Der XVII. Große Preis von Frankreich (XVII Grand Prix de l’Automobile Club de France) fand am 2. Juli 1923 auf dem Circuit de Tours in Tours in Frankreich statt. Es handelte sich dabei um einen klassischen Dreieckskurs auf öffentlichen Landstraßen mit einer Rundenlänge von 22,83 km, was bei 35 zu fahrenden Runden einer Gesamtdistanz von 799,07 km entsprach – somit etwas weniger als die eigentlich von den Regularien geforderten 800 km Mindestdistanz.

Sieger wurde Henry Segrave auf Sunbeam, es war der erste und für Jahrzehnte einzige Grand-Prix-Erfolg eines britischen Fahrers auf einem britischen Fabrikat.

Rennen

Obwohl die Internationale Grand-Prix-Formel mit der Begrenzung der Motoren auf 2 Liter und dem Mindestgewicht der Wagen von 650 kg aus dem Vorjahr beibehalten wurde, erschienen in diesem Jahr zahlreiche Neukonstruktionen. Die durchschlagendste Neuerung präsentierten dabei die Fiat-Werke, deren Team zum ersten Mal im Grand-Prix-Sport mit Rennwagen mit Kompressormotoren antrat. Der Reihenachtzylinder im neuen Fiat 805/405 erreichte hierdurch einen eklatanten Leistungsvorsprung gegenüber der gesamten Konkurrenz, der auch durch alle theoretisch vorhandenen aerodynamischen und konstruktionsbedingten Vorteile der für damalige Verhältnisse revolutionär wirkenden Stromlinienmodelle von Bugatti und Voisin nicht kompensiert werden konnte. Die weitgehend konventionell gestalteten Rennwagen von Rolland-Pilain und Sunbeam bewegten sich dagegen noch weitgehend auf dem technologischen Stand des Vorjahres. Bei Sunbeam war man sogar so weit gegangen, Fiat-Personal abzuwerben, um eine Kopie des im Vorjahr so erfolgreichen Modells Fiat 804 auf die Räder zu stellen. Unter allen Konkurrenten wäre jedoch lediglich Delage mit dem neuartigen V12-Motor im Modell Type 2 LCV in der Lage gewesen, in die Nähe der Leistungswerte von Fiat zu kommen. Die Entwicklung dieses extrem komplexen Hochleistungsaggregats war jedoch noch nicht abgeschlossen, so dass das einzige zu diesem Zeitpunkt verfügbare Exemplar noch von Kinderkrankheiten ausgebremst wurde.

Wie bei Straßenrennen mittlerweile üblich, wurde das Rennen mit einem gemeinsamen rollenden Start eröffnet, bei dem die Startaufstellung zuvor ausgelost worden war. Fiats Spitzenfahrer Pietro Bordino nutzte auf der schnellen, aber schmalen und staubigen Strecke seine günstige Startposition aus der zweiten Reihe und die Mehrleistung seines Wagens, um aus der Startrunde als Erster zurückzukommen. Mit bereits 41 Sekunden Rückstand folgten dahinter Kenelm Lee Guinness auf Sunbeam und der Delage-Fahrer René Thomas vor Bordinos beiden Teamkollegen Enrico Giaccone und Carlo Salamano, die sich beide bereits aus dem Mittelfeld nach vorne gearbeitet hatten. Während der Delage von Thomas frühzeitig von Überhitzungsproblemen zurückgeworfen wurde, hatte Bordino seine Führung sogar schon auf knapp vier Minuten ausgebaut, als er seinen Rennwagen in der achten Runde mit Motorschaden zur Seite stellen musste. Man hatte es bei Fiat versäumt, die Lufteinlässe der Wagen ausreichend zu schützen, so dass über den Kompressor zu viel Staub und Fremdkörper eingesaugt worden waren. Guinness, der sich bis dahin vor den beiden Fiat-Fahrern hatte behaupten können, kam hierdurch vorübergehend in Führung, fiel dann jedoch im Anschluss an seinen Boxenstopp in der elften Runde mit nachlassender Kupplung auf eine Mittelfeldposition zurück. In Folge entwickelte sich der Grand Prix zu einem regelrechten Ausscheidungsrennen, dem schließlich nacheinander auch die beiden jeweils souverän in Führung liegenden Fiat von Giaccone und Salamano – mit demselben Defekt wie bei ihrem Teamkollegen – zum Opfer fielen. Auch der Sunbeam-Fahrer Albert Divo, der zwischendurch aufgrund der Tanksopps sogar kurze Zeit vor Salamanos Fiat in Front gelegen hatte, konnte vom Totalausfall des Fiat-Teams nicht profitieren, weil er aufgrund eines verklemmten Tankdeckels jede Runde anhalten musste, um den kleinen Reservetank seines Wagens aufzufüllen. So fiel der Sieg schließlich seinem Stallgefährten Henry Segrave zu, der zu Beginn des Rennens ebenfalls noch von Kupplungsproblemen eingebremst worden war, diese aber im Verlauf des Rennens dann wieder in den Griff bekommen hatte. Es war dies der erste und bis 1955 einzige Erfolg eines britischen Fahrers auf einem zumindest nominell britischen Fabrikat – Sunbeam war Teil des französisch-britischen S.T.D.-Konzerns – bei einem internationalen Grand Prix. Komplettiert wurde der Erfolg noch durch Divo und Guinness, die trotz der Probleme mit ihren Wagen noch auf dem zweiten und vierten Rang über die Linie gefahren waren. Sunbeam war damit auch das einzige Team, das am Ende alle Wagen ins Ziel gebracht hatte.

Ganz enttäuschend dagegen war das auch Abschneiden der übrigen französischen Teilnehmer. Weder Bugatti noch Voisin hatten mit ihren extrem futuristisch anmutenden Stromlinienrennwagen aufgrund schlechter Straßenlage und mangelnder Motorleistung ernsthaft in das Renngeschehen an der Spitze eingreifen können und mussten sich mit einem dritten Platz des Bugatti-Fahrers Ernest Friederich und dem fünften und letzten Platz des weit abgeschlagenen André Lefebvre – der als Konstrukteur der Voisin-Rennwagen auch selbst einen der Wagen im Rennen gesteuert hatte – zufriedengeben.

Ergebnisse

Meldeliste

Team Nr. Fahrer Info Chassis Motor Reifen
 Automobiles Delage 1  René Thomas Delage Type 2 LCV Delage 2.0L V12 M
 Sunbeam-Talbot-Darracq Motors 2  Kenelm Lee Guinness Sunbeam GP Sunbeam 2.0L I6
7  Albert Divo
12  Henry Segrave
 SA des Établissements Rolland-Pilain 3  Albert Guyot Rolland-Pilain A22 Rolland-Pilain 2.0L I8
13  Victor Hémery
8  Jules Goux DNSa Schmid 2.0L I6
 Fiat SpA 4  Pietro Bordino Fiat 805/405 Fiat Type 405 2.0L I8 Kompressor P
8  Enrico Giaccone
14  Carlo Salamano
 SA des Aéroplanes G. Voisin 5  Arthur Duray Voisin C6 Laboratoire Voisin 2.0L I6
10  André Lefèbvre
15  Henri Rougier
17  André Morel
 Automobiles E. Bugatti 6  Ernest Friederich Bugatti T32 „Tank“ Bugatti 2.0L I8 M
11  Pierre de Vizcaya
16  Pierre Marco
18  Bertrand Prince de Cystria
a 
Wegen Motorschaden nicht zum Start angetreten.

Startformation

Die Startpositionen wurden in der Reihenfolge der zuvor teamweise zugelosten Startnummern besetzt. Der Start erfolgte fliegend.

 Thomas Lee Guinness
 Guyot Bordino
 Duray Friderich
 Divo Giaccone
 Lefèbvre de Vizcaya
 Segrave Hémery
 Salamano Rougier
 Marco Morel
 de Cystria

Rennergebnis

Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund
1  Henry Segrave  Sunbeam 35 6:35:19,600 11
2  Albert Divo  Sunbeam 35 + 19:06,200 7
3  Ernest Friederich  Bugatti 35 + 25:02,800 6
4  Kenelm Lee Guinness  Sunbeam 35 + 26:43,400 2
5  André Lefèbvre  Voisin 35 + 1:15:09,600 9
 Carlo Salamano  Fiat 32 DNF 13 Kompressorschaden
 Albert Guyot  Rolland-Pilain 28 DNF 3 Ölpumpe
 Arthur Duray  Voisin 24 DNF 5 Ausfall
 Henri Rougier  Voisin 19 DNF 14 Ausfall
 Enrico Giaccone  Fiat 18 DNF 8 Kompressorschaden
 Pietro Bordino  Fiat 8 DNF 4 9:36,000 Kompressorschaden
 André Morel  Voisin 7 DSQ 16
 Bertrand Prince de Cystria  Bugatti 6 DNF 7 Ausfall
 René Thomas  Delage 6 DNF 1 Leck im Kraftstofftank
 Victor Hémery  Rolland-Pilain 6 DNF 12 defekte Ölpumpe
 Pierre Marco  Bugatti 3 DNF 15 Ausfall
 Pierre de Vizcaya  Bugatti 0 DNF 10 Unfall
Commons: Großer Preis von Frankreich 1923 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den "großen" Stadt-zu-Stadt-Rennen der Anfangsjahre zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt. Diese Nummerierung wurde auch nach der 1968er Umbenennung des Grand Prix de l'ACF zum Grand Prix de France durchgängig weiter fortgeführt.
This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.