Gläserne Welt
Google setzt seine Sammelwut weiter fort: Nun soll auch Deutschland in den Schrank der Trophäen von Google Street View. Doch nicht jeder ist glücklich darüber und will nun sein Haus schwärzen lassen.
Dies geht mit einem Onlineformular. Man füge ein: Name, Adresse, Telefonnummer. Wenn man Google helfen möchte, am besten auch noch Körbchengröße, was man heute schon gegessen hat, wo man sich politisch einordnet, was für eine Stimmung man gerade hat usw., um Google den nächsten Schritt zum gläsernen Menschen erleichtern zu können.
Doch offiziell verspricht das kalifornische Unternehmen, nichts mit den Daten zu wollen, außer damit das Haus zu identifizieren, in dem Herr Müller wohnt. Nur ganz zufällig lässt der Konzern die persönlichen Daten auf einem Casinotisch liegen und windige Werbeagenturen schlagen sich gegenseitig K.O., um die benötigten Informationen zu bekommen.
Und da wundert sich noch unsereins, warum Google Anzeigen neben ihren Suchanfragen schaltet, die zufälligerweise genau wissen, was Herr Müller braucht: Karten für ein Fußballspiel (ausgerechnet an dem Tag, wo er frei hat), Pralinen für die Dame im Sonderangebot oder zufälligerweise einen passenden BH für die Ehefrau - notfalls auch für den Seitensprung, über den Google dann ja auch bereits bestens Bescheid weiß.
Mit Google Street View versucht man nun womöglich auch noch, die Reisebranche unschädlich zu machen, damit sich Google diese günstig aufkaufen kann. Denn wozu noch reisen, wenn man virtuell durch alle Länder der Welt gehen kann und man nebenbei so viel bestaunen kann, als wäre man im echten Urlaub? Irgendwann gibt es auch noch 3D-Bildschirme für den PC, den jeder beliebige Mensch in seinem Zimmer stehen hat. Die Technik entwickelt sich weiter und so fühlt man sich doch gleich, als wie wenn man da wäre. Die Heizung einmal voll aufgeschraubt oder die Klimaanlage auf "eiskalt" gedreht, dann hat man auch noch das richtige Feeling wie im Urlaub. Warum dann noch irgendwo hinfliegen, wenn die Ladezeit am PC nur ein winzig kleiner Teil von der Zeit ist, die man benötigt, um beispielsweise nach Rio de Janeiro zu fliegen? Da denkt man sich ja schon fast, dass jeder hier unser Nachbar ist bzw. sein könnte. Er ist ja so nah...
Während sich Datenschützer mit Leib und Seele dafür einsetzen, dass dieser Fall nie eintritt und das Volk regelrecht auf Knieen rutschend anfleht, dass es um keinen Preis der Welt irgendweile Daten von sich online stellt...zu spät.
Die Idee eines gläsernen Menschen ist nicht unbesingt von Google. Auch twitter, facebook, SchülerVZ und ähnliche "Social Communities" kamen auf den Gedanken. Google hat die Idee nur genommen, ausgebaut und Protest geerntet.
Bei facebook und SchülerVZ sind so viele Angaben von einer Person, dass es inzwischen ein leichtes ist, jemanden zu charakterisieren und sogar zu orten.
Mittlerweile sind so viele Menschen registriert, dass die Benutzer an sich gar nicht mehr wissen, was sie noch online stellen sollen. Sie haben bereits mitgeteilt, dass es lustig war, dass der Chef auf der kürzlich weggeworfenen Bananenschale ausgerutscht ist. Dass man sich darüber lustig macht, dass dies in der DDR nie funktioniert hätte. Dass man traurig ist, dass man nun seinen Job wegen einer harmlosen Banane verloren hat.
Also werden Kuriositäten ins Netz gestellt: Ein Profil für den Skateboard fahrenden Hund, ein Profil für die Klavier spielende Katze, ein Profil von einer fiktiven Figur, die sich ein dreizehnjähriger Junge irgendwo in Alabama, USA, ausgedacht hat.
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Und was, wenn diese Quelle auch erschöpft ist und es kein Halten gibt?
Es folgen: Ein Profil vom Handtuch im Badezimmer, ein Profil von der Duschseife, ein Profil von der Toilette auf der Raststätte Nr. 315 in Deutschland. Und da man unbedingt up-to-date sein will (und noch darüber hinaus), plant man gleich für die Zukunft und erstellt als Jugendlicher ein Profil von dem zukünftigen Kind.
Wir haben jetzt schon gläserne Menschen, es folgt die gläserne Menschheit, wir werden bald eine gläserne Erde haben. Später wird die Sonne einfach durchleuchten können. Diese ist im Übrigen unter "It_burns_5" auf facebook angemeldet.
Doch bevor das in meinem Leben noch passiert, muss George W. Bush ein Pazifist werden, Guido Westerwelle wird überzeugter Sozialist, Arnold Schwarzenegger wird US-amerikanischer Präsident und Nicolas Sarkozy zieht eigenhändig ein Frachtschiff durch den Ärmelkanal.
Ich empfehle mich.