Lychnidos (altgriechisch Λυχνιδός Lychnidós oder Λύχνιδος Lýchnidos; lateinisch Lychnidus/Lycnidus/Licnidus) war eine antike Stadt am Ohridsee. Sie ist die Vorgängerin des heutigen Ohrid in Nordmazedonien. Das antike Lychnidos ist wesentlicher Teil des UNESCO-Welterbes Natur- und Kulturerbe der Ohrid-Region.

Geographische Lage

Lychnidos lag auf dem höheren der beiden Stadthügel im heutigen Stadtgebiet Ohrids. Sie erstreckte sich von dessen Kuppe, auf der sich heute die mittelalterliche Festung von Zar Samuil befindet (Festung Ohrid), in südwestlicher Richtung über den Ort Plaošnik hinunter zum Seeufer. Sie nimmt einen Teil der Altstadt ein und ist deshalb in weiten Teilen überbaut.

Nordöstlich des Siedlungshügels erstreckt sich eine fruchtbare Ebene, die schon in antiker Zeit relativ dicht besiedelt war und vermutlich schon seit der Kupfersteinzeit landwirtschaftlich genutzt wurde.

Lychnidos war eine wichtige Station an der römischen Via Egnatia, die das östliche Ufer der Adria mit Byzantion (später Konstantinopel) verband. Die Nordroute dieser Straße führte aus dem Shkumbin-Tal, über den Pass Qafë Thana (heute Albanien), überquerte den Schwarzen Drin (beim heutigen Struga) und verlief dann am Nordostufer des Sees nach Lychnidos. Von dort ging sie weiter nach Herakleia Lynkestis, wo sie sich wieder mit der Südroute vereinigte, die am Prespasee vorbeiführte.

Vorgeschichte

Der fischreiche See, die fruchtbaren Ebenen und die strategisch günstige Lage zogen früh Siedler an. Ausgrabungen brachten die Zeugnisse verschiedener Kulturen von der Jungsteinzeit bis in die Eisenzeit zutage. Dolno Trnovo (nordöstlich von Ohrid) ist ein jungsteinzeitlicher Fundplatz aus dem 4.–3. Jahrtausend v. Chr. Lakočeresko Gradište und Koselsko Gradište gehören der Bronzezeit an. Bei Gorenci fanden sich Zeugnisse aus der Eisenzeit. Am Ufer des Ohridsees wurden zudem einzelne Pfahlbaudörfer gefunden, wie dasjenige von Gradište aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. (siehe hierzu: Ohrid#Kultur).

Geschichte

Die ersten Bewohner der Region, die sich historisch einordnen lassen, waren die illyrischen Encheläer. Sie bewohnten im 8. und 7. Jahrhundert v. Chr. die Region um den Ohridsee. Ihnen folgten später – wann genau ist unbekannt – die ebenfalls illyrischen Dassareten, unter deren Einfällen das benachbarte Makedonien im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. wiederholt litt. Philipp II. von Makedonien konnte den Illyrern um 355 v. Chr. die Lynkestis entreißen und dehnte seinen Einfluss zeitweilig auch bis an die Ufer des Ohridsees aus. In der Epoche des Hellenismus entwickelte sich die Siedlung von Lychnidos zur Stadt, in der sich auch griechische Kolonisten ansiedelten. Lange Zeit blieb jedoch das Gebiet um Lychnidos eine zwischen Illyrern und Makedonen umstrittene Region. An der Wende des 3. zum 2. Jahrhundert v. Chr. war Lychnidos das Zentrum der ausgedehnten Gebirgsregion Dassaretia, die sich vom Fluss Devoll im Westen bis an die Grenzen der Lynkestis im Osten erstreckte und im Norden vom Gebiet der Dardaner begrenzt wurde.

Ein römischer Heerführer mit dem Namen Appius Claudius begann 170 v. Chr. von Lychnidos aus mit rund 12.000 Mann einen Feldzug gegen Uskana, die Hauptstadt des illyrischen Stammes der Penestae.

Als Makedonien 148 v. Chr. römische Kolonie wurde, kam auch Lychnidos unter römische Herrschaft. Dassaretia blieb aber bis in die frühe Kaiserzeit eine freie Kommune (lat. libera gens Dassaretiae). Lychnidos war ihr Regierungssitz und Handelszentrum. Die politischen Autoritäten der Dassareten verewigten sich in zahlreichen Inschriften.

In der Spätantike wurde Lychnidos Bischofssitz. Der Bischof Dionysos von Lychnidos ist als Teilnehmer der Synode von Serdica im Jahr 343 bezeugt. Er ist der einzige bekannte Metropolit der Stadt.

478 und 479 belagerten Truppen des Theoderich des Großen die Stadt, konnten sie jedoch nicht einnehmen.

Am 29. und 30. Mai 526 wurde Lychnidos durch ein Erdbeben stark zerstört. Viele Einwohner kamen dabei um. Das weitere Schicksal der Stadt ist unbekannt. Seit diesem Datum wurden auch keine Inschriften mehr über die Stadt Lychnidos geschrieben. Es wurde wohl erst drei Jahrhunderte später als slawische (bulgarische) Stadt Ohrid neu gegründet.

Bauwerke

Allgemeines

Während der hellenistischen Periode erstreckte sich die Stadt über dem Festungshügel südwestlich hin zum Seeufer. Mit der Eroberung durch die Römer wurde die Stadt ausgebaut: es entstanden neben dem Theater eine Agora, ein Gymnasium, ein Buleuterion, eine Basilika und zahlreiche Tempel, die alle jedoch nur spärlich erhalten geblieben sind. Während der Römer-Zeit wuchs Lychnidos nach Osten bis hin zum Hügel Deboj. In der frühchristlichen Epoche entstanden in der Stadt rund sieben Kirchen, die auf ein religiöses Zentrum der Region hinweisen.

Theater

Das Theater ist wohl das bekannteste Überbleibsel der antiken Stadt. Sie wurde um das Jahr 200 v. Chr. erbaut. Es ist das einzige hellenistische Theater in ganz Mazedonien. Während der hellenistischen Zeit wurden hier Komödien, Tragödien und Dramen aufgeführt. Mit den Römern kamen Gladiator- und Tierkämpfe hinzu.

In den drei oberen Sitzreihen sind einige Inschriften von Personennamen angebracht, die wahrscheinlich als Platzreservation während Aufführungen dienten. Insgesamt sind zwölf Sitzreihen der Zuschauertribüne (lat. cavea) erhalten geblieben.

Die ersten Ausgrabungen fanden 1960 und 1961 statt und wurden 1973 fortgesetzt. 1999 und 2000 wurden viele neue Bestandteile des Theaters entdeckt und ausgegraben.

Frühchristliche Basilika

Die dreischiffige Kirche wurde in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts errichtet und beherbergt ein Baptisterium sowie ein als Catechumenum genannten Raum. Es hat vor allem im Baptisterium zahlreiche florale sowie animale Mosaike. Beim Erdbeben im Jahr 526 wurde es größtenteils zerstört. Die Ausgrabungsarbeiten begannen 1961 und endeten Jahre später.

Literatur

  • Fanula Papazoglu (Hrsg.): Inscriptiones Lyncestidis, Heracleae, Pelagoniae, Derriopi, Lychnidi. (= Inscriptiones Graecae, Bd. 10: Inscriptiones Graecae Epiri, Macedoniae, Thraciae, Scythiae, Teil 2: Inscriptiones Macedoniae, Fasc. 2: Inscriptiones Macedoniae septentrionalis). Berlin 1999. ISBN 3-11-016489-2.
  • Fanoula Papazoglou: Les villes de Macédoine à l’époque romaine. Athènes 1988. ISBN 2-86958-014-2.
  • Ilona Opelt: Zeitschrift für Papyrologie und Epigraphik. Bd. 79. S. 83–86. Bonn 1989. Link: Inschriften aus Lychnidus - O(c)hrid auf Uni-koeln.de (PDF; 127 kB).
Commons: Archäologische Stätten in Ohrid – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Goce Naumov: Tell communities and wetlands in Neolithic Pelagonia, Republic of Macedonia. 30. Dezember 2016, abgerufen am 24. Februar 2023.
  2. Nebi Dervishi: Etnokultura e Fushëgropës së Ohrit. Çabej, Tetovo 2005, ISBN 9989-150-37-0, II. Ohri e Struga në histori, S. 17 (albanisch, 370 S.): «Në vitin 170 p.e.s. Lyhnidusi për herë të parë rezulton i lidhur ngushtë me Dasaretinë dhe quhet Lyhnidi Dasaret (AD Luchnidum Dassaretiorum), nga një dokument që tregon se komandanti romak Apij Kaludij me 12.000 ushtarë romakë u logorua nga ky vend për të sulmuar qytetin e Penestisë, Uskanën.»
  3. Nebi Dervishi: Etnokultura e Fushëgropës së Ohrit. Çabej, Tetovo 2005, ISBN 9989-150-37-0, II. Ohri e Struga në histori, S. 21 (albanisch, 370 S.): «Në vitin 478 komandanti i njohur got Teodorik, pas shkatërrimit të Stobit dhe pas kursimit të Heraklesë (të cilën e kurseu për shkak të dhuratave që pranoi nga ana e peshkopit), me ushtrinë e tij iu drejtua Lyhnidës. Por ai nuk arriti që ta pushtojë për arsye se qyteti shtrihej në vend të fortifikuar dhe ishte furnizuar mirë me ushqime dhe burime uji në mes të mureve rrethuese (Malch, frag. 18, 128). Se qyteti ka qenë nën rrethimin e rreptë të gotëve (i cili vazhdoi edhe në vitin 479) dëshmojnë gërmimet arkeologjike të kryera në pjesën veriore të kalasë, në “Deboj”, në vitin 1964, ku pranë murit rrethues, nga ana e brendshme, janë zbuluar varre grupore, në gropa në formë katrore.»
  4. 1 2 Lihnidos auf Soros.org.mk (englisch), letzter Zugriff am 13. März 2011
  5. Lychnidos, Ohrid (Memento des Originals vom 30. Januar 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf Theatrum.de (deutsch), letzter Zugriff am 13. März 2011
  6. Nebi Dervishi: Etnokultura e Fushëgropës së Ohrit. Çabej, Tetovo 2005, ISBN 9989-150-37-0, II. Ohri e Struga në histori, S. 34 (albanisch, 370 S.).
  7. Polyconchal early Christian basilica near Imaret (Memento des Originals vom 10. April 2009 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. auf Soros.org.mk (englisch), letzter Zugriff am 13. März 2011

Koordinaten: 41° 7′ 0″ N, 20° 48′ 0″ O

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