatsräte, Bauern etc.

Leonce und Lena ist das einzige Lustspiel von Georg Büchner. Es verknüpft Elemente der romantischen Komödie mit jenen der politischen Satire. Büchner schrieb das Werk im Frühjahr 1836 für einen Wettbewerb der Cotta’schen Verlagsbuchhandlung, versäumte allerdings den Einsendeschluss und erhielt es ungelesen zurück. Uraufgeführt wurde es fast 60 Jahre später, am 31. Mai 1895, in einer Freilichtaufführung des Münchner Theatervereins Intimes Theater unter der Regie von Ernst von Wolzogen und unter Mitwirkung von Max Halbe und Oskar Panizza. Dies wirft ein Licht auf die Modernität Büchners, dessen literarische Weltgeltung erst im 20. Jahrhundert erkannt wurde.

Erich Kästner zählte Leonce und Lena zu den sechs wichtigsten klassischen Komödien deutscher Sprache.

Inhalt

Der melancholische, traumversunkene Prinz Leonce vom Königreiche Popo (in seiner territorialen Winzigkeit und intellektuellen Borniertheit eine Persiflage auf die deutschen Kleinstaaten) langweilt sich: „Mein Leben gähnt mich an wie ein großer weißer Bogen Papier, den ich vollschreiben soll, aber ich bringe keinen Buchstaben heraus.“ Auch sein Verhältnis zu seiner Mätresse, der schönen Tänzerin Rosetta, ermüdet ihn mehr, als dass es ihn anregt. Nur im Sterben dieser Liebe sieht er noch einen gewissen Reiz. Gefühl- und rücksichtslos lässt er Rosetta fallen. Diese verliert ihre Funktion und muss das Schloss verlassen. Trotz seiner Jugend scheint dem Prinzen der Höhepunkt seines Lebens bereits vorüber: „Mein Kopf ist ein leerer Tanzsaal, einige verwelkte Rosen und zerknitterte Bänder auf dem Boden, geborstene Violinen in der Ecke, die letzten Tänzer haben die Masken abgenommen und sehen mit todmüden Augen einander an.“

Da wird er von seinem Vater, König Peter, vor vollendete Tatsachen gestellt: Leonce soll die ihm völlig unbekannte Prinzessin Lena vom Königreich Pipi heiraten. Nicht gewillt, den Bund der Ehe einzugehen, flüchtet er Richtung Italien, um sich für den Rest seines Lebens dem süßen Nichtstun („o dolce far niente“) hinzugeben. Begleitet wird er dabei von seinem treuen, aber arbeitsscheuen Diener Valerio, der, ähnlich wie Sancho Pansa, als stets leicht betrunkener und immer heißhungriger Genussmensch seinen idealistisch verträumten Herrn immer wieder auf den Boden der Wirklichkeit zurückholt. König Peter, ein scheinbar aufgeklärter, in Wahrheit jedoch völlig geistloser absolutistischer Monarch, beruft derweil eine Staatsratsversammlung ein, um seinen Entschluss, seinen Sohn zu verheiraten, bekannt zu geben.

Auf dem Weg nach Italien begegnen Leonce und Valerio „zufällig“ zwei Damen: Prinzessin Lena, die sich ebenfalls auf der Flucht befindet, weil sie sich vor der Heirat mit einem ungeliebten Mann fürchtet, und ihre Gouvernante, die eine ähnlich burleske Rolle für Lena spielt wie Valerio für Leonce. Nicht ahnend, dass sie den versprochenen Partner vor sich haben, verlieben sich die beiden spontan ineinander. Fasziniert von Lenas schöner Traurigkeit und überwältigt von seinen romantischen Gefühlen, will sich Leonce sofort in den nächsten Fluss stürzen, wird aber von Valerio davon abgehalten, der die Tragik des Freitods ins Lächerliche zieht und Leonce spöttisch bittet, ihn mit seiner „Leutnantsromantik“ zu verschonen. Statt Selbstmord plädiert er für eine handfeste Heirat und ein gemeinsames Altwerden der beiden Melancholiker. Die notwendigen Vorkehrungen für eine reibungslose Einfädelung des Arrangements am Hofe des Bräutigams verspricht er selbst in die Hand zu nehmen.

Im Königreich Popo probt der Zeremonienmeister mit dem Bauernvolk den feierlichen Empfang des erwarteten Hochzeitspaares, eine ebenso sarkastische wie zynische Szene über bäuerliches Elend und aristokratische Arroganz. Im Schloss, von wo man das gesamte Königreich überblicken kann, geraten der König und sein Gefolge inzwischen in immer größere Unruhe, weil der Prinz verschwunden ist und die Hochzeit zu platzen droht. Doch da sieht man an der Grenze des Reiches vier Gestalten auftauchen. Das Liebespaar Leonce und Lena hat sich bis zur Unkenntlichkeit verkleidet und wird von Valerio als die „zwei weltberühmten Automaten“ angepriesen, die alle Funktionen menschlichen Lebens perfekt erfüllen könnten. König Peter beschließt daraufhin, die Hochzeit in effigie zu feiern, mit den Automaten als Braut und Bräutigam. Am Ende der Zeremonie nimmt das Paar die Masken ab und es stellt sich erst jetzt für die beiden heraus, dass sie nicht – wie beabsichtigt – ihren Vätern einen genialen Streich gespielt haben, sondern dem vorherbestimmten Schicksal ihrer Verbindung nicht aus dem Weg gehen konnten. Leonce ist begeistert von dieser „Vorsehung“ und akzeptiert mit verzweifelt komischer Ironie sein Los als König über ein Reich stumpfsinnig gehorsamer Untertanen. Und auch Lena akzeptiert ihre neue Rolle mit Freude. Valerio, wegen seiner Verdienste bei der Inszenierung der Hochzeit von Leonce zum Staatsminister ernannt, parodiert die Situation zusätzlich, indem er befiehlt, die bestehende Ordnung im Chaos versinken und nur noch auf individuellen Genuss ausrichten zu lassen.

Analyse

Büchners Komödie vom lebensmüden Traumprinzen, der nicht gewillt ist, seinen romantischen Idealen mehr zu gönnen als einen halbherzigen Ausbruchsversuch aus dem operettenhaften Fürstenhof, ist keineswegs harmlos: Die wortspielreiche Ironie und virtuos artikulierte Absurdität entlarven nicht nur das zeitgenössische Bedürfnis nach Genie und Heros als irrationalistischen Eskapismus, sondern treffen auch die Hohlheit eines Adels, der das Volk für sich arbeiten lässt und selber nur eines kennt: dekadente Langeweile. Die beißende Kritik an der provinziellen Kleinstaaterei zur Zeit des Deutschen Bundes ist hinter der Maske der Komödie unübersehbar.

Auch der typische Lustspielschluss, in dem die Hochzeitsfeier vom Bräutigam kurzerhand abgebrochen und ihre Wiederholung, wie die des Theaterstücks selbst, selbstironisch auf den nächsten Tag verschoben wird – „morgen fangen wir in aller Ruhe und Gemütlichkeit den Spaß noch einmal von vorn an“ –, markiert nicht nur die Fortsetzung des zum leeren Ritual erstarrten Lebens, an dem die Protagonisten bisher gelitten haben, sondern leitet zugleich über in eine Schlaraffenland-Utopie, die derjenigen der übrigen Revolutionstexte Büchners durchaus nicht widerspricht. Valerio erlässt ein Dekret, „daß Jeder der sich rühmt sein Brot im Schweiße seines Angesichts zu essen, für verrückt und der menschlichen Gesellschaft gefährlich erklärt wird und dann legen wir uns in den Schatten und bitten Gott um Makkaroni, Melonen und Feigen, um musikalische Kehlen, klassische Leiber und eine kommode Religion!“ Und gegen die bisherige höfische Leere und Langeweile des Lebens verspricht Leonce seiner neuen Braut: „wir lassen alle Uhren zerschlagen, alle Kalender verbieten und zählen Stunden und Monden nur nach der Blumenuhr, nur nach Blüte und Frucht.“

Wichtige Inszenierungen

Verfilmung

  • 1990 – Regie: Michael Klemm mit Horst Wüst, Astrid Weiss, Michael Klemm, Irmi Gillitzer

Hörspiele

Bearbeitungen

  • Kammeroper von Kurt Schwaen, 1960 (Uraufführung 1961, Apollosaal der Deutschen Staatsoper Berlin)
  • Fernsehoper von Werner Haentjes, 1962 (WDR-Fernsehproduktion).
  • Oper von Paul Dessau, 1979 (Uraufführung an der Deutschen Staatsoper Berlin) sowie von Erich Zeisl (Uraufführung emigrationsbedingt 1952 in Los Angeles)
  • Aktualisierung unter dem Titel „Neonce und Nena“ von Hans Fraeulin (Uraufführung am 7. Januar 1987 im Malersaal der Grazer Oper).
  • Kinderbuch bearbeitet von Jürg Amann mit Illustrationen von Lisbeth Zwerger. NordSüd Verlag, Zurich 2013, ISBN 978-3-314-10181-6.

Literatur

  • Helmut Prang: Leonce und Lena, in Kurt Bräutigam (Hrsg.): Europäische Komödien, dargestellt an Einzelinterpretationen. Diesterweg, Frankfurt 1964, S. 64–78.
  • Jürgen Schröder: Georg Büchners „Leonce und Lena“. Eine verkehrte Komödie. Wilhelm Fink, München 1966.
  • Beate Herfurth-Uber: Georg Büchner, Leonce und Lena. Hören & Lernen, Wissen kompakt in 80 Minuten. Mit Schlüsselszenen einer Inszenierung am Hessischen Landestheater Marburg. Interviews mit Burghard Dedner, Ariane Martin und dem Regisseur Karl Georg Kayser. MultiSkript Verlag, 2011, ISBN 978-3-9812218-9-3. Audio-CD.
  • Roland Kroemer: Georg Büchner: Leonce und Lena ... verstehen. Herausgegeben von Johannes Diekhans und Michael Völkl. Braunschweig: Westermann 2022.

Einzelnachweise

  1. Tilman Fischer: 3.6. Einleitung zu: Leonce und Lena. Ein Lustspiel. Auf dem Georg-Büchner-Portal.
  2. Quelle für Oskar Panizza: Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 24. März 2005 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  3. Proteste bei Erstaufführung von Georg Büchners »Leonce und Lena« in Darmstadt, 21. Januar 1923. Zeitgeschichte in Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  4. Georg Büchners "Leonce und Lena" am Nationaltheater Mannheim. Abgerufen am 8. Juli 2018.
  5. Leonce und Lena - 2022.23 · Musiktheater im Revier. Abgerufen am 21. September 2022.
  6. Leonce und Lena. In: Deutsches Rundfunkarchiv. Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv, abgerufen am 30. März 2022.
  7. Leonce und Lena (Oper) von Erich Zeisl und Hugo von Königsgarten | Felix Bloch Erben GmbH & Co. KG. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
  8. Hans Fraeulin: Neonce und Nena. Bonn 2013, ISBN 978-3-929386-43-1.
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