Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten in Berlin erinnert an den brandenburgischen Kurfürsten Friedrich Wilhelm, der als Großer Kurfürst bekannt wurde. Es gehört zu den bedeutendsten Werken der barocken Bildhauerei. Im Jahr 1696 von Andreas Schlüter begonnen und 1700 von Johann Jacobi in Bronze gegossen, wurde es 1703 auf der Langen Brücke am Berliner Schloss errichtet. Nach der Auslagerung im Zweiten Weltkrieg erfolgte 1952 die Neuaufstellung im Ehrenhof von Schloss Charlottenburg. Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Sitz des Humboldt Forums wurde über die Wiederaufstellung am ursprünglichen Standort diskutiert.
Beschreibung
Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten ist eine nach dem Vorbild der Reiterstatue Mark Aurels angefertigte Großbronze. Es hat eine Höhe von 5,60 Metern, wovon 2,90 m auf die Bronzefigur entfallen und 2,70 m auf das Postament. Dargestellt ist der auf seinem schreitenden Pferd sitzende Große Kurfürst in halb römischer, halb dem Geschmack seiner Zeit entsprechender Kleidung. Vor der Brust trägt er einen Plattenpanzer und auf dem Haupt eine Allongeperücke. Seine rechte Hand hält einen Kommandostab, die linke Hand die Zügel. Im Kontrast zur Erhabenheit des Kurfürsten stehen die vier Sklaven an den Ecken des Sockels, von denen eine starke Unruhe ausgeht. Sie stellen die vom Großen Kurfürsten bekämpften und besiegten Feinde dar. Nach einer anderen Lesart symbolisieren die Sklaven die im Nordischen Krieg von 1674 bis 1679 von Schweden eroberten pommerschen Ostseestädte.
Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten ist ein Hauptwerk der Barock-Plastik und kann als eines der hervorragendsten dieser Art in der Welt angesehen werden.
Geschichte
Der Neubau der Langen Brücke über die Spree in unmittelbarer Nähe des Berliner Schlosses, der 1692 mit der Grundsteinlegung begann und 1694 beendet wurde, bot Kurfürst Friedrich III., Sohn des Großen Kurfürsten und später als Friedrich I. erster preußischer König, die Gelegenheit, seinem Vater ein Denkmal zu setzen.
Die Brücke hatte der Architekt Johann Arnold Nering derart geplant, dass das mittlere Brückenjoch stromaufwärts verlängert wurde. Dadurch konnte eine zusätzliche Fläche als Standplatz für das Reiterstandbild gewonnen werden.
Mit der Ausführung der Skulpturengruppe wurde Andreas Schlüter beauftragt. Johann Jacobi begann den Guss am 22. Oktober 1700. Am 12. Juli 1703, dem Geburtstag Friedrichs I., wurde die Bronzeskulptur des Großen Kurfürsten auf einem eigenen Brückenpfeiler stehend, neben der Langen Brücke enthüllt. An den vier Sklaven als Eckfiguren des Sockels arbeitete Schlüter noch 1706 und Jacobi war noch 1708 mit deren Guss beschäftigt.
Schlüter stellte den Großen Kurfürsten mit zum Schloss erhobenen Blick dar. Nicht nur mit dem Schloss, auch mit altem Dom und altem Marstall bestanden Achsenbezüge. Nachdem die Kurfürstenbrücke die Lange Brücke ersetzt hatte, blieb die Bronzeskulptur des Großen Kurfürsten an ihrem Standort inmitten der Spree.
Wegen der zunehmenden Luftangriffe der Alliierten auf Berlin gegen Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Skulptur 1943 vom Sockel gehoben und auf einem Prahm in den Hafen von Ketzin/Havel transportiert. Nach dem Ende des Krieges, im Januar 1946 wurde es wieder auf dem Wasserweg nach Berlin zurücktransportiert. Zunächst erfolgte ein Zwischenstopp im Borsighafen in Berlin-Tegel. Als es Winter 1947/48 angesichts der bevorstehenden Wiederherstellung der Kurfürstenbrücke zu seinem alten Standort gebracht werden sollte, versank die schwere Reiterskulptur zusammen mit den vier Sklavenskulpturen im Tegeler See, wo es im halbtiefen Wasser bis zur Bergung im November 1949 liegenblieb. Während die Bronzebildgießerei Hermann Noack die Skulpturen restaurierte, hatte sich die Teilung Berlins vollzogen. Im September 1950 ließ die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED) in Ost-Berlin das wiederaufbaufähige Schloss sprengen und beseitigte damit nicht nur die barocke städtebauliche Situation im Zentrum Berlins, sondern auch das architektonische Hauptwerk Schlüters. Für den West-Berliner Senat verbot sich nun eine Überführung des Denkmals in den Ostsektor.
Er beschloss im Dezember 1950, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten aus Anlass des Deutschen Kunsthistorikertages im August 1951 provisorisch im Ehrenhof des Schlosses Charlottenburg aufzustellen. Auch Dank des Einsatzes der Kunsthistorikerin Margarete Kühn für den Wiederaufbau des Schlosses Charlottenburg ist das Denkmal seit dem Juli 1952 an seinem heutigen Standort auf einer Replik des Original-Marmor-Sockels zu sehen. Der originale Sockel befand sich bereits seit 1904 in der großen Kuppelhalle des Bode-Museums, wo er eine galvanoplastische Kopie der Reiterstatue in Originalgröße trägt.
Das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten war im Briefmarkenjahrgang 1956 auf der Marke mit dem Nennwert 1 Deutsche Mark abgebildet. Im Briefmarkenjahrgang 1967 war der Kopf auf der Marke zu 20 Pfennig zu sehen.
Standortdiskussion
Im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau des Berliner Schlosses seit den 1990er Jahren wurde darüber diskutiert, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten an seinen ursprünglichen Standort zurückzuführen. Dies befürworteten die Internationale Expertenkommission Historische Mitte Berlin, der Historiker Götz Aly, die Vereine Bürgerforum Berlin, Berliner Historische Mitte und Gesellschaft Historisches Berlin sowie die CDU Berlin. Mit dem Neubau der Rathausbrücke in den 2010er Jahren war der komplette Abbau des in der Spree stehenden stützenden Strompfeilers verbunden, so dass nun keine schwere Bronzeskulptur auf der Brücke platziert werden kann, auch die Bauweise der Brücke sieht das nicht vor.
Mehrere Kunsthistoriker kritisieren zudem den heutigen Standort des Denkmals vor dem Schloss Charlottenburg. Die „schlichte Architektur des Sommerschlosses“ bilde „kaum einen adäquaten Hintergrund für das bedeutende barocke Hauptwerk“ und stimme „auch nicht mit der Rangbedeutung des Schlosses innerhalb der kurfürstlichen und königlichen Repräsentation“ überein.
Ein nicht ausgeführter Wiederaufbauplan von Richard Ermisch aus dem Jahr 1946 sah vor, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten am Ostrand des Schloßplatzes neu aufzustellen.
Literatur
- Hans-Ulrich Kessler: Das Reiterdenkmal des Großen Kurfürsten. In : Hans-Ulrich Kessler (Hrsg.): Andreas Schlüter und das barocke Berlin. Für die Skulpturensammlung und das Museum für Byzantinische Kunst – Staatliche Museen zu Berlin. [Erschienen anlässlich der Ausstellung Schloss-Bau-Meister. Andreas Schlüter und das barocke Berlin vom 4. April 2014 bis 13. Juli 2014, Bode-Museum, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst] Hirmer, München 2014, ISBN 978-3-7774-2199-5, S. 222–257.
Weblinks
- Reiterstandbild des Großen Kurfürsten Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf
- Reiterstandbild des Großen Kurfürsten (PDF) Gesellschaft Berliner Schloss e. V.
- Eintrag in der Berliner Landesdenkmalliste mit weiteren Informationen
Einzelnachweise
- 1 2 3 4 Gesellschaft Berliner Schloss e. V.: Das historische Schloss; Durchklicken zur Zwischenüberschrift 'Das Nationaldenkmal'. Abgerufen am 1. Januar 2023.
- ↑ Förderverein Berliner Schloss e. V.: Reiterstandbild des Großen Kurfürsten. Abgerufen am 1. Mai 2016.
- 1 2 3 Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf: Reiterstandbild des Großen Kurfürsten. Abgerufen am 1. Mai 2016.
- ↑ Abschlussbericht der Internationalen Expertenkommission zur Historischen Mitte Berlin, S. 18
- ↑ Götz Aly: Der große Kurfürst gehört zum Schloss, in Berliner Zeitung.
- ↑ Planungsgruppe Stadtkern.
- ↑ Bürger wollen Mitsprache bei Berlins Mitte
- ↑ Wieviel Moderne brauchen wir vor dem Schloss?.
- ↑ Starkes Berlin – Das Regierungsprogramm der CDU Berlin 2016–2021. S. 45
- ↑ Reiterstandbild des Großen Kurfürsten, auf bildhauerei.in-berlin.de.
- ↑ Inv. Nr. 18404 Richard Ermisch, Architekturmuseum der Technischen Universität Berlin.
Koordinaten: 52° 31′ 13,9″ N, 13° 17′ 44,7″ O