Pippi-Langstrumpf-Syndrom
Das Pippi-Langstrumpf-Syndrom (PPL-Syndrom oder PPLS) verdankt seinen Namen der Zeile in Pippi Langstrumpfs Lied »ich mach mir die Welt, widewide-wie sie mir gefällt« und beschreibt einen psycho-pathologischen Zustand des Geistes, der durch Realitäts- und Identitätsverlust bei gleichzeitigem Erfinden einer Phantasie-Identität und Scheinwelt gekennzeichnet ist. Diese Symptome werden wie folgt im Kinderlied beschrieben: »Zwei mal drei macht vier, widewidewitt, und drei macht neune« (2x3=4 4+3=9). Pippi Langstrumpf ignoriert die objektive Realität und phantasiert sich ihre Welt nach Gutdünken zusammen.
Pippi-Langstrumpf-Phasen I und II in der Persönlichkeitsentwicklung
Im Kindesalter ist dies unbedenklich und tritt sowohl im Kleinkindalter als auch in der Pubertät auf, wird aber im Laufe einer normalen Persönlichkeitsentwicklung überwunden. Daher spricht man beim Kind nicht von Syndrom, sondern von den Pippi-Langstrumpf-Phasen I und II. In Phase I mit ca. 3 bis 5 Jahren neigt das Kind zu phantastischen Lügengeschichten. Es behautet, fliegen, zaubern oder seine Zunge aus dem Mund herausnehmen zu können. Spätestens mit dem Schuleintritt sollte das Kind über die Phase I hinweg gekommen sein. In Phase II, die kurz vor dem Eintritt Pubertät beginnt, neigen vor allem Jungen zu abenteuerlichsten Schilderungen eigener Heldentaten. So behaupten sie z.B. mit dem Truck des Vaters gefahren zu sein oder den Server der CIA gehackt zu haben. Typische abstruse Phantasie-Szenarien finden sich in Pippi Langstrumpfs Lied: »Ich hab ein Haus, ein kunterbuntes Haus, ein Äffchen und ein Pferd, die schauen dort zum Fenster raus.«
Was beim Kind und Jugendlichen als normale Entwicklungsstufe gilt, muss beim Erwachsenen als krankhafter Realitätsverlust betrachtet werden, sofern ein Fall von schwerer Dummheit auszuschließen ist.
Symptome
Die Symptome des PPL-Syndroms sind nicht immer einfach zu erkennen, da die Betroffenen sich teilweise auf reale Fakten beziehen, ihre Äußerungen mit heiligem Ernst und in tiefster Überzeugung vortragen und es dem Zuhörer oftmals nicht möglich ist, das Behauptete an Ort und Stelle zu überprüfen. Ist der PPLS-Betroffene mit einer passablen Bildung ausgestattet, wird er diese zur Ausschmückung seiner Geschichten einsetzen und sein Publikum mit Pseudo-Fakten beeindrucken.
Euphemisieren
Der PPLS-Betroffene neigt zu maßlosen Übertreibungen, zum Schönreden und unverhältnismäßigem Lob. Er kann jeden Malus zum Bonus umdeuten, etwas Unscheinbares zur Attraktion, eine Alltäglichkeit zu Sensation. Eine Banalität kann ihn (auf für nicht Betroffene befremdlich wirkende Art) enorm beeindrucken und wird gern später in Lügenmärchen und Heldensagen eingebaut:
Lügenmärchen und Heldensagen
Das erfinden von Lügenmärchen und Heldensagen (ugs.: »Auf die Kacke hauen«) mit der eigenen Person als Hauptdarsteller ist ein weiteres typisches Symptom von PPLS. Meist enthalten die Stories einige reale Fakten, Orte, Personen usw., um die herum der PPLS-Betroffene seine Geschichte phantasiert. Sein Bestreben gilt dabei immer der besonderen Herausstellung der eigenen Person, seiner Fähigkeiten, seines Trickreichtums und Glücks. In den meisten Geschichten tritt er als Held oder Retter auf. Ist es unvermeidbar, nimmt er mit der Rolle des tragischen Helden vorlieb. Dann kann er immerhin noch mit einem schweren Schicksal punkten. Der prominenteste Erfinder von Lügenmärchen und Heldensagen dürfte Baron von Münchhausen gewesen sein.
Mit Pseudowissen prahlen
PPLS-Betroffene entwickeln ein instinktives Gespür dafür, was ihre Zuhörer wissen können und was nicht. So finden sie geeignete Ansatzpunkte für das Verbreiten von Pseudowissen. Beispielsweise kann es vorkommen, dass ein PPLS-Betroffener einem Nicht-Italiener erzählt, in Rom wäre Parmesan gänzlich unbekannt, wenn er davon ausgehen kann, dass der Nicht-Italiener diese Behauptung nicht überprüfen und widerlegen kann. Der PPLS-Betroffene jongliert mit Zahlen und Statistiken, die sich nach Insiderwissen anhören und ihn als Experten erscheinen lassen. Er erfindet Definitionen und gibt Meinungen und Zitate bedeutender Personen zum Besten, die er sich ausgedacht hat.
Psychologisieren
Manche PPLS-Betroffene finden ihre Befriedigung im Psychologisieren. Sie geben ungefragt und meist ohne ausreichende Kenntnis sowohl der betr. Person als auch, und – dies ist besonders problematisch – der Psychologie Einschätzungen, Urteile, Analysen und Vermutungen ab, die ihnen nicht zustehen, und spinnen sich so Zerrbilder von Personen ihres näheren und ferneren Umfeldes zusammen, die sie ungefragt völlig Unbeteiligten zum Besten geben.
Im Fortgeschrittenen Stadium achtet der PPLS-Betroffene nicht mehr darauf, dass die von ihm »Analysierten« nichts von seinen Spekulationen erfahren.
Bei all diesen Erscheinungsformen von PPLS lügt der Erkrankte nicht oder spielt Emotionen vor, sondern er »macht« sich seine Welt, wie sie ihm gefällt, mit ihm als dem wissenden, könnenden und unverzichtbaren Helden im Mittelpunkt. In jedem Fall glaubt der Erkrankte felsenfest an die Richtigkeit seiner Äußerungen. Widerspruch ist in den meisten Fällen zwecklos.
Ursachen
Über die Ursachen von PPLS liegen verschiedene Studien vor, die jeweils unterschiedliche Aspekte beleuchten. So kann eine problematische Kindheit zu PPLS führen, die Nichtüberwindung von Phase II gilt ebenso als Ursache, Minderwertigkeitskomplexe, Langeweile, mangelnde Herausforderungen oder das Fehlen eines regulierenden Umfeldes werden genannt. Sekundärerkrankungen wie Spiel- oder Alkoholsucht verstärken die Symptome oder können ein PPLS auslösen.
Therapie
Die Therapiemöglichkeiten von PPLS sind sehr eingeschränkt, da die Betroffenen selten einen Leidensdruck entwickeln, der sie veranlassen würde, eine Therapie in Erwägung zu ziehen. Besonders schwierig sind Fälle, in denen keine materiellen Zwänge bestehen, die Scheinwelt zu verlassen. Die wenigen dokumentierten Fälle von therapierten PPLS-Betroffenen stimmen wenig optimistisch. 83% von ihnen waren 5 Jahre nach der Therapie nicht mehr symptomfrei. Die einzige Möglichkeit, den Betroffenen eine sinnvolle Zukunft zu ermöglichen, ist der Eintritt in eine Partei und die Wahl in den deutschen Bundestag.