Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten
Staatliche Ebene Nation
Stellung Oberstes rechtsprechendes Staatsorgan
Gründung 1789 (Verfassung)
2. Februar 1790 (Inkrafttreten)
Hauptsitz Supreme Court Building, Washington, D.C.
Vorsitz John Roberts (Chief Justice of the United States)
Website www.supremecourt.gov

Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten (englisch Supreme Court of the United States [sʊˈpɹiːm kɔɹt], abgekürzt als USSC oder SCOTUS) ist das oberste rechtsprechende Staatsorgan der Vereinigten Staaten. Neben diesem obersten Bundesgericht existieren auf Ebene der Bundesstaaten Oberste Gerichtshöfe der Bundesstaaten (englisch State Supreme Courts), die teils auch abweichende Bezeichnungen tragen können.

Der USSC ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Zusätzlich richtete der Kongress 13 Bundesberufungsgerichte (Federal Courts of Appeals) und – eine Stufe darunter – 94 Bundesbezirksgerichte (Federal District Courts) ein. Der Supreme Court tagt in Washington, D.C., die anderen Bundesgerichte sind landesweit verteilt.

Bundesgerichte befassen sich mit Fällen, die die Verfassung, Bundesrecht, Bundesverträge und Seerecht betreffen oder bei denen ausländische Bürger oder Regierungen oder die amerikanische Bundesregierung selbst Partei sind. Von wenigen Ausnahmen abgesehen werden nur Rechtsmittel gegen Entscheidungen der unteren Gerichte vom Supreme Court behandelt, wobei das amerikanische Rechtssystem keine strikte Abgrenzung zwischen Berufung und Revision kennt. Bei den meisten dieser Fälle geht es um die Verfassungsmäßigkeit von Handlungen der Exekutive und von Gesetzen, die vom Kongress oder von den Bundesstaaten verabschiedet wurden.

Der Supreme Court besteht aus neun Richtern, die nach Nominierung durch den Präsidenten vom Senat bestätigt, und danach auf Lebenszeit ernannt werden. Zuletzt wurde am 30. Juni 2022 die von Joe Biden nominierte Ketanji Brown Jackson Nachfolgerin von Stephen Breyer, der am gleichen Tag zurücktrat. Jackson ist die erste schwarze Frau, die dieses Amt bekleidet.

Geschichte

Der Supreme Court ist das einzige amerikanische Gericht, das explizit in der Verfassung der Vereinigten Staaten vorgesehen ist. Nach dem Judiciary Act of 1789 (Justizgesetz von 1789) sollte der Gerichtshof aus sechs Mitgliedern bestehen, nämlich einem Vorsitzenden Richter und fünf Beisitzenden Richtern. Obwohl die Zahl der Richter während des größten Teils seiner Geschichte neun betrug, wird diese Zahl vom Kongress und nicht von der Verfassung festgelegt, und kann daher jederzeit geändert werden. Das Gericht trat am 2. Februar 1790 zum ersten Mal zusammen.

Zuständigkeit

Der Supreme Court hat die – weitgehend nach freiem Ermessen – endgültige Berufungsgerichtsbarkeit für alle Bundes- und Bundesstaatsgerichtsfälle, die einen Punkt des Bundesrechts betreffen, und die erstinstanzliche Zuständigkeit für eine begrenzte Art von Fällen, insbesondere „in allen Fällen, die Botschafter, Gesandte und Konsuln betreffen, und in solchen, in denen ein Einzelstaat Partei ist“. Der Gerichtshof hat die Befugnis zur gerichtlichen Überprüfung und die Möglichkeit, ein Gesetz wegen Verstoßes gegen eine Bestimmung der Verfassung für ungültig zu erklären. Er kann auch Executive Orders des Präsidenten wegen Verstoßes gegen die Verfassung oder ein Bundesgesetz umwerfen. Er darf jedoch nur in einem Rechtsbereich, für den er zuständig ist, tätig werden.

Entscheidungen des Supreme Court können durch Verfassungsänderungen und teilweise auch durch Gesetzgebung explizit aufgehoben werden. Zudem kann der Kongress Gesetze verabschieden, die die Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs und anderer Bundesgerichte in Bezug auf bestimmte Themen und Fälle einschränkt. Dies entspricht Artikel 3 Abschnitt 2 der Verfassung, in dem die Berufungsgerichtsbarkeit „mit solchen Ausnahmen und unter solchen Bestimmungen wie der Kongress sie machen soll“ beschränkt werden kann. Der Supreme Court genehmigte eine solche Maßnahme des Kongresses in der Reconstruction Entscheidung ex parte McCardle (1869), lehnte jedoch im Fall United States v. Klein (1871) die Befugnis des Kongresses ab zu bestimmen, wie bestimmte Fälle entschieden werden müssen.

Verfahrensablauf

Der Verfahrensablauf vor dem Obersten Gerichtshof ist immer der gleiche. Berufungsanträge werden von Anwälten eingereicht, die eine spezielle Zulassung besitzen müssen, die aber nur daraus besteht, das Recht zu haben, im eigenen Bundesstaat zumindest drei Jahre vor dem staatlichen Obersten Gerichtshof aufzutreten. Diese Anwälte werden oft von erfahrenen Spezialisten, die das Temperament und die Rechtsphilosophie der einzelnen Richter sehr gut kennen, bei der mündlichen Verhandlung vertreten, da sie Fragen besser parieren können.

Am Prozess unbeteiligte Personen oder Gemeinschaften, die am Ausgang Interesse haben, können unaufgefordert sogenannte amici briefs eingeben, wobei sich amici von amicus curiae (lat. Freund des Gerichts, engl. Friend of the Court) ableitet, und diese Anträge ihre eigene Stellungnahme und die Unterstützung einer der Streitparteien vertreten. Anwälte, die amici einreichen, dürfen jedoch sonst nicht weiter am Prozess teilnehmen und werden nicht während der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht gehört.

Alle Anträge werden dann von den Richtern geprüft, und anschließend entscheiden sie in einem freien Annahmeverfahren, ob sie den Fall vor Gericht anhören. Wichtig ist dabei allein die richtungweisende Bedeutung der Sache oder ob sie eine ungeklärte Rechtsfrage aufwirft, auf eine möglicherweise fehlerhafte Rechtsanwendung der Vorinstanz im Einzelfall kommt es hingegen nicht an. Entscheiden die Richter, den Fall nicht anzuhören, ist das Verfahren beendet. Die meisten der Anträge scheitern bereits hier. Für die zugelassenen Anträge werden mündliche Verhandlungen anberaumt.

Die mündliche Verhandlung verläuft nach strengen Regeln. Die Richter betreten den Raum in einer zeremoniellen Art und Weise. Wenn die Verhandlung beginnt, klopft der Gerichtsdiener (Marshall) zweimal mit seinem Hammer auf den Tisch und verkündet:

“The Honorable, the Chief Justice and the Associate Justices of the Supreme Court of the United States. Oyez, Oyez, Oyez, all persons having business before the Honorable, the Supreme Court are admonished to draw near and give their attention, for the Court is now sitting. God save the United States and this Honorable Court.”

„Die Ehrenwerten, der Vorsitzende Richter und die Beisitzenden Richter des Obersten Gerichtshofes der Vereinigten Staaten. Höret, höret, höret [französisch]: Alle Personen, die vor dem Ehrenwerten, dem Obersten Gerichtshof eine Sache zu verhandeln haben, sind aufgefordert vorzutreten und ihre Aufmerksamkeit dem Gerichtshof zuzuwenden, denn seine Sitzung ist nun eröffnet. Gott schütze die Vereinigten Staaten und dieses Ehrenwerte Gericht.“

Der Chief Justice eröffnet daraufhin die Sitzung und ruft den ersten Fall auf. Nun treten die Anwälte in Aktion. Jeder Anwalt bekommt die gleiche Zeit, um am Rednerpult seine Argumente vorzubringen und sie gegen die Fragen der Richter zu verteidigen (so genannte oral arguments).

Dabei bilden Fragen der Richter den Schwerpunkt. Die Anwälte bekommen keine Gelegenheit zu einem umfassenden Plädoyer, sondern werden ständig mit Fragen unterbrochen.

Zeugen werden nicht gehört. Der Chief Justice beendet die Sitzung mit den Worten The Case is submitted („Der Fall wird zur Entscheidung angenommen“).

Danach ziehen sich die Richter zurück und bereden den Fall. Es finden einige Probeabstimmungen statt, und am Ende steht die richtige Abstimmung. Ist der Chief Justice in der Mehrheit, so fällt ihm die Aufgabe zu, die Auffassung des Gerichtes zu verfassen, er kann diese Aufgabe jedoch einem der anderen Richter übergeben. Ist er in der Minderheit, so hat er die Pflicht, die Meinung der Minderheit darzustellen, und die Auffassung der Mehrheit wird von dem dienstältesten Richter der Mehrheit selbst geschrieben oder auch delegiert.

Nachdem der Beschluss sowie eventuelle abweichende Meinungen (dissenting votes) niedergeschrieben sind, werden diese entweder in einer öffentlichen Sitzung verlesen oder nur schriftlich abgesetzt. Obwohl das Kollegium des Supreme Courts mehrere Beratungs- und Abstimmungsgänge kennt und die Position beider Fraktionen regelmäßig dargestellt wird, sind die Richter mit Sondervoten nicht gerade sparsam. Diese von Individualität geprägte Rechtskultur unterscheidet sich etwa von der des deutschen Bundesverfassungsgerichts, das konsensualer agiert; dort werden nur viel seltener Sondervoten bei gravierenden Differenzen oder einem dogmatisch anspruchsvollen Meinungsstreit veröffentlicht.

Besetzung

Der Präsident der Vereinigten Staaten nominiert Richterkandidaten – im Regelfall bewährte Bundesrichter –, die dann nach Befragung im Justizausschuss des Senats und Zustimmung durch den Senat in ihr Amt berufen werden. Das Gericht setzt sich aus acht beigeordneten Richtern (Associate Justices) und einem Vorsitzenden (Chief Justice) zusammen. In der Verfassung heißt es, die Richter sollen during good behavior im Amt bleiben. Faktisch bewirkt dies eine Ernennung auf Lebenszeit, es gibt keine Altersgrenze. Rücktritte wegen schlechter Gesundheit kommen jedoch regelmäßig vor. Wie alle anderen Richter und sonstigen Inhaber hoher Bundesämter auch können sie nach Amtsanklage (Impeachment) des Repräsentantenhauses durch Beschluss des Senats abgesetzt werden.

Eine Einsetzung direkt durch den Präsidenten ohne Zustimmung des Senats ist nur während einer sitzungsfreien Zeit des Senats möglich (sogenanntes Recess Appointment) und kommt in jüngster Zeit eher selten vor, da dadurch eben keine Ernennung auf Lebenszeit garantiert wird. Bemerkenswert ist, dass durch Präsident Dwight D. Eisenhower gleich drei Mitglieder des Obersten Gerichtshofs im Wege eines Recess Appointment eingesetzt wurden, nämlich William Joseph Brennan, Potter Stewart und sogar Chief Justice Earl Warren.

Besonders durch die Benennung relativ junger Richterkandidaten kann ein Präsident die politische Richtung der USA weit über seine eigene Amtszeit hinaus beeinflussen. Daher sind diese Berufungen in den letzten Jahrzehnten oft politisch heftig umstritten.

Demografische Zusammensetzung

Der ethnisch-religiösen Zusammensetzung der frühen USA entsprechend, waren die Mitglieder des Gerichtshof bis weit ins 20. Jahrhundert überwiegend Protestanten verschiedener Kirchen. Der erste Katholik war Roger B. Taney 1836, der erste Jude Louis Brandeis 1916. Derzeit ist nur Ketanji Brown Jackson protestantisch, obwohl rund 40 Prozent der US-amerikanischen Bevölkerung dem protestantischen Glauben zugeschrieben werden. Elena Kagan ist Jüdin. Die anderen sechs gehören formell der römisch-katholischen Kirche an. Neil Gorsuch, der als Katholik erzogen wurde, besucht allerdings auch episkopalkirchliche Gottesdienste.

Derzeit gibt es mit Clarence Thomas und Ketanji Brown Jackson zwei Afroamerikaner, der erste war Thurgood Marshall 1967. Samuel Alito ist Italoamerikaner, der erste war Antonin Scalia 1986. Das erste Mitglied des Höchstgerichtes mit hispanoamerikanischem Hintergrund ist seit 2009 Sonia Sotomayor.

Derzeit sind vier von neun Mitgliedern des Obersten Gerichtshofs weiblich, das entspricht auch der historischen Höchstanzahl. Die erste Frau am obersten Gericht war Sandra Day O’Connor 1981.

Politische Einordnung der Richter

Die Richter werden in juristischen und politischen Kreisen informell als konservativ, gemäßigt oder liberal kategorisiert. Solche Neigungen beziehen sich im Allgemeinen eher auf rechtliche als auf politische oder gesetzgeberische Ansichten.

Tom Goldstein, der an der Harvard Law School über Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof lehrt, argumentierte in einem Artikel aus dem Jahr 2010, dass die weit verbreitete Ansicht, dass der Oberste Gerichtshof entlang ideologischer Linien scharf gespalten sei und jede Seite auf Schritt und Tritt eine Agenda forciere „in einem erheblichen Teil eine Karikatur ist, die bestimmten Vorurteilen entspricht.“

Im Gerichtsjahr, das im Oktober 2010 begann, entschied der Gerichtshof 80 Fälle, in denen die Meinungen der Richter veröffentlicht wurden. Richterin Kagan hat aufgrund ihrer früheren Rolle als Solicitor General of the United States (Generalstaatsanwältin der Vereinigten Staaten) an 26 Fällen nicht teilgenommen, da sie sich als befangen ansah – hier ist zu erwähnen, dass dieses Ermessen von Richtern selbst und ohne Bestimmungen entschieden wird. Von diesen 80 Fällen wurden 38 (ca. 48 %, der höchste Prozentsatz seit dem Gerichtsjahr beginnend Oktober 2005) einstimmig (9–0 oder 8–0, wenn ein Richter nicht teilnahm) und 16 Entscheidungen mit 5–4 Stimmen (ca. 20 %, verglichen mit 18 % im Gerichtsjahr Oktober 2009 und 29 % im Gerichtsjahr Oktober 2008). In vierzehn der sechzehn 5-4 Entscheidungen spaltete sich das Gericht jedoch entlang der traditionellen ideologischen Linien, mit Ginsburg, Breyer, Sotomayor und Kagan auf der liberalen Seite,  Roberts, Scalia, Thomas und Alito auf der konservativen, und Kennedy als swing vote. Der konservative Block, dem sich Kennedy anschloss, bildete die Mehrheit in 63 % der 5–4 Entscheidungen, die höchste Kohäsionsrate dieses Blocks im Roberts Court.

Im Gerichtsjahr, das Oktober 2018 begann und in dem Anthony Kennedy durch Brett Kavanaugh ersetzt wurde, war die Einstimmigkeit geringer: Nur 28 von 71 entschiedenen Fällen wurden von einem einstimmigen Gericht entschieden, also etwa 39 % der Fälle. In nur 19 Fällen waren sich die Richter völlig einig, in den andern neun Fällen wurden zustimmende Mindermeinungen geschrieben. Chief Justice Roberts war erneut der Richter mit den meisten Mehrheitsentscheidungen (61 von 72 Fällen, also etwa 85 %). Obwohl Kavanaugh einen höheren Prozentsatz der Mehrheit hatte, nahm er nicht in allen Fällen teil, sondern stimmte 58 von 64 Mal in der Mehrheit, also etwa 91 % der Fälle in denen er teilnahm. Von den Richtern, die an allen 72 Fällen teilnahmen, belegten Kagan und Alito den zweiten Platz, mit 59 von 72 Stimmen (etwa 82 %) in der Mehrheit. Betrachtet man nur Fälle, die nicht einstimmig entschieden wurden, waren Roberts und Kavanaugh am häufigsten in der Mehrheit (33 Fälle, womit sich Roberts in 75 % der Fälle in der Mehrheit fand, und Kavanaugh in 85 % der Fälle, an denen er beteiligt war). Von 20 Fällen, die mit 5 zu 4 Stimmen entschieden wurden, stellten in acht die konservativen Richter die Mehrheit (Roberts, Thomas, Alito, Gorsuch und Kavanaugh), und in auch acht wurden die liberalen Richter (Ginsburg, Breyer, Sotomayor und Kagan) von einem konservativen Richter unterstützt: von Gorsuch mit viermal am häufigsten, und die anderen konservativen Richter schlossen sich den Liberalen jeweils einmal an. Die restlichen vier Fälle wurden von verschiedenen Koalitionen entschieden. Die höchste Übereinstimmung zwischen den Richtern war zwischen Roberts und Kavanaugh, die zumindest in 94 % der Fälle dem Urteil zustimmten; die zweithöchste Übereinstimmung war zwischen Ginsburg und Sotomayor, die in 93 % der Fälle übereinstimmten; dann Ginsburg und Kagan mit 82 % der Fälle, dicht gefolgt von Roberts und Alito, Ginsburg und Sotomayor sowie Breyer und Kagan mit jeweils 81 % der Fälle. Die größte Meinungsverschiedenheit war zwischen Thomas und sowohl Ginsburg als auch Sotomayor; Thomas schloss sich in 50 % der Fälle der Gegenmeinung an.

Derzeitige Mitglieder

Justice
Geburtsdatum
Ernannt von Präsident Alter
Ernannt
Alter
Jetzt
Amtsantritt /
Bisherige Amtszeitdauer
John Roberts (Chief Justice)
27. Januar 1955
George W. Bush (R) 50 68 29. Sep. 2005
18 Jahre und 4 Tage
Clarence Thomas
23. Juni 1948
George H. W. Bush (R) 43 75 23. Okt. 1991
31 Jahre und 345 Tage
Samuel Alito
1. April 1950
George W. Bush (R) 55 73 31. Jan. 2006
17 Jahre und 245 Tage
Sonia Sotomayor
25. Juni 1954
Barack Obama (D) 55 69 8. Aug. 2009
14 Jahre und 25 Tage
Elena Kagan
28. April 1960
Barack Obama (D) 50 63 7. Aug. 2010
13 Jahre und 57 Tage
Neil Gorsuch
29. August 1967
Donald Trump (R) 49 56 10. Apr. 2017
6 Jahre und 176 Tage
Brett Kavanaugh
12. Februar 1965
Donald Trump (R) 53 58 6. Okt. 2018
4 Jahre und 362 Tage
Amy Coney Barrett
28. Januar 1972
Donald Trump (R) 48 51 27. Okt. 2020
2 Jahre und 341 Tage
Ketanji Brown Jackson
14. September 1970
Joe Biden (D) 51 53 30. Juni 2022
1 Jahr und 95 Tage

Bedeutende Entscheidungen

Die folgende Tabelle listet einige bedeutende Fälle auf. Neben der Fallbezeichnung wird die Fundstelle in der amtlichen Entscheidungssammlung, den United States Reports, angegeben.

Jahr Fall Zitiert Zusammenfassung Kommentare
1793 Chisholm v. Georgia 2 U.S. 419 (1793)

Rechtsstreitigkeiten zwischen einem Bundesstaat der Vereinigten Staaten und einem Bürger eines anderen Bundesstaates unterliegen der Bundesgerichtsbarkeit

Obsolet durch den 11. Zusatzartikel.
1803 Marbury v. Madison 5 U.S. 137 (1803)

Der Supreme Court statuiert das Recht der Gerichte (nicht nur des Supreme Court), Gesetze des Kongresses für verfassungswidrig zu erklären. Solche Gesetze müssten nicht aufgehoben werden, sie seien vielmehr nichtig (a legislative act contrary to the Constitution is not law).

Allgemein als die wichtigste Einzelentscheidung im amerikanischen Verfassungsrecht anerkannt.
1810 Fletcher v. Peck 10 U.S. 87 (1810)

Der Supreme Court stellt fest, dass auch Gesetze der einzelnen Bundesstaaten nicht von der Verfassung abweichen dürfen und notfalls vom Gericht annulliert werden können.

1819 McCulloch v. Maryland 17 U.S. 316 (1819) Ein Bundesstaat darf keine Steuern auf nicht von diesem Bundesstaat ausgegebene Banknoten erheben, da die Kompetenz zum Ausgeben von Banknoten gemäß Artikel I der Verfassung beim Kongress liegt.

Leitentscheidung zum Kompetenzverhältnis zwischen dem Gesamtstaat USA und seinen Bundesstaaten: Gesetze der Bundesstaaten dürfen auch Bundesgesetzen nicht widersprechen.

1823 Johnson v. M’Intosh 21 U.S. 543 (1823)

Amerikanische Ureinwohner können kein Land an Privatpersonen verkaufen. Nur der Verkauf an die Bundesregierung schafft einen gültigen Rechtstitel.

1832 Worcester v. Georgia 31 U.S. 515 (1832)

Die Bundesregierung allein ist für die Beziehungen zu den amerikanischen Ureinwohnern zuständig. Bundesstaaten dürfen in deren Angelegenheiten nicht eingreifen.

1833 Barron v. Baltimore 32 U.S. 243 (1833)

Die Grundrechte der Bill of Rights, hier der 5. Verfassungszusatz, sind nicht bindend für die einzelnen Bundesstaaten.

Seit den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts wurde in Entscheidungen wie „Meyer v. Nebraska“ (1923), „Gitlow v. New York“ (1925) und diversen weiteren Fällen entschieden, dass die in der Bill of Rights enthaltenen Rechte aufgrund der Equal Protection Clause des 1868 in Kraft getretenen 14. Verfassungszusatzes auch auf die Staaten anwendbar sind. Letztmals geschah das für den 2. Zusatzartikel in McDonald v. Chicago (2010).
1857 Dred Scott v. Sandford 60 U.S. 393 (1857)

Schwarze können niemals Bürger der Vereinigten Staaten werden, da sie minderwertig sind und keinerlei Rechte in der Verfassung haben.

Dieses wohl berüchtigtste Urteil in der Gerichtsgeschichte wird oft als eine der Ursachen des Amerikanischen Bürgerkriegs angesehen. Durch den 13. und 14. Verfassungszusatz wurde es obsolet.
1869 Texas v. White 74 U.S. 700 (1869)

Bundesstaaten ist es nicht erlaubt, sich von den Vereinigten Staaten loszulösen.

1873 Slaughter-House Cases 83 U.S. 36 (1873)

Die Privileges and Immunities Clause des 14. Zusatzartikels schützt die mit der Staatsbürgerschaft der Vereinigten Staaten verbundenen Rechte vor Einschränkungen durch die Bundesregierung, nicht jedoch durch die Regierung eines Bundesstaates.

Im Laufe des 20. Jahrhunderts hat das Gericht stattdessen nach und nach die meisten Rechte in der Bill of Rights aufgrund der Equal Protection Clause des 14. Zusatzartikels auch vor Einschränkungen durch die Bundesstaaten geschützt, zuletzt 2010 in McDonald v. Chicago.
1875 Minor v. Happersett 88 U.S. 162 (1875) Die Verfassung garantiert kein allgemeines Stimm- und Wahlrecht für Frauen. Obsolet durch den 19. Verfassungszusatz
1880 Strauder v. West Virginia 100 U.S. 303 (1880)

Schwarze generell von Geschworenengerichten auszuschließen ist verfassungswidrig, weil es gegen den 14. Verfassungszusatz verstößt.

1890 Late Corp. of the Church of Jesus Christ of Latter-Day Saints v. United States 136 U.S. 67 (1890)

Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage („Mormonen“) soll aufgelöst werden, wenn sie an der Polygamie festhält.

1895 Pollock v. Farmers' Loan and Trust Company 157 U.S. 429 (1895) Das Erheben einer direkten Einkommensteuer durch die Bundesregierung ist verfassungswidrig. Als Reaktion wurde 1913 der 16. Verfassungszusatz ratifiziert, der das Urteil aufhob.
1896 Plessy v. Ferguson 163 U.S. 537 (1896)

Rassentrennung durch die Staaten ist erlaubt, solange die Einrichtungen für Schwarze und Weiße vergleichbar sind.

1954 in „Brown v. Board of Education“ aufgehoben. In der US-Geschichtsschreibung werden „Dred Scott v. Sandford“ und „Plessy“ allgemein als die schlechtesten Urteile des Obersten Gerichtshofs angesehen.
1898 United States v. Wong Kim Ark 169 U.S. 649 (1898)

Kinder, die in den USA geboren wurden, sind laut 14. Zusatzartikel automatisch Staatsbürger, auch wenn die Eltern die Staatsbürgerschaft nicht annehmen dürfen, wie hier wegen des Chinese Exclusion Act (1882) (Gesetz zum Ausschluss der Chinesen).

DAS grundlegende Urteil über die Staatsbürgerschaft für die Kinder von Ausländern, inklusive illegalen Immigranten.
1914 Weeks v. United States 232 U.S. 383 (1914)

Ausschluss- oder Sperrgrundsatz: Gewinnt die Anklagebehörde rechtswidrig Beweise gegen einen Verdächtigen, so dürfen diese nicht in einem Prozess gegen ihn verwendet werden (exclusionary rule).

1939 in Nardone v. United States erweitert.
1919 Schenck v. United States 249 U.S. 47 (1919)

Der 1. Verfassungszusatz erlaubt keine Rede, die eine „offensichtliche und akute Gefahr“ (clear and present danger) darstellt.

Berühmt wegen Justice Oliver Wendell Holmes, Jr.'s prägnantem aber täuschendem Gleichnis in der von ihm geschriebenen einstimmigen Entscheidung, dass diese Rede wie „in einem Theater fälschlicherweise Feuer zu schreien und Panik auszulösen“ sei (falsely shouting fire in a theater and causing a panic).

Überraschenderweise vertrat Holmes selber nur wenige Monate später in seiner Minderheitsmeinung in „Abrams v. United States“ 250 U.S. 616 (1919) eine Auffassung, die seiner Entscheidung in „Schenck“ vollkommen widersprach und die die Redefreiheit im 1. Verfassungszusatz so grundlegend definierte, wie sie heute allgemein verstanden wird. „Schenck“ wurde aber erst 1969 in „Brandenburg v. Ohio“ 395 U.S. 444 (1969) vom Gericht verworfen.

1923 Meyer v. Nebraska 262 U.S. 390 (1923)

Das Verbot des Unterrichts in einer modernen nicht-englischen Sprache (hier: Deutsch) verstößt gegen das Rechtsstaatsprinzip des 14. Verfassungszusatzes.

Hier wird auf das, was man auf deutsch die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“ nennen würde, hingewiesen. Heute würde sich das Gericht vermutlich auf den 1. Verfassungszusatz berufen, der das Recht von Lehrern auf freie Meinungsäußerung schützt, da die Rechtsprechung im Verlauf des 20. Jahrhunderts den 1. Verfassungszusatz immer weiter auslegte.

Meyer v. Nebraska gilt daneben als der erste Fall, der Bürgerrechte mit der substantive due process-Doktrin rechtfertigte. Diese wurde im Verlauf des 20. Jahrhunderts u. a. in Griswold v. Connecticut, Roe v. Wade, Lawrence v. Texas und zuletzt Obergefell v. Hodges zur Rechtfertigung weiterer, in der Verfassung nicht explizit aufgelisteter Rechte herangezogen.

1939 Nardone v. United States 308 U.S. 338 (1939)

Früchte des vergifteten Baumes: Gewinnt die Anklagebehörde rechtswidrig Beweise gegen einen Verdächtigen, so dürfen diese nicht in einem Prozess gegen ihn verwendet werden (exclusionary rule). Gelangt sie durch sie zu weiteren Beweisen, so dürfen auch diese grundsätzlich nicht verwendet werden (fruit of the poisonous tree). Sie können indes zugelassen werden, wenn die Anklage beweist, dass sie einen anderweitigen legalen Ursprung haben können (clean path).

Ausweitung und Spezifizierung von „Weeks v. United States“.
1942 Wickard v. Filburn 317 U.S. 111 (1942)

Die Bundesregierung kann Anbau und Herstellung von Gütern auch dann regulieren, wenn dies ausschließlich für den Eigenbedarf erfolgt.

Bedeutende Ausdehnung der Regulationsbefugnisse der Bundesregierung unter der Commerce Clause der Verfassung.
1943 West Virginia State Board of Education v. Barnette 319 U.S. 624 (1943)

Die Redefreiheitsklausel des Ersten Verfassungszusatzes verbietet öffentlichen Schulen, Schüler zu zwingen, zur amerikanischen Flagge zu salutieren und den Treueschwur aufzusagen. Der 1. Zusatzartikel schützt somit auch das Unterlassen politischer, religiöser oder anderer Äußerungen und Taten („no official, high or petty, can prescribe what shall be orthodox in politics, nationalism, religion, or other matters of opinion or force citizens to confess by word or act their faith therein“).

Die Mehrheitsmeinung in „Barnette“ gilt insbesondere durch ihre späteren Interpretationen als eine der wichtigsten und weitreichendsten Aussagen des Gerichts zu den in der Bill of Rights verankerten Grundfreiheiten.
1944 Korematsu v. United States 323 U.S. 214 (1944)

Die erzwungene Internierung japanischstämmiger Amerikaner durch Präsident Roosevelts Executive Order 9066 ist verfassungsrechtlich zulässig.

Wird in der US-Geschichtsschreibung zusammen mit „Dred Scott“ und „Plessy“ allgemein als eines der schlechtesten Urteile des Obersten Gerichtshofs angesehen. 2018 in „Trump v. Hawaii“ 17-965, 585 U.S. ___ (2018) als „schwerwiegend falsch am Tag der Entscheidung, aufgehoben vom Gericht der Geschichte, und ohne jeden Platz in der Verfassung“ bezeichnet.
1948 Shelley v. Kraemer 334 U.S. 1 (1948)

Klauseln in Grundstücks- oder Hauskaufverträgen, dass schwarze Menschen diese nicht kaufen oder mieten dürfen, sind nicht mit dem Gleichheitsgebot des 14. Zusatzartikels vereinbar und daher nicht zulässig.

1954 Brown v. Board of Education 347 U.S. 483 (1954)

Die Rassentrennung an öffentlichen Schulen ist mit dem Gleichheitsgrundsatz des 14. Zusatzartikel der Verfassung nicht vereinbar und damit verfassungswidrig. „Plessy v. Ferguson“ ist nicht mehr anwendbar.

1963 Gideon v. Wainwright 372 U.S. 335 (1963)

Das Recht auf einen Verteidiger ist absolut und hängt auch nicht vom Vermögen des Angeklagten ab. Alle Regierungen müssen Anwälte für solche Fälle bereitstellen, in denen der Angeklagte einen Verteidiger nicht bezahlen kann.

1965 Griswold v. Connecticut 381 U.S. 479 (1965)

Bundesstaaten können Mittel zur Schwangerschaftsverhütung nicht verbieten, da dies gegen das der Verfassung inhärente Recht auf Privatsphäre verstößt.

1966 Miranda v. Arizona 384 U.S. 436 (1966)

Verdächtige, die von der Polizei vernommen werden, müssen vorher über ihr Recht zu schweigen und ihr Recht auf einen Anwalt informiert werden.

1967 Loving v. Virginia 388 U.S. 1 (1967)

Das Verbot von Ehen zwischen Schwarzen und Weißen ist verfassungswidrig.

1969 Brandenburg v. Ohio 395 U.S. 444 (1969)

Der 1. Verfassungszusatz erlaubt aufwieglerische Äußerungen, solange sie nicht zu gesetzlosen Handlungen (sprich Gewalt) anstacheln. „Schenck v. United States“ ist damit aufgehoben.

1971 New York Times Co. v. United States 403 U.S. 713 (1971)

Die Unterdrückung von Information vor Veröffentlichung (prior restraint) ist nach dem 1. Verfassungszusatz verfassungswidrig.

Dieses Urteil, das der New York Times und der Washington Post die Veröffentlichung der Pentagon-Papiere erlaubte, gilt zusammen mit „New York Times Co. v. Sullivan“ 376 U.S. 254 (1964) als eines der wichtigsten Urteile im Rahmen der Pressefreiheit.
1972 Furman v. Georgia 408 U.S. 238 (1972)

Die Anwendung der Todesstrafe ist in der Praxis willkürlich und diskriminierend und verstößt daher gegen den 8. Verfassungszusatz.

Diese Entscheidung führte zu einem bundesweiten De-facto-Moratorium sowie zur Umwandlung von 629 Todesurteilen in lebenslange Freiheitsstrafen. Das Moratorium endete 1976 mit „Gregg v. Georgia“.
1973 Roe v. Wade 410 U.S. 113 (1973)

Schwangerschaftsabbruch ist ein Grundrecht als Folge des der Verfassung inhärenten Rechts auf Privatsphäre.

1992 von „Planned Parenthood v. Casey“ als relevanter Präzedenzfall abgelöst, 2022 in „Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization“ aufgehoben.
1974 United States v. Nixon 418 U.S. 683 (1974)

Grenzen der Befugnisse des Präsidenten der Vereinigten Staaten im Verhältnis zu den anderen Gewalten.

1976 Gregg v. Georgia 428 U.S. 153 (1976)

Die Todesstrafe ist nicht per se eine „grausame und ungewöhnliche Strafe“ und daher legal.

1984 Chevron U.S.A. v. Natural Resources Defense Council 467 U.S. 837 (1984)

Die wohl wichtigste Entscheidung im Bereich des Verwaltungsrechts, in der die Auslegungsbefugnis der Verwaltung und deren gerichtliche Überprüfbarkeit festgelegt wurden.

1986 Bowers v. Hardwick 478 U.S. 186 (1986)

Gesetze gegen Homosexualität verletzen nicht das in der Verfassung inhärente Recht auf Privatsphäre, da sonst „Jahrtausende moralischer Lehre beiseite geworfen würden“ (Chief Justice Warren E. Burger).

Gesetze gegen Homosexualität wurden in der Folge von mehreren Staaten abgeschafft oder - wie 1998 vom Supreme Court of Georgia - von Gerichten aufgehoben und 2003 in „Lawrence v. Texas“ in den gesamten USA umgestoßen.
1989 Texas v. Johnson 491 U.S. 397 (1989)

Das Verbot des Bundesstaates Texas, die Flagge der Vereinigten Staaten zu schänden, verstößt gegen das im 1. Zusatzartikel garantierte Recht auf Redefreiheit, da dieses auch sogenannte „symbolische Reden“ schützt.

Der daraufhin vom Kongress verabschiedete „Flag Protection Act of 1989“ wurde daher im folgenden Jahr in „United States v. Eichman“ 496 U.S. 310 (1990) als verfassungswidrig aufgehoben. Der danach vorgeschlagene neue Verfassungszusatzartikel Flag Desecration Amendment, der Flaggenschändung verbieten soll, hat bisher nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit im Kongress gefunden.
1992 Planned Parenthood v. Casey 505 U.S. 833 (1992)

Für die Beurteilung der Zulässigkeit von Gesetzen zum Schwangerschaftsabbruch gilt der Undue-burden-Standard. Zusätzlich wird die Trimesterregel aus „Roe v. Wade“ durch die extrauterine Lebensfähigkeit des Fötus ersetzt.

2022 in „Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization“ aufgehoben.
2000 Bush v. Gore 531 U.S. 98 (2000)

Die damals laufenden Nachauszählungen der Präsidentschaftswahl 2000 im Bundesstaat Florida waren verfassungswidrig.

Der Entscheid bestätigte damit das vorläufige Wahlergebnis, wonach George W. Bush dank der Elektorenstimmen Floridas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde. Das Urteil stieß auf breite Kritik, unter anderem wegen der Mehrheitsverhältnisse, da die konservativen Richter für und die liberalen Richter gegen das Urteil stimmten.
2002 Atkins v. Virginia 536 U.S. 304 (2002)

Die Hinrichtung von geistig behinderten Menschen ist verfassungswidrig.

2003 Grutter v. Bollinger 539 U.S. 306 (2003) Affirmative Action bei der Zulassung zum Universitätsstudium ist grundsätzlich zulässig. 2023 in Students for Fair Admissions v. Harvard aufgehoben
2003 Lawrence v. Texas 539 U.S. 558 (2003)

Die Kriminalisierung von homosexuellen Handlungen (und implizit von anderen in gegenseitigem Einverständnis vorgenommenen sexuellen Handlungen unter Erwachsenen, z. B. Oralverkehr) ist verfassungswidrig, da entsprechende Gesetze gegen das der Verfassung inhärente Recht auf Privatsphäre verstoßen.

Bowers v. Hardwick wurde damit aufgehoben.
2004 Rasul v. Bush 542 U.S. 466 (2004)

Die auf dem Stützpunkt Guantánamo Bay auf Kuba inhaftierten mutmaßlichen Terroristen haben das Recht, vor amerikanischen Gerichten gegen ihre Inhaftierung vorzugehen.

2005 Roper v. Simmons 543 U.S. 551 (2005)

Die Anwendung der Todesstrafe für zum Tatzeitpunkt minderjährige Täter verstößt gegen die Verfassung.

2005 MGM Studios, Inc. v. Grokster, Ltd. 545 U.S. 913 (2005)

Hersteller von Produkten, die Verstöße gegen Copyrights unterstützen, können für Copyrightverstöße der Benutzer dieser Produkte zur Rechenschaft gezogen werden.

2006 Hamdan v. Rumsfeld 548 U.S. 557 (2005)

Der Kongress hat durch die Antiterrorgesetze dem Präsidenten keine Befugnis gegeben, Militärkommissionen anstelle regulärer Gerichte aufzustellen, schon gar nicht eine Blankoermächtigung. Ein Gefangener in Guantánamo Bay kann vor einer Militärkommission nicht angeklagt und verurteilt werden. Dies verstößt gegen die Verfassung und das Kriegsrecht, namentlich das anzuwendende Gesetz über die einheitliche Militärgerichtsbarkeit (UCMJ) oder die anzuwendenden Genfer Konventionen.

2008 Boumediene v. Bush 553 U.S. 723 (2008)

Die in Guantánamo inhaftierten Terrorverdächtigen haben das Recht auf Anrufung ziviler US-Gerichte (habeas corpus).

2008 District of Columbia v. Heller 554 U.S. 570 (2008)

Der 2. Verfassungszusatz vermittelt ein individuelles Grundrecht auf Besitz von Feuerwaffen.

2010 Citizens United v. Federal Election Commission 558 U.S. 310 (2010)

Unternehmen besitzen aufgrund ihres Rechts auf freie Meinungsäußerung das Recht, politische Kandidaten unbegrenzt finanziell zu unterstützen.

2010 McDonald v. City of Chicago 561 U.S. 742 (2010)

Das durch den 2. Verfassungszusatz garantierte individuelle Grundrecht auf den Besitz von Feuerwaffen ist aufgrund des 14. Verfassungszusatzes auch auf die Bundesstaaten anwendbar.

Presser v. Illinois 116 U.S. 252 (1886) sowie anders lautende Bestimmungen in US v. Cruikshank 92 U.S. 542 (1876) wurden damit aufgehoben.
2012 National Federation of Independent Business v. Sebelius 567 U.S. 519 (2012) Eine gesetzliche Krankenversicherungspflicht für alle amerikanischen Bürger ist grundsätzlich verfassungskonform.
2013 Association for Molecular Pathology v. Myriad Genetics 569 U.S. 576 (2013)

Menschliches Erbgut kann als „Produkt der Natur“ nicht patentiert werden, jedoch künstlich nachgeahmte DNA.

2013 United States v. Windsor 570 U.S. 744 (2013)

Die Bundesregierung muss gleichgeschlechtliche Ehen anerkennen, die in einem Bundesstaat geschlossen wurden.

2015 Obergefell v. Hodges 576 U.S. 644 (2015)

Die Bundesstaaten müssen gleichgeschlechtliche Ehen gleichberechtigt erlauben und vollumfänglich anerkennen.

2020 Bostock v. Clayton County 590 U.S. ___ (2020)

Die Entlassung von Arbeitnehmern, nur weil sie homosexuell oder transgender sind, verstößt gegen Abschnitt VII des Civil Rights Act von 1964.

Die genaue Reichweite des Urteils ist Sommer 2020 noch nicht klar, aber es wird weithin angenommen, dass Gerichte diesen Schutz auch auf andere Lebensbereiche wie z. B. das Gesundheitswesen ausweiten werden.
2020 McGirt v. Oklahoma 591 U.S. ___ (2020)

Für die Zwecke des Major Crimes Act hat der Kongress die Indianerterritorien im Osten Oklahomas nicht aufgehoben, weshalb in diesen Gebieten die Bundesgerichtsbarkeit in Strafsachen anzuwenden ist.

Dies verbessert die Rechtsbeziehung zwischen Oklahoma und den Stämmen grundsätzlich zugunsten der Stämme; Verhandlungen sollen die Einzelheiten klären.
2022 NYSRPA v. Bruen 597 U.S. ___ (2022)

Das Tragen von Schusswaffen in der Öffentlichkeit ist ein Grundrecht, das durch den 2. Zusatzartikel zur Verfassung geschützt ist. Als Voraussetzung darf weiterhin von Antragstellern ein guter Charakter, Mindestalter und Leumundszeugnis verlangt werden, jedoch haben die Behörden beim Erteilen einer Genehmigung zum Waffentragen keinen Ermessensspielraum, sofern der Bewerber die gesetzlich definierten Voraussetzungen erfüllt. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen zum Waffenbesitz gilt der Verfassungstext in Kombination mit der Geschichte solcher Restriktionen („Text and History“).

Hiermit wurde ein Gesetz des Bundesstaates New York aufgehoben, wonach Antragsteller für einen unbeschränkten Waffenschein ein besonderes Bedürfnis nachweisen mussten. Analoge Regelungen in den Bundesstaaten Kalifornien, Hawaii, Maryland, Massachusetts, New Jersey und Rhode Island wurden ebenfalls aufgehoben.
2022 Dobbs v. Jackson Women’s Health Organization 597 U.S. ___ (2022)

Die Verfassung garantiert kein Recht auf Abtreibung (5 zu 4 Mehrheit), daher werden Roe v. Wade und Planned Parenthood v. Casey aufgehoben. Die Beschränkung der Abtreibung ab der 15. Schwangerschaftswoche in Dobbs ist rechtens (6 zu 3 Mehrheit).

Die Kompetenz zur Regelung des Schwangerschaftsabbruchs liegt damit wieder ausschließlich bei den Bundesstaaten und beim Kongress.
2023 Students for Fair Admissions v. Harvard 600 U.S. ___ (2023) Die Berücksichtigung der Rasse eines Studienbewerbers bei der Zulassung zum Studium (Affirmative Action) verstösst gegen das Gleichbehandlungsgebot im 14. Verfassungszusatz sowie gegen das Rassediskriminierungsverbot in Titel VI des Civil Rights Act von 1964. University of California v. Bakke 438 U.S. 265 (1978) sowie Grutter v. Bollinger 539 U.S. 306 (2003) werden somit aufgehoben.

Vergleich mit dem deutschen Bundesverfassungsgericht

Ein Vergleich wird oft gezogen, ist jedoch nur bedingt möglich. Das Aufgabenspektrum des Supreme Court ist weiter gefasst als das des deutschen Bundesverfassungsgerichts. Letzteres ist ein Spezialgericht außerhalb des Instanzenzugs und befasst sich mit Völker- und Verfassungsrecht und überprüft als solches die Entscheidungen anderer Gerichte unter funktionalem, nicht jedoch instanziellem Aspekt (→ Suspensiv- und Devolutiveffekt), während der Supreme Court als oberste Instanz für alle Rechtsbereiche fungiert; das Bundesverfassungsgericht ist dagegen gerade keine Superrevisionsinstanz. Allerdings kann das Bundesverfassungsgericht leichter angerufen werden, da der Supreme Court fast ausschließlich Berufungsgericht für bereits in anderen Instanzen verhandelte Fälle ist. Im amerikanischen Recht sind Rechtsmittel nur beschränkt vorhanden und bereits die zweite Instanz prüft auf vielen Rechtsgebieten lediglich Rechts- und Verfassungsverstöße, so dass der Supreme Court am ehesten als Superrevisionsinstanz bezeichnet werden kann.

Sonstiges

Seit 1935 wird das Gericht durch eine eigene Polizeieinheit geschützt, die Supreme Court Police. Außerhalb des Gerichtsgeländes steht dem Gericht der United States Marshals Service für alle anderen Polizeiaufgaben zur Verfügung.

Siehe auch

Literatur

  • Stephen Breyer: The Court and the World: American Law and the New Global Realities. Alfred A. Knopf, New York 2015, ISBN 978-1-101-94619-0.
  • Adam Cohen: Supreme Inequality: The Supreme Court's Fifty-Year Battle for a More Unjust America. Penguin Press, New York 2020, ISBN 978-0-7352-2150-5.
  • Thomas M. Hirner: Der Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika (SCOTUS). In: Juristische Schulung. JuS. Bd. 50, Nr. 5, 2010, S. XLIV–XLVII (PDF; 666 kB)
  • Robert Chr. van Ooyen: Amerikanische Literatur zum Supreme Court – Lücken bei der Forschung zum Bundesverfassungsgericht. In: Zeitschrift für Politikwissenschaft. Bd. 18, Nr. 4, 2008, S. 515–522, doi:10.5771/1430-6387-2008-4-515.
  • David S. Tanenhaus (Hrsg.): Encyclopedia of the Supreme Court of the United States. 5 Bände. Macmillan Reference USA, Detroit MI u. a. 2008, ISBN 978-0-02-866124-7.
  • Jeffrey Toobin: The Nine. Inside the secret world of the Supreme Court. Anchor Books, New York NY 2008, ISBN 978-1-4000-9679-4.
  • David A. Yalof: Pursuit of Justices: Presidential Politics and the Selection of Supreme Court Nominees. University of Chicago Press, Chicago 1999, ISBN 978-0-226-94545-3.
  • Jeff Yates: Popular Justice: Presidential Prestige and Executive Success in the Supreme Court. State University of New York Press, Albany 2002, ISBN 978-0-7914-5447-3.
Commons: Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. supremecourt.gov
  2. Oberster Gerichtshof der Vereinigten Staaten > About the Court > Justices > Biographies (engl.), aufgerufen am 16. April 2018.
  3. uscourts.gov: Frequently Asked Questions
  4. US-Senat bestätigt erste schwarze Richterin am Supreme Court. In: tagesschau.de. 7. April 2022, abgerufen am 7. April 2022.
  5. Ex parte McCardle, 74 U.S. 506 (1868)
  6. United States v. Klein, 80 U.S. 128 (1871)
  7. Ulrich Kühne: Amicus Curiae. Richterliche Informationsbeschaffung durch Beteiligung Dritter. Mohr Siebeck Verlag, 2015. ISBN 978-3-16-153147-7
  8. Rules of the Supreme Court of the United States (Memento vom 5. Juni 2017 im Internet Archive) (PDF) adopted April 19, 2013, effective July 1, 2013, abgerufen am 29. Juni 2017 (englisch)
  9. Rule 29. Brief of an Amicus Curiae Federal Rules of Appellate Procedure, abgerufen am 29. Juni 2017 (englisch)
  10. USA - Wie der Supreme Court die Politik bestimmt. Abgerufen am 8. Januar 2020.
  11. Thorsten Schröder: Supreme Court: Das Gericht ist hoch politisiert. In: Die Zeit. 8. April 2017, ISSN 0044-2070 (zeit.de [abgerufen am 8. Januar 2020]).
  12. Frank Newport: In U.S., Decline of Christianity Continues at Rapid Pace. In: Pew Research Center. 17. Oktober 2019, abgerufen am 4. Februar 2021 (englisch).
  13. Daniel Burke: What is Neil Gorsuch’s religion? It’s complicated. CNN, 22. März 2017, abgerufen am 22. Februar 2020 (englisch).
  14. 1 2 3 Akhil Amar: Plessy v. Ferguson and the Anti-Canon. In: Pepperdine Law Review. Band 39, Nr. 1. Pepperdine University School of Law, Malibu 2013, S. 75–90 (englisch).

Koordinaten: 38° 53′ 26,5″ N, 77° 0′ 15,6″ W

This article is issued from Wikipedia. The text is licensed under Creative Commons - Attribution - Sharealike. Additional terms may apply for the media files.