Bürgerwehr
Die Bürgerwehr war während der Friedrich-Merz-Revolution von 1848 eine einfache Gruppe Bürger, die die Stadt im Kriegsfall verteidigen sollte, wenn die Bundeswehr mal wieder irgendwo in Afghanistan unterwegs war. Das ist allerdings sehr lange her, nämlich noch vor der Geburt von Jopi Heesters. Nur in den USA konnte die Bürgerwehr überleben, also gibt es dort noch fanatische Typen, die sich mit Waffen aufrüsten und potenzielle Verbrechen verhindern wollen. Das ist dann eine neumodische Bürgerwehr.
Entstehung
Die Ursprünge der Bürgerwehridee liegen in der so genannten Stammtischphilosophie. Wenn sich die zukünftigen Helden der Nachbarschaft in ihrer Kneipe treffen, weil es da Kabelfernsehen gibt (das ist in Amerika in der Tat etwas Besonderes), und sich bei einem Bierchen oder zwei hochphilosophischen Themen wie „Wer gewinnt wohl dieses Jahr den Superbowl?“ (Auch der Superbowl ist dort in der Tat etwas Besonderes) und „Warum zur Hölle haben Männer Nippel?“ widmen, dauert es oft nicht lange, bis irgendein McCain-Wähler das Gespräch auf einen brisanten Kriminalfall lotst, der sich jüngst irgendwo in der Nähe (zirka vier Bundesstaaten weiter) ereignet hat und wo die Justiz die Täter zu milde bestraft hat - Wenn überhaupt. Daraufhin erreicht die Philosophenrunde recht schnell den Konsens, dass dem nur so war, weil der Täter schwarz war und dass man sich nicht auf das bestehende Rechtssystem verlassen kann.
Von daher ist es nur nahe liegend, dass man das Recht selbst in die Hand nimmt. Auf sich selbst ist nämlich immer noch Verlass. Schon typische amerikanische Kindheitsidole wie Batman, Spider-Man und der Heldentrupp vom Ku-Klux-Klan haben schließlich wirkungsvoll demonstriert, dass die öffentliche Gewalt machtlos ist und man nur selbst Gerechtigkeit walten lassen kann. Der Gedanke der Selbstjustiz ist also schon früh fest in den Köpfen des Durchschnittsamerikaners verankert. Apropos Kinder, die können auch noch gleich mitmachen. Ist immerhin besser, als wenn sie den ganzen Tag GTA spielen. Das erzieht sie doch nur zur Gewalt, da sollen sie doch lieber die Waffe in die Hand nehmen und Sinnvolles tun. Aber bloß nicht in der Schule, das gibt nämlich Ärger. Nach einer solchen argumentativen Durchschlagskraft und dem siebten Bier ist schließlich auch der letzte Stammtischkamerad bereit, der neuen Bürgerwehr beizutreten. Warum soll man schließlich auch warten, bis das das große Totmachen stattfindet, wenn man es gleich verhindern kann? Und wer schläft denn abends nicht besser, wenn er weiß, dass der liebe Nachbar von nebenan bis auf die Zähne bewaffnet im Vorgarten herumlungert und über einen wacht?
Ausrüstung und Planung
Wer erfolgreich einen Kampf gegen das Verbrechen führen möchte, der muss auch entsprechend bewaffnet sein. Baseballschläger und Hackebeil reichen dabei heute nicht mehr so ganz aus, von daher erstreckt sich das Arsenal einer Bürgerwehr nicht selten von der einfachen Pistole, wie sie auch die Stümper von der Polizei benutzen, bis hin zu schwerster Kriegsartillerie. Die Waffenanschaffung kann einem auch nicht untersagt werden, dafür sorgt die hochaktuelle Verfassung aus dem Jahr 1791. George Washington hätte ja auch nicht gewollt, dass schwarze Männer nachts einfach so frei rumlaufen und möglicherweise das Gesetz brechen. Zur Beschaffung von Kriegswaffen wie der weltweit beliebten AK-47 reichen dabei lediglich der Erwerb einer Jagdlizenz (Die Verbrecherjagd ist schließlich auch eine Form der Jagd, im weitesten Sinne) und eine überstandene Untersuchung durch das FBI. Diese Untersuchungen bestehen meist aus äußerst komplizierten Fragen wie „Sind Sie für die Al-Qaida oder sonstige terroristische Organisationen tätig?“. Wenn man genug Unterschriften gesammelt und genug Dollars auf Gemeindekonten überwiesen hat, steht der Bürgerwehr im Prinzip nichts mehr im Wege. Dann kann das Nachtsichtgerät ruhigen Gewissens eingeschaltet werden und der allabendliche Spaß für Jung und Alt beginnen.
Zuvor will aber auch das strategische Vorgehen einer Bürgerwehr genauestens geplant sein. Eine gut organisierte Bürgerwehr verfügt über ausführlichste Listen mit den Einwohnern des zu schützenden Viertels, anhand derer man mit einem todsicheren System ermitteln kann, welche Nachbarn unter besonderer Aufsicht der Bürgerwehr zu stehen haben: Wer sonntags nicht in die Kirche geht, der muss ein Islamist sein. Wer das amerikanische Wahlsystem nicht schätzt und Wahlen boykottiert, der muss ein Kommunist sein. Oder zumindest jemand, der der Gesellschaft heimlich massiven Schaden zufügt. Grundsätzlich verdächtig sind alle Schwarzen, denn wenn man eins aus der Kriminalserie COPS gelernt hat, dann, dass immer nur Schwarze irgendwelche Frauen vergewaltigen oder Ladenbesitzer erschießen. Deren Häuser sind also automatisch strategische Punkte, an denen Einheiten unbedingt positioniert werden müssen. Weitere wichtige Punkte sind der 24-Stunden-Shop, wo ab Mitternacht keine Sau mehr einkauft (Wer da reinlatscht plant also höchstwahrscheinlich einen Überfall), und natürlich das geheime Hauptquartier der jeweiligen Bürgerwehr (ihre Stammkneipe).
Bürgerwehr in Aktion
Jede professionelle Bürgerwehr legt ihr Augenmerk zunächst auf reine Beobachtungstätigkeiten. Soll heißen: Man hockt irgendwie getarnt im Gebüsch gegenüber Nachbars Haus und flüstert alle fünf Sekunden panisch ins mitgenommene Walkie-Talkie, wenn irgendwo eine Eule gurrt oder an einem Fenster der leise Hauch eine Schattens erkennbar zu sein scheint (Was auffällig oft passiert, wenn man bedenkt, dass eine Bürgerwehr in aller Regel nachts unterwegs ist). Diese Vorangehensweise ist nicht wirklich funktional, sie dient lediglich dazu, das Klischee des paranoiden amerikanischen Bürgerwehridioten zu unterstreichen.
Irgendwann muss aber immer etwas passieren und seie es nur ein ahnungsloser Passant, der den fatalen Fehler begeht, sich nachts in Bürgerwehrterritorium zu verirren. In diesem Fall werden sich augenblicklich mehrere Bürgerwehrmitglieder auf ihn stürzen wie Holländer auf den Sperrmüll und von ihm Personalausweis, Aufenthaltsgenehmigung und Haarproben für eine DNA-Analyse verlangen. Verteidigungsargumente des verdächtigen Streuners wie „Walther, was soll der Scheiß, wir kennen uns seit zwölf Jahren und ich wohne hier!“ werden von routinierten Bürgerwehrleuten dabei standardgemäß ignoriert. Eine Bürgerwehr erlaubt sich oft auch einzugreifen, sollte irgendwo nachts noch Licht brennen. Dann wird am entsprechenden Gebäude gefühlte tausend mal geklingelt und wenn sich herausstellt, dass sich der Hausspross einfach nur einem Egoshooter-Marathon hingegeben hat, darf er sich erst einmal von den geliebten Nachbarn eine Standpauke anhören, wie sie sich damals kurz nach dem Krieg ihre Freizeit vertreiben mussten. War auch eine harte Zeit, so nach dem fürchterlichen Bosnienkrieg. Sollte jemand der Bürgerwehr negativ aufgefallen sein, wird die Bürgerwehr per Funkgerät das entsprechende Vergehen der Zentrale mitteilen, wo alle Vorkommnisse in bester Stasi-Manier verzeichnet werden. Bürgerwehrleute wissen dies allerdings mit dem Argument „Wir dürfen das, wir sind schließlich keine Kommunisten!“ wirkungsvoll zu rechtfertigen.
Der Haken einer Bürgerwehr ist allerdings, dass ihr Handeln nicht ganz legal und sie stets zum Scheitern verdammt ist. Es mag zwar unfassbar klingen, aber gibt es tatsächlich auch Leute, die sich von ihren geliebten Nachbarn gestört fühlen, wenn sie nachts um drei mit einem Schießprügel im Arm vor ihrem Haus hocken. Das hat dann zur Folge, dass die Polizeitrottel ins Spiel gerufen werden, die die Bürgerwehrleute dann verscheuchen, obwohl sie laut Aussage mehrerer Bürgerwehraktivisten selbst nichts gebacken bekommen, was die Police-Academy-Filme ja eindrucksvoll bewiesen hätten. Diese Argumentationsstrategie verfolgt dabei das Ziel, im Falle einer Gerichtsverhandlung auf Unzurechnungsfähigkeit der Bürgerwehrmänner plädieren zu können, da sie offenbar nicht in der Lage sind, die offensichtlichen katastrophalen Qualitätsmängel der Filmreihe zu erkennen und ihr tatsächlich eine rechtliche Aussagekraft zumessen.
Sollte eine Bürgerwehr nicht daran zugrunde gehen, dass sie von ihren eigenen Schützlingen denunziert wird, endet die Laufbahn der Nachbarschaftshelden in aller Regel in einer sinnlosen Schießerei mit einer Gruppe Schwarzer, denen seitens der Bürgerwehr illegaler Drogenvertrieb vorgeworfen wird. Ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht, ist dabei völlig irrelevant, denn die Medien werden den Sachverhalt stets so verdrehen, dass die armen verkannten Helden der Bürgerwehr als militante Nazis hingestellt werden. Das wiederum hat zur Folge, dass irgendwo vier Bundesstaaten weiter irgendwelche Minderheiten in einem Comedy Club sitzen, den Fall aufschnappen und beschließen, eine Anti-Bürgerwehr zu gründen...
Konkrete Fälle
1989 gereichte der Bürgerwehraktivist John Locked aus Bristol, Massachusetts zu zweifelhaftem Ruhm, als er in das Haus einer verreisten schwarzen Familie einbrach, um nach Anhaltspunkten für illegale Aktivitäten der Verdächtigen zu suchen. Zwar fand er im Haus nichts Belastendes, doch brachte er das Kunststück fertig, sich in der Hausgarage einzusperren. Als die geliebten Nachbarn nach zwei Wochen aus ihrem Urlaub zurückkehrten und Locked verzweifelt und fast verhungert vorfanden, sind sie von diesem anschließend erfolgreich wegen gemeingefährlicher Freiheitsberaubung angeklagt worden. Empört über dieses Gerichtsurteil zog die Familie nach Kalifornien um - Die Bürgerwehr hat wieder einmal gesiegt!
Ein weiterer interessanter Fall ereignete sich 2006 in Beaumont, Texas, als der bekannte Hassprediger Mehmet Al-Sholl, auch bekannt als Imam der Schreckliche, in Bürgerwehrgebiet zog. Die Bürgerwehr war selbstverständlich sofort alarmiert und musste verhindern, dass der Mann ihre geliebte Nachbarschaft in ein texanisches Jihadzentrum verwandelte. Schließlich hat Texas schon genug unter illegalen mexikanischen Einwanderern zu leiden. Sie überwachten den Mann rund um die Uhr und tatsächlich gelang es ihnen, Al-Sholl beim heimlichen Verzehr von Schweinshaxen und Whiskey zu fotografieren und ihre Fotos über die Regenbogenpresse publik zu machen, sodass er keine islamistischen Glaubensbrüder mehr bewegen konnte, nach Beaumont zu ziehen. Verärgert zog Al-Sholl daraufhin nach Florida und eröffnete einen freundlichen Gemüseladen an der Ecke.
Der Fall erregte Aufsehen, als die Bürgerwehr darauf in die Talkshow von Oprah Winfrey eingeladen worden ist und den Fernsehauftritt ablehnte, weil Winfrey schwarz sei. Daraufhin wurden sie von ihren Ehefrauen, die klischeegemäß den ganzen Tag auf der Couch liegen und Oprah schauen, mächtig verprügelt. Nichtsdestotrotz - Die Bürgerwehr hat wieder einmal gesiegt!
In Deutschland können Bürgerwehren mittlerweile keinen Fuß mehr fassen, das liegt daran, dass das Grundgesetz es dem Volk nicht erlaubt, mit Schusswaffen herumzuspielen und hier die einzigen legal erhältlichen tödlichen Waffen CDs von Modern Talking sind. Zieht also ein mutmaßlicher Kinderschänder in eine deutsche Nachbarschaft, wird sein Haus einfach nur einen Monat lang von demonstrierenden Bürgern belagert, bis sie irgendwann kapitulieren. Dann vertraut man einfach der Überwachung der polizeilichen Ordnungshüter, im Tatort gewinnt die Polizei schließlich auch immer.
In den USA hingegen wird in einem solchen Fall die Bürgerwehr kein Risiko eingehen - Entweder wird dann die Überwachung des potenziellen Verbrechers selbstständig verstärkt oder mal ebenso ein aufgebrachter Mob mit Mistgabeln und Fackeln organisiert - Die Bürgerwehr hat wieder einmal gesiegt!
Literatur
- Charlton Heston: From my cold dead hands - Gute Argumente für Waffenliebe und Selbstjustiz. Los Angeles, 1998.
- Michael Moore: Bowling For Columbine - Bessere Argumente gegen Waffenliebe und Selbstjustiz, wobei ich so tue als könnte ich einfach so ein Gewehr in einer Bank bekommen. Michigan, 2002.
- Herta Müller: Waffenschaukel. Ein Roman über die Bürgerwehrverfolgung rumänischer Einwanderer. Hamburg, 2009.
- Frank Schirrmacher: Das Internet ist an allem Schuld. Frankfurt am Main, 2009.
- Superman #259 - Superman im Rollstuhl, das Land braucht neue Helden. Krypton, 1995.