Robert Lucius, seit 1888 Robert Lucius Freiherr von Ballhausen und von Stoedten, (* 20. Dezember 1835 in Erfurt; † 10. September 1914 auf Gut Klein Ballhausen) war ein deutscher Arzt, Gutsbesitzer, Politiker und preußischer Staatsminister.
Leben
Lucius stammte aus einem alten katholischen Bürgergeschlecht in Thüringen. Sein Vater war der Erfurter Wollfabrikant Sebastian Lucius.
Er besuchte das Königliche Gymnasium Erfurt (1847–1853) und das Gymnasium Paulinum in Münster. Außerdem nahm er Privatunterricht. Nach dem Abitur studierte er ab 1854 Medizin an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1855 wurde er im Corps Vandalia Heidelberg recipiert. Mit zwei Kommilitonen wurde er 1856 relegiert. Die drei wurden mit dem letzten Comitat der Heidelberger Universitätsgeschichte verabschiedet. Lucius wechselte an die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität Breslau und wurde 1858 dort zum Dr. med. promoviert.
Schiffsarzt und Soldat
Nach einer Europareise meldete er sich 1859 in Düsseldorf zum 1. Leib-Husaren-Regiment Nr. 1, das Preußen als Garantiemacht des Deutschen Bundes für den Sardinischen Krieg mobilgemacht hatte. Als der Frieden von Zürich geschlossen wurde, brauchte Lucius nicht mehr eingekleidet zu werden. Stattdessen meldete er sich in Edinburgh als Schiffsarzt zur Preußischen Ostasienexpedition. Unter Friedrich zu Eulenburg führte sie ihn nach Ceylon, China, Japan, Korea, Hongkong und Siam. Er kehrte im August 1862 zu seiner Mutter in Erfurt zurück, trat aber bereits im Oktober desselben Jahres wieder in die Preußische Armee ein. Als Leutnant im Berliner Garde-Kürassier-Regiment (1863) nahm er an allen drei Einigungskriegen teil – am Deutsch-Dänischen Krieg, am Deutschen Krieg und am Deutsch-Französischen Krieg. Er wurde Oberstleutnant.
Parlamentarier und Minister
Als Mitglied der Freikonservativen Partei kandidierte Lucius in den 1860er Jahren zunächst erfolglos für das Preußische Abgeordnetenhaus. Abgeordneter war er von 1870 bis 1879 und von 1882 bis 1893. 1870 wurde er in einer Ersatzwahl im Wahlkreis Erfurt 4 (Erfurt, Schleusingen, Ziegenrück) in den Reichstag des Norddeutschen Bundes gewählt, wodurch er auch Mitglied des Zollparlaments wurde.
Von 1871 bis 1881 saß er für denselben Wahlkreis im Reichstag. 1879 war er Vizepräsident des Reichstags. Lucius war ein enger Freund Otto von Bismarcks und galt als Sprachrohr des Reichskanzlers. Aus den fast täglichen Besuchen entstanden die Tagebücher. Sie wurden als „Bismarck-Erinnerungen“ von Roberts Sohn Hellmuth Freiherr Lucius von Stoedten herausgegeben und sind eine wichtige (handschriftlich nicht überlieferte) Quelle der Bismarck-Forschung. 1874–1878 gehörte er außerdem dem Provinziallandtag der Provinz Sachsen an.
Von 1879 bis 1890 war Lucius preußischer Landwirtschaftsminister. Dass er zum Antrittsbesuch in Leutnantsuniform erschien, amüsierte Kaiser Wilhelm I.
1895 wurde er zum Mitglied des Preußischen Herrenhauses ernannt.
Sonstiges
Mit Bismarcks Befürwortung wurde Robert Lucius am 5. Mai 1888 vom todkranken Friedrich III. unter den Namen Freiherr Lucius von Ballhausen /Lucius von Stoedten nobilitiert.
Er war zudem seit 1889 Ehrenbürger von Erfurt, und die Lucius-Höhe in Mittelschmalkalden (Wiedereinweihung Oktober 2009) wurde nach ihm benannt.
Aus seinen Gütern Klein Ballhausen, Groß Ballhausen und Stödten (nach 1945 beseitigt) wurden zwei Familienfideikommisse gebildet.
Lucius war ein Bruder von Eugen Lucius, einem Mitbegründer der Hoechst AG. Robert Lucius heiratete 1864 Juliet Maria Souchay de la Duboissière (1835–1921) aus dem in Manchester ansässigen Zweig der wohlhabenden Kaufmannsfamilie deutscher Hugenotten. Geheiratet wurde auf Withington, dem Landsitz der Souchays bei Manchester. Ihre Söhne waren Otto Lucius von Ballhausen und Hellmuth Freiherr Lucius von Stoedten. Robert von Lucius und Wulf-Dietrich von Lucius sind Urenkel.
Ihm zu Ehren wurde die in Gruhna bei Leipzig entstandene und von der Berliner Baumschule Späth 1884 in den Handel gebrachte Birnensorte „Minister Dr. Lucius“ benannt.
Siehe auch
- Liste der Abgeordneten des ersten ordentlichen Reichstags des Norddeutschen Bundes
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (1. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (2. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (3. Wahlperiode)
- Liste der Reichstagsabgeordneten des Deutschen Kaiserreichs (4. Wahlperiode)
- Liste der preußischen Landwirtschaftsminister
- Liste der Mitglieder des Preußischen Herrenhauses
Literatur
- Hellmuth Freiherr Lucius von Stoedten (Hrsg.): Bismarck-Erinnerungen des Staatsministers Freiherrn Lucius von Ballhausen. Cotta, Stuttgart / Berlin 1920.
- Karl Erich Born: Lucius von Ballhausen, Robert Freiherr. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 15, Duncker & Humblot, Berlin 1987, ISBN 3-428-00196-6, S. 278 f. (Digitalisat).
- Siegfried Hübschmann: Robert Lucius Freiherr von Ballhausen. In: Mitteldeutsche Lebensbilder, Band 2, Lebensbilder des 19. Jahrhunderts. Magdeburg 1927, S. 407–424.
- Die Mitglieder der Vandalia zu Heidelberg nach dem Stande vom 29. September 1935. o. O. (Berlin) o. J. (1936).
- Robert von Lucius: Die Erfurter Familie Lucius. In: Erfurter Heimatbrief, Nr. 37 (1978), S. 28–37.
- Robert von Lucius, Ulf Morgenstern (Hrsg.): Arzt und Abenteurer, Minister und Memoirenschreiber. Autobiographische Aufzeichnungen des Bismarck-Vertrauten Robert Lucius von Ballhausen. (= Friedrichsruher Beiträge, Band 48.) Otto-von-Bismarck-Stiftung, Friedrichsruh 2017, ISBN 978-3-933418-59-3.
Weblinks
- Lucius, Robert in der Datenbank der Reichstagsabgeordneten
- Biografie von Robert Freiherr Lucius-Ballhausen. In: Heinrich Best: Datenbank der Abgeordneten der Reichstage des Kaiserreichs 1867/71 bis 1918 (Biorab – Kaiserreich)
- Literatur von und über Robert Lucius von Ballhausen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
Einzelnachweise
- ↑ Literarische Spaziergänge durch Erfurt. Erfurt 2011, S. 73.
- 1 2 3 4 Autobiografie von 1921
- ↑ Kösener Corpslisten 1930, 73/211
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels, Band 68 (1978), S. 216.
- ↑ Vgl. jedoch die Auswertung der Handschrift des Tagebuchs durch Hans Goldschmidt. Siehe Quellensammlung zur Geschichte der deutschen Sozialpolitik 1867 bis 1914, I. Abteilung (1867–1881) Bd. 1 Nr. 213 Anm. 5, und II. Abteilung (1881–1890) Bd. 2.1, Nr. 21 Anm. 3 und Nr. 23.
- ↑ Genealogisches Handbuch des Adels, Band VIII (Band 113 der Gesamtreihe), Starke Verlag, Limburg 1997, ISBN 3-7980-0813-2, S. 79.
- ↑ A. Freiherr von Houwald: Brandenburg-Preußische Standeserhebungen und Gnadenakte für die Zeit 1873-1918. Görlitz 1939, S. 59.