Der Landkreis Schlochau, bis 1939 Kreis Schlochau, war ein preußischer Landkreis, der zwischen 1818 und 1945 bestand. Er gehörte größtenteils zu dem Teil von Westpreußen, der nach dem Ersten Weltkrieg im Deutschen Reich verblieb und zur Grenzmark Posen-Westpreußen kam sowie von 1938 bis 1945 zur Provinz Pommern gehörte. Heute liegt das ehemalige Kreisgebiet in der polnischen Woiwodschaft Pommern.

Verwaltungsgeschichte

Das Gebiet des Kreises Schlochau kam durch die erste polnische Teilung 1772 zu Preußen und gehörte bis 1818 zum Kreis Konitz, der seinerzeit den gesamten südlichen Teil von Pommerellen umfasste. Durch die preußische Provinzialbehörden-Verordnung vom 30. April 1815 und ihre Ausführungsbestimmungen kam das Gebiet zum neuen Regierungsbezirk Marienwerder der neuen Provinz Westpreußen. Im Rahmen einer umfassenden Kreisreform im Regierungsbezirk Marienwerder wurde zum 1. April 1818 der neue Kreis Schlochau gebildet. Er umfasste die Stadt und das Amt Schlochau, die Stadt und die Intendantur Baldenburg, die Städte Hammerstein, Preußisch Friedland und Landeck, 31 Ortschaften des Amtes Friedrichsbruch und 97 adlige Güter. Sitz des Landratsamtes des neuen Kreises wurde die Stadt Schlochau.

Vom 3. Dezember 1829 bis zum 1. April 1878 waren Westpreußen und Ostpreußen zur Provinz Preußen vereinigt, die seit dem 1. Juli 1867 zum Norddeutschen Bund und seit dem 1. Januar 1871 zum Deutschen Reich gehörte.

Am 20. November 1919 wurde der Kreis Schlochau dem neuen Verwaltungsbezirk Grenzmark Westpreußen-Posen mit Sitz in Schneidemühl unterstellt. Zum 1. Dezember 1919 wurden die Gutsbezirke Klein Jenznick, Mankau und Platendienst des Kreises Konitz in den Kreis Schlochau umgegliedert. Diese Gutsbezirke waren Exklaven des Kreises Konitz, dessen Hauptgebiet an Polen fiel. Mit Inkrafttreten des Versailler Vertrags am 10. Januar 1920 musste ein größerer Gebietsteil im Nordosten des Kreises Schlochau, der mehrheitlich von Polen bewohnt war, an Polen abgetreten werden.

Zum 11. Januar 1921 wurde der Verwaltungsbezirk „Grenzmark Westpreußen-Posen“ in „Grenzmark Posen-Westpreußen“ umbenannt. Am 1. Juli 1922 wurde aus dem Verwaltungsbezirk die neue Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen gebildet. Deckungsgleich mit der Provinz wurde am 1. August 1922 der neue Regierungsbezirk Schneidemühl gebildet. Zum 30. September 1929 fand im Kreis Schlochau wie im übrigen Freistaat Preußen eine Gebietsreform statt, bei der alle Gutsbezirke bis auf zwei aufgelöst und benachbarten Landgemeinden zugeteilt wurden. Am 1. Oktober 1938 wurde der Kreis Schlochau nach der Auflösung der Provinz Grenzmark Posen-Westpreußen in die Provinz Pommern eingegliedert. Der Regierungsbezirk Schneidemühl erhielt aus Traditionsgründen die Bezeichnung „Grenzmark Posen-Westpreußen“. Zum 1. Januar 1939 erhielt der Kreis Schlochau entsprechend der jetzt reichseinheitlichen Regelung die Bezeichnung Landkreis.

Im Frühjahr 1945 wurde das Gebiet des Landkreises Schlochau von der Roten Armee besetzt. Nach Kriegsende wurde das Kreisgebiet im Sommer 1945 seitens der sowjetischen Besatzungsmacht der Volksrepublik Polen zur Verwaltung unterstellt. Im Kreis Schlochau begann danach die Zuwanderung von Polen, die vorwiegend aus Gebieten östlich der Curzon-Linie stammten. In der Folgezeit wurde die einheimische Bevölkerung aus dem Kreis vertrieben.

Bevölkerung

Im Folgenden eine Übersicht mit Angaben zu Einwohnerzahl, Konfessionen und Sprachgruppen:

Jahr18211831185218611871189019001910192519331939
Einwohner 27.41532.61148.41354.82160.38364.94666.07767.15757.18456.48255.110
Evangelische
Katholiken
Juden
15.284
11.191
940
18.477
13.067
1.067
27.418
19.508
1.458
31.100
21.957
1.656
33.873
24.789
1.618
34.888
28.549
1.462
35.071
29.935
1.040
34.212
32.180
694
34.829
21.601
500
33.666
22.313
412
33.102
21.394
136
deutschsprachig
zweisprachig
polnischsprachig
 27.371
-
5.240
42.021
-
6.392
54.821
-
7.130
 56.224
-
8.717
56.452
194
9.425
56.648
582
9.906

Politik

Landräte

1818–1831Karl Gottlob Lesse
1833–1847Julius Kummer (* 1804)
1847–1851Karl Passarge
1851–1852Hermann von Besser
1852–1860Ottomar Runge
1860–1861Eduard von Young (1815–1886) (kommissarisch)
1861–1865Oskar von Joeden-Koniecpolski († 1901)
1865–1875Karl von Oven (1824–1907)
1875–1881Viktor von Tepper-Laski (1844–1905)
1881–1888Wilhelm Scheffer (1844–1898)
1888–1899Georg Kersten
1899–1920Albrecht von Mach
1920Heidsieck
1920–1921Wilhelm Happ (kommissarisch)
Anton Rick
1923–1933Kurt Jüllig (1885–1971)
1933Fritz Coester (* 1893) (kommissarisch)
1933–1935Karl Schröder (* 1897)
1935–1940Udo von Alvensleben (1895–1970)
1940–Ernst Günther

Kommunalverfassung

Der Landkreis Schlochau gliederte sich in Städte, in Landgemeinden und – bis zu deren nahezu vollständiger Auflösung im Jahre 1929 – in selbstständige Gutsbezirke. Mit Einführung des preußischen Gemeindeverfassungsgesetzes vom 15. Dezember 1933 sowie der Deutschen Gemeindeordnung vom 30. Januar 1935 wurde zum 1. April 1935 das Führerprinzip auf Gemeindeebene durchgesetzt. Eine neue Kreisverfassung wurde nicht mehr geschaffen; es galt weiterhin die Kreisordnung für die Provinzen Ost- und Westpreußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen vom 19. März 1881.

Wahlen

Im Deutschen Reich bildete der Kreis Schlochau zusammen mit dem Kreis Flatow den Reichstagswahlkreis Marienwerder 7. Der Wahlkreis wurde in der Regel von konservativen Kandidaten gewonnen.

Amtsbezirke, Städte und Gemeinden

Amtsbezirke

Die Landgemeinden des Kreises waren in den 1930er Jahren in 23 Amtsbezirke gegliedert. Die Städte des Kreises waren amtsfrei.

  • Barkenfelde
  • Bischofswalde
  • Eickfier
  • Eisenbrück
  • Firchau
  • Flötenstein
  • Grabau
  • Hammerstein
  • Krummensee
  • Landeck
  • Lichtenhagen
  • Loosen
  • Mossin
  • Neuguth
  • Peterswalde
  • Pollnitz
  • Prechlau
  • Sampohl
  • Schönau
  • Starsen
  • Stegers
  • Stolzenfelde
  • Zanderbrück

Städte und Gemeinden

Zum Ende seines Bestehens im Jahr 1945 umfasste der Landkreis Schlochau fünf Städte und 71 weitere Gemeinden:

  • Baldenburg, Stadt
  • Bärenwalde
  • Barkenfelde
  • Bergelau
  • Bischofswalde
  • Bölzig
  • Breitenfelde
  • Briesnitz
  • Buchholz
  • Christfelde
  • Damerau
  • Damnitz
  • Darsen
  • Demmin
  • Deutsch Briesen
  • Dickhof
  • Domslaff
  • Eickfier
  • Eisenbrück
  • Lanken
  • Lichtenhagen
  • Lissau
  • Loosen
  • Marienfelde
  • Mossin
  • Neuguth
  • Neuhof
  • Niesewanz
  • Pagdanzig
  • Pagelkau
  • Penkuhl
  • Peterswalde
  • Platzig
  • Pollnitz
  • Prechlau
  • Prechlauermühl
  • Preußisch Friedland, Stadt
  • Prützenwalde
  • Richenwalde
  • Richnau
  • Rittersberg
  • Rosenfelde
  • Ruthenberg
  • Sampohl
  • Schlochau, Stadt
  • Schönau
  • Schönberg
  • Semnitz
  • Starsen
  • Stegers
  • Steinborn
  • Steinforth
  • Stolzenfelde
  • Stremlau
  • Stretzin
  • Wehnershof
  • Woltersdorf

Zum Kreis gehörten außerdem die beiden gemeindefreien Gutsbezirke Forst Landeck und Schlochauer Heide.

Aufgelöste oder ausgeschiedene Gemeinden

  • Adlig Briesen, 1920 zu Polen
  • Borczyskowo, 1920 zu Polen
  • Glisno, 1920 zu Polen
  • Groß Konarczyn, 1920 zu Polen
  • Grünchotzen, 1920 zu Polen
  • Heidemühl, 1920 zu Polen
  • Kaldau, 1923 zur Stadt Schlochau
  • Kelpin, 1920 zu Polen
  • Kiedrau, 1920 zu Polen
  • Klein Konarczyn, 1920 zu Polen
  • Liepnitz, 1920 zu Polen
  • Lonken, 1920 zu Polen
  • Lubon, 1920 zu Polen
  • Mellno, 1920 zu Polen
  • Ossusnitza, 1920 zu Polen
  • Ostrowitt, 1920 zu Polen
  • Prondzonka, 1920 zu Polen
  • Prondzonna, 1920 zu Polen
  • Sobczyn, 1920 zu Polen
  • Woysk, 1920 zu Polen

Verkehr

Der Kreis Schlochau wurde seit 1871 im Süden von der Preußischen Ostbahn Berlin – Königsberg durchzogen >115.0<. In den Jahren 1877/78 kamen dann die Staatsbahnstrecken Konitz – Schlochau – Neustettin mitten durch den Kreis und Rummelsburg – Neustettin ganz im Westen hinzu >111.j+u<.

Der Nordostteil erhielt erst 1902 die Verbindung Reinfeld – Schlochau >111.x<. Nachdem der Bahnknoten Konitz an Polen gefallen war, verband die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1926 die Kreisstadt mit Firchau an der Ostbahn >111.j²<.

(Die Zahlen in >< beziehen sich auf das Deutsche Kursbuch 1939).

Literatur

  • Königlich Preußisches Statistisches Landesamt: Gemeindelexikon der Regierungsbezirke Allenstein, Danzig, Marienwerder, Posen, Bromberg und Oppeln. Auf Grund der Volkszählung vom 1. Dezember 1910 und anderer amtlicher Quellen. Berlin 1912, Heft III: Regierungsbezirk Marienwerder, S. 52–59 (Google Books).
  • Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage, Band 2, Berlin 1874, S. 55–56, Ziffer 11 (Google Books).
  • Königliches Statistisches Bureau: Die Gemeinden und Gutsbezirke der Provinz Preussen und ihre Bevölkerung. Nach den Urmaterialien der allgemeinen Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt. Berlin 1874, S. 482–491 (Google Books).
  • Adler: Der Kreis Schlochau. In: Neue Preußische Provinzial-Blätter. Andere Folge, Band 1, Königsberg 1852, S. 120–125 (Google Books).
  • Emil Jacobson: Topographisch-statistisches Handbuch für den Regierungsbezirk Marienwerder, Danzig 1868, S. 126–147 (Google Books).
  • Michael Rademacher: Provinz Pommern – Landkreis Schlochau. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  • Gunthard Stübs und Pommersche Forschungsgemeinschaft: Der Kreis Schlochau in der ehemaligen Provinz Pommern (2011).
  • Manfred Vollack, Heinrich Lemke: Der Kreis Schlochau – Ein Buch aus preußisch-pommerscher Heimat. Kiel 1974, ISBN 3-9800051-1-9.
  • A. C. A. Friedrich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neu-Polens. Berlin 1839, S. 615.

Einzelnachweise

  1. Johann Friedrich Goldbeck (Hrsg.): Volständige Topographie des Königreichs Preussen. Band 2. Marienwerder 1789, S. 70 ff. (Digitalisat).
  2. Max Töppen: Historisch-comparative Geographie von Preussen. Justus Perthes, Gotha 1858, S. 354 (Digitalisat).
  3. Gustav Neumann: Geographie des Preußischen Staats. 2. Auflage. Band 2. Berlin 1874, Kreis Schlochau, S. 55–56 (Digitalisat).
  4. Der Friedensvertrag nebst Ausführungsgesetzen. Reimar Hobbing, Berlin 1921, Beschreibung der neuen deutsch-polnischen Grenze, S. 16 ff. (Digitalisat).
  5. Leszek Belzyt: Sprachliche Minderheiten im preußischen Staat 1815–1914. Marburg 1998, S. 111.
  6. Der Große Brockhaus. 15. Auflage. Sechzehnter Band, Leipzig 1933, S. 745.
  7. 1 2 Michael Rademacher: Kreis Schlochau. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  8. Datenbank der Reichstagsabgeordneten (Memento des Originals vom 6. Januar 2015 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  9. Siegreiche Kandidaten bei den Reichstagswahlen im Wahlkreis Flatow–Schlochau
  10. Informationssystem Pommern: Kreis Schlochau (Memento des Originals vom 20. Februar 2013 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
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