Je suis Charlie
Je suis Charlie sind seit „Ich liebe dich“ die meistgesagten drei Worte auf diesem Planeten.
Zudem ist dieser kurze Ausruf (auch #JesuisCharlie, Ich bin Charlie, I am Charlie, Yo soy Charlie, Ik ben Charlie) eine medial äußerst geniale Art und Weise, der Welt beizubringen, was „Ich bin“ auf Französisch heißt. Medienwirksam deshalb, weil sich der Satz schneller verbreitete als Zimmermannsnägel nach einem Nagelbombenattentat und omnipräsenter war als das Gesicht von Helene Fischer. Früher hatte sich Charlie noch über drei Engel gefreut, jetzt hatte er Millionen.
Ursprung
Es begann mit einem Urknall. Beziehungsweise mindestens zwölf. Zwei Brüder mit nordafrikanischem Migrationshintergrund waren nämlich so gar nicht Charlie, sondern bewaffnet. Sie drangen mit ihren Pumpguns in die Redaktion der französischen Satirezeitschrift Charlie Hebdo ein und bewiesen, dass sie keinen Humor hatten. Statt der fröhlichen Sitzung beizuwohnen und sich vielleicht den einen oder anderen Gratiskaffee zu schnorren, hatten sie nichts Besseres zu tun, als die Redaktionssitzung nonverbal zu beenden, und anschließend mit einem „Je suis rapide“-Aufkleber auf dem Nummernschild zu flüchten.
Einfach so um sich herumballern und dann auch noch abhauen. Das ging natürlich gar nicht! Wir sind doch nicht in Amerika! Und außerdem, eine Satirezeitschrift anzugreifen, das geht ja mal gar nicht! Das ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Wie lange haben wir darum gekämpft, dass jeder frei nach seinem Gusto all das sagen darf, worauf er grade Lust hat. Dass einem niemand das Wort verbieten könne, und dass jeder Recht auf eine eigene, individuelle und einzigartige Meinung hat.
Aufstieg
Diesen Pluralismus zeigte man dadurch, dass einfach jeder den gleichen Spruch, in die auf Massenkundgebungen vertretene Menge, in die Höhe hielt, laut durch die Gegend brüllte, als Profilfoto auf Facebook die französische Nationalflagge über sein Konterfei legte oder sich ähnlich geartete, nationale Verbundenheit auf die Arschbacken tätowieren ließ. Challenges entstanden, und wer nicht binnen 24 Stunden sein Facebook-Profilfoto geändert hatte, der konnte schließlich nur die linke Hand Osama Bin Ladens sein.
Und der Spruch wurde cool: Hipster, die sich sonst nur durch Aufmerksamkeit erhaschende Hashtags wie #Yolo, #Swag , #Swaghetti Yolognese oder #ichbingarkeinhipster hervortaten, taten den lieben langen Tag nichts anderes mehr, als #JesuisCharlie zu posten, obwohl sie nach der siebten Klasse ihr Französischbuch verbrannt hatten und noch nicht mal ansatzweise wussten, wie sie diesen Satz auszusprechen hatten, geschweige denn, was damit gemeint ist ("Jesus Charlie? Wer is'n das?").
Aber egal, das Volk wollte es und quittierte es mit dreistelligen Zahlen an Likes und Retweets. Man feierte die Meinungsfreiheit, man berauschte sich an diesen drei Worten, man ergötzte sich am gemeinsamen Demonstrieren und Brüllen. Solch ein kollektives Gemeinschaftsgefühl hatte man in Deutschland seit dem WM-Finale nicht mehr erlebt – und erst recht in Frankreich schon seit dem Viertelfinale nicht mehr.
Selbst auf die muslimische Welt sprang der Funke über, was daran liegen konnte, dass der Prophet Mohammed kurzfristig aus seiner selbst gewählten Unsichtbarkeit trat, um auf dem Charlie-Hebdo-Cover Werbung für den Spruch zu machen...
Kurzum: Die Welt war sich einig in der Verschiedenheit, und „Charlie“ dürfte wohl das erste französische Wort des Jahres in Deutschland werden.
Siehe auch
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