Cape Town Calling
Wie schon so oft wurde der Mannschaft von Trainer Joachim Löw nicht wirklich viel zugemutet. Nach einer 0:1-Pleite gegen Serbien hatten einige Deutschland schon abgeschrieben und dann kam der Knaller: 4:1 gegen England im Achtelfinale!
Jaja, die Engländer waren ziemlich mies drauf. Wäre Wayne Rooney explodiert, wäre das Spiel ganz anders ausgegangen, das weiß jeder. Der Schiedsrichter hat das "zweite englische Tor" im Übrigen nicht gegeben, aber das weiß ja jeder. Der Platzwart hat dort einfach den Fehler gemacht und die weiße Linie ins Tor hinein gemalt. Tja, Pech für die Engländer, oder, wie einige Zeitungen titeln: "Die Rache für 66".
Nun trauen die Fans der deutschen Mannschaft alles zu bis hin zum Weltmeistertitel. Die deutsche Mannschaft sei unschlagbar, unüberwindbar und unerschütterlich. War sie beim 0:1 gegen Serbien auch, bloß war da ein bisschen Pech mit im Spiel, das muss man ja bitte zugeben. Ein Patriotismus macht sich unter den Fans breit, wie man es zuletzt 2006 und 2008 hatte: Überall sind Fahnen, an Autos, an Häusern, ja sogar an Fahrrädern! Da fragt man sich jedoch, wo der ganze Stolz überhaupt herkommt. Liegt es einzig und allein daran, dass man stolz ist, Deutscher zu sein? Wenn dem so wäre, müssten wir ja 24 Stunden an sieben Tage die Woche mit Deutschlandfahnen durch die Straßen ziehen. Ein Ausländer würde uns garantiert für Idioten oder für geisteskranke Amerikaner halten, die das falsche Land bejubeln.
So ziehen Fans an Fans durch die Straßen und feiern den Sieg von elf nassgeschwitzten Männern, die tausende von Kilometer entfernt eine 410 Gramm schwere Kugel über die Linie eines 7,32m x 2,44m großen Kastens drücken. Irgendwann dürfen sie einen Metallklumpen in die Höhe recken und benehmen sich danach wie Dreijährige auf Ecstasy.
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Aber damit man als Fan auch high aus Fußball sein kann, treffen sich 350.000 nassgeschwitzte Menschen bei gefühlten 35°C und jubeln, wen besagter Ball über die Linie hüpft. Natürlich nur, wenn es nicht beim eigenen, manipulierten Kasten ist.
Doch die Fans müssen sich für eine weitere Probe wappnen: Im Viertelfinale am Samstag wartet Argentinien, sozusagen eine Neuauflage von vor vier Jahren. Damals haben wir knapp im Elfmeterschießen gewonnen und anschließend auch die folgende Schlägerei auf dem Spielfeld. Dass dabei Torsten Frings gesperrt wurde, ist nebensächlich für die jetzige Partie.
Auch die Moderatoren geben bei den Kommentaren im Spiel alles: Deutschland gut, alles andere schlecht, lautet hier die Devise. Alle anderen Mannschaften spielen schlechter als die Deutschen, sofern die DFB-Elf vorher ein Spiel gewonnen hat, egal, ob Brasilien, Spanien oder Portugal. Eine Erkenntnis, die mir ein User anvertraut hat. Und Recht hat er, und wie!
Auch beim G20-Gipfel in Kanada hatte das Spiel Deutschland gegen England höchste Priorität. Angela Merkel und David Cameron (englischer Premier, wer's nicht weiß) haben eine Sitzung eigenmächtig unterbrochen, um sich ihrer Fußballsucht hinzugeben. Das dabei die Schuldenuhr der einzelnen Länder unaufhaltsam tickt, ist ihnen egal - Hauptsache, ihr Land verdrischt ein anderes nach Strich und Faden. Dass Angela Merkel dann beeindruckt war von unserer Mannschaft, hat sie dann nachher auch noch schön herausposaunt. Das wissen wir, keine andere Frau hatte so einen beknackten Torjubel wie beim 3:2 bei der Europameisterschaft 2008 gegen die Türkei im Halbfinale.
Doch wo wird uns der Weg noch weiter hinführen? Etwa doch bis ins Finale? Schauen wir mal auf die Möglichkeiten:
Im Halbfinale könnten wir (falls wir es denn gegen die Südamerikaner schaffen) auf Portugal oder Spanien treffen. Je nach dem, welcher der beiden Mannschaften am Dienstag blöd genug ist, sich von seinen iberischen Nachbarn im Achtelfinale rauskicken zu lassen.
Dass die Spanier überall gewinnen können, haben sie eindrucksvoll bewiesen. Beim Spiel gegen die Schweiz war ich nicht da, aber das haben sie sicherlich gewonnen, da brauche ich nicht extra nachzuschauen. Im Halbfinale könnte es dann also im Falle eines Aufeinandertreffens mit Spanien schwer werden. Wir erinnern uns nur zu ungerne an das Finale anno dazumal von 1880 Kartoffelkrieg in der Schweiz und Österreich. Revanche, wir kommen!
Falls wir allerdings doch gegen die Portugiesen ranmüssen, wird das einfacher als gedacht. Das spür ich im Urin. Es sei denn, wir haben eine Pechsträhne.
Im Finale warten dann entweder Brasilien mit dem laufschwachen Ronaldo oder die Holländer mit ihrem eigens mitgebrachten Campingplatz samt Wohnwagen auf uns. Gegen die Niederländer haben wir keine Chance, gegen Holzschuhe sind wir nicht gewappnet. Die faulen Brasilianer kicken wir mit 3:0 weg, da bin ich relativ optimistisch.
Aber so weit ist es noch nicht und so heißt es erst einmal: Cape Town Calling!