Mus
Mus ist bekannt. Mus (plur. Müse) ist dieses Produkt, das aus allem möglichen bestehen kann, was man durch Pürrieren verkleinert, sodass es nicht ordnungsgemäß wieder zusammengesetzt werden kann. Das können Äpfel, Birnen, Geld, Spaß und merkwürdigerweise sogar Puzzleteile sein. Sogar frisch geerntete Zehennägel, ja, besonders frisch geerntete Zehennägel. Man unterscheidet nur zwischen gewolltem und ungewolltem Mus. Gewolltes Mus ist ein für den Verzehr vorgesehenes Produkt das jeder, wenn auch nicht regelmäßig, so doch zumindest als erstes und als letztes im Leben zu sich nimmt. Ungewolltes Mus ist das, was passiert ist, wenn man gewolltes Mus nicht als letztes im Leben zu sich nehmen konnte.
Im Volksmund gibt es für die Bezeichnung Mus außerdem den Begriff "Matschepampe", auch oft abgewandelt ins Küchenjargon als Brei oder "Vater kocht Nudeln". Mus ist nicht nur Grundlage vieler peinlicher und abgedroschener Wortspiele sondern auch ein Grundnahrungsmittel der europäischen Küchen, das regional sogar für bestimmte Gemüsesorten verwendet wird. Durch seine vielseitige Einsetzbarkeit entstehen im allgemeinen Sprachgebrauch oft Missverständnisse, die zu kryptischen Botschaften in namhaften Kochsendungen führen, wie: Der Thymian ist für diese Suppe ein Mus. Mus würzt man zudem mit Muskat, um es genießbar zu machen, wobei es besonders von Musterknaben genossen wird, wie Max Mustersohn einer ist. So geht das immer weiter...
Gewolltes Mus
Früher, als die Menschen noch kleiner und verstreuter waren, aßen sie viel Mus. Daher wird Mus auch in einigen Gegenden noch als Nahrungsmittel schlechthin bezeichnet. Mus gab es in altdeutschen Stammesgegenden für die ganze Familie dreimal täglich an ungeraden Wochentagen, als Morgen- Mittags- und Abendmus. Das war einerseits notwendig, weil die zahnhygienischen Standards des Frühmittelalters nicht über die Milchzahnphase hinauskamen, anderseits weil religiöse Speisegesetze den Verzehr von Mus nahelegten. Weil freitags nämlich kein Fleisch gegessen werden durfte, fingen die fetten Mönche die streunenden Hunde der Umgegend ein, pürrierten sie und reichten sie herum in dem Glauben, dass die göttlichen Speiserichtlinien ähnlich scharfen Kontrollen unterliegen wie moderne EU-Agrarbetriebe. Wenn dabei ein Auge im Brei auftauchte, weil die Hunde ja als ganzes verarbeitet wurden, wurde es mit dem Löffel schnell wieder an den Boden zurückgedrückt. Daher stammt auch der Ausdruck: Ein Auge zudrücken.
Trotz des bekömmlichen Hundemuses entstand bald ein großes Sprachchaos, weil Mus auf ärgerlich viele Arten in die Esskultur einbrach. Weil Gemüse wegen des Klimawandels im späten zehnten und elften Jahrhundert so klein geriet, dass es das Präfix Ge- schon gar nicht mehr verdient hatte mussten massenhaft Müse angebaut werden und weil viele Gärten für den Heimbedarf nur Monokulturen führten, wurden sie vereinfacht Musgärten genannt. Wegen der einfachen Zubereitung und der Nährstoffhaltigkeit wurden diese Müse oder das Mus aus dem Musgarten zu Mus verkleinert, was dazu führte, dass viele Herdmündel sich nicht mehr sicher waren, ob sie nun Musmüse, Müsemus, Musmus oder marmorierten Matsch mampften. Größer wird die Verwirrung, wenn man bedenkt, dass zwar seit der lateinischen Sprachreform Karls des Großen die Maus wieder Mus genannt wurde, für das eigentliche Mus aber das lateinische pampa umgedeutet wurde. Da Mäuse in Notzeiten auch ein bekömmliches Gericht waren, wurden sie manchmal zum Mus, zum Müse oder zum Musmüse gegessen und sobald es erstmal Mus mit Musmus, Musmüse mit Mus oder Müse mit Mus und Müsemus zu essen gab, war die Verwirrung komplett.
Diesen Missstand beseitigte Kaiser Friedrich II. 1225 im statutum in favorem musum alentium, in dem erstmals erwünschte Verwendungskontexte von Mus definiert wurden. In diesem Dokument, das heute freilich nur noch im Museum zu finden ist, legte Friedrich fest, dass alle ungemusten Muse nur noch mit Vorsilbe genossen werden durften, gemuste Muse aber auf bestimmte Produkte eingegrenzt werden sollten, zu denen die Mus nicht mehr gehörte. Wurde jemand mit Musmus erwischt machten die Schergen und Beamten des Königs Mus aus demselben, womit sodann das ungewollte Mus entstand. Wenigstens einer Musterung von sog. Musikern musten sich einfache Hörige einmal im Monat unterziehen.
Seit dem statutum existiert eine Reihe von Rezepten zur Musherstellung, die bis in die heutige Zeit in ihrer Stringenz und Konsistenz nicht abgewandelt wurde. Dafür sorgen europäische Mustervorgaben, die es Köchen aus dem nahen Osten, manchmal abwertend Muselmanen genannt, auch im Heimbereich immer schwieriger machen, sich kulturell an den europäischen Einheitsbrei zu assimilieren. Die Muslime, wie sie sich selbst nennen, bleiben immer häufiger unter sich, brauen ihr Süppchen hinter schleierhaften Musselinen und genießen ihre Muße. Das sagen wenigstens viele regionale Musköche wenn sie ordentlich Mus im Kopf haben.
Herstellung
Mus wird im Gegensatz zu Teig zermalmt und nicht angeschrien. Es wird fast ausschließlich aus verkochten Früchten in einem Dampfkocher gemacht, wobei nach dem endgültigen Zerfall der öbstlichen und gemüsealen Zellklumpen die groben Reste durch große Muskeln aus dem Topf geschöpft werden. Für derbe Müse benötigt die fleißige Hausfrau Muskellaufbautraining, denn entsprechend größere Früchte verlangen größere Muskeln, für die es bisher nur unmontierte Bausätze gibt. Wer das nicht möchte, kann sich auch Musketiere ins Haus bestellen, die das Musmaterial mit Meuchelmessern musonartig zerteilen. Meistens arbeiten sie alle nur für ein Mus, das eine ist dann aber auch schnell alle, denn sie naschen gern. Wenn so eine Horde Musketiere durch die Küche fegt, kann es sein, dass sie der ein oder anderen Tomate versehentlich die Haut abziehen. Passiert.
Müse kann man auch kalt machen. Profiköche haben dafür Pürrierstäbe, die so groß sind wie ein handelsüblicher Betonmischstab aus dem Baumarkt und Bottiche, in denen mehrere milchproduzierende Großvieheinheiten baden könnten. Ganze Kochlehrlinge sollen dort drin verschwunden und erst beim Auskärchern wiedergefunden worden sein. Im Haushalt ist das ganze jedoch etwas übersichtlicher. Dort hat kalt gemachtes Mus den Vorteil, dass neben verkochten Früchten auch supertrockenes Getreide oder alles, was man so am hausnahen Bach findet, zerstäubt werden kann, um dem Mus wichtige Balaststoffe mitzugeben. Neben Milchmus wird so u.a. Brotmus und Müsli zubereitet. Die Sämigkeit eines solchen kalt gemachten Muses hängt von der Gewaltbereitschaft und Wut des Zubereitenden ab.
Fertige Müse werden gewürzt und dann entweder für 30 Jahre luftdicht verschlossen oder Alten und Schwachen, die nicht weglaufen können, zum Mittagessen verabreicht.
Regionale Varianten
In vielen Regionen Europas, ach auf der ganzen Welt, haben sich trotz der einstigen kaiserlichen Verfügung und der alten Muskonventionen natürlich eigene Müse durchgesetzt, die sich in Rezeptur und Beschaffenheit von idealtypischen Müsen unterscheiden. So bevorzugen Engländer mit ihren abartigen Gelüsten noch blutiges Mus (Mus Wellington), das wie Suppe mit einem Teebeutel vom Teller geditscht werden muss und mit Trockeneis und tiefgefrorenem Joghurt serviert wird.
In einigen Gegenden im nahen Osten und auf Musilon wird für viele Müse Mustard verwendet, daher auch das mongolische Mus Tatar.
Zentralafrikaner nennen Produkte Mus, die in ihrer Beschaffenheit stark an Honig erinnern, aber weder Mus noch Honig sind, sondern einfaches Baumharz. Aber Zentralafrikaner sagen auch zur Rinde des Muhimbibaums „Lunch“ und zu Feldsteinen „Imbiss“.
Ungewolltes Mus
Ungewolltes Mus ist ein passives Produkt, das in der Regel nicht zum Verzehr geeignet ist. Es entsteht durch eine nicht kontrollierte, nicht in einem zielgerichteten Vorgang begriffene oder un- wie unterbewusste Handlung, die die Verformung oder Außergangsetzung eines zuvor existenten Materials bzw. Prozesses beschleunigt. Diese Beschleunigung ruft eine Zustandsänderung zu Ungunsten des gedachten Materials hervor, wobei der musartige Zustand nicht über die Änderung der Konsistenz (die durchaus unterschiedlich ausfällt) sondern über den Grad der Destruktionskraft gegenüber dem Ausgangszustand gemessen wird. Wer schon einmal bei Tempo 120 km/h außerorts mit seinem Ford Mustang über eine Hauskatze auf Kundschaftsgang gerollt ist oder seinen Hamster vom Dach geworfen hat in dem Glauben, er würde im entscheidenden Moment des Falls seine Schwingen ausbreiten und wegfliegen, der versteht das.
Die Muse
Die Muse ist in vielen europäischen Hochkulturen als Wahrerin und Schützerin der Breikunst bekannt gewesen und beansprucht als mythologische Gestalt bis heute einen festen Platz in den Sagen, Erzählungen und Lehren pampiger Kochartisten. In vielen Haushalten ist sie ein gern gesehener Schutzgeist der Mittagessenden und wird auch aktiv in Tischgebete eingeschlossen.
So geistert der Mythos der verschiedenen Musen noch immer in vielen Häusern und Familien umher, wird von den Jüngsten begierig aufgesogen, von den Jungen genährt und ist das Brot der Alten.
Die Pflaumenmuse
Die Pflaumenmuse ist die Muse des Morgens. Sie vereint die Bitterkeit der dunklen Nacht mit der Süße des Tages oder je nach Lebenseinstellung die Süße der Nacht mit der Bitterkeit des Tages. Sie gilt als die zäheste und gleichwie geheimnisvollste Muse wegen ihrer Dunkelheit und Undurchdringlichkeit. Gleichzeitig ist sie Sinnbild für das zähe Beharren, denn ihre Gaben kleben mit großer Sicherheit den gesamten Tag in den Zahnzwischenräumen. Dafür ist ihre zähe Konsistenz verantwortlich für die morgendliche Euphonie, wenn die ganze Familie beisammen sitzt und sich massenhaft Brote, bestrichen mit ihrem schwarzblauen Mus, reindreht.
Weil sie besonders im Umfeld von Produkten vorkommt, die das geschäftige und tüchtige Zerkleinern, begleitet von einer Symphonie aus grunzenden Schmatzgeräuschen abverlangt gilt sie als Wahrerin und Inspiration der schönen Klänge, der sogenannten Musik.
Die Apfelmuse
Die Apfelmuse ist die Muse des Tageskreises. Sie ist die ausgewogenste Muse, schwankt sie doch zwischen der süßen Muße und der sauren Erkenntnis. Sie gilt als Spenderin der Sämigkeit und ist das Sinnbild für Vorsicht, Klarheit und Genügsamkeit, denn wer sich zu maßlos an ihren Gaben labt, dem fährt sie wutentbrannt aus dem Leibe. Ihre Ausgeglichenheit spiegelt sich auch in ihrer Erscheinung wieder, denn duftet sie umso verführerischer je mehr ihr Schimmer den uringleichen Glanz güldenen Gallensafts annimmt. Bei REWE kann man sie für 69 Ct. im Vorratsglas kaufen, doch eher noch findet man sie unter ihresgleichen, unter zerkleinerten Eiern und Reibekuchen, unter dem Breie des lebensspendenden Kuhsafts, schließlich als Beilage zu pikanten Speisen im Beisein zerschnittener Genossen, nie aber zu Leberwurst.
Die Pampelmuse
Die Pampelmuse ist die Muse des Abends, die Schutzherrin der Denker und der Skeptiker und erscheint meist mit gekräuselter Stirn. Sie gilt als Sinnbild der Skepsis, aber auch als Verkörperung der Verbitterung und Säuerlichkeit. Frauen können ihre Früchte den ganzen Tag über genießen. Die Pampelmuse kommt nicht in Verbindung mit anderen Produkten vor steht sie doch für den Spott und den Hohn und beißt sich insonders mit der Apfelmuse, der sie einen Vitaminmangel unterstellt, weil ihr die Schale fehlt. Die wiederum wirft der Pampelmuse Orangenhaut vor.
Sonstiges
- In Schweden heißt Mus Mös. Einen Plural gibt es nicht.
- In Marmeladenschutzreservaten dürfen auch keine Müse zubereitet werden
- Schätzungsweise 10 Millionen deutsche Jugendliche fallen jedes Wochenende durch übermäßigen Musmissbrauch auf und flößen es sich eimerweise ein, um eine beglückende und sättigende Wirkung zu genießen. Gerüchteweise „knallt das Mus“ durch einen Strohhalm noch mehr.
- Wenn man sein Mus nicht aufisst, scheint die Sonne nicht
- Musgegner planen schon seit Jahren ein Kompott gegen den Musverzehr
- Mandelmus kann Spuren von Nüssen enthalten