Der XXIV. Große Preis von Frankreich (XXIV Grand Prix de l’Automobile Club de France) fand am 21. September 1930 auf einem Dreiecks-Rundkurs über öffentliche Straßen bei Pau in Frankreich statt. Obwohl als Grande Épreuve eingestuft und zunächst als Lauf zur Automobilweltmeisterschaft vorgesehen, wurde die Ausschreibung später geändert und das Rennen nach der sogenannten Freien Formel ausgetragen, bei der es bis auf eine geforderte Mindestgröße der Motoren von 1,1 Litern Hubraum im Prinzip keinerlei Teilnahmebeschränkungen für Wagen und Fahrer gab. Das Rennen wurde über 25 Runden à 15,835 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 395,88 km entsprach.

Sieger des Rennens wurde der Franzose Philippe Étancelin mit einem privat gemeldeten Bugatti Type 35C. Bemerkenswert war auch der zweite Platz des Briten Sir Henry Birkin auf einem 4,5-Liter-Bentley mit Kompressor, bei dem es sich um einen in Renntrim gebrachten, im Prinzip straßentauglichen Tourenwagen handelte.

Rennen

Als Austragungsort des Grand Prix de l’ACF für 1930 wurde zum ersten Mal die Stadt Pau im Südwesten Frankreichs bestimmt, die bereits auf eine lange Motorsporttradition zurückblicken konnte. Unter anderem war hier 1901 überhaupt das erste Automobilrennen ausgetragen worden, bei dem dem Sieger ein Preis unter dem Titel Grand Prix verliehen wurde.

Das Rennen von 1930 wurde noch nicht auf dem später bekannten Innenstadtkurs, sondern auf einem speziell dafür eingerichteten Dreieckskurs auf öffentlichen Straßen außerhalb der Stadt durchgeführt, der trotz seiner Bezeichnung als Grand Circuit permanent de Pau nur für diese eine Veranstaltung verwendet wurde.

Wie alle Grandes Épreuves sollte das Rennen ursprünglich nach der obligatorischen Internationalen Rennformel ausgetragen werden, die im Wesentlichen ein Verbrauchslimit von 14 kg Betriebsstoffen (Benzin und Öl) pro 100 gefahrene Rennkilometer bei ansonsten vorgegebenen Mindestabmessungen von 1,1 Litern Hubraum, 900 kg Wagengewicht und 100 cm Wagenbreite beinhaltete. Ebenso war es ursprünglich auch als Lauf zur Markenweltmeisterschaft für Automobile vorgesehen, die in dieser Saison trotz zweier zuletzt gescheiterter Versuche noch einmal ausgeschrieben worden war.

Nachdem jedoch bis drei Monate vor dem Rennen noch kein einziger Teilnehmer eine Meldung abgegeben hatte, blieb dem Automobile Club de France schließlich kaum etwas anderes mehr übrig, als auf ein sogenanntes formelfreies Rennen umzuschwenken, wobei Rennwagen aller Art von mindestens 1,1 Litern Hubraum zugelassen wurden. Gleichzeitig wurde das Nenngeld deutlich abgesenkt und nach einem öffentlichen Appell an den Patriotismus gelang es schließlich, ein Feld von 25 Wagen zusammenzubekommen, das sich allerdings fast ausschließlich aus einheimischen Teilnehmern zusammensetzte. Einziger Farbtupfer im Feld der ansonsten durchweg blauen Wagen war der grüne Bentley „Blower“ von Sir Henry „Tim“ Birkin mit 4,5-Liter-Kompressormotor, bei dem es sich im Wesentlichen um einen modifizierten viersitzigen Tourenwagen handelte, der aufgrund seiner Dimensionen auch als „Lastwagen“ verspottet wurde.

Favoriten des Rennens waren aber natürlich die beiden vom Bugatti-Werk eingesetzten 2-Liter-Grand-Prix-Rennwagen vom Typ 35C, von denen einer von Guy Bouriat und Louis Chiron geteilt und der andere von dem unter dem Pseudonym „Williams“ startenden, in Frankreich lebenden Briten William Grover-Williams gefahren wurde. Eigentlich war sogar der Start des Nachfolgemodells vom Bugatti Type 51 beabsichtigt gewesen, deren Entwicklung war jedoch noch nicht weit genug fortgeschritten. Mit weiteren 15 privat eingesetzten Wagen stellte Bugatti auch insgesamt die Mehrheit der Teilnehmer. Komplettiert wurde das Feld durch zwei Eigenbauten von Charles und Ferdinand Montier (Vater und Sohn) auf Ford-Basis, einem Ariès-Sportwagen, dem Grand-Prix-Delage von Robert Sénéchal aus 1927 und schließlich zwei älteren, eigentlich für Ausdauerwettbewerbe konzipierten Peugeot 174 S Rennsportwagen mit seitengesteuerten 4-Liter-Vierzylindermotoren, gefahren von René Ferrant und Henri Stoffel, dem Beinahe-Helden des vorangegangenen Großen Preises von Belgien. Zu einem wirklich erstklassigen Rennen fehlten dagegen vor allem die Spitzenteams und –Fahrer aus Italien, die aufgrund der kurzfristigen Änderung der Ausschreibung nicht mehr entsprechend umdisponieren konnten.

Nach dem Start bildete sich schnell eine Spitzengruppe mit „Williams“, Bouriat und den Privatfahrern Juan Zanelli und Philippe Étancelin, alle auf Bugatti, in der die beiden Werksautos – insbesondere nachdem Chiron Bouriat wie vorgesehen am Steuer abgelöst hatte – zunächst das Tempo vorlegten. Allerdings hielten ihre etwas zu stark profilierten Reifen die angeschlagene Geschwindigkeit nicht durch, so dass beide zu außerplanmäßigen Stopps an die Box kommen mussten. Der eigentlich völlig unnötige Fahrerwechsel hatte außerdem bereits zuvor schon Zeit gekostet, so dass die Piloten nun Wagen und Material noch stärker beanspruchten, um den verlorenen Boden wieder gutzumachen. Dies führte jedoch nur zu weiteren Reifenproblemen und schließlich auch zum Ausfall beider Wagen, während Étancelin mit seinem privat gemeldeten Auto ganz im Sinn seiner sich vorher zurecht gelegten Rennstrategie – um Reifen und Motor zu schonen hatte er seinen Rennwagen mit einer besonders langen Achsübersetzung versehen und vermied es außerdem, eine bestimmte Motorendrehzahl zu überschreiten – die Renndistanz ohne gravierende Probleme und vor allem ohne Boxenstopp buchstäblich mit dem letzten Tropfen Benzin im Tank zurücklegen konnte und am Ende von einer jubelnden Menge als Sieger aus dem Auto gehoben wurde. Mit einer ganz ähnlichen Strategie wurde Birkin Zweiter, wobei er dank der überragenden Motorleistung des schwerfälligen Bentley die in den Kurven verlorene Zeit auf den geraden Streckenabschnitten immer wieder wettmachen konnte. Für die Anzeige von Überholmanövern hatte er sogar die an seinem Wagen vorhandene Hupe verwendet, was sicher ein einmaliger Vorgang in der Geschichte der Grand-Prix-Rennen gewesen sein mag.

Ergebnisse

Meldeliste

Team Nr. Klasse Fahrer Info Chassis Motor Reifen
Jean Poniatowski 2 1.5l  Jean Poniatowski DNA Alphi CIME 1.1L I6
Louis Casali 4 1.5l  Louis Casali La Perle Six Bignan 1.5L I6 Kompressor
 Stanisław Czaykowski 6 2.0l  Stanisław Czaykowski Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
Babe Stapp 8  Babe Stapp DNAa Duesenberg Model A Duesenberg 4.0L I8 F
 Marcel Lehoux & Philippe Étancelin 10 3.0l  Marcel Lehoux Bugatti T35B Bugatti 2.3L I8 Kompressor
44 2.0l  Philippe Étancelin Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor K
Georges Bouriano 12 3.0l  Georges Bouriano DNA Bugatti T35B Bugatti 2.3L I8 Kompressor
 Automobiles Ettore Bugatti 14 2.0l  Guy Bouriatb Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor M
34 2.0l  Albert Divo DNSc
58 2.0l  William Grover-Williams
2.0l  Louis Chiron RES
 Jean-Pierre Wimille 16 1.5l  Jean-Pierre Wimille Bugatti T37A Bugatti 1.5L I4 Kompressor
 Captain Henry Stanley Birkin 18  Tim Birkin Bentley Blower UU 5871 Bentley 4.5L I4 Kompressor D
 Robert Sénéchal 20 1.5l  Robert Sénéchal Delage Type 15 S 8 Delage 1.5L I8 Kompressor
Enzo Grimaldi 22 2.0l  Enzo Grimaldi Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
Claude Arthez 24 2.0l  Claude Arthez DNA Bugatti T35 Bugatti 2.0L I8
Attila Lenart 26 2.0l  Attila Lenart DNA Bugatti T35 Bugatti 2.0L I8
Jean de Maleplane 28 2.0l  Jean de Maleplane Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
 Charles Montier et Cie 30  Ferdinand Montier Montier Spéciale Ford 3.3L I4 M
66  Charles Montier
 Juan Zanelli 32 3.0l  Juan Zanelli Bugatti T35B Bugatti 2.3L I8 Kompressor K
Albert de Bondeli 36 1.5l  Albert de Bondeli Bugatti T37A Bugatti 1.5L I4 Kompressor
Baron Jean de l’Espée 38 2.0l  Jean de l’Espée Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor K
Louis Charavel 40 2.0l  Louis Charavel Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
Guy Daniel 42 3.0l  Guy Daniel Bugatti T35B Bugatti 2.3L I8 Kompressor
3.0l  André Boillot RES
 René Dreyfus 46 3.0l  René Dreyfus DNA Bugatti T35B Bugatti 2.3L I8 Kompressor
Maurice Henry 48 3.0l  Henri Stoffel Peugeot 174S Peugeot 4.0L I4 M
74 3.0l  René Ferrant
3.0l  Victor Rigal RES
Etiénne Lepicard 50 1.5l  Etiénne Lepicard DNA Donnet Donnet 1.1L I4
 Georges Delaroche 52 2.0l  Georges Delaroche Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
 Jean Gaupillat 54 1.5l  Jean Gaupillat Bugatti T37A Bugatti 1.5L I4 Kompressor
José Scaron 56 1.5l  José Scaron DNA Amilcar C 6 Amilcar 1.1L I6 Kompressor
 Arthur Duray 60 1.5l  Arthur Duray DNA Amilcar C 6 Amilcar 1.1L I6 Kompressor
Armand Rodansky 62 2.0l  Armand Rodansky DNA Bugatti T35 Bugatti 2.0L I8
Aristide Lumachi 64 3.0l  Aristide Lumachi Bugatti T35B Bugatti 2.3L I8 Kompressor
Max Fourny 68 2.0l  Max Fourny Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
 Guy Bouriat 70 2.0l  Guy Bouriat DNSd Bugatti T35C Bugatti 2.0L I8 Kompressor
 Robert Laly 72  Robert Laly Ariès Ariès 3.3L I4
a 
Auto für Streckencharakter ungeeignet.
b 
Auto während des Rennens an Chiron übergeben.
c 
Divo wurde stattdessen als Reservefahrer für das Team eingesetzt.
d 
Trat stattdessen auf Nr. 44 für das Bugatti-Werksteam an.

Startaufstellung

Die Startpositionen wurden in der Reihenfolge der vorab zugeteilten Startnummern vergeben.

 Lehoux Czaykowski Casali
 Wimille Bouriat
 Grimaldi Sénéchal Birkin
 F. Montier de Maleplane
 de l’Espée de Bondeli Zanelli
 Daniel Charavel
 Delaroche Stoffel Étancelin
 Williams Gaupillat
 Fourny C. Montier Lumachi
 Laly Ferrant

Rennergebnis

Pos. Fahrer Konstrukteur Runden Stopps Zeit Start Schnellste Runde Ausfallgrund
1  Philippe Étancelin  Bugatti 25 2:43:18,400 16
2  Tim Birkin  Bentley 25 + 3:26,200 6
3  Juan Zanelli  Bugatti 25 + 3:36,400 11
4  Stanisław Czaykowski  Ariès 25 + 8:08,600 2
5  Jean de l’Espée  Bugatti 25 + 11:10,400 13
6  Robert Sénéchal  Bugatti 25 + 13:10,200 7
7  Jean de Maleplane  Bugatti 25 + 17:39,600 9
8  Henri Stoffel  Peugeot 25 + 17:47,800 17
9  René Ferrant  Peugeot 25 + 25:50,000 25
10  Robert Laly  Ariès 25 + 38:00,800 24
 Guy Bouriat
 Louis Chiron
 Bugatti 24 DNF 4 Motorschaden
 Charles Montier  Montier 21 NC 22 abgewunken
 Enzo Grimaldi  Bugatti 21 NC 8 abgewunken
 Louis Casali  La Perle 19 NC 1 abgewunken
 Guy Daniel  Bugatti 16 DNF 15 Ausfall
 Albert de Bondeli  Bugatti 15 DNF 12 Ausfall
 William Grover-Williams  Bugatti 12 DNF 20 6:10,000 Motorschaden
 Louis Charavel  Bugatti 10 DNF 14 Unfall
 Jean Gaupillat  Bugatti 7 DNF 19 Ausfall
 Ferdinand Montier  Montier 4 DNF 10 Ausfall
 Aristide Lumachi  Bugatti 3 DNF 21 Motorschaden
 Jean-Pierre Wimille  Bugatti 2 DNF 5 Kompressorschaden
 Max Fourny  Bugatti 2 DNF 23 Motorschaden
 Georges Delaroche  Bugatti 2 DNF 18 Motorschaden
 Marcel Lehoux  Bugatti 1 DNF 3 Getriebeschaden

Klassensieger

Commons: Großer Preis von Frankreich 1930 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Leif Snellman, Felix Muelas: XVI GRAND PRIX DE L'AUTOMOBILE CLUB DE FRANCE. www.kolumbus.fi, 5. Januar 2017, abgerufen am 9. Februar 2020 (englisch).
  • XXIV Grand Prix de l'A.C.F. (Nicht mehr online verfügbar.) www.teamdan.com, archiviert vom Original am 7. Februar 2019; abgerufen am 9. Februar 2020 (englisch).

Anmerkungen

  1. Das erste als Grand Prix de l’ACF organisierte Rennen fand 1906 statt. In den 1920er Jahren wurden jedoch rückwirkend auch den „großen“ Stadt-zu-Stadt-Rennen der Anfangsjahre zwischen 1895 und 1903 dieser Titel verliehen, obwohl das Gründungsdatum des ACF sogar erst nach dem Rennen Paris-Bordeaux-Paris 1895 liegt. Durch diese Zählweise wurde die Veranstaltung von 1906 nachträglich zum offiziell neunten Grand Prix de l’A.C.F ernannt. Diese Nummerierung wurde auch nach der 1968er Umbenennung des Grand Prix de l'ACF zum Grand Prix de France durchgängig weiter fortgeführt.
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