Sebastião Ribeiro Salgado Júnior (* 8. Februar 1944 in Aimorés, Bundesstaat Minas Gerais) ist ein brasilianischer Fotograf, Fotoreporter und Umweltaktivist. Salgado gehört zu den sozial engagierten Fotografen in der Tradition der sozialdokumentarischen Fotografie. 2019 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet und ist damit erst der zweite Bildkünstler, der diese renommierte Auszeichnung erhält.

Leben

Salgado wuchs auf der Fazenda seiner Eltern auf. 1963 ging Sebastião Salgado zur Universität von São Paulo und studierte Wirtschaftswissenschaft bis 1967 (M.A.). Im selben Jahr heiratete er die Pianistin Lélia Deluiz Wanick. Sie engagierten sich in der linken Bewegung gegen die Militärdiktatur und waren mit Bekannten des Studentenführers und Revolutionärs Carlos Marighella befreundet. Nach ihrer Emigration im August 1969 nach Paris strebte er eine wirtschaftswissenschaftliche Dissertation an, während seine Frau an der Pariser Kunsthochschule ein Architekturstudium aufnahm.

Seit 1971 arbeitete Salgado als Verwaltungsangestellter für die Internationale Kaffeeorganisation (ICO) in London. Auf seinen Arbeitsreisen nach Afrika, häufig gemeinsam im Auftrag der Weltbank, machte er seine ersten Foto-Aufnahmen mit der Leica seiner Frau. Das Fotografieren begeisterte ihn so sehr, dass er sich 1973 als Fotojournalist selbständig machte und wieder zurück nach Paris zog.

Ab 1974 arbeitete er für die Foto-Agentur Sygma. Einige Monate lang bereiste er Portugal, Angola und Mosambik. Dann wechselte er 1975 zur Foto-Agentur Gamma und arbeitete an vielen Fotoreportagen meist über Afrika, Europa und Lateinamerika.

Salgado wurde 1979 in die angesehene Agentur Magnum Photos aufgenommen. Zufällig war er anwesend, als John Hinckley, Jr. am 30. März 1981 ein Attentat auf den US-Präsidenten Ronald Reagan verübte. Salgados Fotos von dem Anschlag brachten ihm Geld für seine Projekte.

Salgado dokumentiert in selbst ausgewählten weltweiten Langzeitprojekten über Jahre hinweg mittels Schwarzweißfotografien das Leben der Menschen vor allem am unteren Ende der Gesellschaft, insbesondere auch solchen aus der sogenannten Dritten Welt. Nach Jahren entstehen so umfangreiche Bildbände und beeindruckende Wanderausstellungen. Beispielsweise erarbeitete Salgado in den 1980er Jahren für die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zwei Fotobände und porträtierte dabei die hungernde Bevölkerung in der Sahel-Zone.

Berühmt geworden ist seine Fotoreportage von 1986 über freiwillig hart arbeitende Goldschürfer in der brasilianischen Goldmine Serra Pelada, deren Arbeitsbedingungen mittelalterlich anmuten. Für das New York Times Magazine fotografierte er im April 1991 die in Kuwait im zweiten Golfkrieg von Saddam Husseins Truppen in Brand gesetzten Ölquellen und die darauffolgenden Löscharbeiten. Für diese Arbeiten erhielt Salgado später den Oskar Barnack Award der World Press Photo Foundation. 1992 wurde Salgado in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. 1994 verließ er Magnum Photos und vermarktet mittlerweile seine Fotos durch seine Agentur Amazonas Images. Er fotografierte bislang meist mit Leica-Kameras, ist aber mittlerweile auf Canon-Kameras umgestiegen.

Von 2004 bis 2013 arbeitete Salgado am Projekt Genesis, bei dem er noch unberührte Landschaften und ihre Flora und Fauna dokumentierte. Nach neunjähriger Arbeit an diesem Projekt zeigte das Natural History Museum in London 2013 eine Auswahl von 250 Aufnahmen und veröffentlichte dazu einen großformatigen Bildband, der von seiner Frau konzipiert worden war.

Am 13. April 2016 wurde Salgado als Nachfolger von Lucien Clergue in die Académie des Beaux-Arts gewählt. 2019 wurde er als auswärtiges Ehrenmitglied in die American Academy of Arts and Letters gewählt.

Mit seiner Frau Lélia Deluiz Wanick hat er zwei Kinder, Juliano (* 1974) und Rodrigo (* 1981), der mit dem Down-Syndrom geboren wurde. Seine Frau gibt fast alle seine Bücher heraus und konzipiert einen Großteil der Ausstellungen. Sie leben in Paris.

Soziales und ökologisches Engagement

Salgado setzt sich gegen Abholzung ein. Er ließ in Brasilien auf der Bulcão Farm seiner Familie zweieinhalb Millionen Regenwaldbäume pflanzen, wodurch sich lokales Klima und Wasserhaushalt von der vorhergegangenen Versteppung wieder erholten. Das Gelände schenkte er dem brasilianischen Staat als Nationalpark. Salgado und seine Frau haben das Instituto Terra gegründet, das sich der Wiederaufforstung von gerodeten Wäldern sowie dem Naturschutz verpflichtet hat. Salgado unterstützt auch die Kampagne der Menschenrechtsorganisation Survival International zum Schutz der Awá-Indianer in Brasilien, die durch illegale Abholzung auf ihrem Gebiet bedroht sind.

Für seine Kooperation mit dem brasilianischen Bergbauunternehmen Vale als Sponsor seiner Genesis-Wanderausstellung wurde er international kritisiert. Salgado verteidigte das Sponsoring 2015 und erläuterte gegenüber Época in Bezug auf den Dammbruch von Bento Rodrigues: „Wir brauchen diese Unternehmen [wie Vale] in der Gesellschaft, in der wir leben. Ich bin mir ziemlich sicher, dass mein Auto aus Erz hergestellt wurde, das aus diesem Tal [am Rio Doce] kam.“ 2019 sagte Salgado im Rahmen seiner Ausstellung im Fotografiska, dass er seit dem letzten Sponsoring keine weitere Beziehung mehr zu Vale unterhalte. Ebenso kritisierte die taz seine Zusammenarbeit mit Illy als „nur eine als Kunst getarnte PR“ für den Espresso-Hersteller.

Ausstellungen (Auswahl)

  • Sebastião Salgado: Genesis. Natural History Museum, Waterhouse Gallery, London, 11. April – 8. September 2013.
  • Sebastião Salgado – Genesis. C/O Berlin, Berlin, 18. April – 16. August 2015.

Preise (Auswahl)

Werke

  • Arbeiter. Zur Archäologie des Industriezeitalters. Bildband. Aus dem Amerikanischen von Waltraud Götting, Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 1993, ISBN 978-3-86150-027-8.
  • Migranten. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2000, Bildband.
  • Kinder der Migration. Verlag Zweitausendeins, Frankfurt am Main 2000, Bildband.
  • Sebastião Salgado, Constantin von Barloewen: Das Gedächtnis der Welt. Gespräch. In: Lettre International, Ausgabe 50, Herbst 2000, S. 46–50.
  • The End of Polio. Dokumentation der UNICEF-Kampagne zur Bekämpfung der Kinderlähmung.
  • Photo Pocket. Edition Braus im Wachter Verlag, 2006, ISBN 978-3-89904-238-2.
  • Afrika. Taschen Verlag, Köln 2007, ISBN 978-3-8228-5621-5, Bildband.
  • Genesis. Trade Edition. Taschen Verlag, Köln 2013, ISBN 978-3-8365-4259-3, Bildband.
  • Duft der Träume – Reise in die Welt des Kaffees. Knesebeck, München 2015, ISBN 978-3-86873-884-1.
  • Sebastião Salgado. Kuwait. Eine Wüste in Flammen. Taschen, 2016, ISBN 978-3-8365-6125-9.
  • Children. Taschen, 2016, ISBN 978-3-8365-6136-5
  • Mit Isabelle Francq: Mein Land, unsere Erde. Nagel & Kimche, München 2019, ISBN 978-3-312-01152-0, (Autobiografie).
    • Französische Originalausgabe: De ma terre à la Terre. Presses De La Renaissance, Paris 2013.
  • Amazônia. Bildband. Verlag Taschen, Köln 2021, ISBN 978-3-8365-8511-8.

Literatur

  • Evelyn Runge: Glamour des Elends. Ethik, Ästhetik und Sozialkritik bei Sebastião Salgado und Jeff Wall. Böhlau 2012, ISBN 978-3-412-20726-7.

Filme

Commons: Sebastião Salgado – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Fotos

Einzelnachweise

  1. Carola Padtberg: „Das Grauen ästhetisiert“' In: Der Spiegel, 15. Juli 2019.
  2. Susanne Mayer: Wir sind auch nur Tiere. In: Die Zeit, 11. April 2013, Nr. 14, (Interview).
  3. Ana Clara GS: Sebastião Salgado • Biografia. In: TrabalhosFeitos, 21. März 2014 (brasilianisches Portugiesisch, nur Artikelanfang).
  4. Ale Bueno: Um olhar sobre Sebastião Salgado – Parte I. In: revistamixtape, (brasilianisches Portugiesisch), Teil 2.
  5. Sofia Cavedon: Título de Cidadão Emérito de Porto Alegre para Sebastião Salgado. In: sofiasubsidios.blogspot.co.at, 26. Januar 2014, Laudatio zur Verleihung der Ehrenbürgerschaft von Porto Alegre mit biografischen Angaben, (brasilianisches Portugiesisch).
  6. Sebastiao Salgado: Mein Land, unsere Erde. München 2019. S. 30.
  7. Sebastiao Salgado: Mein Land, unsere Erde. München 2019. S. 31. „Am Ende habe ich sie nie abgegeben, obwohl ich versuchte, vernünftig zu sein“, schreibt Salgado (S. 37).
  8. Sebastiao Salgado: Mein Land, unsere Erde. München 2019. S. 37.
  9. Sebastião Salgado: Sahel: the end of the road. Berkeley, CA 2004, ISBN 978-0-520-24170-1.
  10. Parvati Nair: A Different Light: the Photography of Sebastiao Salgado. Durham N.C. 2012, ISBN 978-0-8223-5031-6.
  11. Sebastião Salgado: When the Oil Fields Burned. In: New York Times, 8. April 2016.
  12. Videointerview: Photographer Sebastião Salgado presents his epic new monograph Kuwait: A Desert on Fire. In: Taschen Verlag / YouTube, 24. November 2016, 2:46 Min.
  13. 1992 Photo Contest, Oskar Barnack Award, Stories, Individual awards. In: World Press Photo Foundation, aufgerufen am 20. Oktober 2019.
  14. Amazonas Images
  15. Christof Haverkamp: Sebastiao Salgado – ein sehenswertes Porträt. In: Neue Osnabrücker Zeitung, 1. November 2014, aufgerufen am 20. Oktober 2019.
  16. Sebastiaõ Salgado, Isabelle Francq: Mein Land, unsere Erde: Autobiografie. Nagel & Kimche, 2019, ISBN 978-3-312-01153-7.
  17. Phil Coomes: Sebastiao Salgado’s Genesis project. In: BBC, 3. November 2011 (englisch, mit Fotostrecke).
  18. 1 2 Ausstellung: Sebastião Salgado: Genesis. (Memento vom 28. August 2013 im Internet Archive). In: Natural History Museum, 2013.
  19. Video: Genesis von Sebastião Salgado – Taschen Verlag. In: redaktion42 / YouTube, 16. Mai 2013, 7 Min.
  20. Pressemitteilung: Sebastião Salgado, Bruno Barbey et Jean Gaumy élus à l’Académie des beaux-arts. In: Académie des Beaux-Arts, 13. April 2016, (PDF; 631 kB).
  21. Neu gewählte Mitglieder 2019. American Academy of Arts and Letters, abgerufen am 30. Mai 2019 (englisch).
  22. Instituto Terra. In: institutoterra.org, (englisch)
  23. Paul Katzenberger: Wir sind auch nur Tiere. In: Süddeutsche Zeitung, 14. Juni 2013, abgerufen am 3. Juli 2013.
  24. Prominente unterstützen das bedrohteste Volk der Welt. In: Survival International, abgerufen am 3. Juli 2013.
  25. Claire Guillot, Nicolas Bourcier, Caroline Stevan: «Genesis», le paradis controversé de Sebastião Salgado. In: Le Temps, 6. Dezember 2013 (französisch).
  26. Claire Guillot, Nicolas Bourcier, Caroline Stevan: Sebastiao Salgado, liaisons dangereuses. In: Le Monde, 6. Dezember 2013 (französisch).
  27. Gavin Haines: The natural world, photographed by Sebastião Salgado – sponsored by a corporation that’s despoiling the Amazon. In: The Independent, 17. Juli 2013, (englisch).
  28. Sponsored by Vale, Sebastião Salgado’s Genesis exhibition opens in London. In: Vale, 4. November 2013, (englisch).
  29. Alice Vincent: Brazilian nature photography exhibition sponsored by mining company. In: The Daily Telegraph, 18. Juli 2013, (englisch).
  30. Cristina Grillo : Sebastião Salgado: “Essas empresas primam pela preocupação ecológica”. In: O Globo, 24. November 2015, (brasilianisches Portugiesisch).
  31. Sebastião Salgado hyllas och kritiseras – nu ställer han ut på Fotografiska. In: Dagens Nyheter, 12. September 2019, (schwedisch), nur Artikelanfang.
  32. Henrik Brandão Jönsson: Det är oroande att Sebastião Salgado får ställa ut på Fotografiska. In: Dagens Nyheter, 12. September 2019, (schwedisch), nur Artikelanfang.
  33. Brigitte Werneburg: Friedenspreis des Deutschen Buchhandels: Blick auf die einfachen Menschen. In: taz, 18. Juni 2019.
  34. Julia Schiller: C/O Berlin | Sebastião Salgado – Genesis. In: fotografie-in.berlin, 19. Mai 2015, aufgerufen am 20. Oktober 2019.
  35. Andreas Kilb: Ein Schimmern wie von poliertem Blei. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 6. Juni 2015.
  36. Der Preisträger 2019. (Memento des Originals vom 5. Juli 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. In: Börsenverein, aufgerufen am 20. Oktober 2019.
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