Irmgard „Irm“ Hermann-Roberg (* 4. Oktober 1942 in München; † 26. Mai 2020 in Varel/Landkreis Friesland) war eine deutsche Schauspielerin und Hörspielsprecherin. Sie wurde Mitte der 1960er-Jahre durch ihre Zusammenarbeit mit Rainer Werner Fassbinder bekannt.

Leben

Hermann wurde 1942 in München als Tochter von Karl Hermann und seiner Frau Maria Huber geboren. Nach dem Besuch der Volksschule absolvierte sie eine Lehre als Verlagskauffrau. Sie arbeitete zunächst bei der Illustrierten Quick, dann als Sekretärin beim ADAC und kurzzeitig bei Ivar Lissner und Ruth Niehaus in der Schweiz, als sie 1966 bei einem Dramenwettbewerb der Jungen Akademie München Rainer Werner Fassbinder kennenlernte.

Fassbinder setzte sie noch im selben Jahr in seinem Kurzfilm Der Stadtstreicher ein. Hermanns Beziehung zu Fassbinder war nicht nur beruflicher Natur; sie gehörte zu seinem engeren Kreis. So spielte sie in Fassbinders erster Inszenierung im Münchner Action-Theater, den Verbrechern von Ferdinand Bruckner, mit und war auch eine Zeit lang die Schauspielagentin von Fassbinder. Mit ihm und unter anderem Hanna Schygulla gründete sie das spätere Antiteater, in dem sie bis 1969 zahlreiche Rollen übernahm.

Danach wirkte sie bis 1975 in über 20 Fassbinder-Produktionen mit, unter anderem in Katzelmacher und Angst essen Seele auf. Sie wurde, meist in Nebenrollen, Fassbinders Standardbesetzung für mürrische Spießerinnen. Diesen Typ verkörperte sie auch in ihrer einzigen Hauptrolle in einem Fassbinder-Film als Irmgard Epp in Händler der vier Jahreszeiten, für die sie breite Anerkennung bekam. Ähnlich positiv angenommen wurde ihre Rolle der devoten Marlene in dem Lesbendrama Die bitteren Tränen der Petra von Kant. In Rosa von Praunheims Dokumentarfilm Für mich gab’s nur noch Fassbinder (2000) spricht Hermann über ihr zwiespältiges Verhältnis zu ihrem Entdecker.

1975 zog sie sich aus der Beziehung mit Fassbinder zurück und verlegte ihren Lebensmittelpunkt von München nach Berlin. Dort spielte sie für Regisseure wie Percy Adlon, Werner Herzog und Hans W. Geißendörfer. Von 1979 bis 1980 und von 1987 bis 1991 war sie an der Freien Volksbühne Berlin engagiert. 2014 gastierte sie dort noch einmal unter der Regie von Christoph Marthaler in dem Bühnenstück Tessa Blomstedt gibt nicht auf. 2001 war sie am Schauspielhaus Zürich unter der Regie von Christoph Schlingensief in der Titelrolle von William Shakespeares Hamlet zu sehen. Daneben spielte sie auch wiederholt an der Komischen Oper Berlin, unter anderem in der Spielzeit 2010/11 als Kaiser Franz Joseph I. in dem Singspiel Im weißen Rößl oder 2013/14 in einer Inszenierung von Georg Büchners Woyzeck, wo sie in einer Doppelrolle als Großmutter und Narr Karl agierte.

Hermann war neben ihrer Bühnenarbeit auch in diversen Film- und Fernsehproduktionen zu sehen, unter anderem als Fräulein Engelhart in der Thomas-Mann-Verfilmung Der Zauberberg (1982) von Geißendörfer und in Tankred Dorsts Eisenhans (1983) als couragierte Sozialhelferin. Für ihre Rolle der Mitgefangenen Else Gebel in Percy Adlons Spielfilm Fünf letzte Tage (1982) über die Widerstandskämpferin Sophie Scholl bekam sie neben Lena Stolze das Filmband in Gold in der Kategorie „Beste darstellerische Leistungen“ verliehen. In dem Filmdrama Marie Ward – Zwischen Galgen und Glorie (1985) über das Leben der Ordensschwester Maria Ward spielte sie an der Seite von Hannelore Elsner die Rolle der Winn Wigmore. Unter Schlingensief drehte sie den satirischen Horrorfilm Das deutsche Kettensägenmassaker.

Sie übernahm auch wiederholt komische Rollen, wie in Loriots Pappa ante portas (1991), wo sie neben Hans Peter Korff die harmoniebedürftige Tante Hedwig spielte, oder 1996 in Hape Kerkelings Willi und die Windzors, wo sie die Rolle von Elisabeth II. übernahm. Von 1995 bis 1996 war sie als SEK-Leiterin in mehreren Episoden in der ZDF-Krimireihe Ein starkes Team zu sehen. Dieter Wedel besetzte sie für seinen Fernseh-Sechsteiler Die Affäre Semmeling (2002) in einer Nebenrolle als Finanzbeamtin. In der ARD-Familienserie Die Stein übernahm sie von 2008 bis 2011 als Schulsekretärin eine durchgehende Rolle. In dem Fernsehfilm Schokolade für den Chef war sie als Schwester des von Götz George gespielten Ernst Schmitt zu sehen. Für ihre Rolle als Witwe in Max Färberböcks Filmdrama Anonyma – Eine Frau in Berlin (2008) wurde sie für den Deutschen Filmpreis 2009 in der Kategorie „Beste darstellerische Leistung – weibliche Nebenrolle“ nominiert. 2017 spielte sie in Fack ju Göhte 3 eine Nebenrolle.

Von 1986 bis 2016 wirkte sie in mehreren Filmen der ARD-Fernsehreihe Tatort mit. Nachdem sie unter den Hamburger Kommissaren Stoever und Brockmöller in den Episoden Leiche im Keller (1986) und Schmutzarbeit (1989) bereits tragende Rollen verkörpert hatte, war sie 2009 im BR-Tatort Gesang der toten Dinge als Gärtnerin zu sehen. 2016 bildete sie mit Hanna Schygulla und Margit Carstensen in Wofür es sich zu leben lohnt ein Rache-Trio, das einen Textilfabrikanten, der für den Tod von 1100 Menschen in Bangladesch verantwortlich ist, in seine Gewalt nimmt. Daneben hatte sie Episodenrollen in den Fernsehserien Liebling Kreuzberg, Unser Lehrer Doktor Specht, Wolffs Revier, Adelheid und ihre Mörder, Für alle Fälle Stefanie, Einmal Bulle, immer Bulle und Doctor’s Diary. Zuletzt war sie 2018 als intrigante Mutter eines Verlegers in der sechsteiligen ARD-Fernsehserie Labaule & Erben zu sehen.

Neben ihrer Arbeit vor der Kamera war sie auch eine vielbeschäftigte Hörspielsprecherin. Sie sprach 2006 unter anderem Emmy Sonnemann, die spätere Ehefrau von Hermann Göring, in Werner Fritschs Hörspiel Enigma Emmy Göring, das als „Hörspiel des Jahres 2006“ ausgezeichnet wurde. 2009 bekam sie für ihre dortige Leistung auch den Deutschen Hörbuchpreis.

Aus ihrer Ehe mit dem Kinderbuchautor Dietmar Roberg stammen zwei Söhne, die 1977 und 1981 geboren wurden. Zuletzt lebte Irm Hermann in Varel bei Oldenburg, wo sie im Mai 2020 im Alter von 77 Jahren nach kurzer, schwerer Krankheit starb. Ihre letzte Ruhestätte fand sie auf dem Friedhof in Varel (Grab 5/36/26).

Filmografie

Hörspiele und Features (Auswahl)

Auszeichnungen

  • 1970: Filmband in Gold (Darstellerin – mit dem übrigen Ensemble des Antiteaters) für Götter der Pest, Katzelmacher und Liebe ist kälter als der Tod
  • 1972: Filmband in Gold (Darstellerin) für Der Händler der vier Jahreszeiten
  • 1983: Filmband in Gold (Darstellerin) für Fünf letzte Tage
  • 2000: Silberner Bär der Berlinale für besondere künstlerische Leistung als Mitglied des Darstellerensembles von Paradiso
  • 2007: Hörspiel des Jahres (Sprecherin) für Enigma Emmy Göring, in dem sie die Rolle der Emmy Göring spricht
  • 2009: Nominierung für den Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Beste Nebendarstellerin“ für Anonyma – Eine Frau in Berlin
  • 2009: Deutscher Hörbuchpreis

Literatur

Einzelnachweise

  1. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 Schauspielerin Irm Hermann gestorben vom 28. Mai 2020 auf nordbayern.de, abgerufen am 28. Mai 2020.
  2. Verena Lueken: Zum Tod von Irm Hermann: Virtuosin der Hassliebe. In: FAZ.NET. ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 29. Mai 2020]).
  3. Irm Hermann im Gespräch mit Gabi Toepsch. BR-Online, 4. Dezember 2009, abgerufen am 30. Mai 2020.
  4. Christine Dössel: Zum Tod von Irm Hermann - Abenteurerin der Kunst. Abgerufen am 3. Juni 2020.
  5. Klaus Nerger: Das Grab von Irm Herrmann. In: knerger.de. Abgerufen am 17. November 2021.
  6. Irm Hermann ist tot. In: spiegel.de. 28. Mai 2020, abgerufen am 28. Mai 2020.
  7. Hinweis: In einigen Nachrufen wird fälschlicherweise Berlin als Sterbeort angegeben.
  8. vgl. Deutscher Filmpreis: Die Nominierungen im Überblick bei welt.de, 13. März 2009
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