Der Fliegerhorst Werl war ein Militärflugplatz, der 1936 von der Luftwaffe der Wehrmacht eingeweiht wurde. Der nördlich von Werl neben der Justizvollzugsanstalt liegende Flugplatz wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von NATO-Streitkräften genutzt und schließlich 1994 aufgegeben. Nach dem Abriss der Anlagen befindet sich heute auf dem Areal das Gewerbegebiet KonWerl 2010.

Planung

Erste Erkundungen der topografischen Gegebenheiten fanden 1934 statt. Mitte des Jahres wurde das Bauvorhaben öffentlich bekanntgegeben. In der Bevölkerung fand sich einerseits wegen des zu erwartenden wirtschaftlichen Aufschwunges Zustimmung, andererseits Ablehnung bei den betroffenen Landwirten, die ihr Land am Melsterberg abgeben sollten. Sie sollten durch Entschädigung oder Landtausch abgefunden werden. Radio Luxemburg berichtete, dass die Nationalsozialisten einen Fliegerhorst sowohl in Werl als auch in Dortmund anlegen wollen. Diese Meldung wurde vorerst von Berlin dementiert. Im November 1934 wurde in der Villa Wulf unter der unverfänglichen Bezeichnung Deutsche Verkehrsfliegerschule Werl ein erstes Büro für den Baumeister Espenschied und seinen Stellvertreter Hörmann eingerichtet. Die Bauleitung wurde in einer neu errichteten Baracke in der Nähe der Scheidinger Straße untergebracht. Die Bauleitung bestand aus den Fachbereichen Hoch- und Tiefbau, Elektrik sowie technische Bereiche.

Bau

Baubeginn war im Januar 1935. Den Hoch- und Tiefbau übernahmen die Firmen Berger und Hitzbeck; Siemens lieferte die technische Ausstattung des Flugplatzes. Jeden Tag wurden vom Omnibusunternehmen Rosenkranz 1.000 Arbeiter aus Herne und Umgebung zur Baustelle gefahren. Auch in Werl gab es so gut wie keine Arbeitslosen mehr. Jeder Geeignete fand hier eine Beschäftigung. Gearbeitet wurde ohne Rücksicht auf die Witterungsverhältnisse bei Tag und Nacht in Schichten. Die Arbeiter konnten sich für wenig Geld aus einer Kantine versorgen, die von der Firma Wellhausen aus Wuppertal eingerichtet wurde.

Nach dem Planieren des Geländes wurde festgestellt, dass sich auf diesem ehemaligen Wiesengelände mit lehm- und tonhaltigem Untergrund das Regenwasser sammelte und nicht versickerte. In diesem Zustand war das Gelände nicht als Flugplatz zu verwenden. Es wurde beschlossen, das gesamte schon planierte Gelände um ca. 65 cm abzutragen. Bei diesen Arbeiten stieß man auf die Reste einer römischen Siedlung und es wurden Münzen aus dieser Zeit gefunden. Weiterhin wurden Scherben aus der Zeit der Bandkeramik geborgen.

Am 1. März 1935 wurde die Gründung der Luftwaffe offiziell bekanntgegeben und die Deutsche Verkehrsfliegerschule Werl am 1. April 1935 in Bauleitung Flugplatz Werl umbenannt. Mittlerweile waren etwa 1.500 Menschen hier beschäftigt. Um die weitläufige Fläche des Flugfeldes entstanden Flugzeughallen, eine Werft, Kasernenanlagen mit Truppenunterkünften, ein Exerzierplatz und Sportanlagen, die Waffenmeisterei sowie ein Kasino und etliche Nebengebäude. Diese Gebäude wurden durch ein zentrales Heizkraftwerk beheizt. Zum Schluss wurden betonierte Landebahnen angelegt. Es wurde nach dem damals neuesten Stand der Technik geplant und gebaut. Das kreisförmige Rollfeld war von einer betonierten Rollstraße umgeben, an der sieben Flugzeughallen und ein Schießstand zum Einschießen der Flugzeug-Bordwaffen lagen. Die beiden kegelförmigen Lande- und Startbahnen waren aus strategischen Gründen in Ost-West-Ausrichtung angelegt. Unter den Grasflächen des Rollfeldes waren vier Tanklager versteckt. Die Gesamtbaukosten lagen bei etwa vier Millionen Reichsmark.

Einweihung

Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wurde der Fliegerhorst am 7. April 1936 eingeweiht. Somit war Werl Garnisonsstadt. Die blau-grauen Uniformen der jungen Luftwaffensoldaten prägten für etliche Jahre das Stadtbild. Mit einer großen Parade marschierte die Fliegergruppe Werl des Jagdgeschwaders 134Horst Wessel“ in die aufwändig mit Blumen und Tannengrün geschmückte Stadt ein. Die Soldaten wurden am Stadteingang von BDM-Mädchen begrüßt und mit Blumen geschmückt. Erster Flugplatzkommandant war Major Theo Osterkamp, ein hochdekorierter Luftwaffenoffizier. Gegen 17:00 Uhr traf der Fliegergeneral Hans Halm ein und schritt zu den Klängen des Präsentiermarsches die Front der angetretenen Formationen ab. Bürgermeister Richard Klewer hielt eine Rede mit den üblichen Parolen der Zeit. Damit war der Fliegerhorst eingeweiht.

Einsatzbetrieb

Vier Wochen vor der offiziellen Eröffnung des Flughafens mussten die Flieger ihren ersten Auftrag ausführen. Der Einsatz führte in die Eifel, es sollten einmarschierende Landetruppen vor feindlichen Angriffen schützen. Zu Beginn war das Horst-Wessel-Geschwader mit Maschinen der Typen Arado Ar 65 und Ar 68 ausgerüstet. Die Flugzeuge einer Staffel waren von eins bis zwölf nummeriert, die Traditionsfarbe des Geschwaders war braun. Die einsitzigen Arado-Flugzeuge waren jeweils mit zwei synchronisierten Maschinengewehren MG 17 bewaffnet.

Für die Schießausbildung war ein Schießplatz an der etwa vier Kilometer entfernten Neheimer Straße gebaut worden. Hier wurde mit Pistole, Karabiner und Maschinengewehr auf Figuren oder Scheiben geschossen.

In den späteren Kriegsjahren wurden in der Flugzeugwerft mehr und mehr Maschinen auch nicht hier stationierter Verbände repariert und die Bordwaffen auf dem Schießstand eingeschossen. Etliche Nachtjäger wurden in Werl mit dem „Lichtenstein“-Radargerät ausgerüstet.

Der Fliegerhorstkommandantur war eine Musikkapelle mit etwa 25 Musikern unterstellt. Diese spielte auf Militär- und Parteiveranstaltungen. Auch viele Unterhaltungskonzerte für die Bevölkerung wurden gegeben.

Der Fliegerhorst hatte die Feldpostnummer 02446. Er trug den Decknamen "Wagenrad".

Scheinflughafen und Scheinindustrieanlage

Von den Soldaten des Fliegerhorstes Werl war zwischen Einecke und Klotingen hölzerne Flugzeugattrappen aufgestellt worden, um feindlichen Bomberverbänden einen Flugplatz vorzugaukeln. Als Bediener dieser Anlage waren sechs Soldaten erforderlich, die sich bei Luftangriffen in einem eigens gebauten Bunker schützen konnten.

Auf der Haarhöhe, westlich von Ruhne, waren zehn Holzhallen von 10 m × 20 m Größe aufgebaut. Bei Fliegeralarm wurden hier Schweißarbeiten und ein Hochofenabstich simuliert, um angreifende Verbände zu täuschen. Eine ähnliche Scheinanlage stand vor Schlückingen westlich vom Werler Forsthaus. Am 13. Juni 1941 griffen 15 britische Bomber den Scheinflughafen Ruhne-Waltringen an und warfen über 1.200 Brand- und Sprengbomben ab. Nur ein Bauernhof in Ruhne brannte ab, aber Menschen wurden nicht verletzt oder getötet.

Stationierte Einheiten

Folgende Verbände waren auf dem Platz stationiert:

Verband Beginn Ende Bemerkung
II./JG 134 1.04.1936 1.11.1938 mit Arado Ar 65 und Arado Ar 68
I./JG 142 1.11.1938 1.01.1939 mit Messerschmitt Bf 109
II./ZG 142 1.01.1939 1.05.1939 mit Messerschmitt Bf 109
II./ZG 26 1.05.1939 1.10.1939 mit Messerschmitt Bf 109
III./JG 26 23.09.1939 1.11.1939 mit Messerschmitt Bf 109
II./JG 26 1.11.1939 27.01.1940 mit Messerschmitt Bf 109
I./KG 77 10.1939 6.1940 mit Dornier Do 17
I./KG 54 18.05.1940 30.05.1940 mit Heinkel He 111
I./KG 54 30.05.1940 10.06.1940 mit Junkers Ju 88
Stab/SKG 210 5.1941 6.1941 mit Messerschmitt Bf 110
II./SKG 210 5.1941 6.1941 mit Messerschmitt Bf 110
Stab/SG 1 13.01.1942 2.05.1942 mit Messerschmitt Bf 109E
I./SG 1 15.03.1942 1.05.1942 mit Messerschmitt Bf 109
II./KG 2 7.09.1944 14.09.1944 mit Dornier Do 217E und Dornier Do 217K

Für die Blindflugschule I war der Flugplatz bis 1945 einer der Außenlandeplätze.

Flughafen-Bereichskommando

Das Flughafen-Bereichskommando Werl wurde am 1. Juli 1939 in Werl aufgestellt und am 30. März 1941 in Flughafen-Bereichskommando 2/VI umbenannt. Es unterstand dem Luftgau-Kommando VI, ab 1943 dem Feld-Luftgau-Kommando XXVIII Treviso. Es führte folgende Einheiten:

Großflugtage

Auf dem Fliegerhorst wurden regelmäßig Großflugtage veranstaltet, die in der Bevölkerung zur Werbung für die Luftwaffe dienten.

Trivia

Andreas Wessel, einer der Piloten des Werler Fliegerhorstes, flog auf Grund einer Bierwette mit seiner Arado 62 in Schräglage zwischen den beiden Türmen der Wallfahrtsbasilika hindurch. In diesem Moment verließen die Besucher des Hochamtes die Kirche. Sie warfen sich in der Annahme, dies sei ein Luftangriff, schreiend auf den Boden. Wessel wurde mit einem Flugverbot auf Zeit und drei Wochen Arrest bestraft. Er hatte auch die Angewohnheit, seine schmutzige Wäsche über dem Haus seiner Mutter in Voßwinkel abzuwerfen. Überliefert ist auch ein waghalsiges Flugmanöver, bei dem er in Wickede die Ruhrbrücke unterflog.

Aufgabe des Fliegerhorstes

Mitte April 1945 wurde der Flugplatz von der deutschen Luftwaffe aufgegeben und verlassen, letzter Kommandeur war Major Bode. Kurz nachdem dies in der Bevölkerung bekannt worden war, strömten die Bewohner in Scharen mit Pferdewagen, Karren und Handwagen dorthin und plünderten die Anlage. Die Lager waren teilweise voll mit Wolldecken, Töpfen, Porzellan und Fallschirmseide. In den Vorratskellern waren Lebensmittel aller Art gelagert, in kurzer Zeit wurde alles gestohlen.

Besatzungszeit

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs übernahmen die belgische und amerikanische Armee das Gelände von Airfield B.157, so die alliierte Codebezeichnung des Flugplatzes. Die Belgier stationierten das 18. Logistikbataillon (Batailjon Logistiek) und die 4. Instandsetzungskompanie (Compagnie Materieel). Auf dem Gelände wurde als Notkirche die Fatima-Kapelle gebaut.

Die Amerikaner mit dem 4th U.S. Army Field Artillery Detachment (USAFAD) nutzten ein Kasernengebäude und richteten ein Nuklearwaffenlager, eine Raketenstation sowie einen Sendeturm auf dem Gelände ein.

Am 19. Juni 1956 wurde das 17. (BE) Escadrille Licht Vliegwezen auf Werl stationiert als Teil der 1. BE Infanterie Abteilung. Kapitein Buory war der erste Kommandant dieser neuen Einheit. Die Staffel flog mit Hubschraubern vom Flugplatz Werl, der sich im Nordwestteil des ehemaligen Fliegerhorst-Areals befand. Der Platz hatte den ICAO-Code EDCW und verfügte in den 1980er Jahren über eine 544 m lange Graspiste mit der Ausrichtung 04/22.

Teilabriss und neue Nutzung

Das Gelände wurde 1994 von den Amerikanern und Belgiern aufgegeben. Heute befindet sich dort das Gewerbegebiet und Kompetenzzentrum KonWerl 2010.

Literatur

  • Helmuth Euler (Hrsg.): Werl unterm Hakenkreuz. Brauner Alltag in Bildern, Texten, Dokumenten. 2. Auflage, Foto-Studie Euler, Werl 1984, S. 208.
  • Amalie Rohrer, Hans Jürgen Zacher (Hrsg.): Werl. Geschichte eine westfälischen Stadt. Band 1, Bonifatius Druck Buch Verlag, Paderborn 1994, ISBN 3-87088-844-X.
Commons: Fliegerhorst Werl – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Karl Ries: Fliegerhorste und Einsatzhäfen der Luftwaffe. Planskizzen 33-45. Stuttgart 1993.
  2. Matthias Koprek: Ortsporträt Ruhne: Dorfidyll rund um den Glockenturm. Woll, Ausgabe Arnsberg, Sundern und Ense, Frühling 2021: S. 64–65.
  3. http://www.geschichtsspuren.de/forum/viewtopic.php?t=4300&sid=3607e86d203c39cf4cbfcb7e06e58c9c
  4. 700 Jahre Stadt Werl. Werden, Wachsen und Schicksale einer westfälischen Stadt am Hellweg. Stadt Werl, Werl 1972, S. 34.
  5. Schaffung der neuen Light Aviation Escadrille 17 mit Standort Werl. Abgerufen am 18. Dezember 2019 (niederländisch).
  6. Flugplatz Werl. Abgerufen am 22. Juli 2020.

Koordinaten: 51° 34′ 7,2″ N,  54′ 58,1″ O

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