Spiegelwelten:Katastrophilia





Katastrophilia
Katastrophilia
Wahlspruch: "Elf Feinde sollt ihr sein"
Kontinent Desertopia
Amtssprache unzählige Stammessprachen
Hauptstadt keine
Staatsform Ausnahmezustand, derzeit im Übergang zu einem Bundesstaat
Regierungsform Angestrebt wird ein parlamentarisches System mit starkem Präsidenten
Regierungschef Provisorischer Premierminister und Obersten Nothelfer Nicolas Vaux-Vaux
Pressedienst Sitting Skulls Bekennerbriefe
Fläche 17.462,16 km²
Einwohnerzahl ca. 18 Mio. Skelette und Geister
Bevölkerungsdichte ca. 2,8 Einwohner pro km²
Währung wenn überhaupt bezahlt wird, dann mit dem Leben
Nationalhymne Stammesgesänge; jedoch ist das Singen selbst häufig verboten
Internet-TLD kein Internet, wird eingerichtet (.kat)
Telefonvorwahl kein Telefon, wird eingerichtet (+110)
Katastrophilia

Katastrophilia ist ein Land der Spiegelwelt auf dem Kontinent Desertopia, allerdings dient der Begriff nicht als Bezeichnung für einen Staat im eigentlichen Sinne, sondern als Zustandsbeschreibung für eine Region. Im Gegensatz zu anderen unzivilisierten und wilden Gebieten befindet sich Katastrophilia nicht am Anfang der Staatswerdung, sondern an deren Ende. Auch mit viel gutem Willen ist hier kein Blumentopf mehr zu gewinnen – das Land hat das tosende Meer des Weltuntergangs bereits hinter sich gelassen und steuert wohlgemut auf die Inseln jenseitigen Irrsinns zu.

Land und Leute

Blick in die Karten…

Katastrophale Geografie:
Zuviel Gebirge, zuviel Ebene, zuviel von allem. Kein Wunder, dass selbst die Bewohner des Landes den Überblick verlieren.

Katastrophilia verfügt über mehr Geografie, als den meisten Kartenzeichnern lieb ist; allein die genaue Kartierung der Berge im Süden des Landes wäre nicht nur eine Lebens- sondern auch lebensgefährliche Aufgabe. Deshalb überließ man das Unterfangen eine Gruppe von Studenten und Praktikanten, die als Ergebnis eine erfrischend ungenaue Skizze des Landes präsentierte – wie viele von den Beteiligten dabei zu Tode kamen, ist bis heute leider ungeklärt und deshalb Gegenstand diverser Talkshows, Gerichtsverfahren und Bestsellerromane (was oft genug miteinander identisch ist).
Der Wissens-Mehrwert der Skizze ist enorm – selbst ein Laie kann erkennen: Das Land fängt irgendwo im Norden und Westen an und endet irgendwo im Süden und Osten. Im Norden gibt es eine Ebene, die sehr groß ist; in der Mitte gibt es oberirdische Erdölseen, die auch sehr groß sind; im Süden sind Berge, die nicht nur groß, sondern auch hoch sind. Mit diesen Bahnbrechenden Erkenntnissen bestückt, entspricht das Kartenwerk voll und ganz akademischen Anforderungen: es hält Dinge fest, die auch zuvor schon alle wussten. Allerdings werden sie nun aber offiziell, weshalb sich einige schwergewichtige Professoren selbstgefällig auf die Schulter klopfen können.
Leider ist bis heute der Vorwurf nicht totzukriegen, die Studenten seien nie nach Katastrophilia gefahren, sondern hätten die Expeditionsgelder versoffen und die Karte einfach so in einer Studentenkneipe beim Bier gemalt – der natürlich vollkommen absurde Vorwurf beruht auf dem Umstand, dass sie (die Karte) sich auf der Rückseite eines Bierdeckels befindet.

…und darüber hinaus

Der Bierdeckel verrät leider nichts über die Eigenarten des Landes. Nichts in der Skizze weist darauf hin, dass Katastrophilia in Hinblick auf Rohstoffe reich wie Krösus ist, allerdings ebenso verschwenderisch: die Prasserei besteht darin, dass man den natürlichen Reichtum völlig ignoriert und stattdessen in erbärmlichster Armut, in Seuchen, Bürgerkrieg, Faustrecht und Gemetzeln dahinvegetiert. Man verschleudert alle natürlichen Geschenke in end- und belanglosen Kleinkram, der das Land zu einem echten Jammertal macht: hier stirbt man mehr, als dass man lebt. Es gibt keinen Strom, keine Kanalisation, keine Wirtschaft, keine Regierung und keine Gerichtsshows. Und Es gibt keine Bierdeckel.
Ganz am Rande ignoriert die Skizze auch, dass Katastrophilia im streng biologischen Sinne keine menschlichen Einwohner mehr hat. Diejenigen, die dennoch dort sind, erfüllen die Definition des Lebens nicht mehr: Leere Mägen Stoffwechseln nicht, und die Sache mit der Fortpflanzung… nur wenige schaffen es in ein Alter, wo das auch nur technisch möglich wäre. Die zuständigen Wissenschaftler (ausgenommen besagte Biologen) sehen darin jedoch kein fundamentales Problem. Sie sind sich nämlich erstaunlich einig darüber, dass die (biologisch toten) Einwohner intelligent sind: Wo Wesen andere Wesen umbringen ohne die Absicht, sie aufzuessen, hat man es zweifelsohne mit ausgeprägter Intelligenz zu tun. Damit erfüllen die Bewohner Katastrophilias vielleicht keine Definitionen (diese wurden sowieso nur erfunden, um Schüler und Studenten zu verwirren und zu bestrafen), aber auf jeden Fall aber gehören sie zu den Daseinsformen. Schließlich gibt es ja auch Viren, und überhaupt: es ist erstaunlich, was dem lieben Gott so alles gefällt.

Völkerselbstmord

Katastrophilia: Kennst du das Land, wo die Patronen glüh'n?

Die eigenartige Daseinsform der Einwohnerschaft Katastrophilias ist eng verbunden mit der jüngeren Geschichte des Landes (es gibt selbstverständlich auch eine ältere, allerdings darf diese nur auf Rezept zur Behandlung von Depressionen eingesetzt werden: wer einmal gelesen hat, wie es im katastrophilianischen Mittelalter zuging, wird schlagartig von allen Selbstmordabsichten befreit: nach der Lektüre weiß man, wie echte Probleme aussehen). Der Zustand des Landes kurz vor dem Robertumkonflikt ließe sich in langen Ausführungen darlegen oder auch nur in einem Satz: Es war die Spielwiese für den Rest der Welt, ein herrlich unterentwickeltes Fleckchen Ozeanien, auf dem sich Bushland mit Amerikanien, Amerikanien mit Russland, Russland mit Hetenland und Hetenland mit dem Imperium Verdinga Prügeleien liefern konnten, ohne dass man befürchten musste, dass die Rabatten im eigenen Vorgarten Schaden nahmen.
Die Bevölkerung Katastrophilias wurde hinsichtlich ihrer Meinung dazu nicht befragt. Sie hatte zu schweigen, immerhin wurde sie ja gerade befreit – zum Beispiel von so lästigen Dingen wie der Menschenwürde oder dem Atmen. Die Bushländer missionierten eifrig, die Hetenländer verteilten ihren Atommüll über das ganze Land und das Imperium Verdinga organisierte für die Katastrophilianer Kreuzfahrten (leider reisten die auf diese Weise Beglückten als Sklaven in der Gepäckklasse).
Im Zuge des Robertum- und Ozeanienkonfliktes verließen die auswärtigen Mächte das Land wie die Luft einen Ballon. Dies kann bekanntlich auf zwei Wegen geschehen, entweder sehr langsam mit an Flatulenzen erinnernden Geräuschen oder sehr schnell (mit Knall) vermittels einer Nadel. Die Katastrophilianer selbst waren eine besonders spitze Nadel, und das letzte Schiff mit Besatzern war noch nicht außer Sichtweise, als sie aufeinander losgingen. Sie wüteten auf unbeschreibliche Weise und beförderten einander eifrig vom Leben zum Tode; an den zentral gelegenen Ölseen kam es zu einem gigantischen Massaker, bei dem Millionen im Kampf aller gegen alle in die Fluten getrieben wurden. Ihre Körper sanken in die öligen Fluten und wurden von der Strömung hinfortgerissen – innerhalb weniger Tage löschte sich die gesamte Bevölkerung Katastrophilias in einem Völkerselbstmord erster Güte selbst aus.

Auferstehung der Toten

An dieser Stelle hätte die Sache erledigt sein können, wäre es nicht zu einer erstaunlichen Verkettung von Zufällen gekommen. Die in den zähen Fluten der Ölseen lebenden Ölsardinen nagten das Fleisch von den Knochen der Verstorbenen, bis nur noch die Skelette übrig waren. Diese saugten das Öl der Seen in sich auf, woraufhin die knöchernen Überreste auf den sandigen Grund absanken. Dort lagerten aber auch hunderte Tonnen radioaktiver Abfälle, die von den Hetenländern hier verklappt worden waren, um den ölsüchtigen Bushländern eins auszuwischen. Strahlung vermag vieles, vor allem aber verändert sie Dinge (auch andere Dinge tun das, zum Beispiel Gewehrkugeln. Allerdings sind die Ergebnisse nicht so unterhaltsam wie bei der Radioaktivität).
Verfolgt man die Gleichungen des Lebens, findet man an deren Ende immer wieder eines: Energie. Das Öl in den Knochen der Verstorbenen war Energie – genauso genommen handelte es sich um verflüssigtes Leben. Strahlung verändert die Dinge: Der wandernde Sand am Grund begann sich über die Skelette zu legen und drang dabei in die hohlen Köpfe vor. Sand – das ist vor allem viel Silizium: in der richtigen Anordnung werden daraus ein Prozessoren und Speicher. Das ölige Leben in den Knochen, die Siliziumhirne, der zündende Funke der Strahlung, der alles miteinander verband. Eines Tages stieg das erste pechschwarze Skelett aus einem der Ölseen und wurde schnell von der erbarmungslosen Sonne gebleicht. Ihm folgten Hunderttausende, später sogar Millionen.

Geist ist geil
Bettlaken als Lösung aller Schamprobleme

Aktuelle Entwicklungen

Der scheinbaren Endgültigkeit des Todes zum Trotz schlossen sich an die Skelettierung der Bevölkerung eine Reihe einschneidender Entwicklungen an. Nach einer eher zufälligen Öffnung des Landes zur restlichen Spiegelwelt hin lösten Lightening und Jan Delay Anfang 2011 eine Knochengrippe aus, die weite Teile der katastrophilianischen Bevölkerung befiel und dahinraffte. Wenngleich bereits tot, lösten sich nun auch noch die Knochen der Betroffenen auf. In manchen Fällen blieb jedoch eine Art Geister zurück, die sich in einem Anfall akuter Schamhaftigkeit Bettlaken überhängten.

General Pjotr ben Absurdh
Der erste Nichtputschist Katastrophilias

Die Seuche bewirkte nicht nur einen rapiden Rückgang der Bevölkerung, sondern auch einen politischen Wandel: Die Hilfsorganisationen vor Ort übernahmen die regierungsgeschäfte und führten Katastrophilia in den Weltsicherheitsrat. Darüberhinaus sollte das Land nach dem Willen der Weltgemeinschaft in einen Bundesstaat umgeformt werden. Außerdem strömte im Austausch für Rohstoffe Technologie unter anderem aus Electronia ins Land. Viele der Untoten besorgten sich kybernetische Plantate und eine Art "Körperkleidung", so dass reine Skelette seit einer Weile kaum noch zum Straßenbild gehören.
Allerdings erwies sich die Umgestaltung als nicht so dauerhaft und stabil wie gewünscht. Im Sommer 2011 zog sich die neue Regierung in einen Sommerurlaub zurück, aus dem sie aus einer gewissen Ernüchterung bis heute nicht zurückkehrte. Dieses Regierungsdefizit wurde von der Sekretariatsliga unter Irmgard Mauerblum genutzt, die sich der gewaltigen Ressourcen des Landes bemächtigte. Nach Ende ihrer regierungsmäßigen "Urlaubsbetreuung" stand Katastrophilia erneut vor dem Zerfall, so dass sich General Pjotr ben Absurdh dazu gezwungen sah zu putschen - genau fünf Minuten lang. Absurdh erwies sich als völlig untypischer Vertreter seiner Gattung: Ihm gefiel das Experiment namens "Rechtsstaat", weshalb er die Regierung wieder einsetzte - die allerdings weigerte sich zu erscheinen.
Seitdem wird Katastrophilia von unfreiwillig regierenden Pjotr ben Absurdh und Raoul Schwanensang, dem ehemaligen und nicht in den Urlaub geflohenen Sprecher der Regierung, geleitet. Beide haben weder ein offizielles Amt noch Titel noch klar definierte Aufgaben und Befugnisse. Sie machen einfach, was sie für richtig halten und was anscheinend getan werden muss.

Verwaltungsgliederung

Funeralküste Grabessinien Oblast Mjork Iota Republik Mordau Unterrasen Zombiscaya

Politik und Gesellschaft

Ave duci novo, similis duci senici

Sensemanen bei der Arbeit:
Hüt' dich, schön's Blümelein.

Die Knochenleute genannte untote Daseinsform in Katastrophilia stellt kein Novum in der ozeanischen Geschichte dar. Aus der Republik Skelettküste sind derartige Prozesse seit langem bekannt, allerdings verlaufen sie dort wesentlich zivilisierter (was meist bedeutet, dass man das Blut nicht sieht: Barbaren foltern sich öffentlich, zivilisierte Leute hingegen tragen Gummischürzen in dunklen schalldichten Kellern, um die Bevölkerung draußen nicht zu beunruhigen; vor allem aber sagen sie später, dass sie nur Befehle befolgt haben). Aus braven loyalen Untertanen werden bei guter Führung nach dem Tod noch bravere und loyalere Klappergestelle, die gern verwalten, sich an Gesetze halten und Fußball mögen (von Gummischürzen hört man nichts, aber vielleicht beweist das nur, wie schalldicht die Keller sind).
Die Knochenleute hingegen sind nicht zivilisiert. Sie sind nicht brav und auch nicht loyal. Es gibt eine Redewendung die besagt, dass die Knochen sich erinnern – bei den Bewohnern Katastrophlias ist das zweifellos der Fall. Sie erinnern sich daran, dass sie früher schlafen, essen und Angst haben mussten, und schlussfolgern daraus messerscharf, dass das Hier und Heute wesentlich besser ist. Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse.
Es überrascht nicht, dass Arbeit (im Sinne von Arbeit, nicht Hobby) nicht zu diesem Tanzen dazugehört: Wer neben dem Wunsch, dem Nachbarn eins überzubraten, kaum andere Bedürfnisse hat, sitzt nicht von acht bis sechzehndreißig im Büro. Allerdings beobachten die Knochenleute die in der Welt außerhalb ihres Landes üblichen Lebensformen mit ausgesprochenem Interesse und probieren vieles aus. Besonders das Prinzip am-Abend-mit-Patoffeln-auf-dem-Sofa-lümmeln-und-fernsehen hat es ihnen angetan. Wie gebannt starren sie auf den schwarzen Bildschirm eines verschrotteten Fernsehers, der in Ermangelung von Strom und Steckdosen schwarz bleibt. Die Knochenleute finden das trotzdem toll.

Religion

Tote sind von Natur aus nicht religiös, da der Grund für derartige Aktivitäten von entfällt. Wer keine Angst vor dem Teufel hat, braucht auch keinen Gott. Allerdings sind die Katastrophilianer äußerst traditionell (einer der wenigen Punkte, bei dem sie sich einig sind), weshalb zum Beispiel der Stamm der Kürbisköpfe eisern am Christentum festhält, das ihm die Bushländer brachten. Allerdings haben gewisse Jenseitsvorstellungen auch bei ihnen ihren Reiz verloren – schließlich wissen sie aus erster Hand, dass es nicht funktioniert.

Ungemeinschaft

Die einzige stabile Gesellschaftsform, die Katastrophilia je hervorgebracht hat, ist die des Stammes. Von ihnen gibt ist eine unüberschaubare Anzahl, die zudem täglich fluktuiert. Selbst die Katastrophilianer schaffen es nicht, dabei den Überblick zu behalten. Von Belang sind daher vor allen die elf großen, stabilen Stämme, die so genannten Elf Feinde.
Doch selbst bei den großen Stämmen lässt sich kaum eine klare verbindende Linie erkennen: Die Sensemanen und die aristokratischen Altschnitter mögen aus unerfindlichen Gründen Ackerbau und Gartenarbeit, die Grausbuben und die Rotentoten führen sich mit Vorliebe ganz besonders vandalisch auf, die Karteileichen mögen Technik (besonders dann, wenn sie auf Knopfdruck Explosionen verursacht) und die Grabpiraten erproben gerade einen verknöcherten Sozialismus – die verbleibenden Stämme haben noch skurrilere Neigungen. Das Land ist dank seiner prägenden Stammeskultur letztlich kaum mehr als ein loser Bund von ewig im Zank liegenden Gruppen, mit anderen Worten – eine Musterdemokratie. Nirgendwo sonst wird Politik derart direkt von unten nach oben betrieben, wobei sich in den letzten Jahren gewisse Traditionalisierungen bemerkbar machen, die von einigen Euphorischen als erster Ansatz zur Staatswerdung interpretiert werden (Das ist natürlich Unsinn. Auch verfeindete Straßengangs haben die „Tradition“, sich zunächst vollzupflaumen und erst dann niederzuschießen. Niemand würde da von „Tendenz zur Entwicklung und Einhaltung zivilisierter Regeln“ sprechen.).

Wahltag:
Kommet ihr Hirten...

Warlord des Monats

Zentrales Ereignis für ganz Katastrophilia die Wahl zum Warlord des Monats. Das Wort Wahl ist dabei allerdings irreführend, denn das Prozedur läuft wie folgt ab: Jeder Stamm schickt seinen besten Krieger ins zentral gelegene Gebeiningen im Stammesgebiet der Karteileichen, wo diese dann in einer Art Arena gegeneinander antreten. Diese Kämpfe finden jedoch nicht Mann gegen Mann (bzw. Skelett gegen Skelett) schön der Reihe nach statt, sondern gleichzeitig. Elf Skelette prügeln gleichzeitig aufeinander ein – das Ergebnis ist unweigerlich ein großer Knochenhaufen. Aus diesem wird zunächst ein Skelett rekonstruiert – meist besteht es aus Einzelteilen aller elf Stammeskrieger. Dies ist der so genannte Warlord des Monats. Anschließend dreht eine wunderschöne Knochenfee vom Stamm der Karteileichen noch ein Glücksrad, mit dessen Hilfe der Stamm bestimmt wird, der in diesem Monat gewonnen hat. Ob das tatsächlich der Fall ist, spielt überhaupt keine Rolle: verfahrensrechtliche Fragen haben die Katastrophilianer noch nie interessiert.
Der Warlord des Monats gilt als Anführer des Stammesbundes, hat aber so gut wie keine reale Macht. Sollte es zum Krieg mit dem Ausland kommen, wäre er der Anführer, allerdings neigen alle katastrophilianischen Krieger dazu, zu machen, was sie wollen. Was relativ unbemerkt bleibt, ist die Macht der Knochenfee. Sie ist die einzige, die dauerhaft im Amt bleibt (es hat sich einfach so eingebürgert, außerdem ist sie wirklich wunderschön), außerdem neigen die Stämme dazu, auf sie zu hören – schließlich möchte man am besten schon im nächsten Monat Warlord werden.

Wirtschaft

Arbeit a la Katastrophilia:
Wirtschaftswunder sind hier nicht zu erwarten.

Über eine Wirtschaft im eigentlichen Sinne verfügt Katastrophilia nicht. Die gewaltigen Rohstoffreserven des Landes bleiben weitgehend ungenutzt, denn die einzelnen Stämme kümmern sich lediglich um ihren Eigenbedarf, der erschütternd gering ausfällt: Tote brauchen keine Nahrung und eigentlich auch keine Kleidung (auch wenn die Gewohnheit da etwas anderes sagt), sie brauchen stattdessen trockene Grabstätten, an denen die Knochen nicht schimmeln – und natürlich Waffen. Infolge dessen sind Bau- und Rüstungsgewerbe die entscheidenden Bereiche wirtschaftlicher Aktivität. Die Fertigkeiten der katastrophilianischen Einwohner kommen dem sehr entgegen: niemand ist so fingerfertig wie ein Skelett, dass das Zittern hinter sich hat.

Import

Dennoch ist Katastrophilia so ziemlich das Gegenteil von einem autarken, nach außen hin abgeschotteten Land (von denen es ja in Ozeanien recht viele gibt). Es ist vielleicht sogar die offenste Gegend der Welt, wenn man nach Dingen geht, die ins Land kommen – besonders dann, wenn die Beute von Piraterie und Raubzügen mit eingerechnet wird. Vor allem haben es die Bewohner auf Kaffee abgesehen, über die Gründe kann nur spekuliert werden. Angeblich verhilft er den ansonsten recht nüchternen Skeletten zu rauschartigen Zuständen, wie sie sonst nur im Blutrausch einer Schlacht zu erreichen sind. Daneben importiert Katastrophilia vor allem Abfall, insbesondere Altmetall und gebrauchte Waffen. Hierbei entsteht eine gewisse Win-Win-Situation: die Exporteure sind den Schrott los, die Katastropilianer haben, was sie brauchen.

Export

Hauptexportgut Katastrophilias ist Furcht, genauer: die Furcht davor, dass die Toten eines Tages entdecken könnten, dass sie A) ziemlich mächtig und B) auch noch viel mehr sind. Den Lebenden kommt es entgegen, dass sich die Katastrophilianer vorzugsweise selbst bekämpfen. Die Furcht zählt daher als Tauschware im katastrophilianischen Außenhandel; so werden die importierten Güter wie Kaffee, Munition, Altmetall und gebrauchte Waffen geliefert, ohne dass eine Bezahlung im eigentlichen Sinne stattfindet: Die Katastrophilianer verzichten einfach darauf, die Welt, mit der man so gute Geschäfte machen kann, zu überfallen. Allerdings kennen auch sie das Leonardo-da-Vinci-Wort: Wer zur Quelle gehen kann, der gehe nicht zum Wasserkrug.

Unkultur

Wer bombardiert die Hochzeit:
Das Abwerfen von unerwarteten Gästen erfreut sich höchster Beliebtheit.

Kultur ist immer eine Frage der Freizeit und entwickelt sich deshalb vor allem dort, wo Menschen nicht in jedem Augenblick fürchten müssen, zu verhungern oder erschlagen zu werden. Für Katastrophilia trat dieser Fall erst in dem Augenblick ein, als alle Bewohner verstorben und die Untoten das Ruder übernommen hatten. Eine Möglichkeit zu haben bedeutet aber noch lange nicht, sie auch zu nutzen: Musik, Kunst und Literatur sind mittlerweile zwar rein theoretisch bekannt, allerdings erschließt sich den Katastrophilianern der Sinn dahinter nicht: Schlachtgesänge brauchen keine Komponisten, Schlachten gehen zu schnell, als dass man sie malen könnte und Gefallenenlisten sind nichts für Schriftsteller.

Sport und Spiel

Wie für kein anderes Land gilt für Katastrophilia: Sport ist Politik. Jedes sportliche Ereignis entspricht einem neuen regionalen Bürgerkrieg, bei dem die Zahl der Verletzten (die Zahl der Toten entspricht ja der Teilnehmerzahl) Auskunft über Sieger und Besiegte gibt – und damit auch über Gebietsveränderungen. Besonders beliebt ist eine rugbyartige Sportart namens „Offene Feldschlacht“, bei der sich die teilnehmenden Gruppen zu langen Reihen formieren und auf ein bestimmtes Zeichen hin laut schreiend aufeinander losstürmen. Jedoch wird dieser klassische Sport von neueren Formen wie „Anschlag aus dem Hinterhalt“ oder regelrechten neuen Sportformaten wie „Wer bombardiert die Hochzeit?“ langsam verdrängt. Neben den großen, auf Stammesebene betriebenen Sportereignissen stehen die kleineren regionalen Spiele, die allesamt einen unterhaltsamen, aber auch lebenspraktischen Aspekt haben wie etwa „Dieter sucht den Schädeldieb“ (DSDSD).

Sprache und Schrift

Neben den unzähligen Stammessprachen, die selbst die Katastrophilianer untereinander kaum verstehen, existiert seit der Interventionszeit eine rudimentäre gemeinsame Sprache, die eine wilde Mischung aus bushländischen Englisch, Dunkeldeutsch, Russisch und so ziemlich allem darstellt, was je ein Besatzer in Katastrophilia einmal gesprochen hat. Das Ergebnis ist atemberaubend krude und wird zu allem Überfluss auch noch mit arabischen Zeichen verschriftlicht, die vollkommen willkürlich bestimmten Buchstaben zugeordnet werden. Das Ergebnis ist eine Katastrophe für sich.



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